Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 14, 1912, Zweiter Theil, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Nebraska
Staats- Anzetger uned II set-old
—
Jahrgang-Z 912 Wa- rTh ) -
Die Hindesseele
QWallner - Pallazz
Des Kindes fromme Seele
Jst sein wie Blütenstaub,
Jst wie der Glanz des Falters,
Jst zart wie junges Laub.
Sie tönt wie gold’ne Saiten,
Die sanst ein Hauch berührt,
Sie sprudelt wie ein Bächlein,
Das Dich durch Blumen führt«
Sie strahlt wie helle Spiegel
So klar und sleckenreim
Voll Liebe und voll Unschuld
Und mild wie Sonnenschein.
Sie ging als reinste Blüte
Hervor aus Gottes Hand,
Sie ist sein schönstes Kunstwerk
Und ihm daher verwandt.
D hüte drum die Reine,
Rühr« nimmer rauh sie an —
Es wär’ um ihre Unschuld
Fiik immer wohl getan!
Du stürzt sie von der Höhe
Jn Dunseiheit und Nacht —
Dtum dent’, was einst der Heiland,
Der Kindesiteund gesagt:
»Wer eins von jenen Kleinen
Um meinetwillen tränkt —
Dem märe wahrlich besser-,
Daß man ins Meer ihn sentt.«
Eom Yoth Hchictisac
Eine seltsame Geschichte von A.
HottneriGtefr.
Cora Vogt war meine Kindheitsi
gespielin und verstand es meisterhaft,
sowohl ihre Brüder als auch mich, de
ren Freund, zu beherrschen. Sie war
uns allen eine Ergänzung, der treueste
Kamerad, den wir uns wünschen
konnten, eine stete Helferin in der
Not. Da ihre Mutter friih starb und
ihr Vater, ein pensionierter General.
genug zu tun hatte, um seine zwei
Söhne zu erhalten, welche studierten,
ergriff sie, wie so viele, den Beruf ei
ner Lehrerin, den sie dann sehr gerne
ausübtr. Jch tarn nach wie vor oft
ins haus, lies; mich von ihr tüchtig
auszantem tanzte mit ihr auf allen
Ballen, lief mit ihr Schlittschuh und
brachte ihr jedes interessante Buch, des
sen ich habhaft werden tonnte. Denn
sie war sehr gescheidt und alles in al
lem ein ganzer, tüchtigen guter
Mensch. Sie gefiel auch überall, wo
hin sie kam. Aber zur großen Liebe
schien sie nicht zu taugen. denn wir wa
ren allmählich sechsundzwanzig Jahre
geworden — sie und ich — und Cora
Vogt behauptete nun seelenruhig, sie
sei zur alten Jungfer und Familien
tante geboren. Mit Problemen,
welche duntle Seelengebiete streifte-n
befafzte sie sich nie. Kürzlich aber hin
ten ihr Bruder Fritz und ich viel von
einem neuen Buch erzählt, welches uns
junge Medizinrr sehr interessierte Es
behandelte allerlei seltsame, hnpnotische
Versuche. Doktor hell. der Haus«-It
hatte gemeint. daß bestimmt ein gut
Teil Wahrheit — - freilich eine noch
ziemlich unausgeklärte Wahrheit —
in allen den merkwürdigen Gescheh
nifsen stecke, von denen das Buch er
zählt.
Während Cora Vogt heftig dage
gen erwiderte. batte Jemand leise ge
klepft und die Tür geöffnet. Auf der
, welle stand ein schlanken. großer
nn. viel älter als wir alle. Sein
aeifivolles Gesicht hob sich silhouetten
haft scharf ab gegen den dunklen Hin
tergrnnd.
»Guien Abend!« sagte der Eintre
tende. »Ich glaube, man hat mich
nicht gehört.«
Mein Freund Fritz sprang aus.
