Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 11, 1914, Image 10

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    D M M i
i
Redeile von Gottfried Höltueih i
Durch die Fenster des langen Sitt
diersaales, der an der Wesiseite des
Jnternats lag, drängte die Früh
lingssonnr. Die weißen Wände
glänzten aus, die Messingrohre der
Gaslaknpen sunielten. Sogar die
schwarzen Pulte. vie in strengen Nei
hen dastanben, verloren ihre düstere
Stimmung Nur die Schüler, jun
ge Leute, die eben den ersten Friilk
ling des Lebens begehen sollten, ver
snvertrn sich wenig. Fast regungs
los saßen sie par ilafsenden Lehrbu
chern, stiltzten den Kopf in die hän
de und verhielten sich die Ohren; ib
re Augen schlossen sich zeitweise, und
ihre Lippen bewegten sich lautlos aus
und nieder wie die Teile einer Ma-«
schine. Examen stand bevor. Der
Professor der Naturgeschichte war
iehr rauh und streng.
Nur Johannes Kistler vergaß bas.
Seit die Frühlingssonne durch die
Fenster lockte, vutchbebte ihn ein Ge
fühl, das ihm das herz wär-nie und
seine Pulse unruhig machte. Er hob
den Kaps, sah über das ossene Buch
hinweg und träumte in den blauen
Himmel hinein. Wie wertlos er
schien ihm plötzlich dieses mechanische
Lernen! Ein Raubtiergebiß: wie bie
le Schneide-, Eis-. Linken-, Reiß- und
Mablziihnef Wozu? — Aber drau
ßen sein, mitten im Wald, zwischen
lebendigen Bäumen, den Fuchs wirt
lich sehen, wie er aus der Höhle
schleicht, lauert, Beute sucht, Gefahr
ahnt, Iehltoege gebt, wie er fürch
tet und hofft, sich freut und zittert,
wie schön müßte das sein! Dieses
triebmiißige, instinttgliiciliche Leben
draußen zwischen Sonne und Wind!
Und eine Sehnsucht erfaßte ihn. mit
ten im sreien Frühling zu stehen.
Immer ruhloser klopfte sein Blut,
seine Augen umslorten sich, roter
färbte sich sein Gesicht. Er spürte
schon die Waldzioeige über seine Bal
len streicheln, ahnte das seidene Grad,
in das er sich legte loie in ein könig
lichet Bett, und bedte vor der Son
ne, die ihm iiher das Gesicht rieselte.
Draußen vor den Fenstern wandel
ten silbertveiße Wollen vorbei, alle
von Glück gefchwellt, von Glanz über
strahlt. Sie zogen dahin wie Segel,
die nach milden Lüften strehlen, und
manche waren wunderlichen Vögeln
gleich.
Johannes schaute und fchauie. Ein
inniger Wunsch, der immer lauter
nnd oufioiihlender wurde, bewegte
ihn: Wollen, Wollen, nehmt mich
doch mit, tragt mich fort aus diesem
ekligem steifen Saal! Werft mich hin
ein mitten in den bewegten Wald,
loifchen Blumen und Vogellieder, tief
gemin, und ich werde selig, überfelig
fein.
Wunder Taumel erfaßte ihn, als
tönte ein fernes Karosseli. Alle
Dinge um ihn fielen aus feinem
Eli-t. Er fah nur mehr Träume,
riefelnde, tönende Träume. Seine
Hände bebten. Und eine, vorn Blut
gedrängt, griff nach dem rotholzigen
Bleiftift, der wie eine strahlende Li
nie auf dem Pult lag und schrieb auf
einen weißen Zettel etwas hin von
dieser heraufchten und immer mehr
deraufchenden Frühlingsfeligleih
Wollen, Wollen« nehmt mich doch
seit
Und die Hand schrieb weiter —
weiter —- und, wag sie schrieb das
reimte und rundete sich aus zu einem
innigen Gesang:
Wolken, Wolken nehmt mich doch
mit
aus diesem Kerkerstein,
beflügelt euern weißen Schritt,
o nehmt mich mit, mit,
und werft mich irgendwo in den
Wald hinein!
