Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 28, 1912, Zweiter Theil, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    It Nebraska
s staats Anzetger und J cerold.
« Jahrgangäkz .M uni 1912 (Zetewi rThei l.) Nu ummer 46
—- v«
Abendfrieden
—.
Es dampft die Schüssel im kleinen
haus
Nun, müde Leute« nun rubet aus«
Der Tag war schwer, und der Sonne
Glut
Meinte es mit der Ernte gut,
Zu vollen Aebren reiste der Keim,
as Korn, das goldene brachte man
heim!
Die Jungen, die Alten wissen es gut.
Wie wohl der Frieden am Abend tut
Der krumme Rücken, er bebt sich
frisch.
Ein Lächeln wacht aus am gedeckten
Tisch,
Und alle sühlen’s: ,.Jmmer ist noch
Der Hunger gewesen ver beste Koch!'«
vq s« «
Linsen Tochter
Eine KindheitsiErinnerung von
D. D r o st.
Es ist ganz sonderbar, daß es Er
tnnerurigen aus der Kindheit giebt
die nie nett-lassen Ost hat man nach
Wochen ein Ereigniß total vergessen,
ist selbst mit Anstrengung nicht tin
stande, es ins Gedächtnis zurückzuru
sen, während eine viel weiter zurück
liegende Erinnerung unverrüclbak
feststeht.
Alljährlich im Frühjahr steigt meine
Jugend vor mir aus und mit ihr das
Bild meiner tleinen Freundin Helene
Da bin ich wieder der wilde zehnjäh
rige Bube, sehe das alte, einstäckige
Haus nnd den nicht allzu großen
Garten, der sich daran schloß und das
Tummelseld unserer Spiele wor. Ja,
mir dann sehe ich sie. die lleine Helene,
in ihrem schwarzen Trauerlleidchen.
Jch sdiire wieder den Dust des blü
henden Fliederstraiiches. unter dem He
leiie am liebsten lauerte, sieberhast
bustend und erschreckend blaß. Auch
Nosenstiicke gab es, mit halt-geschlosse
nen Knospen, die ich vorzeitig erbeiß
um in lindlicher Neugier die noch sest
zusammengehallten Blütenhliitter zu
lösen. War meine Neugier befriedigt,
dann wars ich die zervliietten Knos
Pen Helene in den Schoß, die mich
iiiiit ihren schönen Augen traurig an
Oh.
,Böser Hans, jetit hast du sie getätet!«
Wie weich das rniide Stimmchen llangl
Mir ist, als hätte ich nie wieder so
sarbenprächtige Schmetterlinge gese
hen, wie daheim in dem alten Gar
ten: ich verfolgte sie voll Eifer -—— und
wenn ich sie Helene brachte. nahm sie
die Tierchen wohl in die Hand —
aber nur« uni sie dann wieder sliegen
zu lassen; aufspießen durste ich nie
nialg einen, das litt sie nicht.
Im Winter, wenn alles tin Garten
von Millionen Gigtrgstallen glißerte,
die aesrorenen sausen an den weißen
Baumästen hingen und der Schnee
unter den Füßen tnirschte, da war’5
erst herrlich. Einmal saßten wir den
aroßen Plan, ein Schneehaus zu
bauen und darin uns zu verbergen,
wir Drei, Helene, ich und eine große
PUPPL« ch Abwechclnd ,,Mllklc" UUV
»unsere Tochter« hieß. Eine Pracht
pnvpe mit blauen Augen unter natür
lichen Wimpern, seidenweichen blonden
Haaren, ein berrliches Spielzeug, das
mich bei meinen Kameraden unmög
lich gemacht hätte: aber was toiirde
ich Dicht getan haben, wenn es Oelene
forderte, und außerdem: ich spielte
gern mit der Puppe!
Helenes Zauber bestand in ihrer
ernsten Sanstbeit, die so anders war
als das Wesen anderer Kinder, die ich
bis dabin kennen gelernt. Sie war
klein« zerbrechlich Jhre Mutter war
an der Schwindsucht gestorben.
