Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 06, 1912, Zweiter Theil, Image 11

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    Ists-II Its utstt
Wink-Mk san Max Ratewskr.
hältst In den schnellen Fund in deinen
« Hemde-h
Un fem- Blåtter lasteqfam umzuwen
n,
Kommt die Erinnerung mit leisem
.. Schritt,
Und tausend tiefe Stntndsen wandern
nn.
Du siehst dein Lebentstill vorm-erstei
rn,
Mit seinem Leid, mit seinen Seligkei
ten
ssenn es in bnnnek Sorge zu dir kam,
Wenn es dich jubelndhin die Arme
na m.
Still lächelnd blickst dniesuf die Blätter
U c Ok
Und dn erlebst die alten Zeiten wieder.
Du stehst auf deinet-E ernndc bunte
chat
Und auch in manches liebe Angenpaar.
cte grüßen dich aus dieses Buches
Zeilen
Und werden auch in Zukunft bei dir
· weilen·
lind unter ihnen ist auch mein Mc
Jch bitte herzlich dich: Ergin mich
nicht!
Der Dichter-.
Von Denkt Tuvernois
Herr Monichaux sagte zu seinem
Sohne:
»Dein Beruf! Du führst kein an
deres Wort mehr im Munde! Jch
hatte in deinem Alter auch einen Be
ruf; ich hatte mir eigentlich vorge
nommen, in eine Hutfabrik einzutre
ten, aber dieser Gedanke hat mich
durchaus nicht gehindert, in Stiefeln
en gros sehr gut vorwärts zu lam
men. Du willst dich mit Dichten
beschäftigen, aber du wirst ein tüchti
ger Kaufmann für Tuch- und Woll
warensabritatton werden, weil du
klug bist und ein kluger Mensch es
iiberall zu etwas bringt. Uebrigens
habe ich mit Herrn Groguy schon dei
netwegen gesprochen, und er will dich
sehr gern versuchsweise anstellen. Du
hast die Warenrechnungen in ein
Falturenbuch abzuschreiben; die Arbeit
ift interessant und vielseitig. Nicht eine
Rechnung gleicht der andern. Du
weißt mit allem im hause genau Be
scheid, und tvenn die Firma jemals in
Avnlurs geraten sollte, bist du zuerst
davon unterrichtet. Es sind also auch
schriftliche Arbeiten, die du zu ma
chen hast, du siehst, daß ich dir in
deinen Wünschen etwas entgegenkom
»me."
Frau Monichaux wollte sich ins
Mittel legen:
»Laß ihn noch ein halbes Jahr zu
Hause bleiben Nicht wahr, Ernest,
du wirft leine unvassenden Sachen
mehr dichten? Siehst du« er nickt er
verspricht es. Und dann möchte er
so gern ein Stück stir Amerila schrei
ben; laß doch dem Kind ein wenig
Freiheitt«
Das Oberhaupt der Familie geriet
ir- Zorn.
»Freiheit? Jch verstehe nicht! Frei
heiti Jst das türkisch? Jst es chine
sisch? Großer Gott, wohin würden
wir kommen! Da spricht die Frau
von Freiheiit Die darf man nieman
den gestatten. Weder Ernest noch ir
gendeinem anderen Burschen ...«
»Ich habe ein ungliictliches Wort
grwiihlt.« gab die arme Mutter zu.
Aber Herr Monichaux benußte diese
Gelegenheit, um seinen Willen durch
zusehen. Schon am nächsten Tage
ging -er mit Ernest zu dem Tuch
und Wollwarensabrikanten herrn
Manuel Groguy, der sie mit melancho
lischem Wohlwollen empfing.
Er war ein Mann, dessen Alter
s-.ch nicht genau feststellen ließ, groß,
gebeugt, mit grauem Barte, nicht nach
der Mode gekleidet, ein Mann, der
aus Bescheidenheit oder Eitelkeit eine
Arawatte mit so langen Enden trug,
daß man nicht feststellen tonnte, ob
hierr Groguv einen Orden hatte oder
n cht
Jch müßte mich sehr irren,« er
tliirte Herr Monichaux und wies aus
seinen Sohn, »wenn dieser Schlingel
nicht der gebotene Tuch- und Woll
warenhiindler ist. Fürchten Sie sich
nur nicht, ihm Arbeit zu geben« herr
Erogum Ernest sieht ein wenig
schwächlich aus, aber er ist kräftig.
