Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 16, 1912, Zweiter Theil, Image 10

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    = E in Esel-n a r d e r
Roman
von Egbert Carl-sen
," W
(19. Fortsetzung)
le »Aber Ihrem Namen nachzu urtei
n —-I
»Müßte ich eine Russin sein«, vol
lendete das junge Miid n sliisternd.
«Aber Wanda Sumiros ist nur ein
nom de guerre. Jhrer Diskretion will
ich meinen wahren Namen anver
trauen, welchen ich aus Rücksicht aus
s meine Familie nicht mit in den Cirtus
Nehmen durfte. Jch hin eine Englän
derin und heiße Alma Robinson.«
Die Worte waren so leise gespro
chen, daß selbst Hugo sie kaum verste
hen konnte, geschweige denn ein Ande
rer. Fernerstehenden »Ich danke Ih
nen siir Jhr Vertrauen und werde
mich desselben würdig heweisen«, er
wiederte der Ossizier in demselben
Isliisiertorr. »Was ich Ihnen vorhin
aus Russtsch sagte, war die Bitte, Ih
nen eine Warnung zukommen lassen
In dürfen. Dars ich dieselbe ausspre
chen?"
»Warum nicht?«»
«Zus"cillig sah ich heute Abend einen
Mann aus Jhrem hause treten. wel
chen ich Grund habe. siir einen gewis
senlosen Abenteurer zu halten. Jch
wiederhole ,zusiillig’, denn es liegt mir
fern, Ihre Schritte zu überwachen,
aber ich dankte dem Zusall, welcher
mich gerade in diesem Momente an
Ihrer Wohnung voriidersührte. Dü
ten Sie sich vor diesem Menschen, ich
bitte Sie aus das Jnnigste darum,
und mißachten Sie meine Warnung
nicht, welche —- davon seien Sie
Iderzeugt —- nur dem Wunsche ent
ffspringt Ihnen zu nützenF
Die Röte war aus dem Gesichte des
jungen Mädchens verschwunden und
hatte ei er fahlen Blösse Platz ge
macht. her ihre Fassung verließ sie
nicht. »Sie meinen Erich d. Mar
ten5?« fragte sie mit erzwungener
Ruhe. —
.Er ist es«, nickte Hugo.
.Jhte Warnung ist überflüssig, lie
ber Freund«, fuhr Alma in demselben
gelassenen Tone fort, »aber trotzdem
liegt es mir fern, sie Jhnen zu verar
gen. Denn Sie sind nicht der Erste,
welcher mich vor Herrn v. Mariens
gewarnt hat, vor Jhnen haben schon
Andere mir geraten, mich vor demsel
ben zu hüten. Aber ebensowenig wie
ich Ihnen gefolgt bin, kann ich Jhnen
folgen. Schon vor längerer Zeit lern
te ich herrn v. Mariens in Wiesba
den kennen, er ist ein alter, vertrauter
rennd von mir. wie auch ich seine
rtraute bin. Jch weiß, daß er viele
nnd einflußreiche Feinde besitzt, und
von diesen gehen jene verleumderischen
Gerüchte aus, welche man auch Jhnen
in’s Ohr gefliisiert hat, Gerüchte, wel
che man um so leichter verbreiten konn
te, da allerdings Mariens eine Zeit
lang gezwungen war, Manches zu tun,
was ein schlechtes Licht auf ihn werfen
konnte. Sie sehen, ich bin sehr gut
unterrichtet, gut genug, um mir ein
selbständiges Urteil über diesen Mann
u bilden. So sehr ich Ihnen daher
iiir die freundschaftliche Teilnahme
danke, so bitte ich Sie dennoch, in Zu
kunft nur in wohlwollender Weise von
rrn v. Mariens zu sprechen, denn
ie begehen eine Un erechtigkeit, wenn
Sie Schlechtes von i m sagen.«
»O, wüßten Sie, was ich von ihm
weiß, so würden Sie anders reden.'·
»Ich weiß Alles«, wehrte Alma ab,
»aber ich kenne Fuch die Beweggründe
seiner handlungen, und wer die kennt,
dem erscheint sein Benehmen in ganz
anderem Lichte« I
»Daraus ergibt sich eine außeror
dentliche Jntimität«, sliisterte Hugo,
aber seine blitzenden Augen verrieten
trotz des leisen Tones die gewaltige
Erregung seines Jnneren. »So ist er
