Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 12, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    , Jahrgang
Nebraska
Staats- Anzetger und I set-old.
rTle l)
Kummer 43
III-aussu.
Von Hans Hoffmann
»Ein Lindenbaum und ein Garten
haus,
sen wucherndem Epheu umschlungen,
Mnidlumen dabei zum Frühlings
strauß:
Ich liebte das Pulädchen jahrein, jahr
Doch niemals, owahthafiig noch bab’
ichs befangen
Und heuk nun auf einmal wie eegi
sich ein Klingen
Wie möcht ich es preisen, wie möcht
ich es singen!
Die Sonne ff-f lziemlich im Mittag
e t,
Und ein Hauch des Gliickes vom
Himmel weht -— —
Da sitt mir leidet znt Seite
Ein untnbvolles Geleite:
Das nimmt mir die innere Samm
lung fort,
Das störet Gedanken mit und Wort
Und der Reime reinliches Klingen
Mit allerlei iötichten Dingen:
Zwei Hände so weich und zwei Augen
so blau,
Und zwei Wonnen so rund und zwei
Grübchen so schlau,
Und ach, die Lippen, die lesen!
Oder sinds zwei blühende Rosen?
Yet »Hel«ige« an der
Rand
Eine wahre Geichite von Marie
von der Osten-Saiten
Wir saßen sriihlich vereint urn eine
sowie, die Unterhaltung slog lustig
in und her, von Lachsalven unter
ochen. Mutter in der Sophaecke
strickte eifrig an einem Kinderjsietchem
der Onkel breit und behaglich neben
ihr. Tante Minchen im Lehnstuhl und
tvir Jugend daneben. Wer tonnte
auch ern bleiben, wenn der Qntel
seine G chtchten austramtr. Kaum
war eine beendet, so schrieen wir
«Ontel, bitte, noch eine Geschichte!«
und er wurde nicht so bald müde, un
seren Wunsch zu ersiillen.
heute nun sprach rnan von Ber
lobung, heirat, Liebe und derglei
chen, und Adeie, meine Schwester,
rust plötzlich: »Ontel, sag’, warum
hast Du nicht geheiratet, warst Du
nie verliebt?«
Das große, breite Gesicht des On
telg versieht sich zu einem psissigen
Lächeln: »Ja, das möchtest Du gern
wissen, Fräulein Naseweis, ob der
Onkel verliebt gewesen; nun, das
lannst Du mir glauben, so verliebt,
wie es fest gar nicht mehr Mode ist«,
und mit tiefem Seufzer siigte er
hinzu: »Ich habe mir sogar aus Liebe
siir einen blonden Backsisch einen
Zahn, einen ganz gesunden Zahn aus
ziehen iassen.«
Wir: »Ontel, ergähl’, erzähl’, tvie
tvar’ö, wie tanr es dazu, o bitte, bitte,
sag’ es doch!«
»Ruhig, Kinder, ich wur- Tuch
sagen, aber bei dem Lärm hört man
ja das eigene Wort nicht mehr.« Und
nun erzählte er
»Ja, das tönnt Jhr mir glauben,
das tut teiner von Euch mehr. Ich
war in G. aus dem Gnmncrsium, die
Ferien verlebte ich bei den Eltern aus
dem Gut. Dort erwacht die Sehn
sucht nach meiner blonden Schönen so
Fis, ich muß sie wiedersehen.
; rsucht verzehrt mich, ich hatte
einen Ridalen. Beim Abschied ge
hörte mir noch ihre Liebe, doch was
konnte inzwischen qesebrhen sein, viel
leicht hatte sie mich vergessen. Guter
Rat war teuer - wie sollte ich nur
nach G. kommen? Es war eine weite
Wagensadrt von vielen Stunden bis
dahin. Ich sann und sann; endlich
war ein seiner Plan fertig. Drei
Tage jammerte und klagte ich über
entsesliches hnweh, aß taum bei
Tisch und illte heimlich in der
Speisetammer meinen großen Ghin
nasiastenhunger.