Später können Sie ihn mit der Kor
respondenz betrauen, er hat einen
guten Stil, weil er Griechisch und La
teinisch gelernt hat, womit er sich aber
for nicht mehr beschäftigt, denn ich
ann Jhnen schwören, daß er alles
vergessen hat ..."
Ich gebe ibm als Ansangsgebalt
dierzig Frani monatlich,« unterbrach
ihn herr Groguy.
»So gut ist es mir zuerst nicht ge
gangen. Bedante dich bei Derrn Gro
guy, Ernest. Sie werden bald sehen,
daß Sie einen guten Griff an ihm
gemacht haben. Er stellt etwas vor,
und er spricht sehr gut. Wenn er
in diesem Augenblick teinen Beweis
davon gibt, geschieht es nur, weit er
eingeschiichtert ist. Sie werden ihn
tei der Arbeit sehen-« ,
»Ich will ihm das Zimmer zei
gen. in dem er schreiben wird, und
ich will ihn seinen Vorgeseyten und
Kamekåden vorstellen,« erwiderte
Herr rogun. Von diesem Tage an
saß also der ijunge Monichaux vier
Stunden vorm tiags und vier Stun
den nachmittags iiber ein Punkt ge
teugt, aus dem ein geradezu gewalti
ges Kontobuch lag. Er hatte Fene
spißdogige und sließende Schrift, die
den modernen Literaten eigen ist nnd
die er durch das Kopieren von Auto
granusien großer Schriftsteller erlernt
hatte. Diese eigenartigen Buchstaben
standen zu der kalligraphisch schönen
Schritt seines Vorgängers an dem
Kontobnch in starkem Widerspruch,
und Ernest gab jede hoffnung aus«
sie jemals nachahmen zu können. Jn
dem Bureau war kein Fenster; den
ganzen Tag brannte eine elettrii
Lampe, die ein grelles Licht verbrei
tete, und in dem Raum roch es be
ständig nach feuchtem FlanelL Aber
Crnest Monichaux beschloß, mit der«
glilcklichen Anpassungsfähigleit seiner
achtzehn Jahre feine eigentliche Be-·
stimmung mit seinen jetzigen Pflichtenl
zu vereinigen. Jn feiner Schublade,
die fein einziger Trost wurde, sam-(
melte er ein ganzes poetisches Arse-«
nal an. Es befanden sich einige Bein-(
de feiner Lieblingsdichter darin, eins
Reimlexikon, Zigaretten Bonbons,
mehrere Gänsesedern und eine kleine.
Glasvase, in die er täglich eine frische
Blume stellte. Außerdem lagen in ei
rer Schreibmappe, die von den zarten
Händen einer Cousine mit grüner
Lorbeeren bestickt war. seine letzten
dichterische Versuche. Betrat nun ir
gendein Kunde, ein Angestellter, ein
Vorgesetzter oder der Chef selbst das
Bureau, so schob Ernest schnell die
Schuhlade zu. beugte sich über das
entsetzliche Kontobuch um einige Mi
nuten später die noch glimmende Zi
garette und die noch nicht getrockne
ten Verse wiederzufinden.
Natürlich ging das nicht ohne Un
ruhe und Herzklopsen ab. Herr Gro
guy schüchterte seine Angestellten durch
seine strenge haltung, seine trockne,
kalte, abgemefsene Sprache und eine
solche Traurigkeit ein, daß niemand
selbst sein bester Kunde nicht, sich rüh
men konnte, ihn jemals lächeln gesehen
zi; haben. Weshalb war er so traurig?
Das wußte niemand. Sein Geschäft
war gut, er hatte eine junge, niedliche
Frau und zwei hübsche Kinder. Und
doch lag es wie geheime Angst aus sei
nem Gesicht, und sagte er: »Ich bin
mit der Jnventur zufrieden,'« so klang
es, als ob er ein Unglück angekiin
digt hätte. Während zweier Monate
butte er nur zweimal das Wort an
Ernest gerichtet. Das erstemal sagte
er zu ihm: Nehmen Sie keinen Spa
zierstock. wenn Sie ins Geschäft korn
men. das gehört sich nicht,« und das
zweitemal: »Tragen Sie keine Hand
xchuhz das demütigt Jhre Kamera
en."
Jetzt wurde ein Sonett von ernen
in einer Zeitschrift veröffentlicht, und
nach diesem literarischen Erfolge be
schloß er. sich trotz der väterlichen
Unversöhnlichleit seiner Kunst zu wei
hen und den Tuch- und Wollwaren
nur noch sehr wenig Zeit und Auf
merksamleit zu widmen.