»O, Johannsen! Das ist nett, das-;
Sie nun doch einmal kommen! Cora,
erlaube, daß ich Dir unseren Sekun
dararzt vom Spital, Doktor Max
Johannsen, oorstelle.«
Sie standen sich gegenüber-, die bei
den hohen, schönen Gestalten. Das
Mädchen neigte freundlich den Kopf
und reichte Deren Doktor Johannsen
die hand. Und dann sahen sie sich
einen Moment toie scharf prüfend in
die Augen. Es war bloß eine flüch
tige Selunde. Aber ich, der knapp
daneben stand. hatte ein sonderbarei
Gefühl: War das nicht ein Funke ge
wesen, der aus diesen beiden Augen
paaren leuchtete und sich vereinteli
War das vielleicht die berühmte
»Liebe auf den ersten Blicks iiber die
wir so ofi gespotiet hattenli
Aber da sagte schqn Doktor Jo
hannsen mit einer sehr weichen, schö
nen Stimme
«Ja, Fris. übelnehmen darfst Du
Z
mir das nicht« dass ich nicht schon stü
her kam. Du weißt doch, ich bin in
jeder sreien Minute bei meiner tran
»ten Frau. Ich bin nämlich schon seit
zelm Jahren verheiratet«, fügte er
imie zur Erklärung sür uns Andere
hinzu. —- »Im ersten Jahre unserer
Ehe hatten wir ein Kindchem welches
tot zur Welt lam. Seitdem ist meine
Frau immer trank. Gelähmt.«
Es lag siir uns, die Jüngeren,
Sorglosen, etwas wie eine ungeheure
Tragit in seinen Worten. Aber er
selbst glitt schnell darüber hinweg.
»Worüber haben Sie sich denn ge
rade so start ereifert, als ich karn,
Fräulein Voat?« fragte er.
Cato erzählte, und er horchte ihr
mit einem sehr interessierten Ausdruck
zu.
»Es ist ein noch sehr dunkles Ge
biet«, sagte er dann. »Aber ich hatte
Gelegenheit, schon manchesmal recht
seltsame Sachen mitzuerleben. Und
eines steht fiir mich außer jedem Zwei
fel: manche Persönlichkeit iibt gerade
aus eine andere. bestimmte Persönlich
leit einen ungeheuren und bestim
menden Einfluß aus. An Gedanken
übertragung glaube ich felsenfest. Aber
auch hier mit einer Begrenzung: Ein
sehr willenskräftiger Mensch hat ge
wiß die Möglichkeit, durch sein streng
lonzentriertes Denken einen anderen
Menschen zu einer Tat, einer be
stimmten Handlung zu bewegen. Aber
eben nur dieser eine Mensch die
se n einen Menschen . · ."
Er berichtete iiber merkwürdige
Versuche. Da sagte der alte Haus
arzt plöhlich:
»Probieren Sie es doch einmal,
Doktor Johannsen, und beeinflussen
Sie Fräulein Cara!« s
Ich weiß nicht warum, aber ichsl
sprang hastig auf. »
»Aus nicht!'« rief ich erregt. J
Aber Cora Vogt war schon ausgeJ
standen. Ohne ein Wort zu sagen,
schritt sie zu Dr. Johannsen, welcher
sie ruhig ansah. Er ließ seine Blicke
auch nicht von ihr, als sie nun vor«
ihm stand. Ganz behutsam nahm er
ihre Hand in die seine.
Fritz hatte das Gaslicht zur Hälfte
abgedreht »damit die zwei ihre Ge-»
danken besser lonzentrieren lönnen«.
wie er sagte.
Dann entstand eine Pause. Man
hörte nichts, als vonr Garten her ei-.
nen miiden Amselruf und das Ticken
der alten Stehuhr. Und dann Tr.
Johannsens Stimme.