Um vierten Tage war das herz
meines Vaters erweicht, er konnte
meine Leiden nicht länger mit an
sehen; meiner Mutter hatten sie sast
schon Telinen getostet, was sogar
mein verhärtetes Gewissen recht be
schwerte. Vater verkündet mir. ich
würde nach G. zum Zahnath ge
schist, «aber«, sagt er, »Junge, mir
scheint die Sache nicht nz richtig;
Iommit Du mtt dem ahn zurück,
giebt es drei Tus- Arrest.« Mein
Alter war leider sehr helle. Nun
also, ich sahre aber doch, last mir,
ohne zu mucken den gesunden Zahn
entfernen und ich seh’ meine iebe
wieder; sie gelobt mir nochmals Treue
und ich tehre befriedigt heim, stolz
-
iiber ihre Bewunderung meiner hel-·
dentat.
Den Zahn bewahrte ich noch lange,
er sollte in Gold gefaßt siir sie ein
Geschenk werden; dann verlor ich ihn,
und als ich in Prima war, heiratete
Paulin n.«
Wir achten und freuten uns, je
doch Adele war noch nicht zufrieden.
»Ja, aber Onkel, warum hast Du
später ni t geheiratet?«
»Ach, u Fragenichtg, bist Du
noch nicht zusrredeni Also, ich Mk
Angst vor den Frauen; erst haben sie
Sametpsoten, nachher lrahen sie
und ist man tot, so vergessen sie uns
gleich; nein, nein, ich blieb lieber
allein.« :
»Bergessen«, sagte Tante Minchen
mit trübem Augenausschlag, »verges-:
sen? Das sagst Du, August.« Du!
solltest nur zwei Häuser weiter eben»
und den Schmerz der armen raul
Knod se ’n. »Sie ist noch ganz gebro-(
chen. ir lachen hier,’und dort dass
einsame Wesen windet sich in seinem
Weh." ’
»Minchen, schad’ war es. daß der
Knod so plöglich starb; chade, sehr
schade. war ein guter ensch, ein
ordentlicher Mensch, und daß die
Frau weint, glaub’ ich schon. Aber
wie lange ist es auch erst? —— Vier
Monate. Wart’ nur noch etwas —
auch er ist vergessen.«
Tante Minchen zischte wie eine
lleine Schlange aus: »Aagust, wie
Du sprichst; Du kannst es nicht ver
antworten! Geh und sieh die Frau,
Tag siir Tag sitzt sie vor seinem Bilde,
ej steht aus dem Schreibtisch. von
Blumen umgeben, sast wie ein heili
genbilv ist ei, vor dem sie -betet.«
Diese tragische Rede bat den son
derbaren Ersolg, dass Onkel August
in schallendes Gelächter ausbricht und
lacht und immer wieder lacht, bis er
zuleit ausrusn «Min n, dergieb,
aber ich konnte nicht anders, und nun
merkt Euch, was ich sagen werde.
uerst kommt der »Selige« aus den
chreibtisch, umgeben von Blumen,
die so ost wie möglich erneuert wer
den. Dies ist das Stadium der tief
sten Trauer. Nachher stebt es aus
einer Stasselei, bin und wieder liegt
ein griiner Zweig, ia auch eine griine
Blume daraus. Zweites Stadium.
Und dann -s- kommt er an die Wand.
Jst es so weit, da rate ich den
Freundinnen, ihre Gedanken aus die
Hochzeitslleider zu lenken·«
»Onlel, Onlel!" schreien Alle
durcheinander. Meine Mutter unter
bricht silr eine Minute ihre Stickerei
und sagt tadelnd: »Aber lieber Au
gusti· Da zählt sie schon wieder
ibre Masche-L Tante Minchen ist
wütend.