Eines Morgens nun, als er K
Bitreau lam, und seine dichterische -
geisterung durch das rasche Gehen
noch mehr in Schwung geraten war.
öffnete er seine Schublade, zog ein
Rechnungssormular heraus und trit
zelte auf das Geschäftspapier folgende
Verse:
Jst’s meine Schuld, daß mein Blut
pocht mit heißer Wärme?
Jst’s meine Sold, daß noch fern
mir der Tod?
Daß azurblau der Himmel, so
rosig die Ferne?
Daß ich jung hin und stark, so
schön und so rot?
Js« meine Schuld?
Um die Wahrheit zu sagen, war
Erneft sicher jung, vielleicht auch stark,
jedoch tiher seine Schönheit konnte
man verschiedener Ansich sein; jeder
mann weiß, daß ein poeti ches Arsenal
teinen Spiegel birgt, der ia übrigens
auch der dichterischen Begeisterung
schaden würde.
Halblaut wiederholte er mit Jn
brunst:
Jst’s meine Schuld?
Da zitterte er: vor ihm stand sein
Chef, trauriger denn je, mit seinem
ungetiimmten Barte, seinem großen
FJips und seinem nicht modernen
· O
»Was ist nicht Jhre Schuld?«
seagte er.
Jn seiner Betroffenheit hatte Er
nest Bergessem die Schublade zuzu
schieben.
»Sie schreiben mit einer Gänse-;
seder,« suhr herr Groguy sort, »zei-j
gen Sie doch mal ...«
Und er erblickte in der Schubladel
die tleine Bibliothel, eine gelbe Nelle
und ein angesangenes Gedicht.
»Ich schrieb einen Privatbries,«
stotterte der junge Monichaux.
Herr Groguy schüttelte den Kopf.
»Sie werden doch nicht wagen, ei
nen Privatbries aus ein Rechnungs
tormular meines hauses zu schrei
ben,« ries er aus. »Zeigen Sie mir
das Papier Jch hätte wetten tön
nen, daß es Verse sind!« —- »Eigent
lich nicht!'« —- »Es sind Verse!« wie
derholte sehr ernst Herr Groguy.
Während einiger Augenblicke
herrschte Schweigen.
»Kommen Sie heute abend um
sechs Uhr in mein Privattontor,« sag
te der Chef.
Ein entzückender Tag! Ernest
Monichaux lernte die wahre herzenji
anst kennen. llnd gerade heute war
sein Vater nach dem Mittagessen sehr
vergnügt. Er bot seinem Sohne ta
meradschaftlich eine Zigarre an.
»Ja den nächsten Tagen komme ich
zu dir, unt dich bei der Arbeit zu se
hen,« litndigte er ihm an.
Dann wandte er sich zu seiner
Frau:
»Du solltest ihn nur sehen! Er hat
ein Kontobuch das größer ist als er!
Wäre ich in seinem Alter aber stolz
gewesenl Jch hatte nur ein Notizbuch,
das hielt ich aber so ordentlich, daß
jeder, der es sah, sosort wußte, was
aus mir werden würde!«
»Wie rechnest du denn jetzt,
Ernest? Das muß schnell wie der
Wind gehen Und deine Schub
ladeTt Sieht es auch sauber in deiner
Schublade aus? Die stöbern nämlich
die Chess zuerst durch, um zu sehen
ob ihre Angestellten auch Ordnung
zu halten wissen. Jch spreche mit dir,
Crnest, vielleicht hast du die Freund
lichkeit. mir-zu antworten."
»Daß ihn doch zufrieden,« rief
Frau Monichaux mit jenem göttlichen
Ahnungsvermögen der Mütter. »Er
tut alles, was du willst. Quäle ihn
nicht Jch finde, er sieht schlecht
aus.«
Der Nachmittag war schlimm.
Soltuaue, ein Kollege von Ernest,
hatte der Szene morgens beigewohnt
und belundete einen trostlosen Pessi
mignius.
»Höre, Freundchen wenn er dich in
sein Privatlontor bestellt. ist es nicht,
um dir ein Schniipschen anzubieten.
Er wird dich mit seinen eisigen Blit
len anstarren und dir sehr böslich sa-(
gen: »Lassen Sie sich Jhr Gehalt
auszahlen. Jch bedauere .. ." Jch ch(
habe es mit Marchand Prugniand
und dem kleinen Emile erlebt. Und»
tre fabrizierten leine Verse in ihrer!
