Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 16, 1913, Image 2

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    I- miks gings
CZ. Fortsetzung)
Diese geheimnisvolle-i Worte mai-,
M den Regierungsrat stutzig Wußte
der Mann etwas über den Mord?
Johann war ihm als stillen ern
ster Mensch ja schon seit Jahren bei
tannt Er mußte etwas von Bedeu
tung zu sagen haben; das ging auch
aus seinen einige-regten Mienen het
vor.
Natürlich kam Max Ollenfchläcker
nicht auf den Gedanken, daß das
was der Diener ihm zu sagen hatte
mit feinem Bruder in Verbindung
stehen könne. Er dachte nur an das
grauenvolle Ende seiner Schwester
»Wenn das, was Sie mir zu so
en haben, niemand hören foll, so
assen Sie uns hinausgehen.«
»Es ist blos naß und ungemütlich
draußen, entgegnete der Diener, sonst
hätte ich Herrn Rat gebeten, mit mir
in den Garten zu lommen.«
»Ich denke, Johann. wir fühlen
uns augenblicklich nirgends gemin
lich," meinte der Regierungsrat
.Nehtnen Sie die Schlüssel zu dem
kleinen Padillvn mit. Wie finden
dort Schutz gegen den Regen.«
Max Ollenschläger knöpfte sich den
Ueberziehet fest zu und schritt in den
weiten Garten hinab, dessen breite,
kiesbesttente Wege naß und schlüpf
tig waren. Er ging rasch vorwärts;
bald war der Diener an feiner Seite
fchloß die Tür zu dem Padillon auf
kund ließ den Regierungsrat eintre
en.
Dieser geschlossene Pavillon war
wie ein kleiner Salon eingerichtet
Ringsum von Schiebefenstern umge
ben, gewährte derselbe nach allen Sei
ten einen Ausblick Hier pflegte Frau
von Hunn oder auch Liselotte bäufig
zu verweilen, entweder wenn sie un
gestört allein sein wollten, oder mit
guten Freunden ein gemiitliches Plau
derftiindchen abbielten.
Der Regierungsrat ließ sich schwer
« fällig auf einen der zierlichen Korb
sessek nieder.
Er fühlte sich wirklich schachmatt·
Was wunder. Sein Leben war so
gleichmäßig verlaufen — Gemütsbe
wegungen — ja — freilich, die waren ;
auch ihm nicht erspart geblieben
Allein jeßt wurden große Anforde
rungen an seinen Körper gestellt undj
wenn er sich auch noch nicht als ein
Greis betrachtete, so fühlte er sich.
doch nicht mehr so frisch und elaftifch(
mit seinen zweiundsechzig Jahren. (
« R,un Johann, was baben Siei
mir zu sagen?«
»Ich, ich, Herr Rat« —- Johanns
Itftelte an feiner Livree berum und
entnabni seiner Jnnentasche zwei;
Vriefe —- ,.ich möchte Ihnen etwas
authiindigem was ich widerrechtlich
mir angeeignet. «
« Er zog eine elektrische Lampe aus
det Tasche und übergab bei ihrem
Schein dem Regierungsrat zwei Brie
fe.
Als er fah, daß Herr Ollenschlliger
fe ergriffen. inipfte er das Licht so
ort wieder ab, denn man konnte von
draußen gesehen werden, da die Lä
den nicht verschlossen waren.
Der Regierungsrat wendete unent
fchlofsen die Briefe in den Händen.
Er hatte die Aufschrift nicht gesehen
—- er begriff einfach nicht·
«Kommen Sie zur Sache, Johann
Was wollen Sie von mir? Taten
Sie ein Unrecht? Betrifft es meine
Schwester?«
»Nein, Herr Rat, es betrifft meinen
unglücklichen Herrn.«
»Meinen Bruder?«
»Ja. Und was ich gestern Nacht
erlebt habe, darf ich nicht sagen. ich
M mein Wort. Allein ich fand die
«efe nach dem Anfall des Herrn
auf dem Schreibtisch liegen. ich steckte
sie zu mir, damit sie nicht i fremde
Dände fielen.«
»Mein Bruder schrieb sie?«
sz y
»Vermutlich. Einer ist an Sie
adressiert, einer siir die gnädige Frau
bestimmt. Wenn aber Herr Ollen
schläger am Leben bleibt, was Gott
geben möge, dann wird er gewiß mit
rnir zürnen, daß ich sie ihm nicht
zurückgegeben habe. Wenn er aber
stirbt, dann müssen sie doch ihre
Adresse erreichen. Soll ich mich nun
so lange damit herumschleppen —
auch mir kann etwas zustoßen, und ich
habe doch auch nicht das Recht dazu.
