Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 27, 1913, Image 2

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    It Vieles gestillt
Ionrc i von s. Willst-.
(9.jo»rjs3ygns. )
stiminaltorninissär Pent empfing
den Regierungsrat geradezu mit ei
nem hochgesiihL
«Ra, was sa n Sie nun, Herr
Regierungsrat? n haben wir ihn.«
»Ja, gotilob,« stimmte Max Ol
lenschliiger bei. «Möchte er nur nicht
so hartnäckig leugnen."
»Wir kriegen ihn schon würde. Er
bat sich da ein kleines Märchen zu
sammen gedichtet, und mit seinem
ehrlichen Gesicht versucht er möglichst
Eindruck zu machen, allein das lennt
stam«
»Ja, das kennt man«, meinte auch
der Regierungsrat mit Genugtuung
»Der Mensch i; ja so gut wie über
führt. selbst seine Braut glaubt sest
an seine Schuld.«
Halten Sie das Mädchen noch für
absolut einwandsrei?«
«Totsicher. Doris tann nicht der
leiseste Verdacht treffen. Zwar klagt
sie sich an, sich an dem Tode ihrer
Ferrin mit schuldig zu fühlen, da
e dein Attentäter sozusagen Tor
und Tiir geöffnet, doch das sind Ge
spinnsie eines iiberreizten Dirns. Sie
wollte den Menschen heiraten, und
meine Schwester wird sicherlich nichts
gegen die Besuche einzuwenden ge
habt haben. Und ob er dazu den
Seiteneingang oder die hintere Tür
benutzte, war ja im Grunde gleichgül
tig gewesen«
«
»Das wohl. Jch habe auch Ab
stand genommen, das Mädchen zu
verhaften. Nun liegt mir allerdings
viel daran, etwas Näherez über den
Inhalt des Kastens zu erfahren. Die
Stelle , wo der Diener denselben
versenkt hatte, ist noch an dem gestri
gen Abend abgesucht und ist der Ka
sten natürlich gefunden worden. Er
ist aber leer, und es handelt sich vor
erst darum, waren es wirklich nur
Briefe, die sich darin befanden? Dann
hatte der Mörder allerdings ein
schlechtes Geschäft gemacht, da er
nach eigener Aussage Wertsachen da
rin vermutete.« .
s Der Kriminaltommissar hatte das4
Korpusdelitti vor den Regierungsrat’
hingesetzt. l
FAWifsen Sie mir etwas darüberj
U IMHT zEHDIIOstAH j
« Der Regierungsrat betrachtete den«
Kasten. Nein, darüber konnte er.
keine Auskunft gehen, er hatte dens
Kaste- niernals zuvor zu Gesicht heJ
drinnen. !
Jedenfalls wird Doris darüber’
berichten lönnen,'· meinte er. »Wenn
aber nicht, dann möglicherweise Fräu
lein Schwert-siegen eine Jugend
freundin meiner Schwester, mit der
sie sehr vertraut war.« I
Der Beamte dankte für diesen
Wink und notierte sich die Adresse
der Dame.
Max Ollenschläger hielt es für
seine Pflicht, Jutta von der Mög
lichkeit einer Vorl.idung zu benach
richtigen. Außerdem drängte es ihn
zu einer Aussprache denn fein Herz
war übervoll. Und an wen hätte
er sich wohl wenden sollen. wenn
nicht an die teuerste Freundin. Bei
ihr fand er Verständnis, wie sie ja
auch die einzige war, die so aus vol:
lem Herzen mit ihm um den Verlust
der Schwester trauerte.
Georgs Geist war der Welt ent
rückt, und Leonie, ja selbst Liselotte
hatten der Tante und Schwägerin
fern gestanden. Sie hatten nur die
strenge Außenseite gekannt, niemals
lich die Mühe gegeben, ihr warmvuls
fierendeg Herz zu suchen.
Liselotte war darin nicht zu ta
deln, sie war von der Mutter beein
flußt worden, und Leonie hatte in der
Schwiigerin nur eine Feindin ge
wittert. ,
Eine Feindin war Milli ihrer
Schwägerin nicht gewesen, aber es
tonnte nach der Verschiedenheit der
charaktere auch niemals von einer
Freundschaft die Rede tem.
