Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 08, 1912, Zweiter Theil, Image 11

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    codes-IMM.
Von Franz Eber-.
Keine In en wollten sehn
Und ich f u die Lider auf.
Bild um Vil fah ich erstehn
Wetten drängten sich zuband
Rolle weiter-, Lebenslaqu
Här« ich nicht die WundetfckmuT
Schaue, has ich liebend hör-?
Traum der Nacht. des Himmel-sn Max-,
Waffen Winsel. Kampf und Chor-.
Rolle weiter-, Lebenslaqu I
«-·· immel schlägt die Augen auf,
Schließe du getrost die Lidkri
Seher-work sieht immer wtcher
Schwend. formenb Tat hernieder.
Rolle weiter-, Lebenslaqu
Miliqe Nacht, mit blinden-. Sinn
- rf ich llmetön gestalten.»
ichmewaltmn branij —- (ch binl
setz woat Schöpfersvbäken auf!
Rolle weiter, Lebenslaqu
44
Am noch des Glück?
Eli-m von Tons Richter.
Ueber den in dämmerige« Schleier
sich hüllenden hiigel lam ein müder
Wandersmann herab.
Tiefe Stille lag iiber die Runde
gebrettetx nur manchmal, wenn leise
der Nachtwind sich ein. wenig ver
fiärlte, hörte man das Rauschen nnd
Murmeln des sernen Waldbacheä,
der von den Bergen zu Tale sprang.
Es war ein Mann in den letzten
vierzigen Jahren. hoch von Gestalt,
das sahle, eingesallene Gesicht zeigte
etwas Versteinertes, als ginge ihm
die Fähigkeit ab, zu lachen nnd stöh
lich zu sein. Durch die vollen, vor
deren tieitchwarzen Haupthaare zogen
sich bereits seine Silber-streifen
»Bei-kümmert — überflüssig auf
der Welt« — das stand aus diesem
Antlitz geschrieben
Mit müden Gliedern. gedrückten
Herzens erreichte der Wanderer eine
aite Holzbanl, die, wurmstichig und
verfallen, vor einem großen Gebiiich
stand, das Tausende von Goldreaeni
dolden in voller Blütenpracht schmück
te. —- Da war sie ja noch. die alte,
liebe Holzbanh die die Spiele seiner
glücklichsten Kinderiahre gesehen und
einst den ersten und einzigen Son
nenstrahl des Glückes in seinem öden
Dasein mit ihm erlebte.
Er ließ sich nieder. Verloren blick
ten seine Augen hinaus in die Ferne
iiber den grauschimmernden Samt
der Wiesen, das flimmernde Wasser
des nahen Weiherg, nach dem Städt
chen, das vor ihm lag —- diesem
tleinen Gartenstiidtchen, mit den nie-»
deren, unmodernen, rosen- und wein-«
laubumsvonnenen Häuserm dem ur
alten Kirchlein und dem Rathaus
mit seinen verrosteten Zinsen und
Dachtrausm
Seine beimatl — —
llnd während er unwillliirlich mit
den Augen den Pfad verfolgte, den
er noch zu geben hatte, um nach
Waltergbauien m gelangen, stiegen
ihmBilder der Jugend ,aui, die er
im Trubel der Grasen-ihn in der
Jretmiible des eioiaen Einerleis der
Zublenarbeit sast schon vergessen.
Die bleiche, dunkeliiugige Muter
cdh ihn an, zärtlich und webmiitig
zugleich. Sie legte im Sterben die
Hände auf fein lociiaes Haupt und
sliisterte mit erblassenden Linden:
»Nun rnufz ich von dir geben« mein
Johrrniies«»mein einziger Liebling!
Bleibe aut und brav « Gott mache
dich glsiicklich!«
Ja —- das Glück —-— das Glück!
Es quoll heiß und schmerzlich in dem
Einsamen auf. Das Glücks Wo war
es geblieben?
Gleich damals, als der weiße,
einiache Sarg, der die Mutter um
schlossen, taum noch unter den schwirr
gen Erdschollen verschwunden, da hat
te die Ireudlofcgleit sitr ihn begon
nen. Der schwache. geistig nicht ber
vorragende Vater war einer Ver
wandten, einer intriganten Witwe»
ins Ned gegangen«und hatte wieder
geheiratet. Das war ein Fehler.
Viel Zeit, denselben zu büßen,
blieb Herrn Kurt Diethosen nicht«
denn zwei Jährchen daraus ruhte
. auch er unter dem grünen Nasen.