So wurde ich mit mir einig: Du lie
ferst die Briese dem Herrn Regie
rungsrat aus. Da sind sie wohlver
wahrt. Und steht etwas drin, was
nicht in die Oesfentlichieit gehört, so
kommt’s auch nicht hinein.«
»Du-ver, alter Bursche," sagte der
Regierungsrat gerührt. »Sie haben
Ihre Sache gut gemacht. Wir beide
können schweigen. Was auch gesche
rnag, Johann, behalten Sie is
Max Ollenschläger ahnte Schlim
m. Da war sicher etwas nicht in
Ordnung mit dem Bruder.
.Stlche Aufklärung würden die
We enthalten? Stand Geprg er
st vor einer Katastropheii
Wer das der Grund sitt das tief
Mit-unert- Gesicht des erprobten
Mristey als W Ollenschläger
G W im Ges ftslokal vorge
s» .Miask hatte es für Teilnahme
III der Extra-Inn des Bruders und
M di- k- assi- Ores
skchiäger so plätziich zugestegen ge
ha!ten. doch Hatt-e er gleich noch nieset
dahinter vermutet Unruhe, Angst
die Ahnung von icnernendern Unheil
Auch ihn, Max Oktrnschläger. packte
jetzt diese Ayung von etwas Schreck
sichern.
« »Johann,« sagte er, »fchließen Sie
die Fensterladen, leihen Sie mir Ih
re Tafebenlaknpe und dann lassen
Sie mich alxein Viel Zeit habe ich
nicht« ich werde erwartet; aber erst
muß ich das für mich bestimmte
Schreiben lesen.«
Er wartete in der Dunkelheit ru
hig, bis Johann die Laden von drau
ßen vorgelegt. dankte, als der Diener
ikim die Tafchenlampe hinsetzte und
riß dann ungeftürn das Kumeti auf
nachdem Johann ihn verlassen.
Piisch, patsch fiel der Regen un
unterbrochen hernieder: ein miides
Raunen ging durch die Natur.
- Den Brief an feine Schwägerin
Ihatte der Regierungsrat unerZIfnet
IZU sich gesteckt. Er wollte ihn ver
«wahren;Leonie sollte, so lange kein
Grund dazu vorlag. nichts voif der
Existenz jenes Briefes erfahren. Er
aber las die Abschiedsgriiße eines
Mannes, der mit dem Leben abge
schlossen hat.
Viertes Kapitel.
Mein Bruder!
Zwei Briefe werdet Jhr aus mei
snem Schreibtisch finden. Der eine ist
Ffiir Leonie bestimmt, einer fiir Dich
? Jch will mich kurz fassen denn ich bin
müde und will schlafen gehen Vor
Jersi eine Bitte, ich weiß, Du wirst
sic erfüllen. Nimm Dich Leonies an.
Nicht nur in ihrem Schmerze, son
dern auch die Sorge Um ihren Le
bensunterhalt lege ich in Deine Hän
de. Du wirst schon den richtigen
Weg finden. Jch werfe nur die Flin- ;
te ins Korn, weil es keinen Auswng
mehr gibt siir mich. Sieh’, meins
Bruder, ich hin lange Jahre gegen:
den Strom angeschwommen, schließ-!
lich aber erlahmt auch die beste Krafts
Habe ich gefehlt so geschah es aus
Liebe, und um dieser Liebe willen;
gedenkt meiner ohne Groll. :
Lebewohl, mein Bruder, ewig
wohl. ;
Georg. s
Dein Regierungsrat entfiel das:
Schreiben. Ganz dampf, ganz be-?
nommen war ihm. i
Wie hart traf ihn dieser Schlag!
hatte er doch den Bruder in den
denkbar besten Verhältnissen lebend
gewöhnt. Statt dessen hatte der
Aermste aus dem Vulkan gestanden,
hatte rnit Sorgen zu kämpfen gehabt
und nicht den Mut ges esnden seine
Lebensführung einzuscht nken.
hatte er die band an sich legen wol
len, nnd nur durch einen Zufall war
das Aergfte verhindert worden. s
Dem Regierungsrat wurde es heiß
in dem kühlen Papillen. Er wars
seinen Paletot ah riß die Kniipfe sei- i
nes Rades auf —- Luft, Luft. s
Sein Bruder ein ruinierter Mann.