also in der Tat der Glückliche, welchem
Jht Herz gehört?«
Der hinzutritt des Direktots Fürst
verhinderte Alma, aus diese Frage mit
etwas Anderem zu antworten, als wie
Init einer leichten Neigung des haup
te3. Und ein siegesgewisses Lächeln
spielte dabei um die Lippen ihres schil
nen Mundes. —- — — — » —
Tausensd Pläne treuzten sich an die
sen-i Abend und in dieser Nacht in
Zuge-Es Kopf. Aber ein Gedanke trat
aus dem Wirrsal dieses Grübelns im
mer schärfer und bestimmter hervor:
tver Martens’ Charakter richtig erken
nen wollte, mußte auf seine Vergan
nheit zurückgehen. Und daran schloß
ch ein Zweites: die Wahrheit über
diese Vergangenheit ließ sich offenbar
nur in Wiesbaden erfahren. War er
derselbe MartenQ welcher nach den Er
hlungen des Präsidenten v. Hain
d dort eine so zweiselhaste Rolle ge
spielt MS Oder war es richtig, wag
Teich Lieutenant v. Pleißenbach
wilder-. behauptet und was dieser
n Kameraden mitgeteilt hatte, daß
nämlich jener Martenö ein Vetter von
ihm etvesen sei und daß Erich selbst
sich egen wegen dieses Vetters nur we
.Itc Sake in Wiesbaden aufgehalten
ha ? A maJ Bemerkung daß sie ihn
tu Wiesbadem leimen gelernt habe,
chikg doch gegen eine so kurze Anwe
" W zu sprechen. lieber diesen
tt mußte man Gewißheit its-bett
W Iixß weiter »vor-gehen, unl:
» Jst-le
is Mich-sites
ausgetauchten Vetters und Eil-schone
priitewdenten notwendig sei, davon
konnte er seinen Bruder Boguslaw
leicht til-erzeugen, ohne demselben et-«
was von feiner Neigung zu Alma Ro
dinson zu verraten. Boguslaw war
aber auch der Einzige, welcher erfuhr,
wohin ugo sich wenden wollte.
Selbst einem Regimentstommansdeut
näher hielt es der junge Offizier
Mgeratem das eigentliche Ziel seiner
Reise zu derschweigen. Vielmehr gab
er als Grund seines Urlaudsgesuches
an, daß ihn eine wichtige Familien
ionferenz nach Woan rufe, und er
reiste dann auch wirklich in dieser
Richtung mit Boguslaw von Ostdurg
ad. Erst auf der zweiten Station
wechselte er den Zug und nahm ein
Billet über Berlin und Kassel nach
Wiesbadem
19. Das Caroussel.
Eine fieberhafte Aufregung hatte
sich der Ostburger Gesellschaft bemäch
tigt, seitdem die Jdee eines festlichen
Caroussels in der Reitbahn des Kil
rassierregeiments aufgetaucht war und
von Tag zu Tag ihrer Realisierung
näher rückte. Nicht nur die Mitglieder
der verschiedenen Konntees fiir die
Ausfchrniickung des Feftraumes, fiir
die Einiibung der Quadrillen, fiir die
Bestimmung der Koftiime und für den
Erlaß der Einladungen zeigten sich
außerordentlich geschäftig, sondern
auch Alle, welche in ir end einer Weise
zur Mitwirkung beru en waren« ent
wickelten eine angespannte Tätigleit.
Aber auch in weiteren Kreisen verbrei
tete sich Spannung und Aufregung.
«Werden wir eine Einladung zu die
sem Zauberfest erhalten?"——-—Das war
die Frage, welche in so mancher Fami
lie von Morgens früh bis Abends spät
oentiliert wurde und welche eine ge
radezu immenö zu nennende Quanti
tiit don Artigteiten und liebenswürdi
en Aufmerksamkeiten gegen diejenigen
Personen erzeugte, welchen man einen
Einfluß auf die Beantwortung dieser
Tsjrage zurrautr. Manche oer unteren
wußten sich gar nicht zu erklären, wes
halb ihnen plötzlich mit so ausfallen
der Liebenswürdigleit von Leuten be
gegnet wurde, welche sonstckaum zu
wissen schienen, daß sie in der Welt
waren, bis endlich ein Gespräch über
das bevorstehende großartige Caroussel
ihnen Aufklärung darüber verschaffte.