»Sie müssen allen eigenen Willen
ausschalten«, sagte er. »Sie müssen
sich ganz mir unterordnen. Jch will,
was Du willst, so müssen Sie den-i
ken.«
Cora entgegnete nichts. Aber ins
ihr blasses Gesicht trat ein Zug fast
wie Demut. Nie hatte ich sie noch
so schön gesehen, so weiblich hinge-»
bend, so ganz losgelöft von ihrer eige- :
nen. etwas stolzen, herrischen Natur«
Und wieder überlam mich eine selt-»
same Angst. Dr. Johannsens Antlitz;
erschien mir so hart; ein Zug ungeq
heurer Sammlung lag darauf . . . "
lind da geschah plötzlich etwas sehr
Seltsames. Cora Vogt schloß, wie
überwältigt von seinem Blick. die Au
nen, dann sank die hohe Gestalt in
sich zusammen, neigte sich tiefer und
tiefer —— und dann lagen sekunden
lang ihre Lippen auf seiner hand. . .
Doktor Johannsen erhob sich. Für
eine Sekunde lag der Ausdruck eines
ungeheuren Triumphes aus seinem
Gesicht. Dann fiel es wieder darüber
wie ein Schatten. Und ganz ruhig
sagte er:
»Das Fräulein hat eine sehr starke
Willenstraft die sich schwer einem
anderen Willen beugt. Dich habe mir
immer nur das eine aedacht: »Ich
musi, ich muß diesen Willen unter
werfen!'« Glauben Sie. dasi es mir
aeiungen ist? Jch habe die bestimmte
Ueberzeugung.«
Aber sowohl Doktor hill als auch
Fritz und ich hatten von dem Erlebten
einen so merkwürdig beängstigenden
Eindruck empfangen, daß wir froh
waren, als Johannsen bald daraus
wegging. Auch er war wortkarg und
schien in Gedanken. Fritz lud ihn
nicht ein zum Wiederkommen. . . .
Trosdem traf Cora Vogt häufig
mit ihm zusammen. Es hatte sich er
geben, daß seine traute Frau eine
Kinderbekannte von ihr war. Frau
Magda bestand mit dem Eigensinn
verwöhnter Leidender auf Coras Be
such und hing bald mit einer so sona
tischen Liebe an ihr, daß sie damit
das Mädchen förmlich quälte. Diese
überzarte, hellblonde Frau besaß eine
Fähigkeit, zu lieben, wie wenige. Aber
bisher hatte sie nur einen Menschen
aeliebt: ihren Mann. Und nun liebte
sie zwei. Allmählich gewöhnten wir
alle uns daran, jede Woche einen
Abend bei den Johannsens zu ver
bringen·
Die Zeit ging bin. Allmählich ver
gaßen wir beinahe auf jenen ersten
Abend. Nur wenn ich zurückdachte,
wie Coea früher gewesen, so siel mir
eine sonderbare Aenderung aus. Sie
war verschlossenen ernster, ost trau
rig. Der eigentümlich weiche, nach
giebige Zug in ihrem Gesicht blieb
darinnen. Johannsen gegenüber schien
sie fast scheu.
An einem warmen Frühlings
abend waren wir wieder bei Johann
fen. Aber wir warteten vergebens
aus ihn. Er kam nicht. Endlich er
schien ein Diener vom balteriologi
schen Institut, wo Johannsen arbei
tete, und meldete, der Herr Doktors
könne nicht kommen. Er habe sich an
der Hand verletzt . . .
Frau Magda bewies mehr Kraft,i
als wir alle ihr zugetraut hätteni
Sie hosste das beste und steckte unsJ
sast mit ihrer Zuversicht an. Cara»
erbot sich, die Nacht bei ihr zuzu-"
bringen, aber seltsamerweise dankte
ihr die Kranke und zog es vor, allein
zu bleiben. So gingen wir alle
heim, bedrückt und sehr still. Doktor
Hell schwenkte zum Spital ab. Ehe
er sich verabschiedete, sagte er noch zu
Corn:
«Legen Sie sich gleich nieder, Sie
sehen sehr schlecht aus Nevoltiert das
Herz wieder?«
Wie wußten es alle, daß Cora
dann und wann an eine-m Herziibel
litt· Aber jeder Arzt hatte uns der
vollständigen Gesahrlosigkeit ver
sichert
»Er ist vor ein paar Minuten ge
storben«, ries mir Dr. Hell am näch
sten Morgen entgegen. »Es ging von
Mitternacht an rapid. Bergistung.