So stund sein erstes Gedicht aus
dem Papier Es war die rhythmi
sche Lostösung eines unbändigen Ge
siihies, e5 war der Schrei einer ge
sangenen Seele nackt Freiheit
Und dieser Schrei etlöste aus der
engen Qunl fast wie die Freiheit
selbst Johannes las das Gedicht
immer wieder und wußte vor Selig
seit selbst nicht mehr-, wie das Ge
dicht aus das Papier kam«
Arn nächsten Tag in der Naturge
schichtsftunde fragte der Prosessor:
»Wer-aus besteht das Raubtiergebiß
der Hunde? —- Kistler!'«
Johannes, der in des hintersten
Bank saß, hörte at nicht, daß er
gerufen war, und chaute immer M
unter die sehst
aiistleria eies der Prosessor noch
ml und laut, nnd die Mitschiiier
ist-tu sich m
Johannes suhr erschrocken auf.
wurde rot und sagte zerstreut: «Vol
Its- sit Its
Ein lautet Aufl sller Schäfer
s m Mond see unt brach
stell in den Ohren des junges
«Schaut mir m des zerstenten
Mist-U Its-« dzie Ist SCHM- Jst
M the m Bankiers-bis
, entt- ek Hasmäettoqs ishr
qus xk keine nstuwschichik lex-its
Dichten tut er, schen-, Hat-! Und·
Iwas tiir ein Zeugs«
) Der Professor las das Gedicht lanti
dor. Johannes hätte sich vor Scham
am liebsten verkrochen Die Schü
ler lachten gre!l, nnd der Professor!
iiagtn Nicht einmal ein Verdmaßi
kann er und will schon dichten Schatz
lfchani Und in die Natur möcht' er
fhinans nnd lernt nicht einmal seines
kNaturgefchichte. Du bist mir noch»
fo ein Bursche!«
Bart diesem Tage an nannten ihn
jsein Mitfchiiler den Wasserdichterc
Johannes wurde schen Wenn
im Unterricht ein Gedicht zur Be
handlung lam, wurde er schon rot.
kSah er einen Mitschüler lachen so
meinte er, es gelte ihm. So kam
e,s daß er ein Einsiedler wurde mit-s
ten unter allen Jungen
; Als dser nachfte Fasching lam, war
Johannes schon um fast ein Jahr öl
ter geworden. Aber die Geschichte
ivon seinem ersten Gedicht war noch
immer lebendig. Lehrer und Schil
ler dachten daran toie an ein Ver
gehen über das man zwar lacht und
das man nicht bestraft aber das
man auch nicht vergißt. Schon am
jNarremonntag tam zu dieser Ge
Jschichte eine andere.
I Jm Feftsaal tvar ein Theater auf
gerichtet, in dem die Jnterniften ihre
humoristische und fatnische Bühnen
tiinfte zur Schau brachten.
Schon tam die fechste Nummer des
Programms: »Die Zulunft«. Alle
Zuhorer waren gespannt. Der Vor-;
bang ging auf. Einer, halb Narr,1
halb Minnesiinger, trat im roten Ge
wand, in gelbschtoarzer Schellentappe,
rnit einem Degen nnd einer alten
Laute ausgerüstet, in die Mitte der
Bühne, verneigte sich einige Male;
grimmassenhaft tief und begann:
«Jch bin die Zutunft die kommende
Zukunft Jch bin das größte Genie,4
das je die Welt getragen bat. Dan
te nnd Goethe find nur Dichterltnge
gegen mich. Jch werde die Welt
mit meinem Geiste üderichsattem daß
sie ftaunen wird, wie sie noch nie ne
staunt hat.' Der varooisator zog"
seine gevehnte Unterlippe zur Rasen
spihe hinaus, machte selbsthewußte
wetten und fuhr dann wieder weiter-«
»Könige und Kaiser werden von ils-;
ren Thronen herabsteigen und vor’
mir die Knie beugen. Alle Frauen
werden die beste Seide vor mir aus
die Wege breiten. Die Vögel in der
Lust werden sich rausen darum, mich!
zu nähren, und alle Ochsen werden
yurra schreien und alle Elel: Heil
ihnrl Und nrein Name wird durch
die Welt klingen, als hätte ihn der
Erzengel Michael himingeschrnettert,
mein göttlicher Raine: Johannius M
stelrnanu!«
Ein tobendes Lachen flog aus al
len Teilen des Saales aus. Johan-?
ries, der längst geahnt hatte, wohin
ydie Narrenrede zielte« wurde sieberrol.
