Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 18, 1912, Zweiter Theil, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    III-—
DIIUG IMOIO
VonLeo eller.
Ein Paar dunkle ädchenangen
Sa ich in der engen Gasse
Po er Sehnsucht nach dem schmalen
Streifen lichten Himmels schauen.
So voll tiessier Sehnsucht blickten
Diese Augen nach dem Himmel,
Daß sie mich nicht kommen sahen,
Da ich mit den finstern Hänserm
Mit der trübe-m engen Gasse,
Mit der Welt sür sie versunken —- —
Aene dunkeln Mädchenaugen
b« ich nie und nie vergessen
nd sie leuchten iiber an ern.
Dir mich freundlich angesehen...
Der Vofrhfenj
Tine unheimliche Geschichte. Von W.
War-umg
.Eine sehr ungewöhnliche Samm
lung von Photographien«, sprach der
Besucher und schloß die Mappe mit
einem besteienden Seuszer. »Ich
muß gestehen, lieber Druck, daß diese
Bilder als Studien menschlicher Er
regungen, wie sich solche durch den
Gesichtskrusdruct widerspiegeln, wohl
einzig in der Welt dastehen . . . .
Aber sie gehen aus die Nerven.. Es
ist mir wirklich rätselhast, wie Du
die Konrage oder die Nerven gehabt
haben kannst, diese Sachen auszu
nehmen . . . ."
»Ja, ia,« sagte der Prosessor, aber
die Ausnahmen sind absolut lebend
wahr. — Er hatte ein stilles Lä
cheln aus seinen diinnen Lippen und
rieb »ich die trockenen Hände mit
einem mahlenden Geräusch.
.Einige dieser Photos haben mir
ein unheimliches Geld gelostet«, suhr
er nach einer Pause sort, »aber im
Interesse der Wahrheit bereue ich die
Ausgaben absolut nicht. Die Pas
sion siir die Sache hat mich sesi ge
kackt — hat mich behext, wenn Du
o willst . . . Was ich Dir heut
abend gezeigt habe, ist durchaus nichtz
alles, was ich in dieser Beziehung
ausgenommen habe . . . . Jch würde
Dir zum Beispiel gern noch die Pho
tographie von einem Manne zeigen,
der von einer kolossalen höhe abge
stiirzt war. Das Bild ist durchaus
nicht abstoßend . . . . Jch will al
lerdings gern zugeben, daß mich die
Ausnahmen von nervenspannenden
Begebenheiten besonders interessieren,
vor allen Dingen in Anbetracht der
Schwierigkeiten, mitunter des Risilos, ,
womit ich diese Art Ausnahmen er-!
ziele. Es mag sogar passieren, dahl
mich ein Negativ eines Tages meinl
Leben kosten wird. Also Du willst
nichts «weiter sehen i« —
»Nein, danke wirklich aber es ins
mehr als genug slir heute abends
Dante, Drach Es ist Seit, daß ich
Adieu sage. .Du wirst uns also
im Sommer desucheni'
»Ich werde mit Vergnügen koni
men — sowie ich noch ein Phönornen
meiner Sammlung einverleibt habe
. . . aber es ist schwer zu sagen,
wann das sein wird. Es ist etwas
sehr Ungewöhnliches . . . Du weiß,
die Welt ist voll von Schrecklichem
und Greuelhastem, und doch ist es
mir bisher noch nicht gelungen, ein
wirklich mit dem größten Entsehen
ersillltes Gesicht auszunehmen, ein
Gesicht, das das reinste, sozusagen.
reingeziichtete Entsetzen widerspiegelt
. .Hast Du schon einmal so einen
Ausdruck natürlich wiedergegeben auf
einem Bilde gesehen? Sicheklich
nicht. Nimm zum Beispiel den Fall
an, daß ein Mann eine Wette ein
geht, die Nacht in dem Zimmer eines
Dausei zuzubringen, das als verru
sen, als mit übernatürlichen Wesen
bevölkert gilt. Stelle Dir den Men
schen vor, wenn er plößlich das Ding
sieht oder zu sehen vermeint, das er
Ziiirlunmögiich gehalten. Zum Bei
pe . . .
Wilson goß sich einen Kognat ein,
trank aus und stand aus.