Daraus lam Johannes —- damals
sechs Jahre —- zu einem Onlel auis
Dars, der eine Landschule hielt. Die
Stiesmutter wollte sich »mit fremden
Kindern« nicht das Leben verbittern
Ohne Liebe lennen zu lernen, der
Gleichgültigleit und der Barmherzig
keit Fremder preisgegeben war seine
Kindheit vergangen. Mit iiinszelpn
Jahren lam Johannes als Lehrling
zu einem Buchbinder und dann zrt
einem Nechtsanwalt als Schreibtroit.
Die Not und die graue Sorge hockten
beständig an seinem Lager; aber noch
war er fung, noch pulsierte warme-z
Leben in ihm.
Fehlte ihm auch das Talent. be
sonders fröhlich und ausgelassen mit
Altersgenossen zu toben und zu la
chen —- ein Fünkchen Liebe zum
Dasein, ein Atom von Sehnsucht,
das Leben zu genießen —- zu lieben
und geliebt zu werden, steckte dennoch
irr ihm.
»Das Glück«, das di- Mutter siir
ihn ersieht hatte mit dem letzten
Atemzuges —- woswar es? »O Glück,
wo bist dali« schrie es in ihm aus
Unb es tam ein Sonnenstrahl. Cz
gelang ihm, eine Stelle als Bucht-al
ter in einer großen Versicherungsge
ltlllRfl en scholl-II- dit IIOMO
II bezahlt wurde. Nun iu
l
,-, —- Js . O
belte et beinahe qui. An einen eige
nen, kleinen Hausstnnd dachte et;
das Weibchen zu dem Restchen, so
meinte er, würde sich schon finden.
Oh, et wußte schon eine, die ihtn
als Knabe schon nufgefallem Him
Liebenteich, die Tochter der Witwe
eines Mogiftmtssetketärs in feinem
Heimaistädtchenz Hilde mit den blon
den, fliegenden Zöpfen, den roten
Wangen und lachenden braunen Reh
aunen —- in, das wnk die Rechte! l
Einige Wochen später nahm Its-l
hannes Diethofen Urlaub und eiltel
auf Flügeln der Sehnsucht nacht
Woltetsbnuiem Das beimotsitiidtsi
chen stand aus demselben Fleck wie
sonst; ein wenig nur hatte. man
möchte sagen, die Kultur sein Aus
sehen beleckt.
Neue Gebäude, Schmuckvlätze vor
den Schulen, dem Rathause, waren
entstanden; doch wohin sein suchen-·
des Auge glitt, die Menschen waren
ihm fremd in Waltersbausen gewor
den. Zur Maienzeit und eine Wo
che nach Pfingsten war es gewesen.
Die gliazie stand in voller Blüte und
der Jasmin sandte berauschenre
Diiite in die Maienluit.
DA botie er wiederholt Hilde Lies
benreich ausgelauert. nachdem er ih
rer Mutter und Schwester seinen Be
such gemacht; er wollte die alte stin
derfreundschast zum Antniivfunszss
vuntte nehmen und Hildens Herz
siir sich gewinnen.
Aber das Talent, bei den Weibern
den Schwerenöter und Süßhokp
raspler zu spielen, gina ihm voll
ständig ab. Hilde schäterte und
spielte mit ihm. erweckte hoffnun
aen, die sie nicht zu ersiillen gedach
te, und als er eines Nachmittags —:
genau bei dieser Holzbant, aus dee’
er saß —- ibr seine tiese Neigunal
aestand und um sie wars-, lachte seei
ihm ins Gesicht und sloa davon, wies
ein schillernder, gautelnder Schnitt-l
terling. i
Damals war es ihm, als sei ins
seinem Jnnern etwas gesprungen.’
etwas. das ihm körperlichen Schmerz
verursacht und sein Herz wie mit ei
ner Eisrinde umgeben hatte·
Zwei große graue Augen hatten
nach Hildes Davonaeben mitleidig in
"die seinen aeblickt, eine weiche, schma
le Hand seine Rechte aestreichelt, und
eine leise. gediirnpste Altstimme ihm
zugeraunt:
«Johannes! Mußt ihr nicht böse
sein! Sie ist ein tolles Kind, trotz
ihrer achtzehn Jahre, die bilde!