»Als er alle Augen so aus sich gerich-.
Htet sah und fühlte, wurde es lhrnz
schwindelig. Sein Herz hömrnerte.«
Es dunleue vor seinen Augen« und
ltnisternde Sternlein wirdelten vor
sihrm Er hörte et iaurn mehr, wie»
»der Jmprovisator gestenhast eine böse
sParodie zur salschgestimmten Laute
»lang: »O Esel, Esel ninnn mich rnit
I...« Johaan hörte noch etwas vonl
»,,grauen Schritten« —- von einer
I,’llsiihe« . . .
! Wieder flog das beisallssturmreiche..
tobende Lachen aus allen Teilen des
Saales aus. Johannes sah auch
!noch, wie hinten arn Tisch- wo die
Lehrer mit ihren Frauen saßen, ei
nige Gestalten sich erhoben und la
chend oorsahrn. Plöhlich wurde der;
jVerspottete ireidebleich, siihlte eisialiI
ten Schweiß aus der Stirn, erhob sich?
und wankte in den hausgang undf
von da aus in den anschließendew
IGarten hinaus. i
Johannes stohnte aus und sank
ohnmachtig in den zerfetzien Schnee
. . . . Ruhloser Höhn der aus Sü
den wehte, wolbte den Himmel weit
aus und drängte die letzten Schnee
wolten an die Horizonte. Tiefe
Blaue umfloß den großen Mond, der
wie ein frisches Gesicht in den Gat
ten herabsah. Alle Bäume stöhnten
aus wie Schlafende kurz vor dem Er
wachen· Alle Sträucher zitterten
stoie vor einem großen Wunder, das
swie tönende Musik aus dunkelblau
Jen Fern-n nahte. Johannes sah und
hörte nichts von all dein. Er lag,
die Arme an den schmalen Körper
gepreßt, den Kopf zur Brust gesentt,
zitternd ans der nassen Erde.
Jrn lärmenden Saal siel seine
lange Abwesenheit aus« Einige Schli
ler suchten nach ihm. Da er sehr
schwach war, trug man ihn in den
Schlassaal nnd dann, da sich sehr
bald ein heißes Fieber einstellte, tn
das Krankenzimmer.
Der Arzt wurde erusen. ,,Soa
derbar,« ugte er, »so scheint ei, als
ob das rz stockte." Er blieb bei
dem Kranlen und fühlte des en Puls.
Da- Iiebee steigerte steh. ach eini
ger Zeit stellte der Arzt Wachse-ehe
Lungenentzündung fest.
Arn nächsten und über-nächsten Tag
wählt-munte- sich der Zustand immer
nie . Don Feder-träumen "nält,
las Johannes da uns wälzte wie
Seh-Irr t
Petri-das Izu zerfrle rte end-z
W nagte- M It .
oonderss l Jedwilleteuch
vortragen. heißt es: »Alten«
Wollen. nehmt mich doch mit!«. .· .«
Bald trat grosse Ermattung ein.
Er lallte nur mehr, lag zitternd im
Bett, als hätte ihn ein Frost über
fallen, nnd schloß die Augen. Der
Arzt maß das Fieber, das unant
hnltsfn an höher stieg, und schüttelte den
Plllslich schlug Johannes die Un
gen aus. Sie glänzten wie laltes
Glas und drehten sich langsam nach
dern Fenster-. Ganz leise und abge
brechen als llänge seine Stimme
schon aus dunkelblaaen ernen her
sagte er: ·Wollen —- ollen —
nehmt — nach —- mit....'
Mit offenen Augen blieb er liegen
und erstarrte. Der Arzt drückte ihm
die Augen zu Und sagte, nachdem er
die stumme Ader berührt hatte: ,Die
Wollen haben ihn mitgenommen.«
c o ging er dahin ähnlich wie ein
junger Falle, der. als er zum ersten
Male zur Höhe flog, von etner Kugel
getroffen wurde-, daß er niedersank
und verschied.
per Decier-.