Dann wagte sich die Versicherung her
vor, wie außerordentlich erfreut man
sein würde, wenn man auch einen
Blick auf dies feenhafte Schauspiel
werfen dürfte und daran pflegte sich
die schüchterne Bitte zu knüpfen, ein
gütiger Fürsprech sein zu wollen
Nicht nur die Mitglieder des Komitees
selbst, welches mit den Einladungen
betraut war« wurden in dieser Weise
umworben, nein, auch auf ibre Eltern
und Geschwister, Söhne und Töchter,
Onlels, Tauten, Neffen und Vettern
ergoß sich ein reicher Regen von artiger
Zuvorkommenheit und verschämten
oder auch wohl unverschämten An
suchen und Bitten.
Endlich ward diese Frage entschie
den. Wer in den glücklichen Besin ei
ner jener rosenroten Karten gelangt
war, auf denen »Die vereinigten Of
fizierlorps der Xten Kavalleriebrigade«
—- außer den von uns häufiger er
wähnten Kürassieren stand ein Dra
gonerregiment in Ostburg -— »sich die
Ehre gaben, Herrn N. N. mit Familie
zu dem am 24. Januar stattfindenden
Reiterfest nebst nachfolgendem Souper
und Ball im Kasino des Kürassierw
giments ergebenst einzuladen« —- wer
« sin- Tal-b- lostbare Karte erhalten dat
te, der lächelte selbstbewußt und zu
frieden; wer aber vergeblich daraus
gehofft, der machte eine Faust in ver
Tasche und meinte achse zuckend, das
ganze Unternehmen sei als verfehlt zu
betrachten, denn Ostburg besihe gar
nicht die Kräfte, ein solches Schauspiel
mit dem erforderlichen Glanz und Ge
schmack herzustellen. Uebrigens blie
ben diese rosenroten Karten keines
wegs nur in Ostburg haften, sie lebt
ten auch in den benachbarten Garniso
nen ein, flogen hinaus in die herren
häuser der Rittergiiter, und in beiden
forderten sie, jubelnd begrüßt, nicht
nur zum Zuschauen auf, sondern auch
zur Mitwirkung . Da ward es leben
dig auf den Edelsitzem musternd
durchging man, was noch vorhanden»
war an alten Gewändern, Waffen
und Gerät von der Urväter Zeiten
wobei manch’ wertvolles Stück zum»
Vorschein lam, das dem Komitee zur
Verfügung gestellt wurde, und auch
die Schaktrnben der alten Geschlechter
öffneten sich und manch’ alter Fami
liensazenäurk wanderte hervor, um an
dem lichen Abende wieder einmal
zu glänzen. —
Die Koftünk und Toiletienfrage
drängte sich jetzt breit in den Vorder-«
grund. Die Mitwirknden zwar wur
den dadurch am wenigsten berührt.
Das zu dem Zwecke gebildete Komitee
hatte die Losiiime der einzelnen Qua
drillen genau bestimmt und war so
dann mit dein ersten Garderobier des
Haftheateti der Residenz in Unter
handlunggetretem welcher sich bereit
erklärte, weh Empfang der erforder
lichen DE simtliche Koftiinee bis
Hi klei- Zpeksil stylgerecht nnd fix
- Js
und fertig zum gewünschten Termine
zu liefern. Jn ähnlicher Weise wur
den Schabracken und Zaumzeug der
Pferde nach der Residenz in Bestel
lung gegeben. Aber die zahlreichen
Damen des Publikums! Bei einein
Fest, welchem halb Ostburg beiwohnte,
zu dem der größte Teil des Landadelz
sich einfinden würde und außerdem
zahlreiche Gäste aus den benachbarten
Garnisonen. ja vielleicht aus der Resi
denz — und zu dem sogar, wie das
Geriicht ging, ein königlicher Prinz
sein Erscheinen zugesagt haben sollte
-— wollte natürlich doch jede der zu
schauenden Damen so viel wie nur ir
gend möglich brillieren. Der lebhaf
teste Wetteiser entspann sich daher und
oerpslanzte sich aus den engeren Krei
sen der Familien in die Konfeltions
und Modewarengeschiiste, in die Wert
stätten der Schneider und Schuster, in
die Punhandlungen und in die Bijou
terieliiden.