So fanden sich der Regierungsrat
und Jutta Schwerdtfeqer gewisser
maßen zum zweiten Male in dem
großen berzzerreißenden Erlebnis,
das sie beide traf, aufs innigste ver
bunt-en
Was Jutta an Milli von Hunn
verlor, konnte außer ihr nur noch
einer ermessen —- Max Ollenschläger.
Es war heute zu einer ziemlich
späten Abendstunde, als der Regie
rungsrat das haus Juttas betrat.
Juttn wußte sofort, was der
Grund seines Kommens war, hatte
doch auch sie soeben von der Ergrei
fung des Mörders gelesen.
»Ich habe Sie erwartet, Max«,
begrüßte sie den Antommenden herz
lich. »Das konnte Sie nicht schla
Ien lassen, ohne sich Erleichterung
verschafft zu habm.« «
»Wenn Sie mich erwarteten, Juts
ta, breiqu ich mich wegen meines
späten Komme-I ja nicht erst zu
WI« sagte der Nestern D
eut. . muß gestehen, mir tel
ein S vom hergen, als ich die
M- . Dadurch, daß ei den un
m Wehen der Keimk
- W, des Lage-banden
- ssuWißmuus ro
M esse-endet worden- ein
— M M W natür
lickzskrzlxcki e..:3. .stet An der Schuld
des »;;ahaitierten zweifelt niemand,
sog r Doris iit gegen den Verlob
ten.·«
»Sie waren schen ans dein Poli
: zeiankt?«
»Ich tonnne direkt daher Auch
Jhnen liebe Jutia, kann eine Vor
ladung nicht erspart bleiben. Sie
müssen über einen Kasten aussagen
sofern Jhnen etwas Näheres darü
ber bekannt ist Der Diener Scheu
rer behauptet, es sei nur eine Pri
vattorrespondenz darin gewesen. Jch
selher habe den Kasten niemals bei
meiner Schwester gesehen.
»Wenn es der Blechtasten mit der
Malerei ist« so tann ich die Aus
sage des Berhasteten nur bestätigen
Jch selbst habe Milli den Kasten in
früheren Jahren gestistet, die Male
rei ist von mir. Milli pflegte dort
die Briese ihres verstorbenen Gatten
aus der Brautzeii auszubewahren,
gleichfalls Zeilen von Freunden, die
ihr lieb und wert waren.
»So ist der Inhalt tatsächlich eine
große Enttäuschung siir den Dieb
gewesen« wandte der Regierungrat
ein«
»Gewiß. da er keinerlei Interesse
an den fremden Briefen haben konn
te, und hauptsächlich, weil er ihrn den
gehofften Nasen nicht gewährte. Es
tut rnir nur leid, daß die behüteten
Liebeszeichen einer vergangenen schö
nen Zeit von prosanen Blicken ent
weiht und von rohen Händen, viel
leicht gar unter Oodngelachter, dem
Verderben preisgegeben wurden.«
Der Regierungsrat mußte über
das Zartgefiihl der kleinen Dame lä
cheln. Das war ja alles so neben
sächlich, da die Augen, die iider ihren
Schoß liebevoll gemacht. sich für im
mer geschlossen hatten. Der Nach
laß einer Verstorbenen pslegt in der
Regel in alle Winde derstreut zu
werden« und es ist nicht ,zu erwarten,
daß Fremde bei deren Erwerb- eine
»desondere Pietiit beobachten. «
I Mit Bezug auf den analt des
IKastens datte also Scheurerk die
sWadrdeit gesprochen. Das konnte
jedoch durchaus nicht ins Gewicht
fallen. Gegen seine Schuld fiel je-»
der Einwand fort, da das Motiv
zur Tat vollständig begründet war.
Wohl eine halbe Stunde bliebj
Max Ollenschläger, dann empfahl er
sich mit der Bemerkung, daß ibm"
seit dem Unglückstage am sechsten
Oltober zum ersten Male wieder et-,
was leichter ums Herz sei. ;
Kurz nach seinem Fortgang tam«
Hans Schwerdtieger nach Hause. Er
war mit guten Freunden zusammen?
gewesen und war start angeheitert. z
Jutta sah es nicht gern, wenn er
in diesem Zustande vor ihren Augen
erschien; im Grunde war er ein nüch
terner Mensch, dem Alloholteufel
nicht verfallen. Er trank mäßig,
konnte auch nicht viel vertragen. Im
merhin larn es einmal vor, daß er das
ibm delömmliche Maß überschritt. Er
pflegte es dann so einzurichten, dasz er
beim Nachdauselommen sich sofort in
sein Zimmer zurückzog, urn den vor
wurisoollen Blicken seiner Schwester
zu entgehen.