Von einem kleinen heiter-ernsten
Elednis, wie es manchem schon be
gegnet, handelt die folgende hübsche
Plauderen Jch war vor die Frage
gestellt, ob ich mit dem Sechsuhrzug
fahren und also um fünf Uhr aufste
hen, oder oh ich mit dem Neunuhrs
zug fahren sollte und also erst um
acht Uhr aufzustehen brauchte. Sym
pathischer war mir das letztere. Ader
der Neuheit wegen und aus Lust an
unbekannten Sensationen wählte ich
den Sechsuhrzug. Dieser Entschluß
hatte sur Folge, daß mein Weder in
Tätigkeit treten mußte. Es war
schon sehr lange her, daß ich ihn ge
kauft hatte. Damals hatte mir der
Uhrmacher genau ertlärt, wie man
es machen müsse, aber das hatte ich
aus Mangel an Uebung längst der
gessen. Jch setzte mich also abends
hin und suchte, hinter das Geheimnis
meines Werterö zu kommen. Es
dauerte ziemlich lange, aber um halb
eins in der Nacht hatte ich die Genug
tuung, daß ich meinen Weiter durch
und durch kannte und ihn losrasseln
lassen konnte, wann ich wollte. Ich
stellte ihn auf ein, auf zwei, auf drei,
auf vier Uhr, drehte vorn die Zeiger
herum, und jedesmal todte der Wet
ter auf die Minute los. Es konnte
also nicht fehlen. Um dreiviertel 2
Uhr legte ich mich schlafen und stellte
den Weder neben mich auf den Nacht
tisch. Er iickte sehr aufdringlich. Es
war, als wollte er sagen: Jch fchlafe
nicht, ich bin ein braver, fleißiger
Werter, ich weiß, toas ich meinem
Herrn schuldig din. Ileißig, fleißig!
Tict takt, tiet kack. Jch habe solche
Liededienerei nie ausstehen können.
Jch tonnte nicht einschlafen. Jch
schlug zuleht mit der Faust aufs
Kopfkissen und schrie meinen Weiter
wütend an: Valts Maul! Er tat,
als ob er nichts gehört hätte. Tirt
tack, tirt takt! Fleißig, fleißig! Jetzt
stand ich auf und trug ihn in die
andere Zimmereetr.
Als ich wieder im Bett lag, merkte
ich, daß der Weiter noch lauter und
einaringlicher ticktr. Er stand auf ei
nem Möbel mit diinnem Tischblatt,
gerade iiber einer leeren Schubladr.
Das war ein vorzüglicher Resonnansi
boden, und jedes Tick und jedes Takt
schall tlangvoll durch die schweigende
Nacht. So stand ich also wieder auf
und stellte den unbeauemen Mahner
in der Ect- auf den Fußboden. Der
Teppich dämpfte den Schall, und ich
hoffte, nun wiirde ich endlich Ruhe
finden. Aber der Schlaf, in den ich
fiel, war voll böser Träume. Ich
träumte, ich hätte meinem besten
Freund die Gurgel Jugedriickt, und
er läge röchelnd in der ZimmereCe
und riese mit erstickter Stimme nach
Hilfe. Und pldßllch kamen die Gen
darmen mit Oepolter die Treppe
herauf, schlugen die Tliae ein und
wollten mich sesinehmen. Da fuhr
ich in den Kissen emnar nnd hörte
den Weder rasseln. Meine But
kannte keine Grenzen. In drei Sät
zen war ich in der Zimmerecke, nahm
das Unglücksding mit der Faust und
schmetterie es durchs offene Fenster
iin die Sommers-acht In der Som
.mernacht stand eine Mauer, die vom
Mond weiß chienen war. Denn
in Sommer ten trlistig geschleu
derte Weiter mit mondbe schienenen
Mauern zusammentreffen sind meiti
afender.
ostla und
als ich anfiiigteäxsdu angstvoll
teJunmitdemWhr ua
ren,waresdeetvtertelsznglsi it
» Las seispersesnw
Die Mitglieder eines Klubs in
einer nordenglifchen Stadt hatten ein
»Natschläge«-Buch, das sie jedoch
hauptsächlich als Befchwerdebuch auf
faßten. Das Komitee ließ schließlich
durch Anfchäläiz kundtun, daß »Nat
.schlag« im Kerl-ach eine mal ver
schiedene Bedeutung von Beschwert-N
habe, und baß man nur für erstere
dankbar sei. Daraus wußten die
fålnnrrek aberi nächt Rät. Einer
n m, " n u un grü
nen So endgtzd ihre Fäden sei-am
zu ser eren seien; ein anderer, das
man entweder takleinere Citössel oder
gessen Mer« desmäen solle.