Mußt ihr nicht zürnen. Noch harl
sie den Ernst des Lebens nicht er
fasit —- vielleicht, daß —- später« «
Die schönen Grauaugen, dies
schmale band und weiche Altstimrne
battemLinda Liedenreich, — bilden-s
Schwester, gehort, ore zwei Jahre at
ter war als das Jdeal seiner Träu
me. Das Schamgeiiibl, lachend av
aewiesen zu sein von der Crtoxenem
die Erbitterung nnd Cantharidin-T
liehen ihn Lindas Trosteswortc ihr
tiefes Mitaesiihl gar nicht beachten.
Als er am zweiten Tage des Fe
stes die Heimat verließ, folgten ihm
die grauen Armen. von Tränen
ichleiern verdunkelt, so lange sie ihn
nnr noch sehen lonntenl ——- Johan
nes Diethosen sah das nicht.
An seinem hohen Pulte im Konto-r
stand er dann jahrein, jahraus-; sein
Herz schrumvste allmählich ein undl
mußte die Gestalt einer jener zehn
Ziffern annehmen, mit denen er tag
ein, tagaus zu tun hatte.
Ditde Liebenreich war ein Jah-v
nach der Abweisuna, die sie Johannes
erteilt, die Gattin des sehr begüteriea
Brauereidirettors Worth geworden;
aber in der schönen, addetitlichen
Frucht batte der Wurm gesteckt, der
ihr die Lebens-aber durchnaate. Ein
Bahn kam nnd nahm der jungen
Mutter Frische und Junendreiz, nnd
nach dem zweiten. totaeborenen, steck-s
te Hilde in wenigen Wochen dahin.
Bald zählte das drächtiae Erbbearfih
nis der »Warth« eine stille Schläfe
rin mehr.
Johannes Diethosen erhielt davon
Kunde. Noch mehr als sonst ver
grub er sich in seine Bücher und Rah
len, und die zehn Stunden tiialicher
Arbeit in seinem dunklen Kontor
machten schließlich einen verlnöcherten
Junggesellen aus ihm.
Nun aber war, nach Jahren der
Einsamkeit, ein Tag gekommen, an
dem das dürre Menschenreis, vom
Frühlinggsonnenichein aeliißt, plötz
lich ein wenig zu treiben und zn
grünen benann.
Ein Frühlingstag, an dem ihn tie
ungewohnte freie Zeit ans Promenas
den und unter Menschen trieb. Sein
stumpser Gl-:ichmut fiel wie eme
Hülle von« ihm ab. Sangen die
Vöglein nicht gleichsam siir ihn as
leins Die Kinder spielten. und lei
nes sah ihn mit seinen hellen Gurt
augen an? Ja. wollten denn die ihn
umringmden Leute nicht sehen, daß
ein einsames Menschenherz unter ih
nen strandelte und litt?
Und nochmals schwoll ihm das
her-z nach etwas Unbeianntem, nie
Gese em. Mit silbernem Stabe
llop e ein Etwas an sein verödetez
herz, und mit schmeichelndem Klan
ge schlug eine leise Melodie an sein
Ohr —- ein neues Iriihtingslied "
Und vor zwei Tagen war er den
Steinriesen der Großstadt entstehen.
Wie vor langer it, als sein Daar
noch ttesdunkelk eine Augen noch
giltst-nd sparen, trieb es. ihn in die
f
Hei-not Nun siih er sie ver sich —
inß auf der Mutter Liebling-Zwis
chen. der alten Haman requnazkos
zukückaelehnL mit Blicken, die sahen
und nicht sahen. Do schlug ein iiii
ßer Ton nn fein Ohr « im Dickicht
des Goldregenbufches saß eine Natt
tigall. Dieser Ton brachte Leben
in den Träumer —- wie ein Eiskinne
fiel es von feinem bei-Fen. wortlosez
Schiuchzen erschiiiterie feinen Kisten-.
und heiße Tropfen liefen ihm Tiber
Gewand und Hände. —— —- —— »Sie
verderben sich doch richtia noch die
Armen, Fröuleinchem Gleich wird’s
finster sein! Was? Noch nicht ser
tig? Ach. das lassen Sie nur bis
sum Montag liegen! So etwas will
der liebe Gott aar nicht, und- be
sonders am lieben, heiliaen Sonn
tag! Nein —- Sie Iehen moraen mit
uns. Wir machen eine Waldpartie·
ich und die Kinder — ich hole Sie
ab! Siun —- gute Nachtl«
,,Gute Nacht, Frau Heim« —- —
eine weiche, müde Frauenstimme —
ein Lächeln.