» Heute fing idn Jutta ab, als er
Egerade die Korridortiir adschliefzen
wollte.
Hansens Zunge war schwer, als
er die Schwester kegriifztr. Diese war
im aufgeregt, um dem Zustand des
Bruders besonderes Gewicht beizule
s
gen.
,,Guten Abend. Hansi«. sagte sie
lebhaft· »Du, den Mörder Millis
haben sie sich doch richtig endlich er
wischt.«
»Ich weiß,« entgegnete Hans, »ich
habe es gelesen. Es war vorauszuse
hen, daß sie irgend einen erwiichsen
mag er nun der Schuldige sein oder
nicht-«
Er ging sofort in sein Zimmer,
Jutta folgte ihm
Sie machte Licht und setzte sich auf
die Chaiselongue.
»Jrgend einen, sagtest Du,
hausi« knüpfte sie an des Bruders
Neuherung an, »das klingt ja, als
glaubtest Du nicht an des Dienen
Schuld.«
Hans Schwerdtfeger lachte delustigt
auf· 2
»Aber Schwester erinnere Dich, daß
ich den Kerl gar nicht kenne. Hat er
etwa gefianden?" :
»Er wird sich hüten und gleich Far- ;
be betennen«, eiferie Jutta. »Er ist«
so gut wie überführt.«
Zwischen der Verhaftung und dein z
Urteil liegt ein weiter Spielraum. Es
Tbleibt abzuwarten« s
»Aber der Kasten-, Hans, der Ka
sten!«
»Verzeih, Jutta, ich bin müde! Du
kannst auch wirklich nicht ein so gro
ßes Interesse an dieser Angelegenheit
von mir erwarten, wie es bei dem
Regierungsrat der Fall ist. Sprich
Dich mit ihm aus. Mir ist es völ
lig egal, ob hing oder Kunz der Mör
der ist«
sang sagte das glitt-eilend wie ie
mand, der das Thema fiir erledigt
hält. Und da es sanft nicht seine Art
war, sich seiner Schwester ge eniiber
unfreundlich zu benehmem blckte sie
ihren Bruder genauer an und sah, dasl
et betrunken war. «
Sie erhob sich. l
»Er-te Nacht, Art-, schlafe aus.' »
» »Du meinst, bin dettunteu«,;
wen « lltg bin ich et sit-Istl
J « W viele m
trackte Mordaeichixkxåc irr-n eirern Ja
ganz das Leben verkciden s Wird sie
niemals der Vergessenheit anheimfal
lenk«
Jutta erwiderte nichts. Mit einem
Betruntenen iann man nicht rechten.
Ader bedauerlich war ed doch, daß
dient öster vorkam, daß Hans mehr
trank, als ihm dienlich war. Sie hätse
ihn in Ruhe lassen sollen, denn er
pflegte den Mund gewaltig vollzuneh:
men, sobald er nicht vollständig Herr
seiner Sinne war.
. Und Jutta, der nach der Uninte
dung mit Max Ollenschläger. gleits
diesem, leicht im Gemüt gewesen, legte
; sich sorgenvoll schlafen.
; Vierzehntes Kapitel.
E Aus Rodenhorst herrschte eine
dumpfe Schwiile seit vierundzwanzig
Stunden. Denn ein Tag war ge
Irade vergangen, seit —- nach der Ba
Eronin Meinung —- idre Gesellschaf
sterin solch großes Aufhebens von
»dem winzigen kleinen Gegenstande ge
macht.
, »Und dieses Pech«, jammerte Gisela
’im stillen. »Was der vertraclte To
»ten!ops auch just dem Mädchen vor
die Nase rollen.« ,
» Es war nicht daran zu zwei
feln, daß sich Liseloite nicht beruhigen
würde.
.Selbst wenn ich noch so nachgie
dig wäre«, stellte sie bei sich seit,
.und ihr schmeichelte, denn sie ist eine
Pedaniin und wird es für ihre
Pflicht halten, eine Anzeige zu erstat
ien.«
Tinchen mußte wie ein Jagdhund
auspassen was das Fräulein unter
nahm: ob sre Briefe abschitite, und an
wen?