Aus mich, den wilden, ungeberdigen
Buben, übte dieses sanfte, kleine Mäd
chen einen unbezwinglichen Reiz aus.
Vielleicht erweckte dieses unschuldige
Kind, dessen Fäßchen so leicht iiber
die Treppen des alten Hauses glitten,
in dem Knaben zuerst den Kultus des
Weibes, den ja oft genug die grau
samsten Enttäuschungen des Lebens
nicht ganz vernichten. Von dem Tag
an, da sie wie ein kleiner schwarzer
Schatten im Garten austauchte, war
der wilde Junge ibr verfallen. Wenn
wir nicht im Garten spielen konnten,
war ihr Zimmerchen unser liebster
EVEN-las Wir saßen aus dem alten
verblichenen Teppich, der wohl bessere
Tage gesehen, und spielten mit allen
Spieksachem die helene noch von ihrer
Mutter her hatte, die sie rnit ängst
licher Sorgfalt hütete. Manchmal
sprach das kleine Ding ganz seltsame
Dinge-s von denen man nicht begreist.
wie ein Kind dazu kommt,·sie auszu
sprechen. Zum Beispiel: Mir veren
dete ein Kanarienoogel; als Lene da
von ersuhr, fragte sie mich nach einer
Weile:
WåHast Du Angst vor dem Ster
n «
»Ich — weiß nicht, « entgegnete ich
zögernd.
»Ich fürchte mich nicht! Wir müs
sen alle stets-ein«
»Ja, aber wenn man tot ist, ist
man ein Stelett,« meinte ich nachdent
lich. Helenes Resignation ging mir
nicht recht ein.
»Nein, wenn man tot ist, sieht man
Mama und die Engel und den lieben
Gott« Das kleine, zarte Gesichtchen
sah ganz verklärt aus
Helene wurde lkant, so trank, daß
ich nicht mehr zu ihr durfte. Jch sah
sie erst wieder, als sie steis und unbe
weglich aus ihrem Bettchen lag, so steif s
wie Matie die Puppe, die mit ihren
blauen Glasaugen gleichgültig vor sich
hinstatrte. Es dustete nach Flieder
in dem Zimmer, mir war das Her-z
zum Brechen schwer es war das erste- s
mal, daß mir eine Ahnung des großen
Geheimnisses ausging das uns trennt
von denen die wir lieben. ;
Monate vergingen; ich war in dies
Stadt aufs Ghmnasiunr gelomrnems
Die äußeren Veränderungen in meiij
nem Leben hatten den Schmerz um die »
verlorene tleine Freundin ein wenig»
in den hintergrund gedrängt. Aber
immer, wenn ich in den Ferien heim
tam, erwachte er aufs Neue. Das
Haus-. der Garten, alle unsere alten
Spielplätze erschienen mir verödet
ohne die schmächtige Kindergestalt, die
ich so sehnlich herbeiwünschte. Selten
ging ich hinaus zu Helenes Vater. Ein
einzigesmal, kurz nach Helenes Tod«
war ich in ihrem Zimmer gewesen, wo
alles unverändert geblieben, wie es zu
ihren Lebzeiten gewesen. »Unsere
Tochter« saß mit ihrem alten, dum-!
men Lächeln in ihrem Stäbchen. Lieb- ;
tosend glitten meine Finger über ihr
seidiges Haar, es durchschauerte mickJ
als hätte ich die seinen Härchen der’
toten Freundin berührt. Mit Trä
nen in den Augen sagte Helenes Va
ter, der meine Ergrissenheit merkte:
»Jhre Puppe! Sie bat mich so sehr,
sie ihr immer zu lassen. aber ich tonnte
mich nicht von ihr trennen; sie wirds
mir’s verzeihen, mein armer Lieb-s
ling«. !
Zwei Jahre vergingen. Da, als ichs
wieder zu den Psingstserien lam, er-;
fuhr ich, dasz helenes Vater vor einj
Paar Tagen wieder geheiratet hatte»
eine Witwe mit einer Tochter in he-;
lenes Alter. Gerade das empörte mein
leidenschaftliches Knabenherzz wie
tonnte man Helene ersetzen wollen!