Am Fenster des mit Weinlairs
iiheewncherten Häuschens. nahe dem
Vati, sasi ein balbverhliihtes Mäd
chen. Das blasse Gesicht trua leider
die Spuren iiberanstrengender Tit
tialeit, aber in den Augen lag ein-«
Welt von Herrensaiitr.Zutraulichteit
— aber auch Resignation —- —- es
Hvar Linda. Linda Liebenreich.
Kurz nach der Mutter Heime-ana,
mit dem die ohnehin bescheidene Pen
sion aufhörte begann Linden sich
eine lleine Existenz zu gründen. Eine
Schulsreundin. in der Residenz ver
heiratet, ver-schaffte Linda Arbeit in
einem vornehmen Wäscheaeschäft; da
zu nahm sie einige Schiilerinnen ins
Hans Unter ihren geschickten. zar
ten Finaern entstanden die entzückend
Lten Spitzenjupons und Morgenllei
er.
Mit den Jahren tam die Uebung,
ein bessrrer Verdienst, aber auch
mehr und mehr der Hang zur Ein
samkeit Geheiratet hatte Linda Lie
benreich nicht.
»Du liebe, schöne Gottesnatur!«
sagte sie leise und legte das Haupt
an den geöffneten Fensterslüges
»Wann wirst du, großer Gott, deine
Feuerzungen herniedersenden in die
wachsende Dunlelheit, die die Men
schen umgibt? Erleuchte auch mich
und gih mir den heißersehnten Frie
den« — —- «
Als sende der Himmel der Einsa
men ein Zeichen, so begann in den
Augenblick die Marienglocke den
Abendsegen zu läuten. Durch die
Winsel des Paris ging ein leises
Rauschen, und würziger Blumendust
lam aus des Nachbars Vorgarten
herüber.
,.Guten Abend!« sagte plötzlich eine
zaghaste Männerstimme.
-.
unon uroenrecai sprung empor —
der Herzschlag drohte ihr zu versa
aen —- unter Tausenden hätte txe
diese Stimme wiedererkannt.
»Johanneå! —— Du?" —
Bald aber ftrömte ihr das warme
Herzblut wieder zurück. Und wie in
den Tagen der Kindheit legte sie ihre
Hand auf den Arm des Jugenqu
spielen und planderte heiter mit ihn-.
als seien sie nicht mehr als ein Jahr
zehnt einander niemals begegnet.
Der Zauber der Weiblichkeit übte
auf den vereinsamten, alternd-n
Mann zum erstenmal seit Jahren ei
ne nmaische Kraft aus —- wie ein
holder Traum erschien ihm alles, so
heimlich wurde ihm —- so glückseliq
I
Kam nun doch noch das Glück?
Und diese beiden verblühten, ver
lassenen Menschenkinder merkten es
nicht, das; mit schwarzen Schatten
der Spätabend hereinbrach. Mit
silbernen Fäden spann sich das
Mondlicht durch alle Aefte des aw
ßen Birnbaums vor dem Häuschen
und bildete ein zitterndes Mosaik von
Licht und Schatten. Dies Licht ver
schönte Lindas Ziige ungemein.
,,-— und moraen ist Sonntaa, Jo
hannes-! Da bist du mein Gast. Tcss
Morgens zur Kirche, nachmittaas ist
den Wald. unter fröhliche Menschen
—- kommst du, Johannes?««
Er sah sie nur an. Sein Herz
flog ihr zu. Wie doch die silbernen
Fäden des Mondlichis ihre schonen
Augen verklärten s
sechste-ist« den«-an.
Eine Hausfrau —- so wird er
zählt — sagte zu ihrer Köchin: »Hö
ren Sie, Minna, wir bekommen heute
abend Besuch. machen Sie doch ’mal
schnell Rührei zum Abendhroi; wie
viel Eier haben Sie denn noch hast«
Minna: »Es-sechs Stück, gnädige
Frau.« Hausfrau: »Schön, dann
nehmen Sie alle fechs." --- Minna,
die außer den offiziellen sechs Eiern
noch acht in Reserve hatte, sagte sich
natürlich, daß Rührei von sechs Eiern
für acht Personen nicht reichen kön
ne, schlug deshalb kurzerhand alle
vierzehn Stück in den Topf, machte
ein tadelloses Rührei davon und
schielte die ganze Portion hinauf. Die
Schüssel kam nach Beendigung des
Abendbrotes vollkommen geleert wie
der herunter. — Am anderen Mot
gen.sagt die Hausfrau zur Köchin:
«ana, das Rii rei war wunder
voll, aber das nii itemal wollen rote
doch lieber sieben Eier nehmenl«
H
Ruhm
Skizze von Rudolf Schk»».«.i....e
t Der Vorhang war hinausgegangen
Ldas Stück hatte begonnen. Stille
herrschte im Hause. Dichigedrängi
saß man da, bequem oder unbequerm
»je nach dem Preise des Sitzes, froh,
dabei fein zu dürfen. Denn es war
ieine sehr bedeutsame Premiere, das
Ereignis der Saison.
