Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 19, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats- Anzetger und J set-old.
JMMCUCZ 1912 MW kTII MJ Nummer 49
vSie MI- est-they . . .
Die Bäume missengeb —- Sonnenstrah
Duechi stille Laub, durchs wogende
Gelände;
Die Wiese blüht; ich salte still die
Hände
Die Erbe liegt so friedlich da —- so
schön.
Ich will —- ein ewig teostbediitftig
, Kind —
Mein hanpi ans setz der großen
Mutter legen,
Die jeden kennt von meines herzeni
Schiiig en,
Die siihii. wie iseimlich tief mein herz
biut rinnt.
Sie hat in mit gietiämpsh gesehnt, ge
i
Sie ist mein schaffend. gebend Ich ge
wesen —
So soll sie nun mich lösen und et
iösen .
Stumm, wie die Mutter ihrem Kind
vergibt
W
f
Yor der Ichutzljiiiia
humoresle von L o t h a r B r e n
le n d o r s.
Herr J natius Lemmermanne ivar
sein ho tourift im oertoegensten
Sinne des Wortes. und- der Eispicleb
den man nebst Steigeisen, Seil und:
Aussack in einer .aloinen Ede« ei
nes Arbeitszitnrneri prangen inh.
hatte fiir ihn ungefähr dieselbe pral
ttsche Bedeutung wie die Helledarden
und sweihönder, die über dem Sosa
zu einer fo wunderschönen Trophöe
vereinigt waren. Ader ein leiden
schaftlicher Freund des Vochgedirges
war Herr Lernmermann darum doch.
nnd er machte fich, ganz sduchstiiblich
genommen, leiner Unwahrheit schul
dig. wenn er atn Skdmnitische von der
herrlichen Gletscherwanderun sprach,
die er alljährlich in den sehthaler
Alpen u unternehmen pflege. Die
Tiroler erner find fa zutn Glück
nicht durchweg so unzugiingliche herr
chaften,- daß man sich ihnen nur« un
r Ledensgefahr zu nähern vermöchte,
nnd der. deni here Leinrnertnann in
jedem Sommer seinen Besuch abstat
tete—, ließ sich oon seinem Oehthaler
Standquartier aus ohne Flihrnis und
Beschwerde in fitnsstiindiger gemach
licher Wanderung iiher sanft austei
nde Matten und gut gangbare
ligeftein erreichen.
Jr nd eine opferwillige Settion
des utfchen und Oeferreichischen
stornvereina hatte an einem Fuße
eine allerliebste kleine Schuhhiitte er
richtet, die fiir herrn Lemnierinann
den Gipfel alpiner Romantil und
chtouristischer Genüer bedeutete.
enn hier war jeder Wandersmann
fein eigener Wirt und Gast. Man
bediente sich aus einem offenen Wand
fchriinlchen nach Belieben mit Kasfee,
Fee und londensierten Sirt-dem die
der mitgenommene Träger einen
eigentlichen Führer brauchte Herr
Lernrnermann natürlich nicht -—- auf
dem winzigen Kochherd recht und
schlecht zubereitete. und man der
drachte nach echter Bergsexenart die
Nacht in einein der sechs listenartigeen
Abteile des Schlafrauinei, wo r
Mensch dein Menschen so na laus,
daß es auch dein Phantasielos en ein
leichtes sein mußte, fich in den Körper
ttnd Seelen ustand eines mit zweihun
Schick alsgenossen in einer Botas
» f romniel aufbewahrten Mailiiferi
zu träumen.
(
Den Ppyepunrr rnnrgen Hort-agen
pflegie here Lemnrermann dann zu
erreichen, wenn er hörte, wie seine
Schlafnachbarn sich vor Tagesanbruch
von ihren Mairatzenlogern aufrappels
ten, um die geplante Tour auf einen
der umliegenden Gipfel anguiretem
denn er dachte natürlich nicht im
Traum daran, es ihnen gleichzutun
Der Morgenlcblaf war nach feiner
Auffassung in einer Schushiliie bei
weitem der geliindeste, und fiir den
balbfiiindigen Spa iergang libet den
allerunirrliem vii i harmlosen Teil
der laii bis an die V ite heranreichen
den Gleiicherzunge war et auch mn
achi oder neun Ubr noch frlib genug.