»Du bist noch immer der alte,
Druck,« sagte er. »Gib Deine per
sversen Pläne aus und besuche uns
lieber so schnell als möglich in un
Leren gesunden Verhältnissen aus dem
ande.«
»Ich will zu Dir kommen, sowie
ich das Entsehen photographiert ha
be, lieber Wilson. Mir ist da so
eben ein Plan daslir eingesallen.
Dann will ich Dich besuchen. Wenn
ich nicht bald lornrne, nun ja, dann
hat ebe irgend etwas nicht gellappt
. . Fee ich muß es kriegen . . . ich
will! . . . .
Prosessot Drack geleitete seinen
Gast nach der hauötiir, sagte ihm
Lebewohl und ging zurück in seine
Studierstube.
Er hielt an vor dem Kamin und
starrte vor sich hin
«Dieser neue Gedanke . . . diese
Idee . . . wahr-hastig das war wie
eine Jnspirationl«
Er ließ sich in seinen Sessel nie
,,Jch hob-se . . . May-hastig ich
half-! . . . Das Entsehen lann mir
nicht entwischeni . .« . L
Der Zeiger an dem TaxisAuto wies
auf Z Schilling 4 Pence, als Pto
fessot Druck durch das Sprecher-he
mach außen rief
»Das Haus linM . . . halt!...«
»Gott set Dant,« knurrte der
Chaussemz denn die Nacht war pech
-schwatz, und ei war btttertalt. »Das
hanc ist zu,« sagte et zu dem Pro
fessor, alt dieser die Tür öffnete und
»in-sites -Sieht aut, all ob fett
Jahren lein Mensch mehr sdrin geweii
sen wiirr. . . Recht kalt heut, Euer
Gnaden . . . Sie werden wohl zu
rechtsinden.«
»Danle,« sagte der Professor kurz,
«es ist das rechte Wetter-, um den
Mund zu halten« lieber Freund.«
Er wandte sich wieder nach dem
Inneren der Autodroschtr.
»Na los, Herr Kapitäm wir sind
da,« ries er ausmunternd hinein.
«Wo?" klang es schwer aus dem
Wagen.
»Jrgendwo außerhalb des Ra
diusi s . .« Drack lachte, und mit
leiserer Stimme fuhr er sort: »Sie
können sich’s noch immer überlegen,
Kapitiin Jnglis, sagen Sie ruhig Be
scheid, und wir iiinnen ebensogut wie
der nach der Stadt zurücksahren.«
Ein grunzendes Lachen tönte aus
der Droschlr.
»Olles Haus, ich will mich heut
nacht mit dem Geist unterhalten, oder
vielleicht kann ich auch etwas schla
sen . . . Könnt’s hrauchen.«
»So, ruhig, Mensch«, sliisierte der
Professor, indem er den aus dem
Fahrzeug schwankenden großen Men
chen heim Arm faßte.
Kapitiin Jnglis schaute mit stie
renden Augen urn sich.
»Nanu, wo sind wir denni« sragie
er.
»An unserem Bestimmungsort.«
»Ist das das einzige haus hier
herum?«
»Es ist eine pechschwarze Nacht;
bei Tage würden Sie schon noch
mehr Häuser in der Nähe sehen.«
Drack zog einen Schlüssel aus der
Tasche und zeigte nach einem schwe
ren, eisernen Tor.
«Bersuchen Sie das Ding mal aus
zulriegem Kapitiin,« sagte er und
reichte ihm den Schlüssel. »Ich will
inzwischen dem Chausseut Bescheid
sagen.«
Der Kapitän stieselte mit steifen
Schritten nach dom Tor, dag in un
gefähr sechs bis acht Schritten Ent
sernung aus dem Dunkel schwach
sichtbar ward. —
Dtclck wandle sich wieder otl den
Chausseur und drückte ihm ein Gold
stück in die Hand.