; Hinter den Kulissen ranfie der Jn
ipizient sich das Haar. Das war
jzirsar nicht nötig, denn alles ging wie
; Schnürchen, und jedes einzelne
»Mitglied des Ensembles war vom
lEMst der Situation genau so über
,zeugt wie er, aber er tat es, weil er
»das Gefühl hatte, es« gehöre dazu.
LSchaufpieler und Schauspielerinnen
hielten sich an den Bühnentüren auf
und warteten mit Händen, die vor
Nervosität taltfeucht waren, aus ihr
Stichwort.
Unterdessen stand die Trägerin der
Hauvtrolle in ihrem lleinen Antleide
kaum vor dem Spiegel. Während die
Garderobidre im Begriff war, die
letzte Hand an ihre Toilette zu legen.
strich sie mit einer Puderquaste über
ihr Gesicht
Sie war eine schlanke, hohe Erschei
nung. Die unruhig flackernden Au
»cen verliehen ihr einen fremden Reiz.
Ein seiner. weißer Spitzenkragen
schmiegte sich um ihren Hals, wie
wenn er ihn liebte.
Ein leises Pochen an der Tür ließ
sie zusammenfahren Die Gardero
bis-re, die eben vor ihr niedergetniet
war, um den Faltenwurs des Rades
zi: ordnen, blickte zu ihr empor. Die
Schauspielerin nickte leicht, während
ihr das rote Blut langsam emporltieg
und unter der Schminte rosig schim
merte. -
Die Garderbidre erhob sich, öffnete
leise und verschwand.
»Bist Du gekommen, mir Glück zu
wünschens« fragte die schöne Frau
und wandte sich von ihrem Spiegel
bild ab, um in die grauen Augen
eines Mannes zu sehen.
»Ja, Laura, und mein Glück ist
Dein Glückl«
»Und Deins ift meins!« antwortete
sie lächelnd.
Jhre Hände lagen in den seinen
und zitterten.
»Du bist nervss?« .
,,Furchtbar! Wie, wenn ich nun
versage und den Erfolg Deines Stüt
tes verderbe?«
»Deine Angst sagt mir, daß es
nicht der Fall sein wird.«« sagte er,
indem er sich neigte, um ihre Hand zu
küssen.
Er würde sie in die Arme geschlos
sen haben, aber sie entzog sich ihm.
»Du mußt vorn sein, hörst Du?
Du wirft noch alles versäumen! Die
Ierste Aufführung Deines Stückes-!
tBegreifst Du den Ernst des Augen
jklick?«
»Es veginnt erst, wenn Deine Sze
»ne lommt!« antwortete er; »Du bist
das Stück und das Stück ist Dut«
»Dann viel Glück uns beiden!«
sagte sie ernft.
,,Sind Sie bereit?« erklang in die
fem Augenblick die Stimme des Jn
Isrizienten, der, von der Garderobiksre
tgesolgt, hastig herbeikam.
,,Gehen wir!« sagte sie einfach und
wandte sich, indes die Garderobiissre
ihr die Schleppe trug, der Bühne zu.
Das Haus war sehr still. Sie war
,noch völlig unbekannt. Niemand
ttrsußte, ob sie Talent habe oder nicht.
tDas Interesse des Publikums war
kdurch keinerlei Boranzeigen aus sie
gelenkt worden, es war einzig und al
»lein George Templetons wegen erschie
nen, der als der kommende Dramati
ter galt. Um sie kümmerte sich kaum
einer.
l ,,Angeblich die Braut des Autors!«
wollte einer wissen.