Man muß noch sagen: Gottlob, daß
das Ende so rasch kam."
Jch war sprachlos. Er aber ach
tete kaum auf mich und fuhr ausge
regt sort:
»Diese Nacht tvar schrecklich!
-Schtecklich sage ich Jhnenl Jch
glaube, daß er ganz gut wußte, daß
sein Ende kam. Aber er sprach nicht
darüber. Er muß nur einen ein
zigen, surchtbar tonzentrierten Ge
danken gehabt haben, den Gedanken
an irgendeine Person, die er mit
aller Krast herbeiwünschte. Immer
wieder sormten seine Lippen ein
Wort: »Komm! Kommt« Aber aus
meine Frage, wer kommen sollte,
antwortete er nicht eine Silbe. Im
mer gespannter wurde sein Gesicht,
immer leidenschaftlicher sein Aus
druck. Und in allem Schmerz und
aller Qual stets nur dieses einzige
Wort: »Komm!« Wissen Sie, ichs
bin an vielen Totenbetten gestan-.
den. Man qewöhnt’s! Aber das
war entsetzlich!« 4
»Und das Gnde?« fragte ich.
atemlos. l
»Da-«- war leicht. Ganz diötxksch’
schrie er aus wie in einer wahnsinni-l
aen Glückseligkeit: »Da —- da ls7st
Dut« Und dann siei er zurück, einen
veritärten Ausdruck im Gesicht -
Jch weiß heute nicht mehr, min
mich sorttrieb aus dem Spital und
hin zu den Vogts. Aber ich mußte
bin. Die Wohnungstiir stand offen,
fremde Gesichter starrten mich .:n.
Und dann kam Fritz aus mich zit,
nsußer sich.
»Weißt Du es schon", .saqtc er.
»Weißt du es, daß sie tot ist?«
»Wer?«
Aber da hatte er mich bereits nach
dem Wohnzimmer gezogen. Und da
lag auf dem Diivnn, das schöne,
ernste Gesicht mit einem qliicksetiaen
Ausdruck der Morgensonne zune
wandt, Cora Vogt. Jedes Wort er
starb mir im Munde, eine so iilers
zeugende Sprache redeten diese
Züge. — —
Immer wissenschaftlich.
Professor (dessen Kollege beim
Uebergang iiber einen Steg in den
Bach siel): »Wie ist denn die Tempe
ratur, Herr Kollege?«
Schwierig
Bauer: »F möcht’ an Baroineter.«
Optiker-: »Hier ist einer, kostet 6
Mart.«
Bauer: »Scho’ recht, aber wie muß
i« ietzt dbs mach’n, daß es regnet?«
Kurs nnd bündig.
Richter: »Sie haben in dein Gast
haus den Hafen mit einem falschen
Geldstiick bezahlt!"
Anqeklagteu »Wie der Dass so das
Geld!« .
Noth-licht
Als heim er ging, blißte ein Schein
werferz
Da sah man die Wirkung vom Wein
schärfer-.
Wziifjsäiähkieniäiids "
Das Pharsonenlanb offenbart auf
Schritt und Tritt Gegensäße, wie
sie schroffet auch die ausschweifenb
sie Phantasie nicht auszumalen ver
möchte. Unwilliütlich fragt man
sich immer wieder, wie all das
nur möglich sein kann. Anspruchs
volle, massive Bauten, Paläste von
üppigen Gattenanlagen umgeben.