deine-ein«
USE-g ,
Von Felix alten
Ganz eingehiillt in dem Staub,
den die Hase seines Perdet auf
wirhelten, kam er des es, gleich
einem Wölkchen, das der Wetterfturmi
vor sich herdiiist. Ueber die Wiesen
an der Basiei fptengte er mit fol
cher Wut, daß die Wache vermeinte,
die Betsolger seien ihm auf den Fer
sen. Er aber war schon am Tor,
hielt sein Reiz nicht an, und ehe die
Soldaten ihm noch recht ins Antlih
chauen konnten, wie der Blitz an
ihnen vorbei, in die dunkelnde Wöl
bung verschwunden Sie wandten
sich- ipiihten ihm nach nnd überleg
ten, oh sie hinter ihm drein und ihn
arretieren sollten, da ritt er fchon
die Wallzeile hinauf.
Er galoppierte mitten der engen
Straßen in der Stadt nicht gelinder
als draußen auf freiem Feld. Die
Biirgersleute, die allhier ihrem Ge
schäfte nachgingen, die Kinder, die
sich zwiichen den Höuiern tummelten,
schien er gar nicht wahrzunehmen.
Ratsherren und Priester, Sänftem
träger und Kutschen, er achtete des
sen nicht, preschte immer dran les,
daß die Funken aus den Steinen
spritztem Ueberall wich man er
schrocken zur Seite, merkte, daß es
gegen solche Eile teinen Widerstand
gab, erkannte die herrische Gewalt,
die so selbstverständlich den Weg fiir
sich in Ans ruch nahm, als sei der
nur allein iir sie gemacht und den
anderen mir in der Zwischenzeit fiir
einstweilen geborgt. Er aber immer
weiter, an der Stephanstirche dor
iider, am Stock im Eisen vorbei,
mitten iiher den Graben. wo das
Gedränge vor ihm auseinander ah.
Die aufgescheuchten handwerter, la
nieter und Kirchengiinger schauten
hinter ihm drein. tin-e Nenaier er
wachte, und sie begehrten zu wissen,
welch eine Botschaft da wohl mit
der Schnelligkeit diefes gehegten
Pferdes durch die Wienerfiadt flag.
Indessen war er schon urn die Ecke
gebogen, pfeilte den Kohletmartt
hinauf, und geradeans, wie eine Ku
gel aus sicherem Rohr ins Schwarze
gesendet, fchvß er in den finstern
Torhogen der hoff-arg
Drinnen im Burgfrieden sprang
er aus dem Sattel. Ein paar An
genblicke stand er neben dem fchaums
hedeckten, zitternden Tier, taumette
var Ermüdung und vom Luftraufch
noch ganz benommen, meinte, der
Boden drehe sich unter feinen Füßen
und tniff die Augen ein. Dann aber,
mit einein tiefen Meinan ermann
te er sich rafg und herrschte die
Panduren,Wa tfoldaten und hat
fchiere, die ihn umringt hatten, mit
einer vorn Staub noch ganz verlieb
ten Stimme an: »Zum Kaiseri«
Das kurze Stillschweigen, das diefen
Worten folgte, nahm er als unge
bührliche Frage nnd fügte hochfahs
rend hinzu: .Aus dem böhmifchen
Feldlager!«
Er ward zum Aufgang gewiesen
und stieg die Treppe empor. Droben
lief die Dienerschast beim Sporen
tlirren seiner Schritte zusammen; er
ging an ihnen vorbei, ohne sie mit
den Blicken zu streisen. Jm Vor
saal trat ihm ein Kämmerer entge
gen, dessen Rede wartete er nicht erst
ab, sondern begann gleich mit drän
gender Betonung: »Ich muß zum
Kaiser. Hab’ wichtige Botschaft an
des Kaisers Majestät; aus dem Feld
lager in Böhmen.« Sie schritten
miteinander weiter, kamen in die
zweite Antitamera, wo noch mehrere
Herren beisammen waren, die mit
tühlem Erstaunen den von Stra
ßenschmutz bis in die Augenwirnpern
hinein bedeckten Mann musterten.