s »Gott steh’ uns beil« seufzte ein
anderer; »vermutlich eine blutjunge
Dilettantin!«
Als ihr Stichwort fiel, glitt sie
langsam und geräuschlos aus die
Bühne hinaus. Keine Hand rührte
sich, niemand hatte das Bedürfnis-,
sie zu begrüßen. Aber eine stumme
Woge von Staunen über ihre Schon-·
heit floß durch das schweigende Haus-,
füllte und bezauberte es. Laura
wußte nichts von der Wirkung, die
ihr Erscheinen auglöstr. Mit einem
rafchen Blick in die Loge des Gelieb
ten hatte sie ein jähes Aufleuchten sei
net Augen bemerkt; mehr brauchte sie
nicht·
Der erste Akt war fast zu Ende
gewesen, als sie erschienen war. Nun, -
da der Vorhang fiel, bildeten sich
Gruppen im Publikum, die ihre Mei- !
nung,austauschten. Aber man sprachs
nicht von George Templeton, sonderns
ausschließlich von Laura Hedden. l
Dann begann der zweite Att, in des
sen Verlauf Laura Hedden mehr inl
den Vordergrund trat. Als der Vor
hang sich sentte, klaschte man wie be
sessen und rief sie wohl ein Dutzend
mal hervor.
George Templeton eilte in ihre
Garderobe, wo er sie mit gerötetenl
Biengen und leuchtenden Augen fand-I
»Du bist groszartig!!« rief er.
? «O mini« sagte sie sanft, »Du bift
iet, ich bin bloß Dein Echo!«
Sie meinte es ehrlich. Aber trotz
dem verleste es sie, daß er nicht wider
spruch. .
,«sttte, geh’ 1est!« sagte sie rasch.
i »Du weißt, ich habe ietzt den großen
Umzuq und die Zeit drängt!«
« Der dritte Akt war der große Akt
des Strickes und gehörte fast aanz
ihr. Sie trug ein einfaches Schnei
derkleid. in dem sie faft noch schöner
nsar als in der Schlevptoilette zu
vor. Aber taum, Haß fie den Mund
zu den ersten Worten ihrer großen
Szene geöffnet hatte. hatte man ver
aessen, was sie anbatte und wie sie
aussah. Man wußte nur noch, daß
eine wunderbare Künstlerim wie man
si( seit langen Jahren nicht gesehen
hatte, dort auf den Brettern stand.
irnd man lauschte mit angehaltenem
Atem dieser großen und leidenschaftli
rhen Kunst, die vom Herzen kam und
»zum Herzen ging.
Als der Vorhang gefallen war
lierrfclite ein fast furchtbares Schwei
gen. Dann aber brach mit der Ge
walt einer Elementariataftrophe der
zurückgedrängte Beifall los. Das
Publikum raste. Lachend und wei
nend rief man immer wieder und wie
der ihren Namen. bis sie, erschöpft
'i-nd glücklich, in ihre Garderobe flüch
tete, wo sie George Templeton zu fin
den hoffte. Aber er war nicht da
und ließ sich während des ganzen
Rwifchenattes nicht sehen. Warum?
Sie brauchte ein freundliches Wort
von ihm. Jhre Kehle war wie zuge
fcknürt. wenn sie feiner Zufriedenheit
nicht sicher war.
Der letzte Akt war turz und trau
rig. Als er zu Ende war, wieder
holten sich die Ovationen für Laura
in perstiirktem Umfang. Schön und
glücklich hielt sie dem brausenden Meer
pon Enthusiasmus stand, das sie ent
fesselt hatte, bis sie, müde von der
Anspannung des Abends und der un
erwarteten Gröfke des Erfolges mit
einer letzten dankenden Verneigung
isem Publikum Adieu sagte. Wie im
Traume suchte sie ihr Ankleidezim
mer auf, taub für die Lobeserhebun
»ein der Kollegen und Kolleginnen, die
sie umdrängien, hungrig nach einem
guten Wort des Mannes-, als dessen
Geschöpf sie sich fühlte und dessen
Erfolg ihr mehr am Herzen lag als
der ihre.
Unterdessen hörte das Publikum
nicht auf, den neuen Bühnenstern zu
rufen. Da trat Templeton an die
Rampr. der bis dahin in eine Sei
Iteniulisse geschmiegt, den dröhnenden
Ripplausfalven gelauscht hatte, von de
fnen er wenigstens einen Teil glaubte
»an sieh beziehen zu dürfen. Aber
»das enttäufchte Publikum. das Laura
Hedden zu sehen wünschte, ließ sei
nen Zorn an dem jungen Autor aus
itnd begrüßte ihn mit einem Sturm
von Zischen, erifen und Johlen.