Ein Bankerotteur. Ließ sich dieser
Schlag nicht beseitigen? Gab es nicht
noch eine hilfr? i
Max Ollenschläger zog sich den
Paletot wieder an knipfte das Licht
aus und schritt dem Ausgange des
Padillon zu.
Er brauchte das haus nicht noch
einmal zu betreten, der Garten umgab i
die Billa von allen Seiten.
Er überlegte
l
i
I
i
Zum Jufirzrat woute er nicht mehr
an dieiem Abend-. Er hätte nicht
die Ruhe zu einer verständigen Unter
redung mit ihm gehabt. Das, was
er mit Polderer zu verhandeln hatte.
lag ihm jetzt ferner Die arme M ii
war tot, und ob sie einem Raub-now
zum Opfer gefallen oder ein anderes
Motiv zu der verruchten Tat vorlag,
schien dem Regierungsrat fo Mang
lo«5, seit ihn andere Sorgen quälten.
’ Er betrat ein Cafe und telepho
nierte ab Er fei leider verhindert,
ob der Herr Justizrat ihn morgen
empfangen wolle?
Ja, das roar sicher; der Justizrat
Polderer war immer fiir den herrn
Regierungsrat zu sprechen. Er sei
foroieso augenblicklich im Hause stets
anzutreffen auf dem Gericht habe er
seine Vertretung —
Der Regierungsrat bestieg die Elek
trifche, die ihn in die Nähe des
Dammtors bringen follte
Hier befand steh das heim des
Prokuristen Jensen. Er hatte im
Adreßbuch die Wohnung des ersten
Angestellten feines Bruders nachge
schlagen.
Ganz vorsichtig taftend wollte er
heraus zu holen suchen, ob diesem
gefchäftökundigen Manne etwas be
kannt wäre, was den Grund ür
einen Selbstmord des Bruders bil en
konnte
Vielleicht ließen sich die Schwierig
keiten befeitigentt Georg erbte doch
sieht. Und selbstverständlich stand er
feinem Bruder mit feinem Erbieil
zur Verfügung
gesittet-rieb Jensen hatte es sieh um
Zeit unter den Seinen bequem
geEr chjsaß bei traulichern Lampen
schein in weichen Filzpantosfeln und
Schlafrock auf dein Sosa, das graue
haupt mit der blanten Gla von ei
nein bestickten Käppi geträn.
störte hier nichts Neben ihm
las-Endo Ehewettn korpulent und statt
fthM mäu ways-IN eine lieb
Dritt-Eise das iiingkie Kind get Flie
ADem-h stickie Namen in Wäschckfiiickc
zäie iai ei mit inniget Hingabe und
keinem verilätten Läckeln. denn es war
ihrs eigene Aussteuer an der sie at
beitetr.
t MS ei an der Entreettie läutete
eilte Bettina hinaus.
ihrEin ihr fremder Heu stand use
»Verzeihung, mein Fräulein, treffe
»ich Herrn Jener zu Hemer
«Jawohi, mein Vater ifi daheim,
sagte das junge Mädchen.
- »den Jensen ist Jhe Vater? Er
Fiauldsen Sie also, daß ich mich vor
tfielle -—— Max Ollenichliigee, der Bru
,det des Chefs Jhres Vaiet5.«
I »O. bitte, Here Regierungsrat
jwollen Sie nur einen Augenblick hier
einiteien.· ·
E Beiiina öffnete die Tür zu der
Isogenannien guten Stube und ließ
Was elektrische Licht auffiammeer.
Der Regierungsrat setzte sich.
Er brauchte nicht-lange zu warten.
»Wenn auch der Prokurist, im höchsten
Grade von dem sviiten Besuch des
Reaierungsrateg überrascht, natürlich
seine Tatlette etwas ausknuntern muß
te bevor er sich zeigen konnte, so ge
schah das letztere in einer so großen
Eile, daß kaum einige Minuten ver
strichen waren, bis er den Salon bes
trat.