«,.August, das ist abscheulich, einfach
Pabscheulich die arme Frau Knod,
solch tiesen Schmerz zu oerhöbnen!«
Der Onlel: »Minchen, ich bishne
nicht Frau Knod, aber denl’ an mich
ums Jahrf -
W vergehen einige Monate; wir
sißen wieder zusammen; Jeder sagt
dem Anderen, was er getan, wo er
gewesen. Nun iit die Tante an der
Reihe zu erzählen. Ganz wichtig sagt
sie: »Ich besuchte Frau Knod; sie war
munter-, und ich mußte die wunder
hiibiche Staffelei bewundern, die sie
siir’å Bild des Mannes getauft hat.«
Kaum aber ist dies Wort ibren LipsY
pen enisloben, so sieht sie erschreckt;
nach dem OnleL und dieser sagt gan s
ruhig: ,,Stadium No. 2.« Darauil
ein allgemeines Freudengeliichter. —J
Frau Knod verreisi in’s Bad;
bleibt lange iori. Wie sie heimgetehrh
ist, schickt meine Mutter mich zu ihr,
einen Blumenstrauß zu überbringen.
Das Dienstmädchen war nicht zu
Haufe: die Dame Zssent mir die Tür.
Sie ist ganz erhißt, sieht sehr srisch
und hübsch aus mit großer weißer
Schürze, in der Hand hält sie einen
hammer.
»Ach, entschuldiaen Sie, bitte,
meine Toilette; Sie sinden mich bei
einer wichtigen Arbeit; ießi bin ich
fertig. Jch habe das Bild meines
Mannes eben an die Wand gehängt;
die Stasselei nimmt so sehr viel
Raum ein und das Zimmer ist wirt
lich schon beengt genug. Bitte, wie
sinden Sie den von mir gewählten
Plaß, steht das nicht schön ansi«
Ich sinde dies natürlich, besehe mir
dann noch die anderen Bilder, den
Schneidtisch Dort steht in elegantem
Rahmen eine-ganz neue Photographie,
ein here in hellem Sommeranzug,
wie man ihn im Bade lo häufig sieht.
sdaneben eine schlanke Vase rnit köst
lichen Rosen. «..Wer ist dieser herri«
frage ich voll Interesse. Ueber die
Wangen der sungen.Witwe sliegt
»leichtes Rot: »Ein· Badebetannb
schalt; wir waren viel usarnmen.«
Am selben Abend beszucht uns der
Onlelx ich erzähle ihm mein Erlebnis.
«Siehste«, sagt er, »wer hat rechtf«
Einige Wochen fpiiter tonrmt eine
zierliche, goldumriinderte Karte:
Frau Helene Knab
Jn enieur Art-ed Meyer
l Verlobte.
I Als der Onkel sie gelesen bat, fagt
jer weiter nichts als: »Ja, ja, wenn
»der »Selige« an die Wand gehängt
J wird, liiuten die hochzeitsglocken.«
Flieder und Holunder.
» Noch vor vier Jahrhunderten böt
Ite man in Mitteleurapa vergeb
; lich nach einein Fliederftrauch
l fachen müssen, nach dem Strau
Lchh der doch heute in jedem
HBauerngehöft an treffen ist. Keine
feinzige von den z n Arten der Syrin
iga, die wir fest kennen, war dort zu
finden. Die Syringa perstca mit ih
ren kleinen rofaroten und weißen Blü
ten wuchs nur in Persien unt-Madam
ftan. Die Chinefen erfreuten sich der
Syringa Esrnddi und pflanzten sie al
3ierfiräucher. Jn Ungarn aber war
die Syringa Jositaen heimisch und die
Syringa vulgaris, der gemeineFlieder,
der noch heute an der unteren Donau
den Hauptbefiandteil des Bufchwaldes
bildet, der bis zu 10 Fuß hoch wird,
im nördlichen Ballan und im Orient,
in Aften und in Afrila zu Haufe, und
der auch als erfter von allen Syringens
crten den Weg nach Mittelenropa ge
funden hat. Jm Jahre 1554 hatte Pe
ter Andreas Mattioli, der Leibarzt
Kaifer Karls V. und Ferdinands l»
zum erftenMale die Syringa vulgaris,
den gemeinen Flieder, beschrieben und
ihn Lilac getauft; bald bürgerten auch
andere Namen, als türlifcher, spani
fcher Flieder, Pfeifenftrauch und ho
lunder, sich ein, Namen, die zumeift
noch bis heute sich erhalten haben.