Ver Brandiner Loiöl aus Umbam
sen. der rrn Lemmermann nun
schon leii stinl Jahren bei seiner ein
iigirn Dochtour als Träger diente,
lannik dessen alpinistiiche Gepflogen
heiten natürlich ganz genau, nnd er
ging mii niemanden lieber als mir
dem kleinen, dicken, gutmütigen herrm
der im Berlauie jeder Stunde minde
iiena dreimal raiieie und jede Rast !
einem gemeinsamen lleinen Frühstück
mii Born-ein und kaltem Braten ge-;
imme- . ;
Auch heute war wieder der große
itag iiir Leinmermanns Aufliieg iars
Schudhiitte unter dem langen Ferner
gekommen. Bald nach dem Mittags
schlaschen hatte er herzlichem leicht ge
ruhrten Abschied von der treuen Ge
sahrtrn feines Lebens genommen, und
mit Eintritt der Abenddiirnmerung
hatte er unter Leile sicherer Füh
rung das el der kühnen Wanderung
Macht te ek die Visite-nur öff
netevc sah er, dass er auch diesmal nicht
genot gt.sein würde, allein zu schla
fen: an jedem der beiden vorhandenen
Trschefasten zwei jüngere Herren in
bergmaßiger Ausriistung beim Abend
inrbiß, während in der Führer-Ecke
ein paar biirtige, derwetterte Gestal
ten den dustigen Rauch ihrer kurzen
Pseisen zur Zimmerdecke emporsteigen
ließen. herr Lemrnermann wünschte
freundlich Guten Abend und ließ,
während er seinen tleinen Rucksack mit
den drei fiir den Heimweg bestimmten
hiihnern an die Wand hängte, seinen
Blick prüfend iiber die Berggenofsen
gähnt-eisen, die ihm der Zufall beschert
- te.
s Die beiden ersten imponierten ihm
swenig; ein fchmiichtiger, sernmelblon
lder bartioser Jüngling, der höchstens
ein Student in den ersten Semestern
sein konnte, und ein hagerer Dreißi:
ger, der im Flüsterton aus feinen sun
gen Begleiter einsprach Die beiden
anderen gesielen ihm um so besser.
Namentlich der größere von ihnen. den
er nach seiner haltung, feinem wohl-:
gepflegten militiirifch nufgefehten
Schnurrbart und feiner lauten schnei
digen Redeweise sofort aus einen Of
fizier abschöyte stach ihm um so mehr
in die Augen. als er gleich im ersten
Moment die Empfindung hatte, daß
ibm dies schöne, charakterdolle Gesicht
schon einmal irgendwo begegnet sein
müsse. Bescheiden feste er sich an eine
frei aebliebene Ecke dieses Tisches, ließ
sich aus dem wohlversorgten Rucksack
des Trägers eine der Notweinflaschen
reichen und wartete aus eine schickliche
Gelegenheit, sich an der Unterhaltung
zu beteiligen. Aber die herrschasten
waren bereits an das Ende ihrer
Mahlzeit gelangt, und schon nach we
nigen Minuten erhoben sich alle vier,
um den Schlasraurn aufzusuchem den
sie ja wahrscheinlich schon vor Son
nenaufgang wieder zu verlassen ge
dachten.
herr Lemmermann blieb mit feinem
Rotwein allein und da er tein fon
berlichei Verlangen fühlte, sich bereits
nieder-allgem beschloß er, noch ein
Stündchen draußen auf der tleinen
Bank vor der iitte im Genusse der
herrlichenhochge irgsnatur zu vertröde
neen. Er tte noch nicht lange ge
lesen. all der Vrandiner Loisl zu
ihm gefellie, toie fich alsbald heranz
fiellte, zu keinem anderen Zweck, als
um ihm unter dem Siegel des tiefsten
Geheimnifses eine Neuigkeit anzuba
trauen, die er soeben von den beiden
Führern in Erfahrung gebracht hatte.
herr Lemmermann glaubte anfänglich
feinen Ohren nicht trauen zu dürfen,
und feine Mienen drückten mehr
Zweifel als Erstaunen aus.