Zur selben Zeit dachte Laura Hed
den in dem bequemen Lehnstuhl in
ihrer Garderobe über einen zärtlichen
und demütigen Satz nach, mit dem sie
George Templeton sagen wollte, wie
sehr und ganz ihr Erfolg sein Werk
fei und und wie tief sie sieh in der
tSchuld seiner Kunst und seiner Liebe
fiihltr. Sie hörte nichts von dein tu
niultuösen Vorgängen im Zuschauer
Frauni, hatte teiiie Ahnung davon, daß
Was Publikum das ihr noch eben
schmeichelnd und dankbar zu Füßen
gelegen war, init einem unerwarteten.
aber desto surchtbareren Sprung sich
auf den Menschen gestürzt hatte, der
ihr der liebste war.
Bald darauf weckte sie das wohlbe
kannte Klopfen aus ihren Träumen.
Sie sprang auf und flog ihm entge
gen.
»Es war ein Erfolg, Schatz!« sagte
sie zärtlich. »Du bist nun eit- großer
Mann!«
Sie versuchte ein glückliches Läs
cheln, aber es gelang ihr nicht..,,Bisi
Du krank?« fragte sie, allmählich
mehr betreten als besorgt.
Er hatte noch kein Wort gesprochen,
und auch jetzt schwieg er mit zusam
inengebisscnen Lippen.
»Nein!« sagte endlich und strich
sich wie abwesend über Stirn und
Augen. »Nein, nein, ich bin nicht
trank, dantel Laß mich Dir lieber
Gliick wünschen zu Deinem Erfolg
und Dir danken, dasz Du das Stück
gerettet hast.«
»Ich das Stück gerettet? Du
scherzt, Georgel Das Stück war sicher
ohne Hilfe von mir, Du weißt das
ganz gut!«
Sie erhob sich und legte beide Hän
de auf seine Schultern:
»Bist Du nicht froh, Liebster, daß
es so gut ging?«
Er zuckte unter ihrer Berührung
zusammen, aber der Blick seiner
Augen blieb hart und kalt.
Bestiirzt zog sie sich zurück.
»Was hab’ ich Dir getan, George?
War ich schlecht? Bist Du bös?«
»Nein, Du warst ausgezeichnet
Ausgezeichnet warst Du!«
Er sprach seltsam, gedclxiit nnd fast
gehässig.
»Georgel«
»Was?«
»Nichts.«
»Sag’, was Du sagen ioolltest!«
slüsterte er leidenschaftlich
,,Lasz mich, ich will nicht!«
»O, Du glaubst vielleicht, ich iväre
neidisch! Hahat Jchl Neidischt Bists
Du toll? Bildeft Du Dir ein, ich’
könnte so kleinlich sein?«
Sie schwieg.
»Antworte dacht Oder bist Du(
(
l
wirklich so dumms«
Sie fühlte sich dein Weinen nahe:
I »Bitte laß mir einen Wagen kom
,men: ich möchte nach Haus«
Er machte eine Bewegung auf sie
Hu. aber sie stand ihm hochmütig und
ablehnend gegenüber-.
»Bitte, den Wagen!"
s ,,Gern.« '
!
»Gute Rock-U«
,,Gute Nacht!«
Er aina. Sie folgte ihm mit den
Anqu bis Zur Tur. Dann brach sie
kzufammm Miibfnm schaffte man sie
l m ihre Wohnung.
s .. «
! Mark Twain »An-knieen
» -—.»..
» Auf einer Varlesunasreise über
nachtete Mark Tmain einmal in
Morristown lNew Jerfevt im Haufe
von Thomas Nasi, dem Knrilaturem
zeichnet Man unterhielt sich bis spät
in die Nacht sehr ana«.-cat, aber die
Hausfrau verfhrach dafiir zu sorgen
daß ihre Gäste rechtzeitig aeweclt
würden. um den Frist-suec zu bekom
men. Am nächsten Moraen machte
Frau Naft auf und bemerlte. daß
alles im Hause oerdsichtia ruhiq war.