Und von vornherein war eine Abnei
aung, ja sast ein Haß in mir, wenn ich
die kleine Dlga sah, die nun all die
Wege ging, die Helene gegangen war,
die meiner lleinen Freundin Zimmer
chrn bewohnte und mit ihren dicken
Fingerchen an all den teuren Anden
len rührte, die mein Kultus der klei
nen toten Freundin errichtet hatte..
Sie war das Gegenteil der Toten, die
schwarze Olga, ein gesundes, starles»
etwas plumves Kind. laut und wild»
in ihrem Auftreten. Ich wich ihr aus s
und hatte one szlnnnnerunggversuchei
unbeachiet gelassen, die anfangs zum-s
lich häufig ersolgt waren: bei mir’
sollte sie Helene nicht verdrängen!
So saß ich an einem Frühlings
Sonntag des Morgens mit einein Buch
unter den Fliederbiischem die Helene(
so sehr geliebt hatte. Ta kam Olga
vom Hause her, und in ihrem Arme
hing — »unser Tochter«, Helenes
zärtlich geliebte »Marie". Es durch
zuckte mich: also die Puppe war Ol
gas Eigentum geworden! Der Ge
danke war mir unerträglich Jch haßte
dieses kleine Mädel, dag so selbstbe
wußt, gesund und vergnügt herumlief,
helenes Eigentum, die Marie, die
schon schmutzig und ruiniert aussah,
achtlos am Arm hinter sich herziehend
Unertriiglich war mir der Anblick —
ich wollte eben ausstehen, um in das
Haus zu gehen, als man Olga ries.
Sie wars die Puppe zu Boden und
rannte in’s Haus. Blihschnell durch
fuhr mich ein Gedanke —- und schon(
hatte ich ihn ausgeführt — »Marie«
slog fn einem Bogen hinter die Flie
derbiische. Olga kam gleich daraus
mit einem großen Butterbrot in der
Hand wieder, um die Puppe zu suchen,
iies heulend ins Haus, als sie sie nicht
sand, um die Mutter und das Mäd
chen zur Hilse zu holen. Um unbe
auemen Fragen auszuweichem hatte
ich mich sortgeschlichen. Während des
Mittagessens wurde auch bei uns von
der verschwundenen Puppe gesprochen,
die wohl irgendein herumziehender
Bettler gestohlen haben müsse. Jch
errötete nicht einmal bei dem harten
Wort —- ich blieb ganz ruhig. Spät
Nachts lroch ich dann leise durchs
Fenster aus meinem zu ebener Erde
gelegenen Zimmer. Eine herrliche,
herrliche Sternen-tacht Jch huschte in
den Garten und holte ,,Marie« —- —
Eine Weile überlegte ich —- so gern
hätte ich Helenes letzten Wunsch er
füllt, und die Puppe zu ihr gegeben
—- aber — auf den Friedhof lonnte
ich unmöglich, das sah ich ein. So
bolte ich also rasch die Geräte unseres
Gärtners und begann emsig eine
Grube zu schaukeln, Leicht larn’s mir
nicht an, wenn ich auch ein kräftiger
Bursch war, mancher Schweißtropfen
perltk mir von der Stirne, aber end
lich genügte die Grube. Jch küßte noch
einmal zärtlich Helenes Puppe, dann
legte ich sie sorgsam in die Erde, schau
selte das Loch sorgfältig zu, stampste
den Boden glatt und seufzte befriedigt
auf. Helenes Wunsch war erfüllt.