»Herr Regierungsrat, ich bedanke
wenn ich habe warten lassen,« ent
schuldigte sich Jensen.
»O bitte, lieber Herr Jenseit. ich
muß vielmehr um Entschuldigung bit
ten, daß ich Sie so spät noch aus
Ihrer Gemütlichkeit herausreiße.«
»Das hat nichts zu sagen, Herr
Regierungsrat Absolut nichts. Der
Zustand Jhres Herrn Bruders ist
doch nicht schlimmer geworden?«
»Nein. Obgleich derselbe zu ern
sten Besorgnissen Anlaß gibt. Mich
führt eine große Bitte zu Ihnen« —
»Aber, here Regierungsrat, ich
stehe Jhnen jederzeit zur Verfügung«
.Möchten Sie mir wohl einige
Stunden Jhres Schlases opfern?
Kommen Sie mit mir in das Ge
schäftslolal meines Bruders· Jch
muß noch heute abend Klarheit über
seine Verhältnisse haben. Und sagen
Sie mir aufrichtig, lieber Herr Jen
sen, war mein Bruder in Geldkala
mitätent Es ist keine mäßige Frage,«
sehte er drängend hinzu, da der
Prokurist sich verlegen räusperte
»Sie begehen keineswegs eine Jn
diskretiom Es kann lange währen,
bis mein Bruder sich wieder seines
Geschäftes annehmen kann — viel
leicht wird dieses niemals geschehen.
Das sieht dahin- Und, daß ich’g
hnen nur gestehe, mir i da aller
ei llzu Ren gekommen. rs ich um
do e enheit bittenk
Jensen blickte in die guten Augen
vor ihm.
Ja, dem lonnte er sich unverhohlen
anvertrauen.
»Herr Regierungsrat, wenn ich es
auch beschönigen wollte,« sagte er.
»du gibts einfach kein Beschönigen
—- tvir sind am Ende.«
»Das dachte ich, herr nsen.«
»Den Ollenschläger hat ich mann
haft gewehrt« —
«Mannhaft gewehrt,« widerholte
der Regierungsrat »Ja, ja. hat mein
Bruder keinen Kredit mehrt«
»Nein. Unser Kredit ist erschöpft.«
«Sind größere Zahlungen in näch
ster Zeit zu leisten?"
»3wei Wechsel sind gestern einge
gelöst --- siinsundzwanzigtausend
Mark. Allein es sind in Kürze wei
tere Beträge zu leisten —- den-«
»He-he Beträge?«
»Hohe Beträge. Herr Ollenschlä
aer wußte noch immer Rat; vielleicht
Tät-te er es auch dieses Mal durchge
t.«
»Was halten Sie von dem Ge
schäftsgang? Jst Hilfe noch möglich?«
«Kommen Sie mit, here Regie
rungsrat. Nehmen Sie Einsicht in
die Bücher.«
i »Ich meine nämlich, Herr Jensen,
mein Bruder erbt jetzt doch.«
. »Viel, here Regierungsrat?«
I »Ich weiß es nicht. Jch könnte
Jhnen vielleicht morgen darüber Be
scheid sagen. Gehen wir.«
E Nachdem der Proturift den Ne
ierungsrat noch in aller Eile mit
einer Frau bekannt gemacht, verab
fchiedeten sich die Herren. Es wurde
unterwegs wenig zwischen ihnen ge
sprochen. Jeder hing feinen Gedan
ken nach, die nicht angenehmer Natur
waren. Der erfahrene Proturifi
wußte zu gut, daß feinem Chef nur
mit einer hohen, einer fehr hohen
Ziffer gedient fein konnte. Und ob
die Erbschaft diefe höhe erreichte.
blieb dahingestellt. Georg Ollenfchlii
« er hatte einen fa klaren Kopf, einen
scharfsichtigen Blick gehabt; leider hat
Tte beides in den Ietzt-u Jahren statt
’gelitten. Seine Spekulationen waren
snieht in den erlaubten Grenzen geblie
ben, sie waren zu wag lsiger Natur
«gewefen, als daß sie inmer glücken
·konnten. Doch hatte der Chef ch
jeder besserm Einsicht und jedem u
fspruch scharf ablehnend ge enilber
verhalten. Er mußte Un ummen
«verdienen, denn er verbrauchte Un
sum-nen.