Bankbureaux mit luxukiösen Ausstat
tung und dicht daneben elende,
schmutzige Baracken. Die Scheriah
Maghraby in Kairo ist solch eine vor
nehme Sttaße; aber ein Blick aus die
Menschenmenge, die ausundnieder
wogt, bekehrt uns, daf; hier unmittel
bar neben europäischem Luxus afrita
nisches Elend ungescheut sich blqßstelli.
Ticht neben elegant gelleideten Frauen
arme zerlumpte Araber und Berber
lialbwiichsige Knaben und Mädchennn
mitleiderregende Fetzen notdürftig em
gehiillt, ftarrend von Schmutz, das
Haar wirr und kraus oder in Strah
nen herunterhängend «- ein Anblick»
zum Erbarmen. Die einzige Be
schäftigung, zu der sie von ihren un
glücklichen Eltern angehalten werden,
ist das unaufhörliche Balschischrufen,
gegen das man sehr bald abgestumpft
wird. Wirst man ihnen jedoch ein ab
gegriffenes Kupferstiick zu, dann dan
ken sie beglückt, laufen lachend davon,
um das Spiel von neuem zu beginnen.
hier begreift man, weshalb die
Gngländer der verwahrlosten Stra
szenjugend des grauenvollen Ostends
von London die Bezeichnung »Arabs«
beigelegt haben. Und selbst diese Lon
doner Jammergestalten reichen an das
Irlende Aussehen ihrer Kairener Schick
falsgenossen nicht heran. Immerhin
ssind die in den vornehmen Straßen
Hind Quartieren des äghptischen Paris
sherumlungernden Kinder noch unver
sgleichlich besser daran, als der gleich
Taltrige Menschenlehricht --- man ver
Izeihe das bittere übelllingende Wort
-—- in Alt-Kain. hier, in diesem un
rrgriindlichen Gassengewirr, in diesen
jeder Beschreibung spottenden Höhlen
sin die niemals ein Sonnenstrahl sich
ihineinstehlen kann, hier lann man es
isinnsällig miterleben, wie weit es der
’Mensch in der Anpassungsfähigkeit an
gewohntes Elend bringen kann.
Bei alledem sind diese so grauenvoll
verwahrlosten Kinder, unter denen sich
gar nicht selten recht schöne, intelligent
dreinschauende Gesichter zeigen, heiter,
harmlos, in jedem Augenblick zu
Scherz und Ausgelassenheit ausgelegt.
Ungestörtes Glück der Jugend, das al
len Elendes siegreich zu spotten scheint.
Aber in den entsetzenerregenden Laster
höhlen Alt-Kanns harrt ihrer zuwei
lein ein Los, das auch nur anzudeuten
die Feder sich sträubt. Man mufz bil
lig darüber erstaunen, daß die engli
sche Verwaltung, die hier in Aeghpten
schon mit manchem Schmutz aufge
räumt hat, derartigen, die Menschheit
schändenden Greuel nicht schon unter-—
drückt hat. Doch hinweg von diesen,
alle Danteschen Höllenbilder weit hin:
ter sich zurücklassenden Vorgängen, an
die man nur mit einem Gefühl, aus
Scham und Ekel gemischt, zuriiclden
len kann.
Alt-Kairo! Ein Wirrsal von Elend,
von Schmutz, von Lastern, von Ver-;
lommenheit —« und von gewerblicher;
Rührsamleit, die wiederum in Stau
nen und in Verwunderung versetzt.