»Ein Prinz?« wiederholte er. »Ein
richtiger königlicher Prinz? Der jün
gere Sohn meines eigenen Landes
herrn? Jst das ganz gewiß?"
Loisl leistete einen seierlichen Eid,
daß der RiedersSepp noch nie in sei
nem Leben gelogen habe, und nun
sing herrn Lemmermann plötzlich ein
icht aus. Darum also war ihm das
Gesicht des vornehmen jungen herrn
nrit dein ausgezwirbelten Schnurrbatt
so bekannt vorgekommen. Ohne Zwei
el hatte er es schon aus Photogra
hien gesehen oder in einer der illu
rierten Zeitschriften, die ja heutzu
tage jeben interessanten Moment aus
dem Leben bochgeborener Persönlich
keiten im Bilde festzuhalten psle n.
Und er war nahe baran gewesen, Feie
sen Prinzen onzurebem wie einen ge
tvshniichen Sterblichen! Dem himmel
sei Dank, baß eine instinktive Scheu
ihn vor dieser ungeheuren Dreistigkeit
bewahrt hatte. Die Scham über die
unvermeidliche Zurückwersung wiirbe
ihn ja bis an sein Lebensenbe versol t
ben. Er war mit einem Mal se r
chweigsam geworden, und als her
Loitl sich aus sein ukager in ber
oberen Kammer zur ckgezogen hatte.
nahen er eine frische Tigarre aus sei
nem Etui, streckte die kurzen Beinchen
von wsich und lehnte sich gegen die Hüt
ten anh. wie wenn er sich bereit ina
chen wollte, bje halbe oder die ganze
Nacht hier irn Freien zu verbringen.
»Es geht nicht«, murmelte er erstg
niert vor sich hin, ei geht wirklich
nicht. Einem königlichen Prinzen
kann ich das nicht antun. Es wäre
ja eine richtige Majesiätsbeleibigun .
Da knarrte neben ihni die Tite, un
»der schmächtige, semmelblonbe Jüng
sling trat aus bat kleine Plateau hin
aus.
»Vesser die kümmerlichste seeli
schase als gar keine«. bachte rr
Lernmerrnann, und mit jener joviaten
herablassung, die dem bejahrten
Manne der Jugend gegenüber an
ftebh sagte er: »Ur-sen Sie sich nicht
ern bischen zu mir setzen, junger
Mann? Die Bank ist zwar nur
schmal; aber wenn Sie sich hübsch
bis-ne machen, hat sie Plan genug
für uns beibe.«
»Mit Jhrer gütigen Erlaubnis!«
erwiderte her junge Mann in wohl
tuendet Bescheidenheit und ließ sich
auf das äußerfte Ende des Bitntchens
nieder. »Es ist zu heiß unb zu eng
da drinnen, ais baß man auf
Schkuminer hoffen dürfte.«
»Hm! Wenn ei weiter nichts wäret
Aber erlauben Sie mir eine Frage,
junger Mann: schnarchen Sie viel
leicht auch?«
Verwundert blickte der Andere auf.
«Schnarchen? Nein, baß ich nicht
h wüßte«
»Da Sie noch nicht verheiratet find,
können Sie natürlich auch nicht wis
sen, ob Sie schnarchen. Jch aber weiß
es aus den ewigen Klagen meiner
Amalie leider nur all zu gut. Und
darum würden mich heute leine zehn
Zierde in den Schlafraum bringen.
an kann sich allenfalls herausneh
men, neben einem königlichen Prinzen
zu liegen, wenn er selber es nicht bes
ser haben will. Aber soviel monarchi
ches Gefühl muß man doch in sich ha
ben, daß man allerhöchste Ohren nicht
durch ein Schnarchkonzert beleidigt . .