Schon seit Jahren hatte der Pro
kurift mit Zittern einem ufammens
brach entgegen gesehen. rg Ol
lenfrkllicer hatte sich tret alledem
Ich-I IM«
einmal t der -
»M- enpcmmZTi seist-Fa
Jenseit state-Este die Zeit ietzt than
« men.
« Ratliklich fest esksi recht. nie ver
Chef des netzt-setzten Geschäftsgan
ge entzogen was.
, Es Bat also das Qliinftn kein
Bruder keinen Wein einzulchentetk
" Ali dste beiden Herren mit ihren
intgenschweren Herz-en die Elektrilehe
verließen, sites aus einer anderen
Bahn ein jüngerer Mann der ehe
etbiestig feinen Hut zog.
Weder der Regierungsrat nsch
Jenfen hatten auf ihn gea stet trotz
dem sie eine fast tnghelle elelttiiche
Belegehtkng nmfiutete
? Es wate auch möglich getreer dxß
Max OMlchläget den jungen Mann
der seht vornehm aus-fah gar nicht
einmal gekannt hätte ist-as ihn frei
lich nicht verhindert haben würde
den devpten Gruß freundlich zu er
w.idetn Wie viele Menschen grüßten
ihn, die et niemals in seinem Leben
izu sehen geglaubt.
- Der junge Mann driidte seinen
weichen Filzhut tiefer in die Stirn
und ging langsam in gemeiiener
Entfernung hinter den beiden Herren
da sein Weg ihn nach der Ha
sengegend führte, und er den Rö
dingsinarkt passieren mußte.
Der Regierungsrat und der Pro
kurist betroten das Gelchiistslolal der
junge Mann setzte seinen Weg sort
Weit brauchte er indessen nicht
mehr zu geben. Er bog in die Ka
jen ein und verlor sich in einem
Gange, der in seiner Dunkelheit
trost os dein Besucher entgegenstarrte
Der junge Mann wußte hier je
doch gut Bescheid.
Am Ende des Ganges erhellte eine
Petroleurnlampe einen schmalen Hos.
Hier befanden sich einige kleine Ba
kacken.
Jn eins dieser verwahrlost aus
sehenden häuschen trat er und klomm
die wackelige Stiege empor.
Linker Hand klopfte er.
»Wer ist hat« scholl es schläfrig
aus dem Jnnetn heraus.
»Noch aus« Vater,« sagte der jun
ge Mann.
»Gewiß, gewiß. ich komme schon«
rief die Stimme in weit hellerern Ton.
Und schon wurde der Schlüssel her
umgedrebt
«Guten Abend, Vater.« s
«Miinne, fiel- da. mein Junge. Er
innerst Du Dich auch mal Deinij
Vaters?« 1
»Wir gehören mal zusammen Va-!
ter. Und ich tue doch, was ich tann 's
»Freilich mein Sohn freilich. Es!
sollte auch beileibe kein Vorwurf siiri
Dich sein. Nur eine leise Klages
tlang durch meine Worte: ich sehe!
Dich ar so selten."
Gechsäftig hatte der Vater seines
Lampe angezündet. Beim Schein der-!
selben wurde ein älterer. ebewiirdigk
ausschauender Mann sichtbar. Seine!
haltung war gerade, es lag etwas
Militiirisches darin. Aus einem
schmalen seinen Gesicht fiel ein bis
aus die Brust wallender Vollbart her
nieder. Graue. noch jugendlich blit
tende Augen suchten in dem Anlitz
des Jüngeren zu forschen, was der
Grund zu diesem späten Besuch sein
könne. Doch fragte er nichts. Er
wollte durchaus nicht indistret erschei
nen.
Der Ton, den er seinem Sohn ge
geniiber anschlag, war ein höflicher
wie denn- das ganze Gebabren die
ses, in der Kleidung allerdings ver
nachlässigten Mannes-, ein gebildetes
war.
»Nimm Platz, lieber Sohn,« sagte
er, aus ein Sofa deutend. das schon
manchen Gast beherbergt haben moch
« te.
· Der junge Mann scheute sich offen
bar vor dem zweifelhaften Aussehen
des Sosas, denn er setzte sich auf
lseinen RobrstuhL der am Fenster
;.ftand Ein kleines Päctchen legte er
auf die Fensterbant neben sich.