Wenn Tinchen auch den wahren
Grund dieses Besebls nicht wußte. so
glaubte sie ihn doch zu lennen, da sie
ja schon seit einiger Zeit die Gesell
schafterin wie ein Spion beobachten
mußte.
Eifersucht war's! Die leidige Ei
fersucht.
Die Baronin konnte auch wohl ei
fersiichtig sein auf eine solche Rina
lin. Nur daß die junge Dame so
unendlich vornehm, so stolz, so unnah
bar war.
Sie, Tinchen, war doch auch just
keine unebene Persönlichkeit, sie wäre
jederzeit bereit gewesen. dem Herrn
ein wenig Ersatz zu bieten —- aber
der! Blind und taub ging er dabei.
sah weder den schmachtenden Blick der
Jungfer, noch deren lächelnden Mund.
Ach der!
Jm übrigen war Tinchen voll
bei der Sache. So ein bißchen Jn
trigieren, das war ihr Element. Lei
der gab es hier durchaus nichts zu
erspähen.
Da wurden leine Briese abge
schickt, noch ereignete sich sonst et
was, was der Mühe der Spionage ge
lobnt hätte.
Daß tein Brief iri den an dem
Gutshause angebrachten Kasten, den
der Postbote jedesmal zu leeren hatte,
wenn er des Morgens aus seiner Run
de Rodenhorst passierte, von Liselotte
geworfen wurde, daß das junge Mäd
chen sich überhaupt nicht mit Schrei
ben in diesen Tagen befaszte, lag ein
fach an ihrer Ratlosigkeit. Sie rang
heftig mit dem Pflichtgefühl und ei
nem allerbartnenden Mitleid mit dem
Gutsherrn.
Ihre Pflicht war es, Ontel Max
von dem Erlebnis in Kenntnis zu
setzen. Er würde das weitere veran
lassen. Worin bestand aber dieses
Weitere?
Onkel Max mußte der Krirninab
polizei eine Anzeige machen.- Ja.
das mußte er. Und es war ja auch
notwendig, Lifelotte sah es ein«
Konnte nicht gerade dieser Briesbe
schwerer auf die Spur des Mörders
führen?
E Freilich hatte man bereits jemand
als den mutmaßlichen Mörder ver
pqu
» Wenn der nun aber, tro aller
andizienbeweise, doch un chuldig
« wäre?
’ Ja, das gequälte Mädchen etlanntei
! seine Pflicht wohl. l
« Weshalb zögern sie da? l
Mußte nicht ihr tiefinnetstes Emp- -
finden der Pflicht gegenüber schwei-!
.gen? .
Dann sah sie wieder den trostlosenz
Blick in des Baron-s Augen, den sies
einmal ausgesungen; der war so vol-I
ler Weh, so voller herzeleid gewesen,s
daß sie tatsächlich vor dem Gedankens
zurückschreckte, seine Qual noch zu ver« g
größern, ihm gewissermaßen den To
desstosz zu geben. Dieser Schlag.
mußte ihn furchtbar tressen. handeltei
es sich doch urn die Ehre seines han«-;
seg· Sein Name, der den besten»
des Landes an die Seite gestellt zu
werden verdiente, würde in den
Schmuh gezerrt werden« und sie sollte
das veranlassen? War sie dazu her
gelomrneni
i Die Stimme der Pflicht aber wollte
! fsiech nicht zum Schweigen bringen las
s ti
l »Was geht Dich der Mann ank«
rief ei drohend in Liselottens Jn
nern. »Tu’ Deine Pflichtt«
Liselotte wollte das ja auch. Ach,
aber wie schwer ist manchmal die
Pflicht.
Es war ein hattet Lamps site
das M Mdchmz sie litt unsagi
bar
Dieser innere derzenitamps brachte
ihr den Mann une dessentwillen sie
litt, immer näher. »
Die Herrin des Hauies zeigte sich
nur bei den Madizeiten erschien
ieiinahrnsloö· ja bedrückt, und zog
Isich immer wieder bald aus ihr Zim
mer zurück.