Ja, sehen Sie mich nur verwundert
an, junger Mann! Wenn ich auch nur
ein einfacher Bürger und Strumpfwa
renfabrikant aui L . . namens g
natius Lemmerinann bin, meine -
ziehungen habe ich darum doch. Und
ich weiß aus bester Quelle, dafz Sie
und ich heute die Ehre haben, mit ei
nem leibhaftigen Prinzen unter dem
selben Dache zu hausen·«
Er ärger-te sich. daß die feierlich
vorgebrachte Mitteilung auf denSem
melblonden ersichtlich wenig oder gar
keinen Eindruck machte. Denn er sagte
nur leichthim »Wirklich?« Und dann
hatte er die steckt-ein hinzu u fiigen:
«Durch die Rücksicht auf diesen Prin
zen sollten Sie sich aber wirklich nicht
um Jhre Nachtruhe bringen lassen
rr Lemmermann! Wenn er müde
i , wird er schon schlafen, ob Sie nun
ein wenig schnarchen oder nicht. Hier
oben gelten leine Standesunterschiede
mehr.«
Der kleine dicke here straste ihn mit
einem wahrhaft oernichtenden Blick.
Und in sehr ernstem Tone sagte er:
»Sie gehören also auch zu denen,
dik schon in jungen Jahren vor nichts
mehr Respekt haben. Das hätte ich
Jhnen nicht rugetraut, denn Sie ha
den im Großen und Ganzen ein net
teil-, bescheidenes Gesicht. Wahrschein
lich sind Sie in schlechte Gesellschaft
geraten, die Jhnen solche umstiirrle
riichen Jdeen beigebrachi hat. Sie
haben wohl keinen Vater mehr, der
hier und da ein bischen nach dein
Rechten sieht?«
»O ja! Und ich hoffe, daß er Jhnerx
und mir noch recht lange erhalten
bleibe."
I »Mir-'s -— Na, Ich baue Ihren Herrn
sVaierz Gott sei Dant, nicht weiter nd
stig. Jhnen aber, junger Mann, sollt-.
er zuweilen gehörig die Leviten lesen
-Untertanentreue und Ehrfurcht var
der Obrigkeit soll man sich immer be
wahren, auch wenn hier und da nicht
alles so ugeht, wie es zugehen sollt-.
Sehen ie zum Beispiel mich an
mein Lieber! Jch habe nur noch einen
Wunsch aus Erden, nämlich den
Wunsch, Kommerzienrat zu werden.
Und es ist alles da, was dazu nehörtx
«Vermii en, geschäftlichei Ansehen nnd
sguter us. Auch an Werten der
! Nächstenliebe habe ich es niemals sel)
’ len lassen, soweit meine Mittel es mir
sehen gestatten. Aber es ist gegen meine
Natur, mich auszudriingen und mich
nach oben hin herauszustreichen Da
rum kümmert man sich an höchster
Stelle nicht um meine bescheidenen
Verdienste, und ich leugne nicht, daß
ich diee Zurllcksetzung manchm il
schmerzlich empfinde. Aber daß ich
nun d lleicht aus Enteiner Rachsucht
bineingehen und m Sohn meines
Landesherrn was vorschnarchen sollte
— nein, so ties bin ich zum Glitck noch
nicht gesunken«
»Gesiatten Sie mir, Jhnen meine
aufrichtige dochachtung auszudrücken
here Lemmermannl Aber, wenn es
erlaubt ist, zu fragen: welchen der in
der hlltte anwesenden herren Wien
Sie denn eigentlich siir den Prinzen?«
Jgnatiud Lemmermann lachte
»Na, Sie gewiß nicht, mein Bester!
haben Sie sich denn den aristolrati
schen jungen Herrn mit dem samosen
Schnurrbart gar nicht angesehen?
Wirtliche Vornehmhett sticht einem
doch« aus den ersten Blic in die Au
gen.