Eine Kinderei. gewiß, aber derlei ver
gißt man nicht,
—- —-.-.-·.---——
Wachstum der Weltstottetr
Es wird sehr schwer-, uns in
die Zeit zurückzuversetzen, in der
der Gedante, eine deutsche Flotte zu
gründen, zuerst auftani. Aber wenn
man hört, dasz es 1848 dem kleinen
Dänemart mit einer Handvoll Schiffe
gelang, nnt einem Schlag die ganze
deutsche Schiffahrt lahmzulegen und
daß ein einziger Dampser ganz Ham
burg in Schach halten lonntex wenn
man ferner an die Lächerlichleit der
dreizehn verschiedenen Flaggen denkt.
die damals von deutschen Schiffen
wehten: so lommt man dem richtigen
Standpunkt schon etwas näher. Da
die Aussicht aus Herstellung eines star
len einigen Deutschlands nach 1848
bald schwand, so ging Preußen auf
eigene Faust vor und stellte für 1849
eine Summe fiir die Flotte im Etat
ein. Es war eine nach unseren heuti
gen Begriffen geringe Summe, näm
lich zwei Millionen Taler, während
man heute etwa das Hundertfache sur
die Flotte ausgibt. Aber man muß be
denlen, daß die damaligen Linien
schiffe, man nannte sie Fregatten, nur
eine geringe Wasserverdrängung besa
ßen, z. B. von 800 Tonnen (Deutsch
land) oder 1135 Tonnen (Barbarossa);
oder wenn es hoch karn, waren es 1800
Tonnen (Hansa). Und Kreuzer da
mals Korvetten genannt, verdrängteu
450 Tonnen (Bremen) oder 625 Ton
nen tFranlsurt). Heute sind schon die
tleinen Kreuzer 4000 bis 5000 Ton
nen grosz und die großen Kreuzer so
wie die Linienschisfe 23,000 Tonnen
lMoltle, Helgoland). Aber in Wirt
licbteit ist lein Grund zum Lächeln
vorhanden, wenn man von zwei Mil
lionen Talern hört, die sur Flotiens
zwecks in Preußen angesetzt wurden;
man mus; sich vielmehr aus veu
Standpunlt Moltles stellen, der var
der Bildsäule Gneisenaus sagte, dieser
habe mehr geleistet· als er niit sei
nen Lampfgenossm Denn zur ,-’,-.-it
Kaiser Wilheltus balde man doch reich
lichere Hilfsmittel gehabt; in den
Freiheitstriegen als-er have eg- überall
gemangelt, und trotzdem sei man des
Korsen Herr geworden; allerdings
mit viel aroßeren Opfern an Blut.
Unter diesem Gesichtspunkt gewinnen
die zwei Millionen Taler denn doch
eine ganz andere Bedentnngx nnd man
lann es dem Prinz-Admiral Adalbert
von Preußen nicht hoch genug anrech
nen, daß es ihm gelang, siir die Mai »
rine eine solche Summe in einer Zeit s
siüssig zu machen, in der das Ver- »
ständnis siit die Seeinacht erst anf
dämmerte.
Im Nachstehenden seien einige Ver
gleiche iiber den Zuwachs den die deut
sche Flotte seit dem Jnlrasttreten des
großen Flottengesehes von 1900 bis
1911 erhalten hat, gegeben· Die kleine
ren Schiffe seien nicht in Berechnung
gezogen, sondern nur die eigentliche
Kampsschisse, die Linienschisse und
großen Kreuzer.
Wir sind es jetzt gewohnt, die Rei
henfolge der größeren Seemiichte in
folgender Weise zu beginnen: l.
England, 2. Vereinigte Staaten von
Nordamerika, 3 Deutschland st.
Frankreich Das war aber keines
wegs immer so. Es interessiert viel
leicht, tvie es hinsichtlich der Flottem
stärle zehn Jahre vor dem Motten
geseß stand. nämlich im Jahre NOT-L
Zu dieser Zeit lautete die Reihe so: es
besaßen in tausend Tonnen:
1. England 196; 2· Franlreich
146 (anniihernd ebensoviel); 3 Ruf-,
land) 86; 4. Italien 77; 5 Vereinigte
Staaten nur 7; und 6. Deutschland
nur 5. —- Ganz anders sah es im
Jahre 1900 aus:
1. England 715; 2. Frankreich
266; s. Russland 228; 4. Deutsch
land 125; 5. Japan 152; S. Ver
=—
i
einiate Staaten 146z 7. Jtalien öft;
I 8. Oesterreich 37.