Auch in dem kleinen Kreise, welcher
Dame Georgine als Oberhaupt der
ehrte, herrschte emsiger Fleiß. Wäh
rend sich aber die Tätigkeit liberall an
ders frei und ossen rührte und beweg
te, geschah hier Alles oerhiillt von dem
Schleier tiesen Geheimnisseö. Es wa
ren im Ganzen nur süns Personen,«
welche herr v. Martenö außer Geor
gine in dies Geheimnis eingeweiht
hatte, nämlich Garolin, herr und
grau Professor Ansius und von dem
ehteren oorgeschlagen und mit ihnen
verwandt ein erst vor Kurzem nach
Ostburg detsestei junges Ehepaar,
Gerichtsassessor Schrabisch und Frau.
Das Ehepaar Hänsius war, wie Mar
iens oorausgeseßn mit Begeisterung
aus die Jdee der lebenden Bilder ein
gegangen. Es würde sonst wohl kaum
eine Einladung als Zuschauer zu dem
vielbesprochenen Fest erhalten haben,
nun durfte es sogar mitwirkend daran
teilnehmen. Das war eine Aussicht,
welche den Professor nebst Gattin zu
jedem Okser bereit machte, selbst zu
dem, iiber die ihnen zugedachte Aus
zeichnung bis zum Augenblick der
Augsiibrung strenges StillschTVeigen zu
beo achten. Denn daraus leate Mar
tens das größte Gewicht: als Ueber
raschung würden die lebenden Bilder
aus das Publituni einen doppelten
Essett machen, gab er als Grund da
siir an. Und damit vor Allem in den
Kreisen der Ossiziere die Sache nicht
vorher bekannt und besprochen würde.
hatte er eben nur solche Personen zu
Mitwirkenden gewählt, welche diesen
Kreisen nicht angebornen
Bei hänsius waren auch alle Be
ratungen, dort wurden die Kostiime
angefertigt, dort wurden die Proben
gehalten. Dadurch wurde es siir Geor
gine leicht, auch ihrem Manne gegen
iiber das Geheimnis zu bewahren.
Pleiszenbach war außerdem siir seine
Person durch das Caroussel sehr in
Anspruch genommen. Da er als dor
tresslicher Reiter bekannt war, wurde
ihm die Ehe zu Teil, eine der Qua
drillen einzuiiben und zu kommandie
ren, eine Aus obe, welcher er sich mit
dem größten Ziser widmete. Er hatte
daher ebensowenig eine Ahnung von
den Plänen seiner Frau als wie sonst
Jemand außer den Eingeweihten Zu
diesen gehörte übrigens noch eine sehr
hochstehende Persönlichteit, nämlich
niemand Geringeres als der Gouver
—neur der Festung Ostburg. Derselbe
war ein Berwandter von Georginens
Mutter und hatte, wie schon sriiher be
richtet, »Madarne N’est-ce-das", wie er
Frau d. Pleißenbach nannte, sehr in
Protettion genommen. Daher zog
Georgine aus Martenz’ Rat den Gou
Ieneur so weit in’s»GeheingZ, daß
skc lgllk Cllvclkluurc, Is( Ums-( sur »Hu
Schluß des Reitfeftes eine Ueberrasch
ung und wage deshalb an Excellenz
die Bitte zu richten, dieselben möchten
beim Komitee fiir die Einrichtung des
Zeitraumes befürworten, ohne jedoch
Georginens Namen zu erwähnen, daß
auf die herstelluny einer kleinen
Bühne Bedacht genommen werde. Der
Gouverneur versprach der Bitte Ge
währung und selbstverständlich beeilte
sich das Komitee, dem gebeimnisvollen
Wunsche, welchen die Excellenz äußer
te, nachzukommen.