»Sie warten alio zehn Minuten,
nicht länger. Sollten wir bis da
hin nicht zurück sein, so werden wir
im Hause übernachten. Sollten wir
eher sehen, daß wir-« dableiben können,
so werde ich die haustiir laut zu
schlagen; dann können Sie daraus
hin sosort losiahrem verstanden'i« —
Er sah den Mann sest an. —- »Ich
habe meinem Diener telegraphiert,
uns zu erwarten, ed tönnte höchstens
möglich sein, daß er das Telegrarnm
nicht rechtzeitig erhalten hat«
»Seht wohl, Euer Gnaden.«
»Na also gute Nacht, salls wir Sie
nicht mehr brauchen.«
»Er-te Nacht, meine Herren,« sagte
der Chausseur, »ich weiß Bescheid . . .«
Aber in Wirtiichteit war ihm die
Sache doch nicht recht geheuer. Er
hatte schon einmal mit Einbrechern
zu tun gehabt, und Mißtrauen schien
in solchen Fällen immer angebracht. »
Prosessor Drack stand nun neben
dem Kapitiim
«..Da habe ich Ihnen nun wahr
haftig den salschen Schlüssel gege
ben,« sagte er zutraulich, »wollen Sie
mir erlauben·i«
Der Kapitiin stand müßig und
schluckte mitunter apathisch aus.
»Dieser vermaledeite letzte Whiss
in«, tnurrte er, «na, nun ist das
Ding ja eisen, Herr . . . Sie ent
schuldigen schon, aber Jhren Namen
hab' ich schon wieder vergessen.«
«",.Nur zu,« sagte Drack, «hiingen
Sie ein, der Gang ist rabenschwaer
»Scheinen den Weg ja zu kennen,
alter Knabe,« brummte nglis.
»Ich bin verschiedentli am Tage
hier gewesen. Wollen Sie wirklich
nicht umlehren·i«
,,Btodtmn! . . . Junizig Pfund
haben Sie gesagt? . . . Was? . . .«
»Ganz« richtig, fünfundzwanzig
»dem abend, wenn ich Sie allein lasse,
fund fünfundzwanzig morgen früh,
iwenn ich wiederkomme. Sie follen
morgen früh fogar fünfzig Pfund
«haben, wenn Sie mir auf Eid ver
sichern tönnen. daß . . . daß . . .
Ihnen nichts passiert ift.«
»Wil! verd . . . die fünfzig Pfund
verdienen. Teufel noch mac, das
würde mir ausgerechnet aus der
Sauce helfen. War übrigens eine
verflixt merkwürdige Geschichte, nn
fer Treffen heute abend, was? . . .
Jn der ollen Fufellneipei Wo mein
lehter Goldfuchs gerade draufging?».«
Diefe Erinnerung fchien den Kapi
tiin aufzuwecken aus feinen Döfereiem
»Sie wollen aifo das haus taufen,
dorauggefeht, daß nicht fo’n Ding
wie’n Geist drin umgeht, wie ein paar
Furchtbaer dehaupten7«
»Sehr richtig. Und wie ich Jhnen
fchon gefagt habe, möchte ich meinen
eigenen Nerven die Probe nicht zu
trauen. Meine Wahl ift nach lan
gem Suchen auf Sie gefallen, wettet
Kapitiim da Sie mir nach allem ein
Mann zu fein scheinen, der nicht
weiß. was Nerven find.«
»Teufel und Nerven,« lachte der
Kapitiin behaglich
.Und- dir nicht an halluzinationen
ieidet.'· ,
Reine Ahnung, was das ifti . . .
Das daus werden Sie ja wo l tau
fen. wagt . . . Jst der W teller
in Ordnungs
t
»Ich glaube kaum. . . Passen Siei
auf, hier sind Stufenf
Sie hatten das Haus erreicht, etnj
altmodifches viereckiges Gebäude mit
verschlossenen Fensterliidem dessen
kahle Mauern sich in dem unheimli
chen Dunkel verloren. «
Drack bugsierte feinen Begleiter die
breiten Stufen hinauf und steckte ei
nen Schlüssel ins Loch, worauf die
Tür leicht nachgab.
»Kommen Sie herein! . . .« Er
lehnte die Tür wieder an, ohne sie
ganz zu schließen
Jm nächsten Augenblick war die
Halle taghell erleuchtet.
»Zeufel wir sind ja ganz zivilisiert
hier,« rief Jnglis, «elektrifcheg Licht
und vollständig möbliert!«
»Die Beleuchtung ist gut, das ist
richtig, und die Ausstattung ist auch
vollftandig vorhanden. Der vorige
Besifer hat das haus Hals über
Kop verlassen . . Hier herein,
bitte!«
Drock hatte den Flur durchschrit
ten und eine Tür links geöffnet. Er
griff um eine Ecke, drehte das Licht
an und·winlte dem anderen, ihm zu
folgen.
Jnglis blieb einen Augenblick un-«
ter der Titr ftehen.