J Man steht. Frankreich war noch im
mer die zweite Seemnchtx aber wäh
rend es 1890 nur um ein Viertel hin
ter England zuriietstand, war jetzt das
’Uebergetoicht Englands annähernd
» dreisnch geworden. Ruszlnnd war mit
einein sichtbaren Aufschwung aus 228,
Otto Tonnen gekommen und hielt so
den dritten Platz fest.
Die Vereinigten Staaten, die über
haupt erst in dieser Zeit eine modernc
Flotte zu bauen begonnen hatten, wa- ;
ten mit 146,(«),0(» Tonnen auf die i
qleiche Stufe mit Deutschland empor: s
gestiegen l152,0()0 Tonnen); ebensol
itnnd es mit Japan, dac- gleichfalqu
seine Flotte nuLs dem Nichts geschaf: s
ien hatte und nun mit 152,00» Ton- s
nen Deutschland und den Vereiniaten s
Staaten gleich stand. Italien wart
ztktsiictnegangem und Oefterreicb ist H
- schon daman an der achten Stelle«zu ;
Hindert Auch 1911 ist es noch nicht»
landers-; aker namentlich durcts seine;
« auf Stapel gelegten drei Dreath .
)nouaht3 ist es trotz seiner geringen
» Tonnenzahl auf dem Wege, eine recht
sbenckstenswerte Seemacht zu werden
s Jm Jahre 1912 werden otr. zutr-l
stungen der in den verschiedenen Lan-I
sderu beschlossenen Flottengesesze be-s
steits einigermaßen sichtbar. Noch;
deutlicher tritt dies im Jahre 1904 zu »
Tage. Nußb- d gebt vom dritten aus
den vierten Platz zurück, denn die Ver
einigten Staaten steigen in zwei Jah
ren von 258,000 auf 526,00() Tonnen.
Besonders lehrreich ist auch der
Vergleich der Tabellen von 1890 und
1900 in bezug auf die Stellen Eng
lands gegenüber dem Zweit-und
Frankreich und Rußlandx denn die
heutige politische Annäherung der drei
Mächte lag damals noch keineswegs
im Bereich der Wahrscheinlichkeit. Jm
Jahre 1898 hatten die Franzosen Fa
schoda am oberen Nil besetzt; England
zog seine Flotte im Kanal zusammens
nud forderte schroff die sofortige Räu
mung Faschodas, die der damalige
Minister des Auswiirtigen, der wohl-s
»bekannte Delcassfy mit einer beispiel
losen Selbftdemüiigung seines stol
zen Landes zugestand. Die Franzosen
dachten damals an alles andere eher
als an eine baldige Verständigung mit
England; sie bezeichneten mit Rechti
Fafchoda als ihre größte Niederlagel
seit Schan. Daher wurde in England
und auf dem Festlande sehr sorgfältig !
nachgerechnet: 1890 zählte der Zwei-?
Ibung zusammen 283,000 Tonnen, also ’
37,000 Tonnen mehr als England
(196.000 Tonnen); aber 1900 ergab
sich umgekehrt eine sehr bedeutende»
Ueberlegenheit Englands mit 715,000;
Tonnen gegenüber Frankreich undt
Rußland, die zusammen nur 495,000.
Tonnen zählten. Der von den EngH
ländern stets angestrebte Zweimächtpi
stand war also glänzend wiederherges
stellt. s
Jm Jahre 1906 fällt Russland in-;
folge des unglücklian Krieges mit
Japan vom vierten auf den siebenten J
Platz zurück, und sein Widersachers
Japan steigt, zum Teil mit Hilfe der;
eroberten sechs größeren russischenT
Schiffe, von 185,0»U aus 402,000!
Tonnen und gelangt damit von dem
siebenten auf den fiinsten Platz, den
es bis heute mit voller Sicherheit be
hauptet hat.