Nachdem Martens diese Sache ge
ordnet wußte und sich mit hänsius
über die Auswahl der Bilder geeinigt
hatte, welche man stellen wollte, schenk
te er den übrigen Vorbereitungen we
nig Beachtung mehr. Wenn sein
Plan gelingen sollte, so durfte Nie
mand erfahren, dasz von ihm ur
sprünglich die Jdee dieser lebenden
Bilder ausgegangen, oder dasz er in
hervorragender Weise an dem Mange
menk beteiligt gewesen sei. Nicht ein
jmal hänsius und Frau wußten da
soon5 waren doch sowohl sie wie Gard
lin nur durch Georgine zur Mitwir
ikung aufgefordert und konnten daher
ynicht daran zweifeln, daß dem Kopfe
der jungen Frau dieser Plan entfpru -
gen sei. Mariens war dabei nur al
eines Mannes von Geschmack und tie
fem Verständnis der Kunst erwähnt
I worden, dessen guter Rat nicht zu ver
lachten wäre. Und dir-Mariens dem
arme Professor Häufiui seinen guten
at durchaus nicht aussetzt-rate son
dern, toie fchon bemerkt, nur bei der
Auswahl der Bilder seinen Einfluß
geltend machte und später nur noch
einmal bei der Generalprobe erschien,
wo er Alles für vortrefflich und tadel
los erlliirte, fühlte sich der Professor
durchaus nicht genirt due Erichs
Ratschläge und war weit ent rnt da
von, zu glauben, daß Mariens der
eigentliche Urheber der lebenden Bil
der sei. —- «
So lani endlich der 29. Januar her
an und ging allen Beteiligten unter
den lehten Vorbereitungen pfeilfchnell
dahin. Pleißenbach war so in An
spruch genommen, daß er von der Ka
serne die Botschaft schickte, seine Frau
möchte ihn nicht zum Essen erwarten,
es sei ihm nicht möglich, vor der Bor
stellung noch einmal nach Hause zu
lominen. Georgine war darüber nicht
even erstaunt, hatte ihr Gotte sie doch
schon vorher verständigt, daß er wie
seine Kameraden in der Kaserne sein
Kostiim anlegen würde, wo eine groß
artige Garderobe eingerichtet war.
Aber sehr erwünscht lain Frau v.
Pleiszenbach die Nachricht, denn nun
hatte sie für ihre eigenen Vorbereitun
gen vollständig freie Hand. Gleich
mit ihrer Zofe zu Frau hänsius, ließ
ich dort coiffieren und warf sich in die
Bilder verlangte. Dann fuhr sie mit
dem Ehepaar hänsius zusammen zur
Kaferne. wo Garolin an dein fiir die
Darsteller bestimmten Eingang sie er
wartete und, von Mariens vorher gut
instruiert, ilbser steile hintertrepven
und durch lange Korridoee von rück
wärts auf die lleine Bühne führte,
welche der Schauvlah ihres Triumphes
werden sollte. Einstweilen jedoch hat
te sie mit ihrer Gesellschaft von hier
aus die beste Gelegenheit, sich durch die
Löcher des Vorhanges hindurch die
von ihr so verachteten »lavalleriitischen
Uebungen und Kunstreiterprodultiw
nen« anzusehen. —
- oilette. welche das erste der geplanten T
nach ihrem einsamen Diner fuhr sie»
Wagen aus Wagen war indessen in
den Hos der Kaserne gerollt, aus wel
chem Kürasstere in blitzendem Strahl
helm und Harnisch, Windlichter in der
Rechten, in weitern Urntreis hielten
und den vorsahrenden Equipagen den
Weg wiesen. Der Eingang zur Reit
bahn war geschmacldoll mit hohen
Tannenbäumen detoriert, zwischen de
nen inleuchtendern Bogen buntfarbige
Lampions herabhingen. Eine in ähn
licher Weise derzierte Vorhalle, zu de
ren beiden Seiten sich die Garderoben
sür die Zuschauer befanden, nahm so
dann die Gäste aus und im Hinter
grunde derselben sührte eine breite
geschwungene Freitreppe, an deren
Fuß Doppelposten von Kürassieren
und Draaonern in Parade-Unisorm
Wache hielten, hinaus zu dem eigentli
chen Festraurn. Denn zu einem sol
chen war in der Tat das löngliche
Viereck der Reitbahn umgeschassewl
Nachdem die Zuschauer die Portierej
passiert hatten welche den Eingangj
schloß und an welcher einige herren;
des Einladungstomitee’s die Don-I
neues machten, sahen sie sich sofort aus !
der höhe der reichverzierten LoggienU
die rings um die treifsiirrnige Arenas
liefenX und in sechs amphitheatraslischi
hinter einander aufsteigenden Sihrei-J
hen selbst einem so außerordentlich
hlreichen Publikum genügendem
aum boten. Dreimal waren die
Reihen der Plöhe unterbrochen. einmal
an der einen Lan-gleite durch die Mu
sittridüne, aus welcher die vereinigten
Trompeterrorps der bei-den Idavallerie
regimenter sich postiert hatten, sodann
gegenüber an der anderen Langseite
durch einen reichderzierten Borbau,
dessen tunstvoll segliederie Farade bis
ur Decke des Saa - treichte und
geilen Loaaien dieMr die instin
A
guirtesten Persönllseiten enthielten.