Des alten herrn Augen hatten
schon lange das Pöckchen erblickt
aber er machte teine Anspielung, ob
gleich er, nach Art alter beschäfti
gungslofer Leute, recht neugierig war.
Er vervollständigte schnell seine
mangelhafte Totlettq wobei er ent
chul igend sagte: «Verzeib, ich lam
chnell aus dem Bett.«
,, ch habe Dich wohl gestört, Ba
terf« fragte Männe.
« »Ach, nein, ich schlief noch nicht.«
erklärte der alte Herr. »Ich tann
des Abends so schwer einschlafen.
Gott, mein Junge, man wird eben
alt· Aber dann ist es wohl auch
noch nicht so spät9«
Er blickte wie suchend im Zimmer
umher, obgleich er sehr wohl wußte,
daß sich in dem lleinen Raum teine
Uhr befand.
»New vorüber,« sagte Männe.
Er trornmelte mit den Fingern auf
dem Piickchen umher, es hörte sich nn,
als befände sich etwas Metallenes
unter der Papierhiille.
Der alte herr bemerkte, daß sein
Sohn etwas auf dem herzen hatte
und half thrn über die Verlegenheit
.dadurch hinweg, daß er unablässig
plauderir.
»Die Witterung hat urplöhlich
umgeschlagen, es ist mit einem Male
talt und ungemütlich geworden. Ja,
ja, der Winter steht vor der Tür
Jch weiß gar nicht, ob ich hier in
dem misera len Hundeloch bleibe. Der
Oer rau und der Wirt läßt nichts
machen. ür nnsereinen gut genug.
scheint et zu glauben.«
»Zum-same Wesens-B lachte der
junge Mann.
Tief Alte VIII-Eis in Bieer Le
Hen mit ein
Use-, fei ei wie ee Hexe ieå komme
gut rntt der-n Publikum ans. wenn
sie rnich angi- fchon hinter meinem
Misen den neednehten Baron nennen«
Das fchiSn Mär-ne ins Mit-en
Grade zu amiisieren »Der verdrhte
Baron, ist gut,'« fogte er.
Dann. wie sich auf etwas bei
sinnend, fqate er: »Tu, Vater. vor
läufig bleib-ff Dn wohl biet wohnen?«
»Freilich. freilich, mein Söhn«en
Wenn mir der Ofen repariert wird
auf alle Fälle Es kommt bei fern
Ziehen auch nichts Gescheites her
frib?. Und hier habe ich mich einge
e .«
»Den Ofen lasse ich reparieren,
VaterK
»Dann bleibe ich. Männe. Dann
tziehe ich nicht «
H »Es wäre mir lieb wenn Du
wenigstens vorläufig wohnen bliebeff
Jch möchte Dir nämlich etwas in
Verwahrung geben«
»Bei mir ist es wohlverwahrt.
mein Sohn.«
Nämlich diesen Kasten. Vater. Es
liegt mir daran, daß er in feiner
Hülle bleibt, und daß er an einem
passenden set verborgen ift.«
Ugzeg Alten Augen blitzten lebhaft
an
d «Verborgen? Nichts leichter als
as.«
Und mit listigrm Schmunzeln setzte
er hinzu, seine Bettstelle von der
Wand abschiebendk ,.Schau ber: hier
setze Deinem Raub selbst hinein.«
Kaum war das Wort des Alten
Mund entilohen, als er es auch schon
bereute. Er hatte sich wirklich nichts
dabei gedacht.
Als er sah, wie sein Sohn, sein
lorretter Männe, erbleichte, sagte er
begütigend: »Verzeih, mein Junge,
das Wort entsuhr mir nur so. Jch
wollte Dich nicht tränken. Weiß ichs
doch, daß Du vom Scheitel bis zur
Sohle ein Gentleman bisi.«
«Laß man, Vater « lächelte Männe:
verlegen. Setz Dich meinetwegens
mit Redensarten nicht in Untosten."
Jch tenne das tleine Gelasz hinter
Deinem Bett sehr wohl. Da tann
mein Kasten liegen, bis ich wieder
komme. Dann wollen wir weiter
darüber reden. Und solange mach Dir
keine Gedanken, Vater.«
Er trat hinter die abgeriickte Bett
stelle und schob das Pöachen durch
die tleine Tapetentiir in ein niederes
Gelaß hinein.