«Verdammt verriickteb haus,«
murmelte er, indem er sich um und
um schaute. Dann lachte er und folgte
dem Professor.
»Sie müssen schon entschuldigen,
daß ich Ihnen kein Feuer machen luf
fen konnte,« bemerkte Drack und
lehnte sich an den Kaminsims, der
ganz aus weißem Marmor war.
»Aber Sie werden dort auf dem Sofa
Decken finden. Jch kann Jhnen auch
keine bessere Beleuchtung bieten, als
die eine Lampe dort« — erdeutete
nach·einer Art Leselampe, die auf
einem kleinen Tisch neben einem
Lehnstuhl befestigt war. Ein schwe
rer, metallener Schirm bedeckte fie. ..!
—- »Aber Sie werden eine Menge
illustrierter Blätter finden, auch ein
vaar«·«Bitcher»-— falls Sie nicht gleich
einschlafen ronnen.
Drack ging nach dem Tischchen hin
über. Er öffnete ein Paietchen, und
eine Rolle Goldstücke flimmerte im
Lampenlicht.
« »Vielleicht würden Sie doch noch
lieber wieder mit zurück nach der
Stadt kommen. .Das Taxi wartet
draußen noch.
»Und fünfzig Pfund morgen früh«,
sagte Jngliö und sah gierig nach dem
hausen Gold.
äFiinfzig morgen friih ganz ge
wi
»An right-' brummte der Kapi
tän. . »Haben Sie denn nicht etwas
Thinibares in dem Geisterkasteni'«
»Tai mir unendlich leid, ader da
ran habe ich nicht ge)acht.«
Der Kapitän blickte enttiiuscht
drein.
»Uebrigens, was ich Sie noch fra
gen wollte,« demerite der Professor,
«wie alt sind Sie eigentlichi«
«Zweiunddreißig.«
,,Derz in Ordnungi«
»Wie meinen Siei . . . Natürlich
alles tip topi . . . Wollen mir wohl
angst machen, alter Junge, was-?
Diese Geistersalle könnte allerdings
manchem Angst in die Knochen ja-;
gerä. . . —- Was ist hinter dem Ding
a « . :
Er zeigte nach einem Vorhang
oder vielmehr nach einem Paar eng
zusammengezogenen Vorhänge, das
den Raum nach der einen Seite hin
von Wand zu Wand abschlosz.
»Dieö Zimmer ist unverhältnismä
ßig lang, und die Vorhänge teilen es
sozusagen in zwei Räume,« war die
Antwort.
»So, so, na, und was ist dahin
teri«
) »Das ist gerade die Sache,« sagte
;Drack, »die auch der frühere Besitzer
szu erfahren wünschte. Vielleicht hat
ser? schließlich doch erfahren, aber lei
sder war er eben nicht mehr in der
.Lage, sich darüber zu äußern . . .«
» »Wie meinen Sie·i«
« «Jch muß jet wirllich nach der
Stadt zurück, err Kapitänz es ist
beinahe zwölf Uhr . . .Gute, Nacht!...«
» Jnglis reichte dem anderen etwas
unentschlofsen die Hand.
»Ich hätte wirklich sehr gern et
was zu trinken gehabt,« sagte er an
scheinend verstimmt.- —- »Weshalb
ist. denn in diesem Zimmer alles
schwarz und weiß?« »
Drack war jetzt schon unter der
Tür.
»Ich habe Ihnen tu schon gest-gis
daß der frühere Besitzer nicht mehr in»
der Lage war, sich zu äußern.« "
»Der Teufel hole den ganzen Brei-i
ten! . · . Pardon, alter Knabe! . . .
Gute Nachtt . . .« Der Kapitän ließs
die Goldstücke durch feine Finger
gleiten . . . »Aber bringen Sie eine
Bottel Whisly mit morgen früh!«
»Mit Vergnügen,« sagte der Pro
xegor und schloß die Tür leise hinter
r
Jnglts horchte und ließ dabei let
nen Moment die Augen von dem
Gold. —- Aus dem Flur lanr lein
Laut, aber er erinnerte sich dunkel,
daß dte Halle mit dicken Teppichen
belegt war. —
Dann schlug die Haustür laut zu,
und laurn ein paar Augenblicke spä
ter hörte er schwach das Geräusch
eines sich entfernenden Automobiles.