»Ich werde nicht versäumen, ihn
W
T—
mir morgen daraufhin anzusehen. ——
Und Sie wollen nun wirklich die ganze
Nacht hier draußen zubringen?«
»Wenn mir's zu liihl wird, gehe
ich in die leere Gaststube und setze
Mich hinter eine Flasche guten Not
spohn, von denen mein Träger noch
drei oder vier in seinem Rucksack hat.
Wenn Sie ’mal was Ansiändiges
trinlen wollen, junger Mann, sind
Sie eingeladen, mitzuhalten.«
Und der Semmelblonde nahm die
Einladung wirklich an. Als die Füh
rer oben in der Kammer herum zu
trampeln anfingen, waren die beiden
ungleichen echgenossen eben mit der
dritten Fla che fertig geworden. Und
Da sich der junge Mann ganz und gar
auf die Rolle des bescheidenen subb
rerg beschränkt hatt-, toar Herr Lem
mermann mit dem Verlauf der Nachtl
ziemlich zufrieden. Der baaere Be
"·gl·eiter des Semmelblonden machte ein
bochft verdustes Gesicht, als er beim
Heraustreten aus dem Schlaitaum
sali, in welcher Gesellschaft sich sein
tun-get Gefährte befand. Der aber
flatterte ihm lachend ein paar Worte
zi-, und dann reichte er dem Strumpf
warenfabritanten die Hand.
« »Es hat mich aufrichtig gefreut,
Jlire Bekanntschaft zu machen, herr
Lemmermanni Vielleicht werden wir
nochmal von einander hören."
»Na, das glaube ich ja nun nicht,«
erwiderte Herr Lemmermann wohl
wollend, aaber ich will Jhnen wün
schen, daß was ordentlichez aus Ih
nen wird. Glückliche Reise!« »
Zehn Minuten später - der Sem
melblonde mit seinem Begleiter wa
ren schon weit draußen -—- klopfte je
mand herrn Lemmermann auf die
Schulter, und der brave Mann meinte
vor Schreck in die Erde zu sinken, als
er in das schöne Männeraesicht mit
dem aufgewirbelten Schnurrbart
blickte. f
Königliche hoheit!« ftammelte er,
während feine Knie schlotterten. Der
Andere aber lachte hell auf.
,,Ksnigliche Hoheit ist ausgezeichnet.
Rennen Sie mich denn nicht mehr,
Manns Sie sind doch Jgnatiuö Lem
mermann aus L» Strumpfwaren und
Trilotageni Na ja, und ich bin Nei
fender silr Zippel und Braun. Er
innern Sie sich nicht, daß Sie mich
vor zwei Jahren mal beinahe hinaus
geworfen hätten?«
Jetzt erinnerte sich Jgnatius Lem
mermann in der« Tat, und hochroten
Antlites wandte er sich an den eben
herunter stolpernden Loiäl mit der
Frage, wie er ihn so unverschämt habe
anlügen können, indem er ihm von ei
nem königlichen Prinzen in der-Schutz
hiitte erzählte. Aber der Loisl nickte
gleichmiitig.
»Jz scho recht, Herr Lemmermanni
Der blonde herr, wo mit’m Riederers
Sepp auf d’Weißlugel auffi is - « söll
war der Prinz.« --—— « —- —- — —
Zwei Monate später erhielt Jgnas
luf- Lemmermann feine Ernennung
zum Kommerzien-rat, aber nicht ein
mal leine vertrautesten Freunde ha
ben von ihm erfahren, wie er sich den
ersehnten Titel auf einer Bank vor der
Schutzhiitte unter dem großen Ferner
ersessen hat.
Geschenke sm- das seiest-aus«
Kaiser Wilhelm hat wieder, wie in
früheren Jahren, den Sammlungen
des Berliner Zeughaufes eine Reihe
wertvoller Geschenke zulommen lassen.