hier hatten der tommandierendeGenes
ral des Armeetorpc, der Gouverneur
der Festung« der Oberpriisident der
Provinz und andere Notabilitiiten mit
ihren Damen Plan genommen und
hier hätte auch der löntgliche Prinz
siten sollen --- wenn er nämlich ge
kommen wäre. Die hossnung aus sei
nen Besuch hatte sich aber nicht erfüllt.
gute dritten Male endlich wurde die
ihr der Loggien unterbrochen gnd
zwar an der dem Eingange bis-Obiz
liegenden Querwand durch jene ge
heimnisvolle Bühne, deren roter Vor:
bang jedoch jetzt noch«durch eine Grup
pe bochragender tropischer Pflanzen
verdeckt war. Die Säulen, welche die
Loggien trugen und die Brüstungen
derselben waren in Weiß und Gold
gehalten, die Drnperien und Sitari
ben aber zeigten ein lrlistiges Rot. Die
sonst so tashlen Wände der Reitbahm
insoweit sie nicht schon durch die Log
gten mastiert wurden, belebten impo
sante Wappenschilder, reich mit Fah
nen dr-appiert, der unschöne Plasond
war durch buntgestreiste und zeltartig
ausgespannte breite Tücher verdeckt,
elektrisches Licht, in dessen Glanz die
brillanten Damentoiletten, hier Seide
und Atlas und bliiende Juwelen,
dort dustlger Tarlatan und Blumen
und Federn, zur besten Geltung ge
langten. So bot jettTchom noch vor
bem Vesinu der eigentlichen Vorstel
lun dieser sonst so nttchterne nnd
iche Raum der Ueitbabn ein
W es Schauspiel
Und nun intonieren die Trompeter
auf der·Musittribiine die Fanfaren des
Tannhaufer-Marsches, und als das
gesamte Orchester einfiel, öffneten sich.
der porsprtngenden Ehrenloggia gegen- !
uber die Tore der Arena und herein
riit der Herold mit seiner Begleitung
Ermstattlicher Zug! Voran auf einem
feurigen Rappen der her-old selbst, in
enganschließendem, braun und blau
geftreiftem Unterkleid, über der Brust
den reichgestiekten heroldsroek mit dem
Wappen der Provi , auf dem Haupte
das mit Federn ges miickte Barett. In
der Rechten hielt er auf den Schenkel
gestützt feinen goldenen Stab, auf
dessen Spitze der kaiserliche Adler
thronte. Es war Herr v. Walfing,
dessen hohe Figur vortrefflich zu die
ser Rolle paßte. Jhm folgte das ft
»banner mit vier Trabanten« zu suß
; und diesen auf Schimmeln drei Wap
Jpentönige in ähnlichen Kostiim wie
Walsing. hieran schloß sich das Mu
sikkorpö des Zuges in der Tracht der
Reformationszeit, hoch zu Roß zwei
Heerpauker und acht Trompeter. Den
-Ochluß bildete ein Fähnlein Lands
knechte zu Fuß. wilde, Jrotzige Gestal
ten in zweifarbigen geschlitzten Pindu
bofen, in kurzen Wämmfern mit wei
ten geschlitzten Aetmeln, meistens
baarhiiuptia und hut oder Barett auf
dem Rücken hängend, das breite
Schwert an der Seite und die lange
Pike in der Faust. So bewegte sich
der Zug einmal ringsum in der
Arena, dann hielt der Her-old mit den
Wappenkönigen der Ehrenloge gegen
über, während die Trompeter sich un
ter derselben diskasvis der Musittri
biine aufftellten und in die von dort
berabrauschenden Klänge kräftig mit
ihren Fanfaren einiielen. Die Lands
tnechte aber verteilten sich rings in der
Runde.
sFortseyung folgt.)