Der erste Kämmerer sagte: »Der
Herr Ostizier da kommt aus Böh
men. Berlangt unverweilt zum Kai
ser!' Ein anderer Kämmerer er
hob sich, betrachtete den Fremden,
sprach: »Der herr...?« ließ ein
Fragezeichen nachschwingen und
schwieg. Der Fremde antwortete:
«Obristrvachtmeifter Leöley. Kommt
retta aus Eger. Was ich Jhro Ma
jeftät zu vermeiden habe, leidet tei
nen Anfschub.«
Je t standen alle Kämmerer dicht
bei eilen, gaben ihm ihre Namen
urüch «Johann Georg v. herber
fteinc sagte der eine; «Christap
Eybitwal« der andere; «Wii lm
v. Patienbach«, der dritte; Rudele
v. Paarc der lette. Sie tauschtenl
Gruß und Kompliment »Mitt- aber
nicht an ngig sein, here Obrig
wachtmei er, n diesem Aufo vor
tatserlichee Person zu r'chenen ,
ann r.bersiein Ungeduldig
s mu- Leu-y- .Jch new-!
anf mich, Mirnmerer.
die Iaiserli Maiesttih noch ichs
tpir habenu beide ntcht Zeit, Hin-ar
ten,bis tchherautstagieeart b
Einer dazu-i Dringt
Ihr svtichstt vom
H .Ja«, entgegnete Letten ichnier.l
Those-oft vom Ballen stetnt«
d s t
W» VIII-TM
Inn-I singe-Ist es dein Lotterbe
Maule-Dai
IMM- THE «
IIIQC W M
Da W E an seine-i ton.
das die Kenntn wichtiner Ieschrhs
nisse in diesem Kanne pack-, glaub
ten dein Mann seiner Stint-re mehr
alt den- Jnhalt seiner Vorte» nnd
der d. Cybiswald wandte as- sur«
Tür, die in die inneren mschers
sahst-. »Ich konis- vem nasse-!
melden«, entschied er. Von derf
Schwelle her aber sagte er noch zu;
Lesun- «Glauht nur ja nicht, Herr
Ohrisiwachtaieisier, daß Jhr mit ei-.
ner Botschaft vorn Waltensiein deml
Kaiser willkommen eid.« Er fah.
die anderen an, tau chte Miete mit;
ihnen und hatte die Miene eines
Eingeweihten. »Der Fürst steht nicht
mehr in der Gnad’«. snhr er fort,
»und in den leßien zwei Wochen hat
sich hier manches brgeden.'
Der Obristwachttneister lächelte
lanrn merklich, nnr einen kurzen
Augenblick, aber dieses Lächein wirt
te aufregend nnd überraschend wie
ein Ereignis-. Dann sagte er: »Auch
in Böhmen hat sich manches bege
ben.«
Ehbiswald fragte hastig: »Wie
lange seid Jhr unterwegs-"
Lesleh erwiderte ruhig: »Bist am
Sonntag vor Tagesgrauen von Eger
aussehn-den«
»Und hent’ isi Dienstag!" riei
Ehhiswald. Er verschwand in der
Tiir.
»Geritien wie der Satans« sagie
einer von den Kämmerern bewun
drrnd.
«»Wir der Saian", wiederholte
Lesley, trat ans Fenster nnd stieß
es auf. Linde Frühlingslnit durch
wehte diesen letzten Februartag. Die
Sonne war inr Sinten, schneelos lag
der Burghof in ihrem Schein nnd
von den nahen Bergen wehte der
Wind den Geruch der entblößien
Hishi-Ue hier herein. Lesley atmet
Da trat Chbtbtvalb rasch aus ber
Tür und winkte mit ber Hand: »Herr
Obristtoachtmeisterl« Lesley folgte
ihm. Jn dem hohen Gemach, das
ganz verhängt war von flandrisehen
Tapeten, sttlnb er alsbald dem Kai
ser gegenüber. Der tam mit starren
Schritten aus ihn zu, wie von Un
geduld getrieben, verhielt sich aber
und blieb am Rande seines Tische
gelehnt. Ein sester, kleiner Herr,
wohlbeleibt und breit im Nacken wie
in den Schultern. Sein Antlitz war
ehemals wohl start getötet geloeten,
das merkte man. Noch war ein
Schein von Farbe daraus. Aber
jeht waren diese runden Wangen im
Erbleichen und Erschlassen Ganz
vers lo en und oersiegelt war pag
Antli rdinand5, selbst das Feuer
seiner Augen war gleichsam aufge
löst in eine ruhevoll schwimmenve
Andacht
Während der Rede Leeleys schrie
der Kaiser plötzlich aus: «Gemordet7
Was sagt Er baf Gemorbetk
Lesley schwieg; und ver Kaiser
trat ihm mit erhabenen banden, mit
entsehten Mienen entgegen: »Ich
wilks nicht glauben! Sag« Er, daß
es nicht wahr ist! Schändliche Mis
setat! Jch will’5 nicht glauben,hört
Er? Wer hat's geiagt7« Die Stim
me des Kaisers liebte nicht, sie war
ooll Mast und Schwung. Nur sei
ne Augen bllnzelten besieg.