Auch hier, neben den primitivsten
Handwertsstättem die großartigsten
Basare, in denen die lostbarsten Er
zeugnisse orientalischer Webereien, ein«
gelegter Metallarbeitem Holz-: nnd
Elfenbeinschnitzereien in sinnverwir
renden Massen zusammengestapelt
sind. Malerisch ist ja all das unor
dentlich und schmieria zusammengetret
gene Geriiinpel in den Verlaussbouti
len, aus den« Gäßchen und in den Win
lelchen allerdings —- und wirtlich sieht
man auch hier und da einen fleifzig die
bunttvechselnden Bilder aus die Lein
tvand hinzaubernden Malersmann «
aher scheuleich abscheulich bleibt’s in
Wirklichkeit doch. Einzig das melan
cholisch und wie in feierlichem Ernste
oder in gleichgültiger Verachtung sei
ner ganzen Umgebung dahinfchreitende
Kamel versöhnt einigermaßen unseren
Widerwillen und beruhigt unser
schmerzlich erregtes Gemüt. Und was
sich nicht sonst noch alles hier in diesem
Gassengetvimmel vor aller Augen, in
naivster Freiheit abspielt, das entzieht
sich gleichfalls jeder näheren Andeu
tung. Wir befinden uns eben im
Orient —- trotz aller aneuropäisierten
Lächerlichkeitem wie Oper, Varietes
und Wiener Cafes.
Der Khedive Jsmail Pascha, der
mitten durch das Ameisengewimmel
seines damals noch gar nicht einspä
isch gefälschten Kairo eine Pracht
ftraße, auf seinen Wink hin entstehen
und mit Ariadengöngen versehen ließ
— so gewissermaßen eine Rue Rivoli
—- hatte sich die Entwicklung seiner
Schöpfung anders dargestellt- Aber
die Jahrtausende alten Gewohnheiten
dieser Menschen waren stärker als der
Wille dieses aufgeklärten Despoten,
und so verfiel denn die unvolistürn
liche Pracht dieser Straße gar bald
und sie verlam in Schmutz und Ber
wahrlofuna wie ihre Umgebung, und
auch die jetzige enalische Verwaltung
hat bisher noch nicht vermocht, eine
gründliche Wendung herbeizuführen
Genug, daß an jedem Abende die
Straßenabfälle weggespült werden. ;
Um sich von all den widerwärtigens
Eint-rücken zu befreien, gibt es lein l
besseres Mittel, als sich dem Rücken ei- ;
nes Grautieres anzuvertrauen und;
über den großen altkairaner Markt
platz hinweg auf die Zitadelle und in
die Gräberstätten hinauszureitem Hier
die gewaltigen Mauern einer Saraze
nenberg — oder wer sonst von den ver
ehrten Herrschaften dieses iigyptische
Zwinguri errichtet haben mochte — die
weltberühmte Alabastermoschee mit
ihrem der Cheopsmoschee entnomme
nen mattschimmernden Steingewande
und drüben die grandiose Wüstenein
öde, die surchterregende Gräberstätte
so vieler, vieler dahingeschwundener
Geschlechter. Unter der phantastischen
Beleuchtung der untergehenden Sonne
wirkt die ganze, ohnehin schon un
geheuerliche erstarrte Szenerie gera
dezu beiingstigend, den Atem heuch
mend. Und dennoch bleibt man wie
durch unertlärliche Gewalten gefesselt
stehen und sieht dem untersinkenden
Tagesgestirn entgegen, dessen stumpf
blutrote Strahlen dem hellgraugelben,
wie wellig bewegten Sandrneere einen
unvergleichen Schimmer verleihen
Sogar der bis ins Mart ge
gen diese Sonnenuntergangsalltiiglich
teiten gleichgültig gewordene Eseltrei
ber steht wie in die unheimliche Far
benpracht versunken da und blickt in
die verglimmende Sonnenglut —- ohne
dafür ein Extrabackschisch zu verlan
gen.