: vie Hchachttaufe in Z
chine. EZ
s s - s - s s HYIMIMIMIW
»
-
Morgens um 8 Uhr sährt uns der
deutsche Eisenbahnzug an den schmut
ten häusern Tsingtaus vorbei dem
Jnlande zu. Frisch und kühl weht der
Seewind über das Wasser und kräuselt
die Wellen, die Dsehunten schauleln var
Anter. und der Rauch derKriegsschiffe,
die im Hasen liegen-, zerstiebt rasch nach
allen Seiten. Jn Stauhwolten gehüllt,
sieht man ein paarKompanien deutscher
Soldaten Paradeschritt üben, langsam
dcainnt die Sonne die morgendlichen
Nebel- und Wollenschleier zu zerrei
ßen, und mit ihrem Steigen am Hirn
mel fahren wiz plötzlich direkt in den
Sommer inei Jn Tsingtau war es
noch lithl Morgen, man litt den
Mantel gern, aber je weiter wir ins
Inneretommem desto geringer wird die
Zahl der nötigen Kleidungöstiicke, und
als es Mitta szeit wird, da ist aus
dem rauhen orsriihling jöhlings ein
heißer Sommer geworden und läßt
uns seine Schwüle spüren. Wir sind
eine ganz bunte Reisegesellschast, die in
einem Sonderwagen hier heraussährt.
Es gilt. einen neuen Schacht zu tausen
und einzuweihen, und dazu entsendet
das Gouvernement des Schuhgebietes
seinen Vertreter« das Kreuzergeschwm
der hat einen Kapitänleutnant dele
giert und sechzehn Mann von der
Schissitapelle Gneisenau. Es geht
durch fruchtbare Felder und Wiesen,
die nur selten Baumsehrnucl aufweisen
können, wenn um ein paar Gräber ein
lleiner Hain gepslanzt worden ist;
Städte und Dörser, rnit alten Mauern
umwallt, ziehen vorüber-» dann kom
lllkll lllllls llllcvcl lscllc Olccllcll Voll "
seinem, weißen Staub überdecki, den
leyten Spuren der vorjährigen Fluß
iiberschwemmung, als wieder einmal
meilenroeit alles unter Wasser stand
und Damtnbriiche auch die Eisenbahn
betriebsunsiihig machten. Endlich holt
uns des Nachmittags um 5 Uhr eine
tleine Lolomotive in Tsetschuan aus
»das Privatgleise der Bergbau-Gesell
!schait, und turz daraus hält der Zug
Hoor dem Eisengeriisi des neuenSchach
Hex-« der in riesengroßen, grünen Gir
slanden-Buchitaben den Namen Mar
stitschacht trägt. Bunie Wimpel stat
teru im Winde, zu alleroberst hoch vom
Firsi die iiinsstreisige Chinesenslagge.
Zuerst wollte man nämlich nur die
deutsche Flagge hissen, da gab es aber
einen lleinen Kompetenz-Konflikt mit
den chinesischen Arbeitern, die meinten,
die chinesische Flagge sei doch auch ganz
schön »und gut. Als dann aber zwei
chinesische Flaggen und drei deutsche
vorhanden waren, da einigte man sich
friedlich dahin, die eine chinesilche et
tras höher zu hissen als die übrigen,
und der Frieden war wieder herge
stellt.
Prächtig liegen die Hungschan-Gtu
ben der DeutschenBergbausGesellschast
im her en Schantungs.. Kaum daß
man d beiden mächtigen rauchenden
Schlote bemerkt vor dem hübschen
Grün der Alaziem in das eingebettet
die Väuser der deutschen Beamten sich
dein Blick verbergen. Nin umher
i et Verge, deren tahle si n in?
klaren Lust in greifbare Nähe e- i
riickt erscheinen. ine ganz ·tl ne’
Deutsche Kolonie braver deutscherBerg
leute gibt es hier, einige 20 Beamte
tnit Frauen und Kindern, die als Leh
rer und Aufseher von etwa 8000 chine
ssischen Arbeitern hier-fern der bei-nat
ein einsames und abgeschlossenes Le
ben führen. Die lleinen Gärten um
ihr Haus und Ausfliige in die Berge,
ein bescheidenes schmuckes tleinessilubs
hOUs mit einem Grammaphon, das ist
alles, was sie in vielen Monaten an
Freuden haben. Was Wunder. daß
die Schachttaufe fiir sie ein Ereignis,
eine große Abwechslung in der Eintri
nigteit ihres Arbeitslebens bedeutet.
Wie fliegen da die altenSoldatenbeine,
als es hinter den Klängen der stram
men Matrosentapelle vom Zuge zum
Klrbhause geht. Ganz verwundert
schauen die rußigen Gesichter der chine
sischen Arbeiter ihre sonst so ernsten
deutschen Bergleute an. Es sind an
der: Menschen heute, neugeboren, wie
der jung geworden in der Freude. Der
erste Begrüßungsschoppen schönen ge
lüklten deutschen Bieres mundet uns,
ein schönes liihles Bad erfrischt die
Glieder, und bald treten wir zur ei
gentlichen Feier im Klubhause zufam
men.