SchubladeX
Um sechs Uhr llopfte Ernest lei:
chenblaß und entschlossen an die Tür
rion Herrn Groguy. ;
«Herein!« rief dieser· »Ach, Siei
sind es2" i
»Den Grogny ...«
»Haben Sie den schönen Zettel bei
sich? Geben Sie hin mir.«
Ernest streckte ihm betroffen das
Stück Panier entgegen, fein Chef
nahm es und las es erst schnell,"
dann langsamer durch. Darauf be-»
trachtete er feinen Angestellten mits
Blicken, in denen ein. ungewohnter
Glanz war.
»Und das finden Sie wunder
hiibsch!" spottete er. »Das ist sehr
schlecht, hören Sie, sehr schlecht. Wie
die jungen Leute uns auf die Nerven!
damit fallen, daß sie nur von ihrer
Jugend sprechen. Sie bewundern sich
so sehr, daß sie nichts mehr fiir die
Frauen iibrig haben· Und die Frau
en, junger Freund, sind eben die
Poesie Sie smd Natur«-nie wie ich
sehe. Und sie reimen ,,Wiirme« aufs
»Ferne« —- mein Kompliment! Sie
haben ja leine Ahnung von Bersmaszl
U d lann eine Wärme anders als
eisz sein? Und »azurblau der Him
mel,« »der Himmel azurblau.« Sie
konnten das hinschreiben, ohne daß
Jhnen übel wurde? Nun rechtfertigen
Sie sich! Antworten Sie mir! Haben
Sie leine Furcht, es ist sechs Uhr vor
bei, ich bin nicht mehr Jhr Chef, ich
lsin Jhr Kollege! Ja, lieber Freund,
Sie brauchen mich nicht so überrascht
anzusehen, es ist ein unbestreitbares
Faitum: Gatfsan die la Privans
die-re steht vor Ihnen, der Verfasser
von »Vergessener Duft« und »Mein
Poetifches Testament« oder »Eine Fla
sche im Meere« Hätten Sie sich
je träumen lassen, daß G tfsan de
la Privandicsre und Manne Groguy
ein und dieselbe Person sind?«
Er fuhr fort:
»Ich schrieb auch meines Papas
wegen meine Verse in meiner Schub
lade, ach, und meiner Frau weqen
muß ich sie weiter verstecken. Hier
dichte ich, wenn ich eine Minute steh
len lann Man wird fo häufig ge
stört, das werden wohl Sie am besten
wissen! Nun aber einen Nat — der
Kollege spricht setzt mit Ihnen, nicht
der Chef, merken Sie sich daher, be
nutzen Sie die Rechnungsformutare
des Geschäfts nicht Wie wollen Siel
darauf etwas Gescheites zustande»
bringen! Kommen Sie nur immer zu !
mir ich werde Jhnen gutes Papier
geben.
Ein Deutscher Uts start Terami. E
Folgendes Geschichtchen erscheint im
Londoner Blatt in deutscher Sprache:
»Marl Twain lernte einst in einer
Gesellschast einen berühmten Piani
sien kennen: »Freut mich sehr, Sie
zu sehen,« sagte Mart Trvain, »ich
babe viel siir Musik übrig. Jch spiele
selbst ein bißchen, und Musik hat mir
sogar einmal das Leben gerettet.« —
«Erziiblen Sie doch,« bat man den
humoristem »Als ich ein lleiner Jun
ge war, gab es in meiner Vaterstadt
eine große Ueberschwemmung Als
das Wasser unser haus erreichte,
nahm mein Vater eine Bettstelle, setzte
sie ins Wasser und schwamm aus ihr
den Fluß hinunter, bis er gerettet
wurde.« —- ,.Na und Sie?« sragte
der Musiker erwartungsvoll —- »Jch.'«
lächelte Mart Ttvain, »ich begleitete
ihn —- aus dem Klavier!«
— PhänomenaL Elschem
»Muttchen, heut hat uns die Lehrerin
etwas furchtbar Komisches über den
Kuckuck erzählt; dent mal: er legt
sremde Eiers«
Irr Dirne-scherz. T
Von Röte Lubowsli .
Fräulein Wachleitner suhr mit iem
Malpinsel allzu lröstig in das cebia
aus ihrer Palette weil ihre Augen zu
dem zierlichen Mädchen hinliesen. das;
traurnverloren zu den das Dörfchen
criißenden Bergen emporschaute . . .