Neun Jahre später brachte Augiet de
Bugbecq, der laiserliche Gesandte an
der Hohen Pforte, der zu Arnasia den
Frieden mit Soliman ll. vermittelt
hatte und in grosser Gunst stand bei
seinem herrm Kaiser Ferdinand l.,
die ersten Syrin en von Konstantino
pe! nach Wien. Dort pflanzte er sie in
dem lleinen Garten ein, der sein Haus
umgab. Doch erst im Mai 1589 ge-»
langte der Flieder in Wien zur ersten
Blüte. Fünszig Jahre später, im
Jahre 1640, sand auch der versische
Flieder seinen Weg nach Mitteleuropa,
und heute werden als Ziersträuche sair
alle Syringenarten in deutschen Gar
ten gezogen, selbst die stolze Syrinai
villosa, die in Tidet zu Hause ist und
als Buddhabaum große Verehrung aes
niest, da sie »manchmal« aus ihrer
Rinde und ihren Blättern Buddhabil
der und buddhistische Formeln zeiqu
ssolL
Bald aber war man nicht mehr zu
srieden mit diesen Fliederarten, nnd
sdie Gärtner mußten sich an die Arbeit
machen, durch Kreuzung neue Sorte-I
»und Varietäten zu schassen. Ter
"Rouenslieder und viele andere aehoren
»Hu diesen Varietäten Doch der gemei
»ne Flieder, der bislang in Ungarn nnd
aus dem Ballan, vornehmlich in Zer
dien und Bulgarien, alsWildling auf-—
gekachsen «toa-r,«dantte« demGärtner die
Pflege utlo Kultur nltxll nur onoumk
daß er sich leicht kreuzen und zu Spiel
arten umformen ließ. Er lies-, auch
sonst in seinemWachstum sich unschwcr
beeinflussen Und das war gut sur Die
Gärtner. Denn bald diktierte die Mo
de. der auch das Gärtnerhandtvert un
terworsen ist, mehr als manches au
dere, dass die Syringe, die sich als ne
meiner Strauch überall hin verbreitete
und leicht verwilderte, nicht mehr var
nehm sei als Geschenk im Mai, wenn
alleSnringensiräucher blühen und man
den größtenStrausi billig taufen tann.
Jm Januar und Februar, wenn dr iu
Pen Eis und Schnee liegen. dann ist
olch blühender Syringenzweia weit
wertvoller und schöner, dieweil er
teuer ist. Und auch hier vermochten
die Gärtner zu helsen. Denn unsauurr
gelang es, den Flieder in Gewächs-hau
sern im Januar und Februar zur Blit
te zu bringen, da er sich leicht »treiben«
läßt. Sogar zum Farbenwechsel tann
man die Blüten hierbei bringen« Der
gemeine Flieder, dessen süßduftendr.
schwere Blütentrauben zumeist violett
nd, weshalb die Pflanze noch heute in
rankreich Lilag genannt wird, ent
wickelt im Treibhause weiße Blüten,
sofern die Temperatur 30 Grad über
steigt. Doch auch schon bei geringerer
Wittwe, bei 20 bis 22 Grad, gelingt
ei, imTreibhause weißbliihenden Flie
der u ziehen, wenn das Gewächshaug
zeige eckt bleibt und die Pflanzen im
Dunkeln treiben müssen. Doch nicht
nur der Blumensreund erfreut sich des
prächtigen Strauches und nicht nur
der Gärtner weiss ihn zu werten. Das
feste, schitn geslarnmte Holz ist dem
Drechsler und Tischler willkommen
und das köstliche Pariilm wird durch
Austochen der Blüten mit Fett ausges
zogen und so eine start riechende Po
made, die sogenannte Fliederpomade,
gewonnen, aus der die Fliederessenz
bereitet wird. Unser Geruchsorgan ist
nicht sonderlich sein ausgebildet. Von
den hunderttausenden verschiedener
Geruche, die es .gibt und die von den
Jnsetten auch unterschieden werden,
unterscheiden wir kaum 500. Daran
mag es wohl liegen, daß uns die Flie
deressenz genau so riecht wie eineTubes
rose und als Ersatz für Tuberosenpar·
iiim auch häufig benutzt wird .