Baron von Lüderih, der dieses
Verhalten seiner Frau siir eine eitle
Laune hielt. war im höchsten Grade
:heunruhigt. Was bezweckte seine Frau
damits
z Wollte sie Liselotte Ollenschliiger
Edadurch sortireibens Diese mußte sich
I,ia wenn der trostlose Zustand länger
anhielt, völli überflüssig vorkommen;
das konnte so aus die Dauer ndht
Zweitergehen
» Liselotte litt es nicht länger in den
Zsie deengenden Mauern. Zwar war
Tdas Wetter umgeschlagen, ein mächti
kger Sturm sauste durch die kahlen
sBäume und beraubte mit Hohnlachen
Tdas letzte welke Laub seines Haltes.
ZJn tollem Tanze wirbelten die gelben
EBliitter in der Lust herum ein Toten
tanz Dabei hing der Himmel voller
;bleigrauer Wolken.
? Liselotte blickte wehmütig in den
Etobenden Sturm hinaus Wie allein
wie verlassen lam sie sich heute vor.
:Sie wußte es ja, binnen turzem
Isiand sie wieder heimatlos in der
«Welt. Und dennoch war sie nicht so
arm und einsam wie jener Mann, der
in seinem reichen, vornehmen Besitz
,verhlieb.
« Jhr würden sich zwei hände warm
»und herzlich entgegenstreeken. Bei
Onkel Max sand sie Schutz. Er
würde sie halten.
. Nur, daß sie sich nicht halten las
sen, daß sie sich aus sich selbst verlas
sen wollte.
Wer streckte aber dem Armen da
droben in dem großen weiten ele
ganten Herrenhauie die Hände trö
stend entgegen? Er mußte sich allein
durch das Wirrial des Lebens fin
den.
Und ihr kam der Gedanke, ob es
ihn wohl sreuen würde, wenn sie sich
ihm anvertraute in ihrer Not, wenn
sie ihm in innigem Mitgeiiihl die
Hände hinstreckte und sagte: »Ich will
Dir nicht weh tun, Du armer Dul
der! Sage Du mir, was ich tun soll.
Wenn Du willst, dasz ich schweige. so
soll mir nichts mein Geheimnis ent
reißen!« s
Huil psiss der Wind in langen
Klaaelauten durch den Part, daß sich
die Aeste jammernd bogen. sich wieder.
emporriihtetem um von neuem geouat
zu werden.
Kamvs und Aufruhr in der Natur«
Kampf und Aufruhr in Liseloties
Jnnerem Wäre Baron Lüderitz jetzt
des Weges gekommen, Lisetotte würde
»sich ihm rückhaltlos anvertraut haben.
spSie war so weich, so schmach, so an
lehnungsbediirstig.
Allein er tam nicht
Sie erblickte plötzlich einen halb
» wiichsigen Burschen, der sich scheu nach
allen Seiten umsah und aus sie zu
» schritt.
»Frölen«. sagte er in seinem der
ben Platt, »Frölen, ich sollt Ihnen
dieses geben. Und Sie möchten
doch so gut sein und es der gnädi
.gen Frau sofort zustecten Aber es
;sollte es niemand sehen, sagte die
. Mutter.«
; Bei diesen Worten drückte er dem
sinngen Mädchen einen zertnullten
«Bries in die hand. den er hastig aus
; seiner Tasche gezogen. Und dann ver
» schwand er.
» Den Bengel kannte Liselotte wohl·
xEr war aus dem Derse, ein Kind
Ides Tagelöhners Heidorn Die Ba
Ironin hatte sich beim Spazierengehen
durch das Dors besonders angelegent
sich und leutselig mit der Frau un
’ terhalten.
z Die Heidorn sah äußerst propper
F aus in ihrem Aeußeren, auch ihr flei
Z ner haussiand blinte und blantte, die
FKinder waren ordentlich gekleidet ge
- wesen, dennoch war Liselotte diese
Frau höchst widerwiirtig erschienen.
Es war ein gemeines Gesicht mit fri
Qen Zügen und lauernd umherirreni
Augen.
Dasz die Baronin gerade sur die
fes Weib eine so große Sympathie
gezeigt, war Liselotie aufgefallen.
Heute kam ihr dieses weniger be
fremdlich vor. Sie erinnerte sich des
Wortes: «Vögel von denselben Federn
fliegen gern zusammen." Es war ja
offenbar, daß intime Verbindungen
zwischen Guisherrin und Taglöhner
weib bestanden
Ein Briesl
Liselotie hielt denselben in gespreiz
ten Fingern· Er war in den Hosen
staschen des Jungen so unappeiitlich
lgetvorbem Fett- und Schmutzflecke
auf dem zertniillten Kur-ert. Sie
breitete vorsichtig ibr Taschentuch dar
liber.