,,,Gell erche, siehst mal in die
Mich und tust noch a Schuß Betri
gen an die KalbhakaDDer Doktor
mag’s halt gern.'«
Die seingegliederte Gestalt zoa un
mutig die schmalen Schultern hoch
«Du verwöhnst ihn schrecklich, Jan
te Wachleitnerf
»Meinst, Herzel? Und wenn Hon!
So einer wie der . . . verdients.
J bin net wenig stolz draus,d1ßi
ihm in den zehn Jahren, wo er be
mir speist, a ordentlIche Wettersdicht
an’suttert hab’.«
»Schon zehn Jahre also bemutterst
Du ihn? Da lenn' ich den allw«.ich
tigen Arzt nun ja auch bereits ein
volles Dezennium," lachte Fräulein
Wachleitners Lieblingsnichte, die all
jcihrlich eine Zeitlang ihr Berliner El
ternhaus gegen das Künstlerheim ih
rer Mutterschwestek vertauschte.
»Natürli . . . er hat Dich damals
doch als Neunjiihriges . . ."
ergard Werners seingezeicknete
Braunen zogen sich zusammen.
»Dort ich vielleicht vollenden. Tan
ie? —- Also . . . von dreierlei Kehri
heit, der Rippen-, Lippen- und Hals
entziindung gerettet, so daß ich das
kostbare Leben erhalten habe. Aber
zart bin ich seither geblieben . . .
schrecklich zart.«
Fräulein Wachleitner schüttelte
mißbilligend den Kopf.
»Bist nun doch mal halt iei Nie
sendame,« tröstete sie, »a Taill’ zum
Zerbrechen und Händ’ und Fiiß wie
ein zwölsjähriges und daß er aus
Dich paßt und Dir’s alleweil zu
G’n1iit führt . . . dasiir is er halt
Arzt.«
»Wie einen Säugliiig behandelt er
inkch . . . fühlst Du das denn gar
nicht?«
»Na! . . . so eins verllopft man
doch, wenn’s Mucke hat und dös hat
et — soviel i weiß —- noch net bei
Dir probiert.'«
»Seht viel fehlt nicht mehr dran.«
Ein dunkler Schein stieg in die
tlaren Augen des jungen Mädchens.
Jhr Atem ging kurz und erregt
»Ich habe ihn gestern nämlich ge
beten, daß er mich morgen zum Wet
tersteinwirt auf die Kirnies mitneh
men möchte . . ."
»Und . . ."
nlz,:21ufgeregt hat er sich . . . schreck
i .
»Jhm druckten vielleicht die Mit
tagstnödel . . .«
»O nein, die Großmannsfucht und
das Herrentum waren’s. Sonst
nichts. Da tollten und zeehten sie
. . . und wären außer Rand and
Band . . und Tabatsqualm nnd
Wildheit gäb’s . . . und . . ich dürf
te auf teinen Fall hin, weil ich doch
. . so zart wäre . . .«
Der duntle Schein ballte sich zur
Wolke, die mit dicken Tränen auf die
schmalen Mädchenhände herabfloß
»So sehr hängst Du an dem Ge
dudle der Kirmes?« wunderte sich die
Tante. »Schau, schau!«
»Sie lachen mich stets in Berlin
aus, wenn ich tleinlaiit eingestehen
muß, daß ich mir das Fest habe setzen
ten müssen.« «
»So . . . das is denn was anders·
Aber . . . Rat weißi mir teinen.
wenn er net will. J lann Dich da
net hinbringe. Ein Mannsbild niuß
dabei sein. Er freili tönnt Dich scho
schütze. Vor ihm haben’s alle Re
spekt. Da is keins, dem er net we
nigstens ei’inal Leib und Seel’ zu
sammengeflickt hätt’. Aber stad..."
da tlingt sein Schritt. Tu fix den
Heurigen an die Hax —- derweil werd’
i mit ihm von der Kirmes rede.«
Es half aber nichts, daß feine
treueste Verehrerin sogar heftig mit
ihm wurde.
»Gewöhne Sie sich dran, Reuiner,
daß sie halt tei Dreitäsehoch mehr is.
Warum soll sie die Kirmes halt net
schaue?«
Sein weitergebräitntes, treues Ge
sicht wurde rot und verlegen·
»Sie busserln und schnaclen da in
Hitz und Tanz allerlei . . «
»Daß es den Wetterstein erbann
. Jesses . Sie wird halt auch
busserln und schnacken, wenns mal
s7 weit is. «
»Und sie tönnt’ sich ertölten,« tag
te er seltsam kurz und hastig.