An Alter und Wert ragen darunter
einige Waffen des frühen Mittelalters
hervor. Da ift aus der Zeit vorn 6.
bis 8. Jahrhundert ein einfchneidiges
Kreuzfchweri, ein sog. Stramafax,
mit reich gravierter Klinge, und
gleichfalls aus merowingifcher Zeit
eine andere Eifenwaffe, die soge
nannte Spatha, das zweifchneidige
Langfchwert. Dann überwies der
Kaiser ein sriihromanifches Schwert
mit Scheide und silberner Gürtel
schnalle, das der Zeit der Karolinger
oder der Sachsentaifer entstammt,
und mehrere gothische Schwerter, un
ter ihnen eines mit silberiaufchirter
Verzierung, eines mit fcheibenförmi
gern Knauf, ein anderes mit messing
tauschirier Inschrift, die vielleicht
»Am Maria« lautet. Ferner find in
der Schenlung ein italienisches Helm
baeteneifen mit Spuren von Aefzung,
ein lanzenförmiges, hohlgetriebenes
Spießeifen und eine schmiedeeiserne
Valenbiichfe des fünfzehnten Jahr
hunderts. Sie hat einen beweglichen
Valen, eingeschlagene Verzierungen
und eine französifche Jnfchrifttn go
thifchen Minuöleln. Ein gothifcher
Topfhelm und eiLFausischild des 16.
Jahrhunderts mit Eifenbefchlägen
machen den Beschluß der laiferlichen
Ueberweifung.
W
Hochtinnn
Man erwähnt, schreibt die bekannte
deutsche Schriftstellerin Hans von
Kohlenberg, die edle Kochlunft in vor
nehmer Gesellfchaft nicht mehr, und es
gab doch eine Zeit, es gab das soge
nannte große Jahrhundert, wo der
Sonnenlönig, Seine Majestät Ludwig
der Vierzehnte von Frankreich. die
»Cetelettes en Papillotes« feiner Frau
v. Maintenon sachkundig und ernst
haft abfchmeckte, da Richelieu sich nicht
zu gut dünttr. seinen Verstand, der die
Kabinette Europas gängelte, an die
Erfindung von Karpfenröllchen Er la
Richelieu zu wenden. Der Frau von
Pompadour verdanken wir delitate
Lammrippchen und Geflügelfilets n la
Bellevue, die die Unsterblichkeit erobert
haben, es gibt Soubisebeizen und Con
dcksreiT eine Suppe der Königin und
Kniferschnittem Berlin mußte seinem
Liebling, der Lucca, nicht besser zu
huldigen, als indem man ein leckeres
Gebäck Lucca-Augen taufte, wir alle
haben schon Schiller-Locken, wir ha
ben Napoleons-Torten und Sultan
Rofinen verspeist.
Die Kochlunst galt dem Mittelalter
und dem Altertum als eine durchaus
hohe und edle Kunst. Schon der große
Coelius Apicius im zweiten Jahrhun
dert n. Chr. schrieb sein dickleibiges
nnd llassisches Kochbuch das der ge
lehrte Albanus Turrinus 1541 her
aus-gab, und lange vor beiden, im vier
ten Jahrhundert v. Chr. verdiente sich
Archestratos den ehrenden Beinamen
eines Homers der Gastronomie. Eine
ganze Literatur hat sich über die Re
zepte und Angaben dieser Werte gebil
det. Petronius und Lampridius wid
meten ihr Talent der Beschreibung von
Gastmählern der Kaiserzeit, als ein
Prinz der Feinschinecker wanderte Lu
cziltus in die Unsterblichkeit, und der
rdinische Staat vergab sich nichts, für
Einführung eines nützlichen Gemüses
ganzen Geschlechtern die Ehrennamen
Lentulns oder Cicero zu verleihen.