Doch allzulange sich den träumeri
ischen Betrachtungen hier an dieser
iStelle hinzugeben, an der mancher das
Fürchten erlernen könnte, dazu ist kei
’ne Zeit heute. Denn der Geburstag
zdes Propheten wird heute in Kairo
wie in der ganzen weiten mohameda
»nischen Welt durch Voltsfeste aller
»Art gefeiert, und unser Berberführer,
Jder übrigens recht gut deutsch spricht,
zhat uns durch feine Beschreibung der
iherrlichteitem die unserer dort drau
ȧen in Abbazia, einem nach dem jew
"gen Khedive Abbas Hilmi benannten
»Bororte Kairos, warten, förmlich den
HMund wässrig gemacht. Leicht ist es
uns gerade nicht geworden, in die Fest
stadt hineinzugelangen Es galt erst,
Isich durch eine von feinzermahlenen
sStaubtörnchen erfüllte Atmosphäre
mühsam durchzuarbeiten Hunderte
und Aberhunderte von Wagen folgten
in mehreren Reihen hintereinander, so
dasz die zahlreich aufklebotenem übri
gens prachtvoll berittenen Polizisten
Mühe genug hatten, die immer wieder
sich förmlich zusammentnäuelnden
Fahrzeuge auseinanderzuwirrea Und
das war wieder keine leichte Aufgabe,
denn zwischen die Wagenreihen scho:
ben sich Hunderte von Bactschisch hei
schenden Kindern, von Zuckergebiick
und Limonade und Ketten in allen
Farben oder sonstigen Kleintram mit
unendlichem Geschrei den Fremden an
bietenden Beriäufern.
Es erschien ganz vergebliches Be
mühen, sich durch diesen Menschen
und Wagenwall in das Innere der
Feststadt hindurchzwiingen zu können.
Doch unser findiger Rosselenler hatte
irgendwo eine nur dünn besetzte Stelle
entdeckt, auf die er dann auch rückhalt
los hinstürmte. Soweit das überhaupt
in dem molligen Sande möglich war.
Schließlich war auch dies Hemmnis
iiberwunden. Und nun bot sich den
Eintretenden ein Bild von schimmern
dem Lichte, von glänzendem Rot in den
den ungeheueren Festraum umschlie
ßcnden Zelten dar, wie man es sich
wirklich nicht vorzustellen vermag.
Man glaubte sich in eine Märchenwelt
versetzt. Eines der sattroten Zelie im
mer prächtiger, immer phantastischer
geschmückt, immer herrlicher erleuchtet
als das andere. Licht und Glanz und
Farbe strahlten diese Zelte aus, und es
schien, als ob von ihnen eine festliche
Lichisrendigleit in die Gemüter der
nach vielen Zehntausenden zählenden
Festbesucher sich mitteilte.
Die Menschen waren fröhlich ge
stimmt, heiter, harmlos, und nirgend
wo hörte man jenes briillende Ge
treisch, jenes ohenzermartende Gebrüll,
Gepseise, Gejohle, ohne das bei uns
Vollsbelustigungen nicht denkbar sind.
Die erstaunliche Genüasamleit dieser
braunen Naturlinder und des Prophe
ten klug diesem heißen Klima ange
paßtes Verbot berauschender Getränle
tragen zusammen das ihrige dazu bei,
daß bei aller Zerlumptbeit der einzel
nen das Ganze eines solchen Volls
festes einen wohltuend gesitteten Ein
druck hinterläßt. Und über dieser
Leuchtzauberslut schwebte ein milder
Vollmond, der mit seinem mattröt
lichen Lichte die ganze Szenerie in ei
nen ganz unbeschreiblich weichlichen
Glanz einhüllte. Man konnte sich von
dieser Farben- und Lichtstimmung gar
nicht loslösenz immer wieder zog es ei
nen willenlos in diesen magischen
Lichtkreis. Und mit wie verhältnis
mäßig einfachen Mitteln wurde diese
zauberisch zwingende Wirkung erreicht,
die unser Gemüt geradezu in Fesseln
schlug. J. K a st a n.
Eine deutsche Rhetnmünduns.