Sie sah ihn kurz und schars an.
»Glaube Sie eigentli wahrhaftig
daß Sie etwas iiber das Mäble zu
sage haben?«
Er erschrak, wollte sich verteidigen
und stotterte doch nur in hilfloser
Berwirrtheit: »Ja doch . . . so nei
...wenn sie mir beweise könnt. daß
sie sest und hart und gesund wär’
— dann in Gott’s Namen.«
Fräulein Wachleitner äugte scharf
nach der Tür hin, die ein wenig os
sen stand. Sie hatte ein helles Bläs
chen schimmern sehen, wie es die Nich
te trug —- ließ sich aber nichts von
dieser Entdeckung merken, sondern
nickte nur gelassen: »Sie sol!’s sthne
woll beweise?...Nu genug. Schau-«
en’s sich mal das Zonnlegelhaus am
Rissersee da aus der Leinwand an.!
Die Stizz’ dazu hab i an Ort und
Stell' icn Juli g’macht. Es losnmt
zu Professor Hitler nach Münche.«
Doktor Reutner blickt pslichtschut-»
digst zur bezeichneten Stelle hin ge
wrbrte aber nichts von der Wirk; ich
teit, weil sein geistiges Auge ein
schmales Gesichtchen mit einer Fül
le blonder Ringellocken nicht freige
ksca konnte.
,(1e is halt gar zu zart,« murmel
te er traurig. Tante Wachleiiner
aber schlug die Hände zusammen und
sagte bitterböse: »Sie hänge ganz
und gar in den Wolke, Doktof..
ich wett, net mal den Heurigen an der
Hax werdens halt schmecken» «
—- —- —- Beim Wirt zum Met
terstein ging es heute hoch het! Voml
frühen Moraen an herrschte Ausge
lassensnit Der Gottesdienst und die
Messe hatten nur eine kurze Unter-·
lsreclzuna gebracht. Nachher word-:
egs nur noch toller. Doktor Reutner
der den Leuten an diesem Tage sei
ne Zugehörigleit beweisen wollte saß
mitten unter ihnen und warnte nur
zuweilen: »Net zu toll Leut’ . .
allzu mutig Pferd hält lei langen
Galopp auö.«
Die Jüngeren taten, als merkten
sie s-ch’s. Nur der alte Steinhnber
Sepp, der längst die hundertste Be
iteigueja der großen Riffelwandsvitze
hinter sich hatte, lachte ihm zu: »Herr
Doktor, heuer nehme wir uns Me
dezin vors ganze Jahr ein . . .
Ton uns soll Jhna tas bis moruge1
töre.«
Bis vier Uhr nachmittags war aH
Les ganz gemiitlich. Dann aber farb
ten sich die kühnen Gesichter tiefer
die Zungen wurden schwerer und die
Füße rerloren die Richtung.
»Jetzt nur keinen auswärtigen Pa
tienten« dachte Doktor Reutner.
Aber dieser Wunsch blieb unerfsillt.
Das Telephon vom Herzogsstand
haus meldete, daß die Frau Wirtin
droben vor argen Schmerzen :.icht
mehr aus noch ein wisse.
Neutner packte in seiner Stube al
les in den Rucksaek, was nötig war
gegen derlei Leiden, die hier zu
meist kamen. Auch die Medikasoem
-te für das alles stellte er in skiner
Hausapotheke zusammen. Bei gutem
Wetter brauchte man zu Fuß bis
ils-seid vier Stunden. Heute ließ
fixv nichts bestimmen. Von Urfeld
stieg ein schmaler Steg fast tugen
gerade hinan und die Füße weren
die einzig möglichen Pferde. Zudem
jagte ein heftiger Oktoberwind aus
grauen Wolkensäcken ein feines
Schneegeriesel vom Himmel. Seuf
zcnd nahm er die große Blendlaterne
nnd »die Termosflasche mit heefzern
Tee zur Hand. Wo nur der Träger
und Begleiter blieb, der nach unsiig
lieber Mühe in der Gestalt eines nier
zehnjährigen starken Gaisbuben end
lich a1-fgetrieben war . . .
J Eine Viertelstunde später hörte
ergart Werner unter ihrem geöff
neten Fenster ein herzzerbrecheodes
Schluchzen· Sie erkannte sofort den
Litter Peter, denn er hatte den Wet
termantel noch nicht iiber den Kopr
inzng .