Jm Jahre wur- ging trngiano
durch rücksichtsloses Abstoßen älterer
Schiffe, äußerlich betrachtet, ein tlein
wenig zurück, von 1,420,0()0 auf 1,
394,()00. Dieser Schritt war jedoch
vollan zu billigen; denn der Russisch
Japanische Krieg hatte gezeigt, daß die
älteren Schiffe in der Tat nicht viel
mehr sind als Kanonenfuttet --— Jn
Frankreich macht sich bereits die Bau
verzögerungspolitit des Minister-Z Pel
letan, das ewige Aendern der Bari
pläne, ja, das Umstofzen der Absichten
feiner Vorgänger in der empfindlich
sten Weise geltend; denn Frankreich
geht um 100,000 Tonnen tvon 684,
000 auf 585,000 Tonnen) zurück·
Man meinte, die teueren Linienschiffe
sparen zu können, und baute dafiir
Tarpedoboote und lahme Untersu
boote.
So wurde Frankreich durch die Ver
einigten Staaten mit (;49,»()() Tonnen
endgültig überfliigelt und von Deutsch
land mit 56T’-,00t) Tonnen fast einge
holt. Seitdem ist Frankreich von 1908
bis 1911 um 10,0()0 Tonnen zurückge
gangen und hat den dritten Platz, wie
es den Anschein hat« endgültig an
Deutschland abgetreten. Denn der
erhebliche Vorsprung Deutschlands
(828,000 Tonnen gegen 576,000 Ton
nen Frankreichs-) dürfte taum wieder
einzuholen fein. Deutschland ist damit
den Vereinigten Staaten an die Seite
gerückt (862,000 Tonnen) und wird
unsere Republit demnächst ganz errei
chen, ja sogar überflügeln, namentlich
—
wenn der Kongreß darauf beharrt,
mit dem Gebrauch, jährlich zwei neue
Schlachtschiffe zu bewilligen, zu bre
chen
Zahlreiche patriotisch gesinnte Män
ner sind der Ansicht, daß Deutschlands
Stellung England gegenüber und da
mit der Weltfriede nur dann gesichert
ist, wenn es gelingt, das Stärkever
hältnis England - Deutschland fiir
Deutschland günstiger zu gestalten.
Erst wenn das der Fall ist, könnte von
Riistungsrninderunj auf beiden Seiten
gesprochen werden.
Wie viele Dreadnougth England
im Jahre 1914 fertig haben wird, ent
zieht sich noch her Kenntnis-; denn
Deutschland und die Vereinigten »
Staaten brauchen zur Fertigstellung!
eines großen Schiffes mindestens drei’
Jahre; England nur zwei Jahre. ;
Am schwächsten steht es noch mit den
deutschen großen Kreuzernz denn fer
tig und modern sind in Deutschland!
nur zehn in England aber sind nicht
weniger alH vierzig moderne Großes
Kreuzer fertig; dazu sind diese engli-!
schen Kreuzer fast alle größer als die
deutschen. Erst die allerneuesten deut
schen Großen Kreuzer sind den engli
schen vollständig gewachsen: in bezug
aus die Schnelligkeit sind sie ihnen so
gar überlegen. Schon Von der Tann
war mit seinen 28 Seemeilen das
schnellste große Schiff der Welt; und
kaum haben die Engländer diesen Re
tord einigermaßen eingeholt, da stellt
der Moltte, der jetzt nach den Ber.
Staaten kommt, mit 29,5 Seemeilen
wieder einen neuen Weltrelord aus.
Und auch dieser Retord ist in den
jüngsten Tagen durch den Panzerkreu
zer Goeben, der aus seiner Probesahrt
302 Seemeilen per Stunde zurück
legte, schon wieder überslüaelt worden.
Our Schlag-met unserer Zett.