«Gottlob,« seufzte er. als er die
Tür, die wohl einen halben Meter
höhe erreichen mochte, wieder schloß
Er zog sein Taschentuch, sich an
dauernd die hönde damit wischend
Es war, als habe er das instinktive
Gefühl. nicht nur äußeren Schmutz
mit dieser handlung zu beseiti en.
Dann reichte er die Rechte em
Vater zum Abschied.
»Adieu. Vater, ich kann mich dar
aus verlassen, daß Du zu niemandem
ein Wort darüber sorichsti«
»Mein Ehrenwort. Sosern Du
findest. daß Dein alter Vater noch
ein Ehrenwort zu verpsänden hat.«
.Dein Wort genügt mir.« (
Der Alte saß noch lange aus dem
schmierigen Sosa. Die Neugierde ließ
ihn nicht schlasen.
Er holte das Päctcken aus seineml
Versteck hervor und beschaute es ornj
allen Seiten.
»Grstohlen? Nein; sein Männe
nicht. Jn Verwahrung von einem
csmdern übernommen? Das tonnte
em.
Der Sohn hatte ausdrücklich be
fohlen, die Hülle solle drum bleiben.
Konnte sie auch. Schaden würde es
indessen Niemandem, wenn er die
Verpackung sür einige Augenblicke ab
nahm, wenn er sie nur lunstgerecht
kwieder drum legte.
; Du lieber Gott, man ist doch neu
gierig. Und es tann einem Vater nicht
einerlei sein, aus welchen Wegen der
Sohn wandelt.
Obgleich --- hm s» er hatte tein
Recht dazu. Nicht zum Oessnen des
i anvertrauten Päckchensz und das
echt, das Tun und Treiben seines
Sohnes zu lritisieren, hatte er am
Ende auch verwirli.
Ra. aber einerlei.
Vorsichtig war das Band gelöst;
es hatte Mühe gekostet; der Knoten
war, da das Band nur dünn, sast
unentwirrbar gewesen.
Aus der Papierumhiillung latn
ein Blechkasten zum Vorschein von
ungewöhnlicher Dicke. Jn gruziösem
Wurf waren dunkelrote Rosen dar
aus gemalt, die sich über den Deckel
hinüberschlängelten. Vorn unter dem
guten dauerhaften Schloß war aus
einem mit künstlichen Schnörkeln ge
malten Schild ein Monogramm ein
graviert.
Ein O und ein M zierlich ver
schlungen.
No ja.
Der alte würdige Herr war bei
diesem 5Llnblitk natürlich noch gerade
so klug wie vordem. Und natürlich
wurde der Wunsch in ihm rege, einen
Blick in das Innere dieses heilig
tums zu tun. Wenn einer der Schlüs
sel paßte, die er noch aus vergangenen
Tagen besaß, als er noch über viele
Kisten und Kasten versügte. —
Eine ganze Stunde suchte er und
probierte er, denn vorsichtig mußte
er zu Werke gehen, tun das Schloß
nicht zu verl en
Alle seine ersuche aber scheiterten
an dem komplizierten nitnms
dieses kleinen barme leises
Dei ink- rem wes me packe
Sorgsålrig pssctte er des HEXE
wieder ein. und ais er jede SM
seiner Jadiäkreiion vermischt sag-«
ging er zu Lett- .
Fisnsies KapiieL
Der Regierungsrat a. D. Max
Ollenichiiiger bei-rat gesenkten Haup
tes-Z die Wohnung des Justizraies
Pole-irrer
Der Einblick, den ihm Ienien cre
siern nacht in den Geichsflsbeirieb
MMU
seines Bruders gen-ödes TMEY Rina· J·
te ihn mit schwerer Sorge.
Mit dem Prokuristen, als einer et- ;
Brot«-ten Kreist, baiie der Chef Inan
Hebes besprochen was nicht direkt mit
»dem Geschäftsgange in Verbindung
ist-mir quharsige Spekulation-n
;aller Ari.
’ »Wie man sich so hineinreiten
Muts-« dachte der Regierungsrat
’,,Und das aITes siir eine Frau.«
Wenn der Zicsnmmenbruch da wor.
nnd er schien sasi unvermeidlich. wie
wiirde Leonie das Schicksal tragen?
Trie arme Liseiotte würde einen
schweren Stand bekommen.
Max Ollenschläget wurde sosori
beim Justiztai vor gelassen, iroydern
stchdbereits ein Herr bei diesem be
; an .