Dann schritt sie heimwärts
Sie begab sich direkt nach dem
Boudoir der Baronin. hier klopfte
sie an.
»Wer ist daf«
»Ich Frau Baronin. Liselotte Ol
lenschläger.«
»Was wollen Sie? Merten Sie
denn nicht« daß ich Jbre Gesellschaft
nicht wünschet« scholl es ungnädig
und doch, wie es Liseloite schien, in
start bedrücktem Ton raus.
»Das merke ich se r wohl, Frau
saxonin. Dennoch bitte ich Sie, öff
nen Sie wenigstens bie Tiir so
Tritt baß ich Ihnen etwas überreichen
Es
—·-—«-·O-- --. .- -
Eit- Siridl fiel di nksi otWend zur
:l:«srde. Eilig wurde der Zchiiisset um
xsedredr die Beirxnin fremd auf der
: Zchzreite
· Es war noch in der Mor-1enftnr!d:,
zgenau um diefelbe Zeit als Ciea
sgeftern ihrer Gefeltfchafterin den Lie
kesbrief des Baron von Bodftedt zeig -
te. Liseloite erfchrut beim Anblick
zihrer Herrin.
g War das die rote Gola, mit dem
ibeftrictenden Lachen und der üppiqen
roten Haarmähne, mit den totetien
tiachenden Augen? Ach Gott, das toar
Eja ein WracL ein vollständig abge. a
teltes WracU
! Dieser Vergleich, den Lisetotte
Ieinftmals von einem Herrn gehört
Imelcher fich draftifch auszudrücken
liebte, fiel ihr bei dem Anblick der Ba
ironin ein.
I Und dieses, allen Reizes beraubte
FWeib hatte der Baron einft liebegtii
lliend an sein heiß fiihiendes Herz ge
nommen, hatte es zur Herrin feines
umfangreichen, wunderberrlichen Be
fiyes gemacht. Wie schrecklich mußte
die Erniichterung nach dem Erwachen
gewesen fein!
Angewidert wandte sich Lifelotte
ad, nachdem sie den Brief mit spitzen
Fingern der Baronin übergeben.
Jhre Gedanken fireiften nach dem
Elternhaufe zurück zu ihrer Mutter.
Wie entzückend fah diese in ihrem
Negligd aus, und doch griff auch sie
zu Puderquäftchen und ein klein wenig
Range.
Ach, ihre Mutter, ihre ileine an
mutige, obersliichliche. wunderschöne
Mutter. —
Bei Tisch erschien die Baronin.«
Sie sah wirklich leidend, ja fast alt
unter der dick ausgetragenen Schminle
Fuls dasz es selbst dern Baron aus« l
te ;
»Fiiblst Du Dich nicht wohl, Go-;
la?« sragte er mit einem scharfen Blick
aus seine Frau hinüber.
»Nein ich fähle mich nicht so rechts
aus der Höhec serilcirte Gisela, und;
zwang ein Lächeln aui ihre Lippen-z
»Es ist nichts von Bedeutung. Mir
steckt ein Schnupsen in den Glied-ans
Aus dem Lande erialtet man sichs
so leicht bei diesem stürmischen Herbst
wettet. Jch will mich gleich nieder-;
legen, Tinchen soll rnir einen Wieder-z
tee kochen Morgen werde ichs
wohl mit tränenden Augen nnd dict
verschwollener Nase bei Tisch erschei
nen." I
Giseta sagte das schexzknn HEXE
nipvte nur« von den Speisen tranij
daaeaen mehrere Glas Wein .
Das Mal-l verliei sast schweiaend i
Nach Tisch zog sich ein jeder aus fein
Zimmer zurück.
Der Baron hatte mii dem Jn
sveitor eine Konserenz, machte einenl
Nitt über die Felder nnd war auch
da er eine Einladung zu einem Her- J
renabend aus einem Nachts-kaute er
halten, den Rest dec- Tages Eber tin-Z
sichtbar. .