»Der olle . . . Dingsda . . . Ra
men hab’ ich natürlich vergessen, hat
sich derflixt beeilt . . . nach der Stra
sze zu lotnmen,« dröselte er und steckte
dabei die Goldstücke in die Tasche.
Dann nahm er sich eine Decke vom
Sofa, wickelte sich die Beine um
ständlich ein und setzte sich in den
Lehnstuhl. Er stopfte sich seine Pfeife,
steckte sie an und nahm ein illustrier
tes Blatt in die hand.
»Verdammt verrücktes Hatt-'s sagte
er noch einmal, »der frühere Besitzer
muß einen Vogel gehabt haben . . .«
Und es war wirklich eine merk
würdige Umgebung; die kahlen Wän
de, der Kaminsims und die Decke
waren gespenstisch weiß, und alles
Andere, Teppich, Vorhänge, die paar
Stück Möbel und selbst die Decken . . .«
pechschwarz. .
Jnglis versuchte zu schlafen. Aber
er hatte entweder sitr seine Verhält-.
nisse einen zu wenig getrunlen oder
einen zu viel —- er vermutete das»
letztere --— jedensalls arbeitete sein»
Gehirn selbst bei geschlossenen Augen
s unruhig weiter.
J Es dauerte nicht lange, und die
iTotenstillevI begann ihn zu beengen.
I s
; Er hatte sich fest vorgenommen,
nicht nach der Uhr zu sehen, aber nach
sein paar Stunden — wie er meinte
I— zog er seine Uhr doch aus der
iTaschr. Er blickte verdutzt auf das
;8ifferblatt, hielt die Uhr ans Ohr
Hund starrte wieder darauf
) Zehn Minuten vor eins.
! »Donnerwetter, das geht langsam«,
Imurmelte er und versuchte ein La
chen, das ihm auf den Lippen er
starb.
) Hatte sich der große, schwarze Vor
,hang bewegt? . . . Unsinn.
Er suchte nach seinen Streichhöl-s
zern und versuchte seine Pfeife wieder1
anzuziinden, obgleich er einen fürch
terlichen Durst verspürte.
Die Streichholzfchachtel glitt ihm
aus den Fingern . .
« Der Vorhang hatte sich ganz be
stimmt bewegt. .ganz leise . . .
gegen ihn . . .
»Ein Windzug«, versuchte er sich
einzureden »Ist ja ganz natürlich,
daß fon Haus zugig ist.
Er biickte sich langsam, um die
verstreuten Streichhölzer wieder auf
zulesen, aber er verwandte iein Auge!
von dem Vorhang. l
Mit ein paar zusammengegriffenen
Hölzern in der Hand richtet er sichl
wieder auf und versuchte, den Schirm
von der Lampe abzunehmen, um mehr
Licht in dem halbdunklen Raum zu
verbreiten . . . Der Schirm war fest
verfchraubt. — Dann dachte er da-i
ran, die Tür zu öffnen und so Licht
von der hellerleuchteten Halle herein
zulassen; dann konnte er sich den
Vorhang genauer betrachten und zu
ssehem was dahinter steckte . . .
. Die Tür ging nicht auf. »
, »Dann hatte ich allerdings nichti
gedacht,« sagte er, »hätt’s aber »wohl
nicht anders erwarten lönnen.« .
Nach einigem Zögern schritt er
über den dicken, schwarzen Teppich
nach dem einzigen Fenster, aber es1
war fest verschlossen, mit stritten in-(
neren Laden. Er rüttelte daran, sah
aber, daß eine eiserne Schiene daran
geschlossen war.
»Eielhast . . . ja . . murmelte
er, ging nach sein n Lehnstuhl zu
riick und sah wieder nach der Uhr
Vier Minuten vor ein Uhr . . . Als!
er sie wieder in die Tasche steckte, kam;
es ihm vor, als ob der große Vor-!
hang eine Ausbuchtung zeigte. l
Er saß steif aufrecht und schielteI
nach dem Kamin hinüber-. Keines
Schaufel, kein Feuereisen . . . .i
nichts . . . . !
Dmm machte ex plötzlich die See-I
mertung, daß sich in dem Raume
absolut nichts befand, womit er sichs
hätte verteidigen können . . . nicht
einmal ein leichter Stuhl . . .
Angst hatte er ja nicht, aber . . .
Jeht bauschte sich der Vorhang
ganz deutlich . . . .