Man macht nicht so sehr viel Aufl-se
bens von der Feier. Ein,siaiserhoch
eröffnet sie, eine lurze Begrüszung der
fremden Gäste und eine musterhaft
tnappe Weiherede des technischen Lei-f
tere der Grube. Dann ist der offizielle
Teil erledigt, und dasBantett beginnt.
Heiter erklingen die Weisen unserer
Matrosentapelle. und staunend ver
nehmen wir, daß unter den 16 Mann
eigentlich nur einer BerufsmusileL alle
anderen Dilettanten sind, die zumeist
erst auf dem Schiffe sich mit der Musik
betreundet haben. Bald gibt es Wal
ze:, und man tanzt und tanzt, unt
früh, ganz früh am Morgen, da tan
zen sogar der chinesische Kommissar
und der Herr Taotai oder Oberpräsi
dent, der zur Feier von der chinesi
schen Reaierung entsandt worden ist,
mass-II m«
Des Morgens, alr- ich um acht Uhr
ausstehe, gehen gerade die letzten zu
Bett. Aber um zehn Uhr sind sie
schon alle wieder da von den Mänan
des Früh- Konzertes geneckt. Der hohe
Taotai hat seinen Smotina mit einem
blauen Straßenanzua vertauscht. aber
die Laetstieselchen sind noch ebenso eng
geblieben, und man tann nicht sagen,
daß ihm die europäische Kleidung ge
rade besonders gut stände. Wir ma
chen einen Rundgang durch die An
lage der Minen und hören aus sach
verständigern Munde, wie man an
fangs diese Kohlensläze aar nicht ent
decken lonnte, wie man aber beharrlich
weiter arbeitete und jetzt die Förde
rung oon 400,000 aus bald eine Mil
lion Tonnen im Jahre steigern will.
Wir besehen uns die-Färderanlagen
und Maschinenhallen, die Wäscherei
und die hübschen Berwaltungogedäus
de. Nach dem Essen ordnet sich der
Iestzug. Man marschiert durch die
Felder und Fluren hinab zum Flusse,
wo unter schützenden Bäumen am
rauschenden Flusse ein Festplatz um
zäunt worden ist« Jn sieben, acht
dichten Reihen umqeben ihn die Chi
nesen und staunen, wie an den rohge
zimrnerten Tischen und Bänken sich
jeyt ein rechtes deutsches Festplah-Le
ben entwickelt, wie man Kassee und
Bier trinkt und Kuchen und Brote
verzehrt. Abend wird es. die Sonne
sentt sich zur Ruhe. Unermiidlich ist
unsere brave Musik, und lange, lange,
als derKapitiinleutnant längst »die-ist
lich« den Betrieb aestoppt hat« blasen
und spielen sie als Prioatleute weiter,
die Tanzbeine sliegen, die Gläser trei
sen. Bis dann plöhlich die Bergleute
zusammentreten und ernst und feier
lich der eilte Bergmannssana erklingt
dai ist des Schicksals Laus, Glück
aus, Glück aus!
Als wir am andern Morgen absab
ren, da kommen die Ersten schon mit
schwarzen Gesichtern auz der Grube
zurück. andere erscheinen im Arbeits
anzuge, um einzusabren, sie sehen ganz
verändert aus, aber die sreundlichen
offenen Gesichter sind die gleichen ge
blieben, und die Freude über den Be
such und über das Fest leuchtet noch
aus ihren Auan. Langsam setzt sich
der Zug in Bewegung, unsere Matte
sen setzen ein: »Mus; i denn. muss i
denn zum Städtele hinauf-C die Pfei
sen tönen, die Schornsteine rauchen,
die Bremse schreit wieder, die Förder
wagen saulen. Das Fest ist vorüber,
idie Arbeit der deutschen Bergleute irr
China bat wieder begonnen
Die Pariserinnen tragen jetzt ibr
Geld im hat. Das Geld im hut . . . .
mancher Mann tann davon ein Klage
lied singen.
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Iris-and staat, was schneller vergeht
als die Ferienx sehe leicht zu beant
worten- das Geld, das man stir- dir
Zeit zurückgelegt hat«
«- - i
Tro der großen Fortschritte, die
die Lu schisssabrt gemacht bat, ist der
Zugang in den Lustschliissern die wir
vauen, nicht leichter Hervor-dem