Allein nicht nur der Geruch der
schönen Pflanze gibt zu Täuschungen
Anlaß. Schon ihr Name, der deutsche
sowohl wie auch der gelehrte lateinische,
Hering-r vulzzuris. ist von je eine
Quelle der mannigfachsten Verwechs
lungen gewesen. Aus dem Worte
Seringa, mit dem in Afrila der ge
meine Flieder bezeichnet ·wird, formte
Linn-H das Wort Syringa. So belam
die orientalische Pflanze einen streng
tlassischen Namen, der an Syrinx an
llingen soll, an die junge arladische
Nymphe, die schöne Tochter des Fluß
gottes Ladon, die auf der Flucht von
Pan von den Göttern in eine Pflanze
verwandelt worden war. Der verliebte
Halbgott, der nun wohl oder übel von
der Verfolgung abstehen mußte, wollte
sich gleichwohl nicht umsonst ange
strengt haben, und darum schnitt er
von der Pflanze, in tie die junge
Nymphe verwandelt worden war, ei
nige Zweiglein ab und bildete ans ih
nen die Panflöte, die von den Griechen
zur Erinnerung Syrinx genannt wur
de. Das ist eine recht hübsche und un
terhaltliche Geschichte: aber als Linn-»
in der Erinnerung an die junge, schöne
Syrinx das nfrilanische Wort Se
ringa in Syringa umwandelte, da be
ging er gleichwohl einen groben Fehler.
Denn die alten Griechen lannten den
—Flieder noch gar nicht, um darum ver
"wcmselten sie ole Tochter oes But-on
auch nicht in eine Syringe, sondern in
ein Schilsrohr. Doch Linn-Z lann sich
mit anderen trösten. Denn er blieb
ynicht der einzige. den die boshaste
zu Anachronigmen verleitete. Hatte
sie sich doch im Laufe weniger Jahr
hundert so bei uns eingebürgert, daß
ihr niemand mehr die siidliche Heimat
glauben mochte. Selbst Richard Wag
ner war dieser Ansicht, als er die Mei
stersinger schus und hier den Flieder
pries, der am Hause des Hans Sachs
in Nürnberg wuchs, am Johannistage
so schön blühte, so ,,mild und start und
voller Düste war«. Das aber war ges
schtchtlich nicht gut möglich, da laut
Textbuch die handlung um die Mitte
des 16. Jahrhunderts spielen soll,
während doch tatsächlich um diese Zeit
kaum die erste Syringe den Weg an
den Hos des Kaisers gesunden hatte,
also schwerlich schon das Haus des
Nürnberger Handwerlers zieren konn
te. Auch natur-wissenschaftlich ist die
Erwähnung der blühenden Syringe
am Johannistage zu beanstanden, die:
weil der Flieder im Mai blüht und am
Johannistage ZU Juni) längst ver
toellt ist«
Doch noch andere Verteidiger er
stehen dem Herrn C. Linnäug als ttii
chard Wagner, der ja schließlich als
Dichter nnd Komponist nicht auch noch
ein sattelfester Botanitus zu sein
brauchte Der geschichtliche Jrrtnm
Linnisg wird reichlich weit gemacht da
durch, daß er andere gewichtigere Irr
tümer aufgeklärt hat. Bis Linn-«- auf
den Schauvlasz trat, war die Botnnit
ein Feld, auf dein ein jeder nach Bette
den sich tummelte und seine wissen
schastlichen Sporen »in verdienen
Ein jeder beschrieb die Pflanzen, die er
fand und noch nicht kannte, gab ihnen
Namen unbekümmert darum, ob schon
andere vor ihm dieselbe Pflanze be
schrieben und vielleicht mit anderen
Namen belegt hatten oder nicht. So
war es Jahrhunderte hindurch gegan
en, und ein Sammelsurium von
flanzennamen und -beschreibnngen
hatte sich angehäuft, aus dem tein
Mensch mehr tlug werden konnte. Oft
war die nämliche Pflanze mit den ver- l
fehiedensten Namen belegt worden; ost «
auch wurde der gleiche Name verschie- !