Wer erhebt heutzutage nicht An
spruch daraus, sich »gebildet« nennen
zu dürfen? »Bildung« ist eins der
Schlagworte unserer Zeit geworden,
das« die verschiedensten Parteien und
Bestrebungen auf ihre Fahne schrei
ben. Der Ausgabe, Bildung in's
Bolt zu tragen, wendet sich die Für
sorge der Besten und Edelsten zu, und
das zu Tage tretende Streben, Bil
dung zu gewinnen, versöhnt aus deri
andern Seite mit manchen sonst un-;
gerechtfertigt erscheinenden Ansprü-;
M. s
Wenn nur der Begriff von dem,
was Bildung ist, nicht gar so sehr
verwirrt wäre in den Köpfen! Die
meisten halten Wissen an sich schon
für Bildung; wer viel lernt, wird ge
bildet, und wer wenig lernt oder nur
ganz liickenhaste Kenntnisse gewinnt,
hält sich weniasteng selbst dasiir. An
dere, denen die Erkenntnis dämmert«
daß Bildung auch etwas mit dem’
ganzen Wesen und Sein des Men-»
schen zu tun hat, sehen wieder «in
vom Wissen und suchen das Gebilde-H
sein im Benehmen. Und doch wieT
Jemand mit reichem Wissen ein un I
gebildeter Mensch sein t.inn, so kann»
es ein anderer erst recht sein mit deni
feinsten Lebens-formen Denn wahrei
Bildung ist etwas Volleg und Gan
zes, nimmermehr etwas Ginseitigegx
der wahrhaft gebildete Mensch ist
durch fremde oder eigene Erziehung,
durch Wissen und Können, durch
augere und innere tirinslusse an Geist,
Gemüt und Charakter zu einem We
sen gestaltet, das sman in gewisser
Weise ein lebendiges Kunstwerk nen
nen kann. Ein Kunstwerk, das nie
ganz vollendet ist, an dein vielmehr in
sortdauernder Arbeit beständig wei
tergeschasst werden muß.
Darum ist der gelehrteste Mensch
noch lange nicht der gebildetste. Es
kann Jemand aus einem Gebiete eine
Autorität sein und nach anderen Sei
ten hin völlige Unbildung besitzen.
Und es kann ein anderer alle Vor
züge umfassender Geistesbilsdung be
sitzen und doch von wahrer Bildung,
die auch den Charakter einschließt,
weit entfernt sein. Solche Menschen
sind durch ihre Bildung keine Kunst
werke geworden, weil ihnen die Har
monie der einzelnen Teile fehlt.
Den Vergleich der Gebildeten mit
einem lebendigen Kunstwerk festhal
tend, verstehen wir aim besten, wie die
Bildung bei den einzelnen sehr ver
schieden sein kann. Wie es ganz
schlichte Kunstwerke giebt, die doch ein
in sich vollendeteg, harmonisch gestal
tetes Ganze bilden, so dürfen wir
manchen einen gebildeten Menschen
nennen, dessen Wissen nicht weittra
gensd ist. Reicht es siir den Kreis
völlig aus« in dem er steht, beherrscht
es diesen aus fester und sicherer
Grundlage, so genügt es, seinem
Träger den Stempel der Bildung
auszudrücken Und andererseits giebt
es hervorragende Menschen, deren
Bildung ein großartiqu Kunstwerk
H
ist, das seinen Einfluß aus weite
Kreise ausübt.
Wenn nun der Erziehung vor al
lem die Aufgabe zufällt, das große
Werk der Bildung des jungen Ge
schlechts zu beginnen, an dem das
Leben später fortarbeiten soll, so darf
sie das Allumfassende derselben nicht
aus den Augen lassen. Es gilt den
ganzen Menschen zu bilden, nicht nur
diese oder jene Seite allein! Und es
gilt, jedem Menschenkinde die Bil
dung einzupslanzen, die seiner Eigen
art entivricht, denn nur so kann sie
wesensecht sich entwickeln. Nur so
bleibt sie fern von jenem Zerrbild,
das so oft Bildung heißt und das
doch nichts weiter ist als der hohle,
glänzende Schein, der täuschende Fir
nis, der die Unbildung des ganzen
Menschen deckt.
--
Das weibliche Selbstbewußtsein-.
Unsere jungen Mädchen wissen heu
te ihren Wert einzuschätzen Ihn aber
auch richtig einschätzen lernen, damit
das Selbstbewußtsein nicht ausarte
und zur Ueberbebung werde, sei vor
allem jedem jungen Mädchen angera
ten. Selbstbewußtsein aibt Den Men
schen etwas Würdeoolles, Gehaltenesz
macht ihn tatträstig und zielbewußt.