So war Liselotte abermals sich sei-J
ber überlassen. ·
Zie ern-sind dieses VII-Hiersein
dtijci::·’s. Das Weiter lxar auch’
wenig danach anretan aufmuniernd
aus ein deorimiertes Gemüt zu wir-I
ten. ,
Dies-Je "-"ustand im Hause war Hat i
unhaltbar Ehre Tage aus RodenbxrstH
waren aessiblt Die Varonin wünschte
ihre Gesellschaft nicht mehr da war
sie natürlich überflüssig.
J Das afies trat jedoch vorläufig ir:
jden Hintergrund vor der Frage, wie
;s":e sich selber jetzt zu verhalten habe.
FSie tonnte ihre Entdeckung unmöglich
sverschweigen und mußte sich endlich
lzur Tat ausrassen, denn eine weitere
IVerzögerung konnte die Aufklärung
inur erschweren.
i Nach abermaligem, hestigen
lKampfe war Liselotte zu einem Ent
sschlusz gelangt.
s Sollte der Baron den Streich aus
’ihrer hand empfangen, so sollte er
wenigstens vorbereitet sein« Sie
wollte sich ihm morgen anvertrauen
und mit ihm gemeinsam über die zu
unternehmenven Schritte beraten.
Der Baron würde nicht dulden, dasz
man aus Rücksicht aus seine Frau ein
Verbrechen vertusche, weaen dessen am
Ende ein Unschuldiger litt. Liideritz
war doch durch und durch Edelmann
Trotzdem sie sich nun zu einem te
stimmten iel durchgerunaen sand sie
dennoch teme Ruhe. Ec- lag wie die
Ahnung kommenden Undeils über ihr
Y Gab es wirklich böse Voraimungeni
haftete nicht vielmehr diesem Zustand
ietwas Krankhastes an? Jedensalls
swar sie start nervös geworden, fie, die
zniemals Nerven gekannt.
« Schon war die Dämmerung der
Ivollstöndigen Duntelheit gewichen, als
das junge Mädchen nochmals ins
Freie eilte. Sie hielt es in dem gro
en unheimlich stillen hause nicht
aus«
Der Sturm hatte nicht nachgelas
sen; im Gegenteil, mit ortanartiger
Stärke umtoste er das haus und
drückte Liselotte, als sie aus der Tür
trat, mit Gewalt zurück.
Dennoch strebte sie vorwärts. Sie
mußte regelrecht kämpfen. Das toar
weni ent Betätigung, nicht ein
schla ei Dahinlebem
Zum Musizieren, sum Lesen hätte
sie heute durchaus ncht die nötige
Sammlung gehabt. Dieser Kampf
mit der Natur war ihr gerade recht;
er lenkte ihre Gedanken ab.
Sie hatte den breiten Fahrweg, der
Tauf vie Landstraße führt-, matva
zurückgelegt
, Es war sehr finster um sie her;
am Himmel sagte ein dunkles Gewiiit
dick und regenschwanger
Liselotte blieb an einer geschiigten
i Stelle tief ausatrnend stehen und
sIchaute in die undurchdringliche Fin
siernis hinaus. Keine Laterne er- s
hellte den Weg, der sich zwischen
khohen Knicks hindurchfchliingelte, kein
Sternlein gliperte am Firmameni.
i
1
EDabei heulte der Wind unablässig E
l sein klagendes Lied von Vergehen und(
Verderben
E NTroftlos so ein Herbstroetter auf
zdeni Lande« murmelte das junges
« Mädchen sröstelnd.
Sie wollte sich gerade umwenden,
H als ihre Augen von zwei Lichtpunltens
angezogen wurden, welche in einiger
i!
Entfernung ihr entgegenleuchteteru—
Das konnte nur ein Fuhrwerl sein.
Hatte es bei diesem Sturm einen
Schaden erlitten? Es stand ja tat
sächlich still.
Jetzt fette es sich in Bewegung und (
sauste in unheimlicher Geschwindig
teit an dem jungen Mädchen vorüber.
Doch nicht schnell genug, daß Liselotte ?
nicht noch eine zur Faust gehallte
Hand sich aus dem Fenster strecken ge
sehen, die wie zu ihr hinüber zu dro
hen schien.
Natürlich konnte dieses Drohen ihr
nicht gelten; man konnte sie hier ja
nicht sehen. Trotzdem das gänzlich
ausgeschlossen war, überlief doch ein
Schauder den Leib des jungen Mäd
chens.