Wir fürchten, daß die Barbarenüber
flutung und das frühe finstere Mittel
alter der Weiterentwictlung der
freundlichen und zärtlichen Kunst der
Gaumen - Umschmeichelung zunächst
feindlich war, die Hunnen ritten sich
ihren Braten auf dem Rücken ihrer
Pferde mürbe, weshalb wir sie also in
tiefster Unlultur dahintastend verach
ten, von den alten Germanen wird
schon sehr früh die Erfindung eines
Haiistrunls, des Metho, berichtet, an
dem sie sich gütlich taten und gelegent
lich übernahmen. Erst die Renaissance,
init dem üppigen Reichtum italienischer
Städte und dein Wiedererwachen aller
Prhen Künste, bringt eine Neuaufers
tehnng der Wissenschaft des Apicius
Bartolomeo Scappi, Geheimer Ober
liichenrat und erster Mundloch des
Papstes Pius Y» hinterläszt uns sein
wertvolles Kochbuch dann geht die
Führung im Wissen vorn Magen und
in der Geschicklichkeit nnd Mannigfal
tigkeit der Speisenzubereitung schnell
an die Franzosen über, in deren Besitz
sie bis heute, von Europa unangefoch
ten: geblieben-ist
Der Dinorirer iyrer unnviaiung
nnd ihrer Erfolge bleibt Griinod de la
Rennieksre in seinem uniibertrofsenen
Almanach der Feinschmecker (1803——
1812), woraus BrillatiSavarin in
der Physiologie des Geschmackes der
Deutsche Friedrich v. Rmnohr im Geist
der Koch-kann und Alexander Dumas
in seinem Küchendittionär nur ehr
furchtsvoll und dankbar wieder schöp
sen konnten. Denn schon Grimod be
tlagt sich bitter, daß man wegen der
lärmenden Unruhen der französischen
Nevolution verlernt habe, einen Stein
butt kunstgerecht zuzubereiten. Diese
Eingeweihten der großen alten Zeit
nahmen ihre Sache bitter ernst. Sie
bewiesen langatmig und pomphast, daß
das einzige, was in Wahrheit den
Menschen vom Tiere unterscheide,
eben die Kunst des Kochens, der kunst
gerechten Speisezubereitung, sei. Lord
Chestersield schreibt seinem Sohn in
jenem Kodex des guten Geschmacks
und der Lebensart, den seine Briese
bilden: »Bei Tisch dars ein Mann mit
Anstand Verständnis sür Wohlge
schmack zeigen; denn unterschiedloses
Hineinschlingen verrät den Fresser.«
Es gibt keinen Gastgeber und es gibt
keine Gäste im klassischen Sinn mehr;
ivir haben den zerstreuten Esset mit
der Zeitung in der einen und der Ga
bel in der andern Hand, das amerika
nische Fünsminutendiner wird uns
aus dem Rost zubereitet, wir schlucken
hitzige Cocktails zu Gesrorenem oder
erdulden einförmige und abgestandene
Gasthosskost, die einzelne Dame nährt
sich vom Tee mit Cakes und die min
derbemittelte von Bliimchenkassee und
zähem Suppensletsch. Konservem
Nachahmungen und Mischungen erset
zen uns Frische, Mütze und Nichtge
balt« unt droht die Umsorniung unse
W
tek Braten und Rebhühnet in Pillen
und Tabletten durch die Chemie-, einen
kleinen Vorgeschmack geben bereits die
pulverisierlen Pkäpamte. Es ist nicht
zu leugnen, daß wir uns in voller Ent
artung befinden. »Der Geist, sagt
Dotat, macht die Sterblichen liebens
Iviktdig, aber die Glücklichen macht der
Magen.«
A— -
Der- SectiTabakmest
Wie verlautet, plant die British
American Tobacco Co» die inEngland
und feinen Kolonien ein teilweises
Monopol ausübt, und bereits in Asien
und Südamerika Fuß gefaßt hat, die
Kontrolle von solchen amerikanischen
Tabakgesellschaften zu erwerben, die
Zweigunternehrnungen der durch bun
desobergerichtliches Erkenntnis auf
gelösten Ainerican Tobacro Co· waren.
Angeblich glaubt die Auslandgesell
schaft hierzulande tun zu können, wag
fiir eine amerikanische Gesellschaft un
gesetzlich fein würde. Tatsächlich soll
die englische Gesellschaft W) Aktien
der United Cigar Stores Co» einer
der wichtigsten Zweiggesellschasten des
aufgelösten amerikanischen Tabaks
trustes erworben hat-en.