Er weiß, was er will, er wird das
Leben immer richtig ausfassen; alle
spielerische und leichtsmnigen Gedan
ken sind ihm fremd, und Freude wie
Lust werden sich ihm nur in hehrer
Reine nahen. Selbstiiberhebung aber
macht ihn stolz und eingebildet. Er
muß damit seiner Umgebung unleid
lich werden. Ein stolzer und einge
bildeier Mann ist unangenehm, eine
solche Frau aber wirlt unausstehlich
Sie weiß alles besser wie die anderen
Menschen; sie widerspricht immer fort
und hat weder Takt noch Gefühl,
kurz --- jedermann trachtet ihr aus
dem Wege zu gehen, nur um ihrer
niederdrückenden Selbstiiberhebung
auszuweichen Wenn wir unseren
heutigen jungen Mädchen Selbstbe
wußtsein als wünschensswerte Tugend
zugeeignet sehen möchten, so haben wir
die Gründe dafür in ihrer gegenwär
tigen Lebensstellung, die so sehr ver
schieden von derjenigen ist, in der sich
einst ihre Mütter befanden. Es ist
eine ganz folgerichtige Entwicklung
des weiblichen Selbstbewußtsein-Z bor
handen und wir brauchen da nur
dreißig Jahre zurück zu blicken, um
dieses zu verstehen. Wenn zu jener
Zeit ein Mädchen geboren wurde, da
zuckten die Leute bedauernd die Achsel
und meinten: »Schon wieder ein Mä
del? Armes Ding! Bedauern-änderte
Eltern!« Man litt damals ordentlich
an der Uebersiille des weiblichen Men
schenmat-erialg, mit dem man nichts
anzufangen wußte. Verheiraten konn
te man alle Mädchen eben nicht« da
sie ja - - wie bereits statistisch nachge
wiesen worden war dem männ
lichenGeschlechte gegenüber eine lieber
zahl schon erreicht hatten. Sie ande
ren, damals möglichen Lebenszberuien
zuzuführen, war man aber ebenfalls
nicht immer in der Lage, da sich er
steng die siir das weibliche Geschlecht
in Betracht kommenden Erwerbszwei
qe nicht irnmer jijr jedes M ädchen eig
.,..« -s . »- 1!-s
llclcll, JIUTUUIV uuxt uuu«s un neues
siille des Zudranges litten. Es war
daher eine ganz natiirliche Folge, das;
sich die Frauen jener Zeit mehr wie je
geknechtet fühlten; es ja vielleicht - —
ihres gerangen Wertes wegen - - auch
wurden und sich davon zu befreien
trachteten. Das erste, etwas tat-ita
turenmäßige Resultat ihres Freiheits
dranges war dann die emanzipierte
Frau. Sie wurde aber bald von der
ernster Arbeit und geistiger Betäti
gung zustrebenden Frau verdrängt
Was die Frau jener vergangenen
Epoche nur selten besaß, das Selbst
bewußtsein, ist heute der niedersten
Arbeiterin zu eigen, und unsere jun
gen Mädchen schreiten mit einem stol
zen Gang durchs Leben. Wissen sie
doch, dass sie selbst es« sich Zurecht Zim
mern können, ganz nach eigener Will
lsiir’. Und"das ist das wahrhaft
Schönste. was der Mensch aus Erden
erringen kann.
Schlau.
Ein Arbeiter, der seinen Freund
auf ein Stündchen besuchte, bemerkte
zu seinem Erstaunen, wie dieser in
dem an der Wand hängenden Kleide
seiner Frau nach der Tasche suchte.
»Was hast Du denn mit der Tasche
von Deiner Alten vor, Ede?« fragte
er.
»Tia, siehst Du, Karle, die Sache
ist die: Wenn ich mal ’n bischen ge
winne, darf ich nicht wagen, das Geld
in meiner Tasche zu lassen. Jch weiß
aber, daß meine Alte nie aus den Ge
danken kommen wird, in ihrer eigenen
Tasche nach Geld zu suchen.«