»Wer ist dat« schrie er heiser.
Jrn nächsten Augenblick lachte er
höhnisch auf.
« »Der Teufel hole den Zug . . .
Höllisch kalt hier.«
Er faßte sich an die Stirn . . . sie.
war ganz naß. s
Er hatte aber wirklich nicht die
geringste Angst . . . Wovor denn? . ..
Er nahm eine der heruntergeglitte
nen Decken aus —- und ließ sie wie
der fallen. Jrgend etwas in seiner
linken Hand genierte ihn . . . Er sah
genauer zu . . . ein paar Streich
hölzer klebten darin . . . .
»Alles ist verdreht . . . .«
Da war wieder eine Bewegung im
Vorhang! . . . .
Er stand auf, wars« die Schultern
zurlick und ging ein paar Schritte
vorwärts. Vielleicht wollte ihn der
Alte irgendwie zum Narren halten
. . . Aber das war ja ausgeschlossen.
Der Professor würde wohl schwerlich
siinfundzwanztg Pfund sitt nichts
ausgegeben haben . . . .
Halbwegö zwischen Kamin und
Vorhang hielt Jnglis an. Was hatte
ihm der Professor eigentlich gesagt
itber den früheren Besißeri Sollte
dertotsein...oder....i
Angst hatte er ja absolut nicht,
aber . . . . r
Da stand er nun, ganz leise
schwankend und nach dem Vorhang
starrend. Er versuchte zu denken,
soviel ihm das bei seinem umnebel
te.r Gehirn möglich war. — Also
er war in einem Hause, in dem es
umging . . . das war ja die Ge
schichte . . . aber er glaubte ja nicht»
an Gespenster . . . Wenn nun aber’
doch . . . · I
Was war das sür ein Geräusch
hinter dem Vorhang? Jnglis strengte
sein Gehör mit aller Schärfe an . . . .
Eislalt lies’s ihm über den Körper.
Da waren die Töne wieder . . . Wasl
war das? . . . Eine Art verhaltenes
Stöhnen, von tiefern, heftigem Atmen
begleitet.
Kam das von einem menschlichen
Wesen? . . . Was war es?
Jngliö sprang nach der Tür und
drehte und riittelte wie wahnsinnig
an der Klinle . . . Aber es half alles
nichts . . . Verzweifelt und halb von
Sinnen starrte er um sich. Er war
ein kräftiger Mensch . . . Wenn er
das Sosa aufhob und damit die Tür
einschlugi . . . .
Da waren wieder diese entsetzlichen
Töne! . . . .
Er wußte bestimmt, daß da nichts
hinyter dem Vorhang sein lonntet
(
Ein Hund vielleicht? . . . .
Mit entsetzlicher Deutlichkeit drang
das Gestöhn aus dem Vorhang. Das
konnte kein Hund sein . . . etwas
widerlich Bestialisches, wie aus dem
Rachen eines hungrigen Löwen, einer
fauchenden Höllengeburi . . . .
Er mußte hinauslommen aus die
ser Falle . . . Er vergaß alles, die
fünfzig Pfund am nächsten Morgen,
alles . . . nur weg von hier . . .
Arn Sofa hielt er ganz plötzlich an
. . . Etwas bewete sich hinter dem
Vorhang entlang . . Er mußte sich
einen Augenblick still verhalten. Ge
raden Blicks starrte er nach dem
schwarzen Faltengehänge . . . .
Da zog er plötzlich unwillkürlich
die Luft durch die Nase . . . Was für
ein höllischer Geruch! . . . Wie in
einer Totenlammerl . . . Gott im
Himmel, das war verwesendes, totes
Fleisch!
Ehe er Zeit hatte, sich zurückzu
wenden, bauschte sich der Vorhang
mächtig gegen ihn aus, und im sel
ben Augenblick verlöschte die Lampe.
Und aus dem entsetzlichen Dunkel
strich ihm ein heißer, fauler Atem
über das Gesicht . . . .
Ein gellender Schrei entrang sich
seiner Kehle.
Blitzschnell zuckte ein blindmachew
der Schein auf . . . Kapitän Jnglis
fiel schwer auf den Bodens-. . .
It II
»Na ja, ist ja alles in Ordnung,
alter Furchthase, man keine Angs, «
tönte die Stimme des Projessors
Drack.