Leiley fuhr sort: . r haupt
mann Demonx hat ihm mit ber
Partisane in den Leib gestoßen.«
Der Kaiser hob abwehrend die
b. Leiley verstummte. Mit lei
ern, wie von Güte bewegtem Ton
fragte ber Kaiser: »daß, mein siirsti
licher Oheim lang gelitten...i«
»Glaubt nicht«, meinte Lesleh
trocken.
Nach einer Weile suhr der Kaiser
satt: »Und tein Gebet gesprochen im
Verscheiden, seine arme Seele dem
Erlöser zu beseblen...? Nichts ge
redet, davon etwas zu berichten stün
e...?« Ein scharfer, spähender
Blick drang zu Leslen hinüber.
»Deberoux hat nichts dergleichen
gemeldet«, antwortete der Obrist
wachtmeister.. »Der Fürst ist so
gleich tot gewesen, ebne einen Laut
von sich zu geben« Geschab nur,
wie ihm die Partisane in den Leib
subt, ein Knall, sagt der Teveroux,
als ob eine Mustete abgeschossen
wird, nnd ist dem Fürsten im Ab
sterben ein Rauch aus dem Mund
entwichen, als sei in seinem Jnnern
alles brennend gewesen«
»Mordbuben!« ries der Kaiser vor
sich hin. Dann aber schlug er beide
hände vors Gesicht und begann u
weinen. Erstaunt schaute der Odris
tvachtmeister zu, wie dieser seste, star
te Mann sich vom Schluchzen schüt
teln ließ, und noch tieser erstaunte
er iiber sich selbst, weil et vom
Weinen seines taiseelichen herrn so
ar nicht bewegt war, und weil er
für die Tat, die so beklagt und so
verdammt u werden schien, nicht
Untlage n Strafe fürchtete, ob er
nett darin ver rickt war.
Kaiser ließ ie Blinde nten
und schaute vor ich hin. .J ein
ernianem ichnam gesendets«
a
»Vat- iu der Nacht nnd im
lichieit Ast-ten möglich«, ern- derte
n
Leuen den den toten in
einen gewiaelt.. It
M m exßsåitastee tein aåT
r n ne
metp dann in nietneslas
leschewnndichbtnmit tsns
f
M .
WI- ,
ZjirIHdenihndprtssdeng-z
se est-'
.Zu welchen anderenk
Lesiq wunderte sich. Er ps
dsoch erzählt, wie die anderen nieder
gemacht worden waren. Irr-. II
den qnderen«, deiriistigte er; »Zur
Jllo, Terziq Hin-ty, Wurm-«
Der Kaiser wandte sich nd: sink
Bint...« sliisierte er nnd wischte
sich die Augen.
Lesiey stand still.
Nach einer Weile iies sich der M
ser, immer noch weggetehrt verneh
men: «Und unsere Stadt Eger if
ruhig...?«
»Der Oberst Butter diirgt sit
Leib und Leben siir die Ruhe«,sprach
Lesley, »soll’s Jhro Mujestiit mic
driictiich vermeiden.«
Ferdinnnd verharrte noch einige
Augenblicks Dann hob er das Sil
berglöetchen aus seinem Tisch nnd
ließ es klingen. Eybiewald stand
in der Türe.