denen Pflanzen zuteil, die gar nichts
miteinander gemein hatten. Dieser
Wirrwarr, den erst Linn-«- tritt feinem l
künstlichen System und der von ihm
eingeführten lateinischen Nomentlatur
lichtete, wird uns am besten dadurch .
veranschaulicht, wenn wir daran den- i
ten, dasz auch heute noch einige Pflan
zen ganz verschiedener Art mit dem
gleichen Namen belegt werden. Ge
meinhin verstehen wir wohl unter dem
Worte Flieder die Syringensträuche
mit den violetten Blütentrauben, die
so sitß und lieblich duften. Aber wenn
wir in die Apotheke gehen und dort
Fliederdlitten verlangen, dann bekom
men wir —- dte kleinen, weißlich - gel
ben Blüten des Holunders, der gleich
falls im Volksmunde noch heute als
Flieder bezeichnet wird, so wie umge
tehrt auch der Flieder Holunder heißt.
Diese Verwechselungen und Verwir
rungen sind ein Erbe der vorlinnöschen
Zeit und naturwissenschaftlich in
nichts begründet. Nicht einmal die
Familie ist beiden Pflanzen gemein
sam, da die Syringen zu den Olea
tren, die Holunder zu den Caprisolias
ceen gehören. Es ist schon mehrfach
versucht worden, den oben erwähnten
Anachronismus in den Meistersinaern
mit dieser Verwechseluna zu »berichti
gen« und zu erklären. Aber auch die
fer Versuch muß abgelehnt werden« da
auch der Holunder gleich der Syringa
im Mai und nicht imJuni blüht. Auch
dürfte schwerlich jemand den faden, an
Krankenstuben erinnernden Geruch der
Holunderbliiten als ,,milde und start«
bezeichnen. Die Bertaufchung beider
Namen ist noch heute eine so tief ein
gebürgerte, daß nur der lateinische
Name Klarheit schafft, der den violet
ten Flieder, die Syrinae, als Mig
und den auch Flieder genannten Ho
lundet als Samt-neus- bezkjchnei. Die
Holunderpslanzen sind leine Kinder
des Süden-« die erst spät den Weg
nach Mitteleuropa fanden. Sie sind,
vom hohen Norden abgesehen. in ganz
Europa zu Haufe; auch finden sie sich
im Kautasug und im siidlichen Sibis
rien. Sie tragen weiße, gelbliche und
rötliche Blüten, die in schirmförmigen
Blütenstiinden stehen: sie haben ferner
ein sehr start entwickeltes Mart und
kommen in 20 verschiedenen Arten vor,
von denen eine, der Traubenholunder,
feiner roten Beeren und gelblich wei
ßen Blüten halber häufig alg Zier-«
strauch angepflanzt wird, ein anderer,
der Zwerghol-under, auch Attich ge
nannt, giftig ist. Er wird nur drei
Fuß hoch, lommt in Mittel- und Süd
euroda vor und wurde im Altertum
medizinisch viel verwandt. Von seinen
Beeren wurde ein Tee gekocht, der die
Galle und den Schleim aus dem Kör
per entfernen sollte. Zurnal die alten
Griechen waren dem Zwergholunder
gewogen. Sie nannten ihn Alte, wo
raus im Laufe der Jahrhunderte sich
das Wort Attich gebildet haben soll.
Die bäusiaste von allen Holunderi
arten aber ist der schwarze Holunder
lsnminnsus nigril), der auch Holler
Holder nnd eben auch Flieder genannt
wird. Er wird bis zu 30 Fuß hoch
und ist der Lieserant der gelblich wei
ßen Blüten, die als schweißtreibender
Tee ein bekanntes Hausniittel sind.