Ein Einschalter inaclie, und wei
ßes Licht durchbrach die Magnesium
wolken, die sich im Zimmer zur Decke
ballten.
»Ist ja gut,« wiederholte der Pro
fessor mit freudiger Stimme und
stellte seinen photographischen Appa
rat mit einer Menge merkwürdig
aussehender pneumatischer Apparate
beiseite. — Jch werde Sie ein bissel
in die höhe richten . . . Tut mir so
leid, daß Sie stolperten . . . .«
»Nanu, ohnmiichtig? . · . Werden
wir gleich haben . . . Jmmer aus so
etwas vorbereitet. «
Er kniete nieder, mit einer Riech
flasche in der Hand.
»Bin ja hier zu Hause, wissen
Sie«, fuhr er fort, freudig erregt,
halb närrisch durch das überaus gün
stige Gelingen seines Experimentes.
—- ,,War ja alles nachgemacht, alles,
bis aus das Negativ . . . Na, Kapi
tän, man zu, noch den Kragen auf
gemacht, und dann . . . .«
Professor Dracl hielt plötzlich an
.sein Gesicht war aschgrau . . . .
Einen Augenblick später stand er
steif auf und starrte aus Jnglis zu
seinen Füßen . . . .
,,Jammerschade,« murmelte er
schließlich, »ewig schade . . . nachdem
alles so schön geilappt . . . .«
Zu sur gemeint.
Der Schauspieler John Drew ist
nicht nur aus der Biihne, sondern auch
im Leben der Ewigjunge und Ewig
galante. Eine Dame seines ausge
dehnten Bekanntenkreises erwähnte im
Verlause der Unterhaltung daß sie am
nächsten Tage ihren Geburtstag seiere;
sie stand bereits in dem Alter, in dem
die Damen anfangen, langsamer ist
zählen, und war so nach und nach bei
den Vierundzwanzig angelangt, ob
schon sie in Wirklichkeit ein volles
Jahrzehnt mehr aus den wol)lgepsleg
ten, schönen Schultern trug.
Aufmerksam, wie er schon ist, be
schloß Herr Drew, ihr Blumen zu
schicken, und bestellte bei seinem Flori
sten vierundzwanzig aus-gesuchte schöne
Rosen. Der Florist kam gerade in zden
Laden, als Herr Drew denselben ver
ließ, und fragte die Verkäuserin, was
der Künstler bestellt habe.
»Herr Drew wünschte vierundzwan
zig La France-Rosen.«
-,,Wieviel haben Sie dafür berech
neti«
»Fiins Dollars.«
»Das ist uviel — Herr Drew hat
Vorzugspreife bei mir. . schicken Sie
jedenfalls sechsunddreißig Rosen nach
der angegebenen Adresse.«
Und Herr Drew konnte sich nicht
erklären, weshalb ihn die Dame das
nächste Mal so aussallenb kühl be
grüßte.
W
, Reperbeer in spa.
Der Komponist Meherbeer hat von
der Stadt Spa, wo er wiederholt
weilte, um von seinem Leiden Heilung
zu suchen, ein Denkmal erhalten.
Dort zeigte er sich als ein absonder
licher Kranken Eines Tages verspä
tete er sich auf seinem Spaziergang in
ganz ungewöhnlichem Maße und kam
erst abends nach Hause. Kraftlos ließ
er sich in einen Sessel fallen. Sein
Diener Karl war erschreckt, ihn in ci
nem Zustand solcher Schwäche zu
sehen und lief sofort zum Dr. Lezaack,
der den Komponisten in Spa stets be
handelte.