»Für den Herzog von Friedland«,
sagte der Kaiser, «sollen Seelen-ne
sen gelesen werden-« Er dachte no
« »Dreitausend SeelentnessenC schloß
Jer, »e- ist Unser Wille!«
; Er wandte sich gegen Leiley nnd
winkte ihm verubschietseud rnit der
IM
Jrn äußersten Vorsnnie draußen
word der Obristwochtrneistee noch ein
mal von einem Kämmerer gerissen
und ihm angetiindigt, der Kaiser
verivillige ihm. in der Hosburg
Quartier zu nehmen
Ats er dann die Treppe hinunter
schriit, schauten ihm die Derren noch,
und einer von ihnen meinte nach
dentiich: »Der hat nun sein Schiss
irn Hasen und darf sichs wohl sein
lassen mit all den Gütern und Eh
ren, die der Kaiser ihm schenken
wird. Ja, ja... im Wassendienst
innn einer noch seine Fortuna inn
chen!«
Ein anderer entgegnete: »Ach was!
Nicht alle Tage gibts einen Wai
tenstem uns dem Wege zu räumen,
und inzwischen haben wir's hier be
quemer!«
vers-Meint
Nach jahrelangem, vergeblichem
Arbeiten hatte Peter Mißle nun
endlich siir seinen neuesten Roman
»Der lachende Geist« einen Verleger
gefunden und schwelgte ein paar Wo
chen lang in Wonne und Erwartung
von Gold und Ruhm. Aber ec tose
ve schrecklich enttauschl; denn sämt
liche Kritilem die er über sein Wert
zu lesen belarn, rissen dasselbe fürch
terlich herunter-. so dass natürlich
nicht ein Exemplar davon abgesth
wurde. Menschenscheu und mit sich
selbst und aller Welt verfallen, brü
lete er tagelang in seinem Dachsiiibs
chen, bis ek sich doch endlich ausrnssle
und entschlosz, sein herz seinem Ju
gendseeunde Fopphauser auszuschiils
ten, der ein äußerst schlauer Mensch
tvar und sich infolgedessen auch längst
eine gute Stellung in einein Bank
hanse erworben halle.
Fopphaufer hotte die Jereiniade
feines unglücklichen Freundes fchtoeii
gend an, legte dann beide Beine be
haglich aufs Sofa, schlon die Augen
und fchien feinem ungeduldigen Be
fucher bereits eingefchlnfen zu fein,
als er plötzlich auffprang, in ein
fröhliches Lachen ausbrach und rief:
»Hör’ mal, alter Schwede, was
triegft du denn, wenn die ganze Auf
lage abgefetzt wird-« — »Die ganze
Aussage-" ftotierte Mißlich »Zau
fend Mart betänie ich dat« —
«Topp!« rief der andere. »Gilt’s ei
nen Korb Setit Die haft du in ei
ner Woche!« —- »Es gilt«, munnelte
der Dichter verwirrt. »Aber du
ivillft niich wohl blon foppeii"tt« —
»’.-lb pah!« wehrte fein Freund ab
und griff nach dem hutr. »Doch
noch ein-: Jn deinem Buche kommt
jedenfalls auch eine heldin vor —
jung, blühend, geiftreich —- nicht
wahrt Wie heißt sie denn?« —
,Olga Fein«, ftammelte Mißlich.»
aAber ich begreife nicht«...——,,haft·s
auch nicht nötigt« lachte der andere.
»Es lebe Olga Fein!«
Arn anderen Tage las alle Welt
in allen größeren Zeitungen ver
Stadt folgende fettgedruckte Annonm
«Gutsbefi r, mehrfacher Millionae,
toiinfcht ch zu verbeiraten. Die be
treffende Dame kann Panz arm fein;
fie brav t nur dte E genfchaften der
Dige- n tn dein Roman «Der la
chende Geist« von Peter Mist
beftsem sitbofferten unter »Le ni
litrt« Pofiarnt 9 erbeten.« Drei
age später prangte in allen such
dartun-Bär der Anfchlag: »Der la
ft« von Peter Mtßl
erfte Aufloge be riffen —- swete tn
Vorbereitungt ebe Dame, obfluss
oder alt, hatte fich bat such getauft.
Hro i STI
—Konful, See Sohn tftten is M
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hoffentlich tu den Colv
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Selbsttrtttb thr
,D ich assis, wem-ich teas
spannt-)- .Jch It- tussk si
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