Vielleicht war es eine Unglückliche,
eine Bertiickte7 wer konnte das wis
sen? Und Liselotte, die niemals
Furcht gekannt, jagte wie gehegt dem
Herrenhause zu.
Als sie die angenehme Helle und
woblige Wärme der hohen Raume
umfing, mußte sie doch iiber ihr
Abenteuer lächeln. Sicher hatte sie
sich geirrt, als sie eine drohende Hand
in die finstere fturrngepeitschte Nacht
gegen sich gerichtet sehen wollte.
Harmlose Reisende hatte ihren Kurs
am Nodenhorster Dorfe vorüberge
nommen. Vielleicht um sich den
Weg abzuiiirzen Sonst wäre die
Eli-ausser mit einem Automobil un
fehlbar vorzuziehen gewesen, die in
einiger Entfernung in fast schnurge
rader Linie dadinlies.
Durch dieses Ereignis. das bei
Licht besehen. laum ein Abenteuer ge
nannt zu werden verdiente, fühlte sich
Liselotte dennoch angeregt, der dumpfe
Druck war von ihr gewichen. sie schlief
die Nacht vorzüglich, trotzdem der
Sturm an ihren Laden tlapperte, als
wolle er sie aus den Fugen reißen.
Den Kafo morgens pflegte der
Baron allein einzunehmen, da er ein
Früdairfsreber war und sich zeitig
unter seinen Leuten zeigte. Liselotte
sah also mit einem nicht zu meisterns
den Herillopsen dein zweiten Früh
stiia entgegen.
So lehr sie sonst auch die Gegen
wart der Varonin bei den Mahlzei
tcn berseägeiebnt hatte, so sehr bangte
ihr heute vor deren Erscheinen. Allein
die Baronin erschien nicht. und auch
der Gutsherr ließ ihr durch den Die
ner sagen, er lei heute verhindert. zum .
streiten Frühstück zu tonimen. da er
mit einem seiner Gutsnachbarn ge
schäftlich zu verhandeln habe.
So setzte sich Liselotte an den
Frühstückgtisch mit dem auiilenden
Gefühl eines gänzlichen Verlassen
feins.
War die Entschuldigung des Ba
rons nur ein Vorwandi War es
ihm peinlich, mit ihr allein zu Tisch
zu sitzen? Wollte er sie zu einein
Rücktritt veranlassen, weil er selber
nicht den Mut fand, sie gehen zu hei
ßen2
Wie wurde dieser Morgen dem jun
gen Mädchen endlos lang. Trotzdem
eine herrliche Sonne vom Himmel
lachte. hatte Liselotte leine Lust, hin
aus zu gehen. Sie blieb auf ihrem
.3imrner, horchte angestrengt hinaus
Hin die lautlose Stille um sie her —
inichts rührte sich. Nicht einmal das
ischrille Glockenzeichen aus der Baro
snin Zimmer unterbrach die unheim
liche Ruhe, die iiber dem hause
lagerte.
So tam die Tischzeit heran. Mit
»bangern herzen erwog Liseiotte die
»Frage bei sich: »Wird die Baronin
; bei Tisch erscheinen oder ist sie ernst
. lich erkrankt? Wie würde der Baron
Isich ihr gegenüber verhalten?« Eine
’Aussprache mußte alles klären.
i Gottlod, wenigstens Baron von
ILiideritz war zur Stelle. Man sah
i es, er war erst soeben von einem Aus
I lu e zurückgetehrt Ein hauch von
richer Lust strömte von ihm aus;
seine Augen waren lebhaft, die Wan
gen leicht geritten Er trat angeregt
aus sie zu und reichte ihr die hand.
»Guten Tag, Fräulein Ollenschläi
gen,« begrüßte er sie. »Weich e«n
töstlicher Tag heute. Waren Sie
schon draußen?«
»Nein, herr Baron, heute noch
nicht« erwiderte Liselotte. »Ich
wollte das hau- nicht verlassen, da
ich nicht wußte, ob die Baronin meine
Gegenwart wttnschte.«
»Ja, meine Jrau,« sagte der Guts
herr, wie sich plötzlich aus etwas Un
angenehnres besinne-ro »Ist sie noch
nicht ansi«
«Jch habe sie heute morgen noch
nicht«gesehen, auch nichts von the ge
WUO GortsehungsolgtousSeite 3’