Der Arzt fand seinen Patienten
fast ohne Puls und sein Gesicht ganz
verfallen. Er überlegte und ließ das
Hausmädchen rufen. ,,Marianne, seit
fange- hat Jhr Herr nicht mehr geges
en «
»Wahrhaftig, ich weiß es nicht;
er ist immer in seiner Musik befangen,
und wenn ihn das packt, sehen Sie,
dann darf man ihm nicht nahe kom
men. Er schließt sich ein und ver
bittet sich jede Störung. Heute mor
gen ist er, ohne zu frühstiicken, davon
gelaufen.«
,,Schnell eine Tasse Schokolade und
nach einer Stunde ein großes Kot-lett
und ein Glas alten Bordeaux!«
Meyerbeer ließ alles mit sich machen
wie ein Kind, aß und trank, was man
ihm brachte. Nachher ging er schla
fen. Am nächsten Morgen sand ihn
der Arzt schon früh auf und vergnüg
ter als je. »Wie, schon aus den Bei
nen, nach der schweren Krankheit von
gestern?« —- ,,Aber was hatte ich
denn, Doktor?« — ,,Nette Frage! Sie
hatten einen ganzen Tag nicht ans
Essen gedacht!·' —
Jm Jahre 1864 hatte die Stadt
Spa eine der großen Promenaden
nach Meyerbeer benannt und wollte
dies Ereignis in seiner Gegenwart
feierlich begehen. Er hatte zugesagt,
aber wenige Tage vor den Festlichkei
ten kam in die bereits geschmückte und
beslaggte Stadt die Nachricht:
Meyerbeer ist tot! Er hatte stets
große Angst, er könnte lebendig be
graben werden. Um diese Gefahr ab
zuwenden, hatte er selbst in seinem
Testament bestimmt, daß man seine
Leiche vier Tage und rier Nächte ohne
Unterbrechung bewachen und ihm an
Händen und Füßen Glocken befestigen
sollte.
tas Baues-Schnupftuch.
Daß ein so unentbehrliches Wäsche
stiick wie das Schnupftuch jemals eine
Seltenheit gewesen, möchte man be
zweiseln, aber wenn wir z. B. die
Besitzlisten des 15. Jahrhunderts
durchgehen, finden wir wohl Kopf
tiicher, Bettiicher, Handtiicher und
sonstige Tücher aber nach Schnupf
tiichern suchen wir umsonst. Wenn im
folgenden Jahrhundert solche Tücher
endlich häufiger wurden, so waren es
doch anfangs mehr Luxus- als Ge
brauchstücher. Jn Frankfurter Pa
triziersarnilien schenkte die Braut dem
Bräutigam ein reich gestieltes Taschen
tnchz das fand man damals genug.
Ob sich die Leute damals weniger er
tiiltet haben und wie sie mit einem
kräftigen Schnupsen fertig geworden
sind, das entzieht sich unserer Kennt
nis. Tatsache ist nur, daß die
Schnupftücher nicht gern u. oft gewa
schen wurden, vielleicht auch nicht wer
den konnten wegen ihrer prächtigen
Sticlerei, so daß ein sindiger Kopf
mit einem Rezept zur Herstellung ei
nes Taschentuches hervortreten konn
te, das »sast niemals unsauber
wird« und das er das «Venus
Schnupstuch« nannte. Jn der 1683
zi« Hamburg erschienenen ,.Schatztam
mer Rarer und Neuer Kuriositäten«
ist dies Rezept aus uns gekommen
,,Nehmet Kreiden von Frianzon
oder Spanische Kreide ein halb vier
tel, lasset dieselbe in einem Glaszofert
oder sonsten Calcinieren, hernach ver
mischet sie mit guten Brandtetoein
oder Spiritu Vini, und lasset es sich
vierundzwanzig Stunden lang wol
mit ein ander vereinigen, hernach
feuchtet eure Tücher damit an, und
lasset sie im Schatten trocknen, ohne
Staub, Sonnen oder Feuer; es ist
gut, daß man sie mit dieser Materie
zu drehen mahlen befruchte, hernach
behaltet sie trocken; diese Art ist die
allersiirtresslichste unter allen, so ich
gesehen, und das Schnupf - Tuch wird
fast niemals unsauber.«
Ob das derart Präparierte Tuch
auch einem Dauerschnupsen gegenüber
seine Sauberteit bewahrt hat, vergaß
der Berichterstatter leider mitzutei
len.
——,-, —
—- Schlau. A.: »Ich sehe, Sie
haben ein Glasauge.«
B.: »Ja, aber es ist der reine
Schwindel damit, ich tann gar nichts
damit sehen.«
-—— Unverbesserlich. »Die
jungen Eheleute drüben leben ausfal
lend zurückgezogenz sie scheinen sehr
sparsam zu sein-«
Alter Junggeselle: »Die werden
für alle Fälle die Ehescheidungölosten
zurücklegen wollen.«
—-BilligerWunsch. Dienst
mädchen (aus -der unteren Etage):
»Eine schöne Empfehlung von der
nädigen Frau; das Kind ist sehr
rant, und Sie möchten sich doch
heute «'n bißchen leiser sanken.«