Jm Gegensatz zu seinem falschen Na
mens-better, der nur der Schönheit
dient, —— sosern nicht der Tischler aus
ein Holz und der Pariiimeur aus eine
Blüten Beschlaa legen ---s macht der
schwarze Holunder in der verschieden
sten Weise sich nützlich. Seine dunkel
ioletten, süß-sämtlichen Becken wer
den zu einer vortrefflichen Snvpe ac
locht oder zu Holunderniug verarbeitet,
’das mancherlei Zwecken dient. Die
seinen sehen in dem Mus ein gutes Ab
fiihrmittel, die anderen benutzen es, da
es sehr llebrig ist, zum Vogelfang; die
dritten wissen einen Branntwein aus
ihm zu bereiten, und die vierten ge
brauchen es, um Portwein damit zu
särben. Doch nicht nur Portwein,
auch andere Weine weiß der »Mein
rcchnuer mir Dust oeS schwarzen po
lunders zu verbessern Er beniin die
Blüten zum Aromatisteren verschiede
ner Weinsotten, und selbst der gewis
senhafteste Winzer, der von der Wein
technit und schemie nichts wissen will,
er nimmt doch den Holunder als Ora
tel. »Wenn die Holnnderbliiten gut
werden« dann werden auch die Reben
bliiten gut-« Das ist ein altes und
,,erprobtes« Sprichwort Mit alledem
aber ist die Verwertung des Holunders
noch nicht erschöpft. Jn manchen Ge
genden werden die Blüten gebacken und
gegessen, in anderen zu Umschlägen
verwandt. Als Abfiihrmittel dient der
Saft der Wurzel, als harntreibendes
Mittel die innere Rinde. Dag seine
gelblich weiße Holz ist bei Tischlern
und Drechslern hoch angesehen. Das
weiche Mart gibt die bekannten Hohin
derliigelchen für Elektrisierniaschinem
auch wird es von Uhrmachern bei ih
rer subtilen Arbeit und in der mikro
skopischen Technik verwandt.
Nicht wunderlich ist es daher, daß
eine so allseitig brauchbare Pflanze
auch im religiösen Kultus ihren Platz
hatte. Stand doch fast in jedem Ge
höft der alten Germanen ein Volun
derbaum, der heilig gehalten wurde
Und das mit gutem Grund. Denn
in dem Holunderbaum wohnte der gute
Geist des Gehöftes, die Hollermutter,
auch Frau Ellhorn genannt, die das
Haus vor Feuer, das Vieh vor Seu
chen bewahrte und die vielleicht — ob
wohl es zuweist bestritten wird —-- mit
Irau Helle identisch ist, jener alten
Figur der deutschen Göttersage und
des Märchens, die zwar auch als See
oder Brunnengöttin belannt war, als
Hypostase der Freija und die selbst als
Hexe im wütenden Heer mit ritt, die
aber gleichwohl auch als guter Haus
geist gefeiert wurde, als Schutigeist
der Spinnerinnen, und deren haus
miitterliches Wesen noch heute in der
bekannten vollstüinlichen Redensart
zum Ausdruck kommt imWinter, wenn
die Flocken draußen herumwirbeln:
»Frau Holle schüttelt die Betten ausk«
—-——.
Ursachen und dem-us der Schlat
lebst-m
Es giebt eine ungeheure Menge
Schlafloser. Woher das wohl lam
men mag? Nun, das liegt an den täg
lich größeren Anforderungen, die an
das Gehirn des Kulturmenschen ge
stellt werden. Die Schlaflosigteit ist
eine Besleiterin des modernen Kul
turauffcliivunges, ein Folgezuftand der
,,Neurafthenie«. Alter und Geschlecht
werden gleichmäßig von ihr befallen.