»Was hast Du nur, Peterle?« frag-V
te sie teilnahmsvoll.
,,J soll...mit dem Dukter auf
Z« Herzogsftand, weil alle andern net
grad stehe könne . . . un i hatt doch
erst für den Abend frei nach de
Kirms...«
Das junge Mädchen zitterte Witz
lich in heißer Erregung.
»Komm mal sofort zu mir, Peter
...ich habe Dir etwas Wichtiges zu
sagen.'«
Und der Gaisbube verschwand in
tcm kreundlichen Haus von Fräulein
Wachleitner, die auf allzu viel Mit
tagetchweinefchinken nnd Knödek ein
bissel viel steifen »Hochwanner« (ein
heißes Getränk aus Rum, Heurigen
unt Zitrone) gesetzt hatte und zur
Zeit einen festen Schlaf tat· —
Doktor Reutner, der doch tagans
tagein feine sieben Stunden bei Wind
und Wetter herumkraxeln mußte.
wurde dieser Gang sehr schwer. Wie
sein Begleiter hatte er den Loben
niantel mit der Kapuze fest angelegt
denn der Schnee stob scharf in die
Augen. Die Laterne mit dem Ruck
ssacl lief ihm hurtig voraus.
I Wie der Junge laufen konntet Un
alcuvlicht Ueber die gefährlichen Stel
len klomm er wie eine Katze. Es
war doch etwas Herrliches um solche
feste, trlle Jugend-kraft (
khm telbft wurde ern paarma. et
gentiimlich fchwach zu Mute.
Aber nur nichts merken lassen»
Der ungewohnte Bielgenufz von
Wein und Bier rächte sich an dem
fo.. t Mäßigen. Die Kräfte ließen
fühlbar nach. .Auf der Hälfte
tes Weges mußte er sich platt in den
Steg legen Der Bube war lieb
reich und treu um ihn bemüht, schob
den Ruckfack unter feinen Kopf und
floßte ihm Tee ein.
Langfam erholte sich der Arzt. Aber
rr mußte sich die erste We gftunbe da
nach doch noch ganz gehörig auf den
Arm feiner Begleitung ftiitzen
Gegen zwei Uhr nachts waren sie
endlich am Ziel. Der Doktor war
ton uner ungewohnten Weichheit
zPetrrleA fagte er und hielt dem
Schnxöchtigen die Hand hin. ,,Dn«bift
a ganzer Kerl . . . und von dem mit
mir, geil . . . da fage wir nachher
unte ntx .-»«
Der Frau Wirtin ging es schon
wieder ganz gut . . . Das Uebel hatte
sich auf natürlichem Wege behoben
indem der Heurige die Knöbel und
das Selchlraut einfach hinaustoarf.
Zu anderen Zeiten hätte der Doltor
nicht schlecht über die unnütze Schin
derei getobt . . . Heute war er ganz
yzahm rnd sagte nur. als ein Gestad
get Kassee vor ihnen dampste: »F
ter, nimm die Kapuze runter. v
rerlöltst Di sonst nachher . .
Aber Peter wollte nicht Da saß
te er in einer Anwandluna der trit
hemt Kraft selbst zu und riß sie
herunter —- — sprana aber im näm
licken Augenblick entsetzt von der
Helzbani aus und stotterte: »Alle au
ten Geister . das is ja net aus
31 ienle . . .Fräulein Jrinche .«
.a sie war es wirklich! Kein Ten
teln aabs daran und. . eigentlicks
kaum glaublich, wie schnell er begriff.
warum sie es getan hatte Das All
taasaewand von Peter paßte ihr aus
gezeicknet . . . nur rot und verlean
war sie krin . . . Zum Sterbeizl
Lanae schaute er sse an.
Dann tat er Vlöttlkels einen Juch
zer und rifi sie in seine Arme . .
Ganz in alter Krast’ Sie aber bena
ie sich ein wenig eurijct und iliisterte
ihm ins Ohr: »Es kann nickit ieim
Herr Doktor · . Sie sind leid-r sv
zart . . . so schrecklich zart» «
Er aber kiißte ihr iiimtlickxe Troß
und Racheaedanien von den Lippen
nnd als sie heimainaen.w1r es mö
cemachte Sache. das; sie die na hste
Kirmes neben ibm feiern würde . . ·
als sein junges Weib! . . .
Der Kampfhahn-.