Es war der Kriminalkommissar
Pent, der, bevor er sich auf das
Amtsbureau des- Landrichters begab
noch iiber die Vermögensverhältnisse
der Ermordeten orientiert sein wollte.
Man begrüßte sich.
»O. o. o,« machte der Justizrat
»was man auch alles erleben muß
Bitte, lieber Herr Regierung-Brot« neh
men Sie Platz. Die Herren lennen
sich ja. Herr Kommissar teilte mir
soeben mit, dass, die gestrige Unter
suchung am Totort ganz resultatloz
verlaufen. Unsere arme liebe Frau
von Hunn. Meine Frau hat vor
Schreck die Migräne bekommen und
liegt noch heute leidend darnieder,
sonst wäre sie wenigstens gestern so
fort ins Trauerbaus geeilt.«
Max Ollenschläger hatte neben dem
Justizrat, der auf eine Chaifelonaue
gebettet in seinem Sprechzimmer lag,
Platz genommen.
»Auch über meinen Bruder ist
schweres Leid bereingebrochen,« be
merkte der Regierungsrat
»aniefern das-«
»Jhn hat eine Art Schlaganfall
betroffen. Er liegt halbseits gelähmt
und besinnungslos in seiner Som
merwobnung auf der Uhlenhorst.«
»Ja, ja, ein Ungliick kommt selten
allein," meinte der Justizrat wie in
Gedanken verloren
Der Regierungsrat wandte sich an
den Kriminalkommissar.
«Waren Ihre Nachforschungen in
der Nachbarvilla von Erfolg geht-int
herr Kommissars«
«Letder nein. Zwar hatten die Be
diensteten des hause- Viittner eine
Droschte vor der Pforte Frau von
hunns stehen sehen, aber diesem Um
stande selbftredend nicht das gering
ste Gewicht beigelegt. Ob Besuches
mit dem Wagen gekommen waren,
ob Frau von hunn selbst das Fuhr
werk benutzte, darüber habe ich Nähe
res nicht erfahren können.«
.Unfeblbar war Besuch bei meiner
Schwester, wie aus den Aussagen des
Mädchens hervorgeht.«
»Natürlich, das nehme ich auch an.
Und meines Erachtens ist dieser Be
such verdächtig, da ein Fremder doch
nicht hätte in das Haus eindringen
können-«
»Es ist jedoch noch nicht festgestellt.
das; der Vordereingang verschlossen
getresen,« gab der Justizrat zu
» bedenken. »Frau von Hunn war sehr
zfiir frische Luft. Es ist nicht ausge
schlossen, das; die Tür der Glaöverani
da offen stand und so die Gelegenheit
vorhanden gewesen, die Tat zu voll
führen, ohne den Hund zu akarmies
ren.«
»Das Mädchen fand die Tür ver
schlossen,« warf der Regierungsrat
ein.
»Das mag auch tatsächlich so gewe
sen sein. Könnte der Mörder nicht
aber vorn die Tür verschlossen und
den Seitenausgang als Rückweg be
nutzt haben?«
»Das ist möglich, aber doch wohl
ein wenig weit hergeholt,« meinte der
Kriminallommissar. «Frau von Hunn
hätte unfehlbar aufmerksam werden
müssen, wenn jemand den Salon und
schließlich dasv Zimmer betrat, in wel
chem sie saß. Tie Untersuchung bat
aber ergeben, daß die Dame a solut
in ihrer Ruhe verblieben. was, ra
sie nicht schioerhöria war, sonst wohl
nicht der Fall gewesen wäre-«
»Sollte der vermeintliche Besucher
der Täter gewesen sein, tönnte man
am Ende doch auf einen Racheatt
schließen,« gab der Regierungsrat zu
bedenken· »Wenn schon ich nicht glau
be, daß meine Schwester mit Men
schen verkehrte, denen es Bedürfnis
war, sie aus dem Wege zu räumen
—- sie stand ja tatsächlich nieman
dem im Wege-«
»Mit einem Raubmord könnte man
es hier auch wohl kaum zu tun ha
ben,« sührte der Justiztat aus, »du
nach Jhrer Aeußerung, Herr Kom
missar, alles in einer tadellosen Ord
nung vorgefunden wurde.«
tzortsehung solgt aus Seite 6)
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