Aber die Störung des Schlafes bei
Neugeborenen und Säuglingen ist
ausnahmslos auf Störungen des
Stoffwechsels und der Verdauung zu
rückzuführen Schon in der frühen
Jugend dagegen hat die Schlaflosig
teit andere Ursachen. Hier sehen wir
bereits im Vordergrunde eine Erre
gung des Nervensystean als ursäch
liche seelische Eindrücke Beim Er
wachsenen vollends ist die letzte Ur
sache der Schlaflosialeit fast stets in
der Nachwirkung von Sinnesreizen zu
suchen, wie animierte Unterhaltung,
Theater, Concert u. s. w. Die Klagen
mannigfaltigster Art sind ja bekannt.
Diese Zustände der Schlaflosigleit un
tergraben natürlich allmählig auch
das seelische Leben des von ihr Besal
lenen; sie bekommen eine förmliche
Angst vor der Nacht und dem Zubette
gehen. Oft sehen wir aus diesem Zu
stand sich bestimmte Formen der Me
lancholie entwickeln.
Man hat der Regelung des Schla
ses deshalb beim gesunden Menschen.
mehr aber noch bei dem Nervenleiden
den, dem Neurastheniter. die größte
Aufmerksamkeit zu widmen. Fiir
den gesunden Menschen gilt als Regel,
daß es das Beste ist, so lange wie
tunlich zu schlafen. Man sollte sich
im Allaemeinen nie abhalten lassen,
spätestens um 10 Uhr des Abends sich
schlafen zu legen.
Der Neurastheniker hat seinem Zu
stand in weitgehendstem Maße Rech
nung zu tragen. Schwer an Neum
sthenie Ertrantte, bei denen die
Schlaslosiakeit nur ein begleiten-des
Moment ist, haben sich unter allen
Umständen in ärztliche Behandlung zu
geben.
Die leichter Erkrantten, bei denen
die Schlaslosigteit im Vordergrunde
des Krankheits-bile steht, haben die
sem Merkmal ihr hauptsächlichstes
Augenmert zuzuwenden. Frühzeiti
ges Zubertgehen, wenn möglich schon
um 8 Uhr Abends, ist zu empfehlen.
Es muß sjir die nötige Müdigkeit ge
sorgt werden, und zwar muß ent
sprechend der geistigen Arbeit körper
liche Arbeit geleistet werden. Turnen,
Rudern, Radsahren. Tennisspielen,
eventuell auch nur Spazierengehen in
frischer Lust rufen die nötige Ermat
tung hervor. Aus eine regelmäßige
Verdauung ist erhohte Ausmertsamkett
zu verwenden Die letzte Mahlzeit
soll 2 Z Stunden dor dem Schlafen
gehen eingenommen werden und soll
tunlichst aus leicht verdaulichen Spei
sen zusammengesetzt sein.
e-- sk- «- »I
Wo VIII-m slUkL klllpllcljll cV III-,
feuchte Wattevsröpschen in die Ohren
zu stecken. Die Fenster des Schlaf
lzirnmers, zum mindeste-n die oberen
Fenster sollen zum Zwecke einer guten
Ventilation, auch im Winter, geöffnet
sein. Vor Zuglust bat man sich na
türlich zu schützen. Arn besten schläft
man aus Matratzen und deckt den
Körper mit einer, im Winter mit
mehreren Decken zu. Wer leicht Blut
andrang nach dem Kopfe hat, lagere
den Kopf hoch, wer aber an Blntleere
des Gehirns leidet -- und das ist die
Mehrzahl der Neurastheniter — la
gere ihn ties oder schlase in vollstän
dig horizontaler Lage dies ganzen
Körpers. Das Zimmer soll dunkel
gehalten werden. Leute mit unruhi
ger Phantasie sollen ihren Gedanken
gang in gewisse-, eintönige Grenzen
zwingen. Vor Allem mit dem unbe
dingten Glauben und Vertrauen« daß
ein aeregeltes, ruhiqu nnd zielbewuß
tes Leben mit Sicherheit zur vollstän
digen Genesung führen wird.
Erkenne dich selbst
Prosessor: ,,Müller, wenn Sie mit
so plumpen Betrugsveisuchen Erfolg
haben wollen, so müssen Sie sich schon
einen aussuchem der dümmer ist als
ich. Und den werden Sie schwerlich
finden.«