Jm Mittelalter war der Hahn-ne
tampf in manchen Ländern so fest
eingewurzelt, wie ieitt noch in Spa- »
nien das Stieraefecht. Zur allgemei
nen Volksbelustigung schwang es sich.
unterstützt durch die einaeborene
Wettsucht, namentlich in Enalands
auf, wo manche Könige ihn hoch be
aiinstiaten. Indes hat ihn dort. wie
ia auch auch hierzulande, in unserer
tierfreundlichern Zeit ein gesetzlich-es
Verbot betreffen: ihn gänzlich aus
zurotten, will freilich noch nicht gelin
gen. Jn der Sprache ist dem Kamfo
bahn jedenfalls noch ein längeres Le
ben gesichert durch den bildliehen Aus
druck ttmy iiisa likos siuiitings
nor-les. Der Vergleich zielt nicht aus
die Streitlust des Vogels: denn man
kann auch in der Einzahl sagen: he
tin-a lilcss a fightinLEMTIM er be
zieht sich vielmehr auf den Umstand
daß man die gefiederten und ge
svornten Rausbolde, von denen der
Ausfall hoher Weiten abbina, teuer
bezahlen niuftte und dementsprechend
sorgfältig pflegte nnd fiitterte, um
ihre Kraft und ihren Kampfe-sinnt zu
erhöhen. Die Redensart »er lebt wie·
ein Kampfhahn« deckt sich also un
aefiibr mit dem deutschen aefliigelten
Worte: er lebt wie Gott in Frank
reich, oder um nicht zu weit vom
Reiche der Viiaet abzuschweifem et
lebt wie ein Wink im banfsamea
Als Sinnbild der Wachsamleit war
der Hahn bei den alten Griechen der
Athene heilig: daß er diese seine re
liaiiise Bedeutung auch ins Christen
tum hinübergerettet hat. bezeugen
viele Kirchtiirme Zugleich aber war
er wegen seiner Knnvfbereitschait,
die ja mit der Wachsamteit manches
gemeinsam hat, dem Krieasaott ge
weiht; und diese Eigenschaft hat den
stokzen Vogel zum beliebten Turnieri
lkelden erhoben. Das Andenken an
einen aliictverheisxenden Karan zwei
er Hiihne im Beginne der Perser-trie
ae wurde in Athen durch jährlich-.
Habnentämpfe gefeiert: mit andern
griechischen Sitten verbreitete sich der
Brauch weithin iiber das Abend-« und
Morgenland.
A..
Eine Liebe U der anderen wert.
Eine hübsche kleine Geschichte aus
dem Eheleben eines Schriftstellers er
zählt eine Londoner Zeitschrift. Die
Gattin ist außer sich. »Wirtlich, nuer
werde ich die Kinder züchtigen mits
sen!« —,,Aber was ist denn los, Lieb
ling?« fragt der Mann. »Sie haben
mir meinen ganzen Nähtisch in Un
ordnung gebracht. Nichts, aber auch
sgar nichts liegt aus seinem Platz.
tNadelm Garnrollen, Schere, Moll
alles ist beiseite gebracht und liegt an
den unmöglichsten Stellen. Man
kann geradezu wahnsinnig werden.««
Der Mann neigt sich wohlwollend zu
seiner besseren Hälfte: »Mein Lieb,
das waren nicht die Kinder, das habe
ich getan!« — »Aber warum denn?«
— »Ach, nur in dein Wunsche, deine
liebevolle Sorgfalt zu erwidern.
Nachdem du meinen Schreibtisch so
schön ausgekäumt und alle Papiere ge
ordnet hast, war es mit ein Herzens
bediirsnis, aus dieselbe Weise fauckf
deinen Nähtisch in Ordnung zu brin
gen . .«
taten-schaus.
»Ich würde nicht aus der Tasse da
trinien,« sagte der kleine Willi zu
dem elegant getleideten Besucher, »das
ist Lizzieg Tasse, und sie ist sehr ei
genjtver daraus trinkt-« —- »Ah«,
Versetzte der junge Mann und leerte
die Tasse bis zum Grund. »Es ist
eine große Ehre fiit mich, aus Liz
zies Tasse zu trinken. Lizzie ist deine
jüngste Schwester, nicht wahrs« —
,Ach nee, Lizzie ist mein Hund«
Institute-u
Jch find’ es höchst patent,
Daß Damen Medizin studieren;
Sie zeigten stets Talent,
Wenn’s galt ——— die Männer zu ku
rieten.