Der Plan einer Verbindung des
Rheins mit der Nordfee auf deutschem
Gebiet durch einen großen Schiff
fahrtslanal hat, wie eine Berliner
Korrespondenz schreibt, jetzt greifbare
i Gestalt angenommen. Es hat sich ein
fKomitee aus beteiligten Körperfchaf
sten und einzelnen Persönlichkeiten ge
lbildet, dem unter anderem die Stadt
Emden, die Handelslammern zu
Köln, Harburg und Altona sowie
Fürst Salm angehören. Dieses Ko
mitee hat die Mittel zur Aufstellung
eines völlig durchgearbeiteten Projek
tes zur Verfügung gestellt. Das Pro
jelt ist inzwischen von zwei namhaften
Architekten fertiggestellt worden, und
wird nach erfolgter Drucklegun dem
nächft den Regierungen, dem Reichs
tag und den Parlamenten der Bun
desregierungen sowie allen an der
Frage interessierten Körperfchaften
zugehen. Bisher hat die preußische
Regierung zu der ganzen Frage noch
keine Stellung genommen.
Der Kanal soll nach dem Entwurf
bei Wesel vom Rhein abzweigen, in
der Richtung der holländischen Grenze
laufen und westlich Leer in die Eins
einmünden. Die Kosten sind unter
Zugrundelegung ziemli hohevGrund
erwerbpreise auf 235 illionen Mart
veranschlagt. Diese Summe erscheint
ansich zwar ziemlich hoch, sie bleibt
jedoch noch immer hinter den Kosten
des Rhein-Hannover--Kanals zurück,
der mehr als 250 Millionen Mk. er
fordern wird. Abgesehen von den
außerordentlichen Vorteilen, die ein
solcher Kanal der deutschen Schiffahrt
und der Stadt Emden bieten würde,
fällt für die Beurteilung des ganzen
Plans seine Bedeutung für die Lan
deskultur ins Gewicht. Denn der Ka
nal durchschneidet in feiner ganzen
Länge das Bourtanger Moor, dessen
Kultivierung durch den Kanalbau er
möglicht würde Die sich hieraus er
gebende Besiedlungsmöglichteit gro
ßer, jetzt völlig wertloser Gebiete,
dürfte für die Stellungnahme der
preußischen Regierung dem Projekt
gegenüber nicht ohne Einfluß sein,
nachdem der Entschluß der Regierung
zu einer planmäßigen Kultivierung
der Moor-e nnd Oedländereien durch
die oorjahrige Thronrede kundgege
ben ist.
——«—-A
Geographir.
Fällt mir da neulich — es war ein
heißer Nachmittag - — irgendwo eine
Zeitung in die Hände. Jch lese aus’s
geradewohl:
» ..... Die nächste Stadt von eini
ger Bedeutung ist -.Odessa Freilich
hat Odessa, da sie abseits von der
Hauptstrasze liegt mancherlei Nach
teile
»Hm denke ich, Odessa « von ei
niger Bedeutung -—- abseits- von der
sStraßeJ und lese weiter:
» »Von Odessa geht die Straße in
seiner vollkommen geraden Linie nach
Smyrna und weiterhin ebenso schnur
gerad nach Dover....«
Na, denke ich, schnurgerad nach Do
ver von Odessa - hat sent die Hitze
meine Wahrnehniungssiihigteit ge
trübt? - s und lese weiter:
»Von hier aus führt die Straße
mitten durch Berlin, eine Stadt, die
seit einiger Zeit ganz nett aus
strebt-.
Ganz nett aufstrebt? wiederhole ich
und fasse an die Stirn· .. aber lese
s weiter:
. .aber der Weg von Rom nach
Merito ist ebensoweit wie von Rom
inach Syratus: hochstens drei Stun
iden braucht ein gutes Automobil.. .«
s Ja, zum Teufel, sag’ ich, was ist
denn das- siir eine Zeitung?
Da war es die »American
Auto News«, welche die Autowege im
Staate New York beschrieb.
Unter Freundinnen.
»Was, Kitty, glaubst Du, daß es
noch eine Figur gibt wie imeine2«
»Es gibt schon Deine nichtt«