Jn England besteht ein ähnliches
Unternehmen wie das der hiesigen
United Cigar Stores Co., das über
eine gleich große Anzahl von Detail
läden in allen Teilen Großbritannieng
verfügt. Zu diesem Teil des Welt
Tabakstrusts ist nun auch, wie dieNew
Yorker Handelszeitung mitteilt, die
United Cigar Stores Co. gelornmen
Bereits ist eine Grundeigentumsgesells
schaft organisiert worden« die Bondz
bis zur Höhe von 100 Millionen Dol
lars emittieren soll.
Zu diesem Zwecke ist die United
States Land N Jmprovement Co. in
Trenton, N. J» iniorporiert worden.
Die United Cigar Stores Co· bat be
reits gegen funfzig Sachverständige
der Grundeigentumsbranrbe in ihrem
Dienst, die allen großen Städten, die
fiir das Kleingescliäft in Zigarren ge
eignete Lokalitäten aussuchen Mit
tels automatischer Apparate wird so
dann die Zahl der Passanteu unter
Berücksichtigung deren Wert als Kun
den festgestellt. Dadurch erfährt die
Gesellschaft, welchen Wert ein Grund
stiick fiir ihr Geschäft hat. Dann be
ginnen die Unterhandlungen zum An
lauf des Gebäudes. So vachtete einer
der Agenten kürzlich in Cincinnati ein
leerfteheudes Gebäude« und nach Bei-«
seitesetzung des für diese Zwecke venti
tigten Ladenkaumg verpachtete er die
übrigen Räumlichkeiten, so daß der
Laden der United Cigar Stores Co
inietfrei war und die Gesellschaft au
ßerdem ein Netto - Einkommen von
81300 erzielte. Jn New York am
Broadway und der 42· Straße geht z.
Zi. ein Gebäude seiner Vollendung
entgegen, dessen Ladenriiunilichkeiten
die United Cigar Stores Co. für
8105,000 das Jahr gepachtet hat« Da
sie bereits jedoch den nicht von ihr selbst
gebrauchten Raum vorteilhaft verpach
tet hat, so toird der eigene Laden ihr
nur Miete von 810 pro Jahr kosten.
Unter solcher Herrschaft des Großmu
tals verliert natürlich der Häudler mit
kleinen Mitteln allen Halt.
————«——-.—o os-—«s—- -
Eine Welt-Katastrophe.
Uns Sterblichen trampft sich das
Herz zusammen, wenn Nachrichten wie
die vom Untergange der »Titanic«
oder von dem Bergwerlsunglück von
Courrieres durch die Welt laufen.
Und nun hat sich einige Wochen vor
der Sonnenfinsternis draußen im
Weltall, wie den ,,Leipziger Neuesten
Nachrichten« geschrieben wird, eine
Katastrophe ereignet, die vielleicht
eine ganze Menschheit vernichtet hat.
Ein Stern im Bilde des Kleinen Bä
ren, der zweifellos das Zentrum eines
Sonnensystems bildet, und der bis
jetzt ein Stern U. Größe war, hat
sein Licht plößlich um das 120sache
vergrößert! Wenn unter den Planeten,
die diese Sonne umkreisen, einer ge
wesen ist, der in seiner Entwicklung
Aehnlichkeit mit unserer Erde hat, so
muß alles Leben auf ihm durch die
ungeheure Glut vernichtet sein.
Wissenschaftlich läßt sich die Kata
strophe aus der Explosion von Gasen
erklären, die sich im Laufe der Zeitd
ter erkalten, sich allmählich ausdehnen
und die Anßenhiille durchbrechen. Da
sich solche Ereignisse im Universum
unter der Unzahl der Sonnensysteme
periodisch wiederholen und da auch die
Gase unserer Sonne demselben Er
taltungsprozesse unterworfen sind, wie
die des Sterns im Bilde des Kleinen
Bären, so ist anzunehmen, daß auch
unser Sonnensystern und unsere Erde
eiger ähnlichen Katastrophe entgegen
ge t. -