Sie aina zu den Dienstboten aber
hier schlief alles. und die Weckuhr
iwar um die Zeit stehen act-lieben zu
Ider die Gäste sich zuriiclaezoaen hat
ten. Die Uhr im Arbeitszimmer
stand ebenfalls-. kurz und aut. es gab
im aanzen Haufe leine Uhr. die noch
aina! Die Erlliiruna tzafiir follte
nicht lanae ausbleiben. Mark Twain
hatte nicht einschlafen liinnen und
desmeaen, ohne an die Abreise am
yniiehften Moran zu denken. alle
Uhren angehalten! ,,Uebriaens waren
diese Uhren alle iiherarbeitet,«« sagte
er zur Entfchuldiauna: ,,fse werden
sich-ietzt viel wohler fühlen-«
Kurz nachdem Cleveland zum Prä
sidenten gewählt worde-- mar, kam
Mark Tnmin auf einer Reise durch
Albanh. Cleveland wohnte noch hier,
weil er vorläufig noch Gouverneur
non Nen- York war. Mark Twain
fuhr zum KapitoL ließ sich bei Ele
veland melden und wurde fooleich
voraelafsen. Nach der Beariißitng
meinte Clevelandt »Herr Clemens-,
ich war vor Jahren in Vuffalo viele
Monate lana Jhr Mitbiiraer. Da
mals haben Sie mick nie besucht. Wie
erklären Sie das?« Das sei sehr ein
fach zu erklären, erwiderte Mark
Twain: »Jn Buffalo waren Sie
Friedensrichter Jch halte mich von
Frieaensrichtern immer s-: fern wie
möalich Jetzt sind Sie Gouverneur
und auf dem Weae zur Präsident
fchaft. Da lohnt es schon eher, Sie
zu besuchen.«
AAA
VIII der Insc
Wenn es mancherlei nicht gäbe,
wäre es heutzutage mit vielen Sachen
schlimm bestellt. Man deute nur« wie
I die Häuser bezw. Wohnungen, Ge
Ifchiiftssläden usw. aussehen würden,
wenn man das wasserllare, durchsich
tiae Glas noch nicht erfunden hättet
Zum Gliiel gibt es Glas aber schon
länger als 2000 Jahre, und wie in
Ninive ausgegrabene Fuude bezeugen.
war man in der Glasbereitunaslunst
idort sogar schon sehr vorgeschritten.
Ob es aber zu dieser Zeit auch schon
IAuaenaläfeL also Brillen gab, dar
über sind sich die Gelehrten noch im
unllaren Ju öayvtifchen Grabtam
kurern und an anderen Orten fand
iman zwar Gestelle aus Holz und
M etall, die einer Brillensassuna ähn
lich sehen aber noch niraends fand
man Brillenaläser. Das Prinziv der
Auaenaläser hat czuerst der beriihmte
INaturforscher Roaer Baron, der im
E Jahrhundert lebte anaeaeben,
idennoch ailt als Erfinder der Vrille
) - das Wort stammt eiaentlich von
leiner tsdelsteinartt Bernll ab —— der
Florentiner Gelehrte Saluino de Ar
imati. gestorben 1315
444
v —
Der falsche Wetter - Acmauask
Vor anderthalb Jahrhunderten
pflegten die Leute in den Vereinigten
Staaten sich auf die Wetterpronhezei
ungen in »Partidae5 Almauac« zu
verlassen. Eines Taaes lehrte Par
tridae selbst in einem läudlichen
Wirtshause ein, um zu Miltaa zu
essen Der Wirt riet ihm, die Nacht
sdort zu bleiben, da es sicher Regen
iaeben werde ,,Unsinn!« saate Var
’tridae und machte sich aus den Weg.
Bald aber iiberrafchte ihn ein heftiger
Schauer, was- einen solchen Eindruck
auf den Reisenden machte, daß er
sofort nach dem Wirtshause zurück
ritt und dein Wirt eine halbe Krone
bot, wenn er ihm saaeu wolle, wie er
aewuszt habe, das-, Reaeu in erwarten
war. ,,Well,« sagte der Mann mit
einem breiten Grinsen und lief; die
Münze in die Tasche gleiten, »um die
Wahrheit zu sagen, uiir haben »Par
tridaes Almanac« hier« und der ift
solch’ ein Liiaenbold. dasz wir, wenn
er- uns schönes Wetter verspricht,
immer wissen, das; es Iuiserabel sein
Fied. Heute soll auch ein schöner Tag
em.«
-
—- Kinfdermund ,,Hansl,
warum hast Du denn das Fenster
aufgemacht?«
»Ach, da war ’ne Fliege, die hat
immer so toll ans Fenster angebumft;
do dachte ich, die muß wohl mal drin-s » «
gend hinaus «