Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 12, 1912, Zweiter Theil, Image 14

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    ----- E in Edelmarder Z CZF E« WITH-»Hm
ffffffvvvvvvvvss---.----.
. (l. FortsejungJ
LUeberraschungenund Ge
« he i in n i f s e. »
Die leiten Worte waren an ver
Treppe gesprochen, dir zu welcher
Sie-knarrt v. Pleißenbach seinen
Freund begleitet hatte. Da dieser das
weitere Geleit aber-ehrte, nickte et ihm
.nech einmal sreunotich zu und trat
dann zurück. Einen Augenblick blieb
er horchend auf dem hellerleuchtetcn
Vorsnal stehen« dann murmelte er:
»Man hört keinen Ton mehr, der Un:
terrichst scheint also beendet, da werde
ich gleich zu Georgine hineingehen und
iar »von diesem Besuche eines alten
Freundes erzählen Ich bin fest über
zeugt« daß Mariens ihr gefallen wird.
zumal wenn er etwas auf ihre Interes
sen eingeht. Ob er dazu freilich im
Stande sein wier Ich glaube, er ver
steht bliywenig von ver Kunst.«
Indessen schritt Herr v. Mariens
die Treppe hinunter und trat auf die
Straße hinaus-. Unten wartete der
Landauer des »Hotel de Prasse« auf;
ihn, der Lohndiener riß geräuschvoll4
den Schlag auf und schloß ihn ebenso;
laut wieder, nachdem er die Weisungl
in Emspfang·genommen hatte: »Zum
Hotell« Etwas schwerfällig tlettertez
darauf der Edle zum Kutscher auf den 1
Bock, die Pferde zogen an und der»
Wagen rollte zum «Preußifchen Hofs;
Dort von dem refdettdouen Gras
des Portiers und den gefchmeidigen
Verbeugungen des Obertellnerå ein-:
pfanaen ging Herr v. Mariens den
Kortidor hinunter zu dem neben dem
Speifesaal gelegenen Rauchzimmer.
Jm Vorbeigehen war sein Blick auf
einen großen bunten Zettel mit schwar
zen Figuren gefallen, und als- ihm
sest der Oberlellner den Uebetzieher
Oel-nahm fragte et: »Wie beißt der
Zirius, der hier Vorstellungen gibt?'«
»Fürst, err Baron, die Produktio
nen sollen ehr gut fein; es ist fast je
den Abend aus«-verkauft«
»Wenn fängt die Geschichte an?««
»Um sieben«
herr d. Martens warf einen Blick
auf den Regulator. »Jetzt ift es erst
fünf, der Abend wird noch entsetzlich
lang werden. Schicken Sie gleich nach
der Kasseneröffnung hinüber und las :
sen Sie mir ein Billet holen«
»Seht wohl. Befehlen der Herr
Baron wieder den Wagen?"
»Nein, ich werde zu Fuß gehen.
Laffen Sie oben bei mit beizen«
Der Obertellner verschwand mit ei
nem zweiten »Seht wohll« und here
o. Mariens nahm eine Zeitung, bis
ihm gemeldet wurde, fein Logis fei
durchwärmt. Dann suchte er dasselbe
aus und erst unmittelbar vor Beginn
der Vorstellung fah man ihn wieder
dies breite Treppe hinuntergehen und
aus dem Hoteltreten —
Der Ci.rkus lag kaum fiinf Minu
ten vom »Preußifchen Hof« entfernt
auf einem freien Platz, Freimarkt ge
nannt. Bis weit ihinaus auf densel
ben klang die lärmende Musik der
Elektren-della Als Herr o. Mariens
feinen Platz eingenommen hatte, war
die erste Piece schon zu Ende und die
Clmns machten unter dem bekannten
lauten Geschrei und grotesken Ka
priolen ihr Entree. Martens widmete
ihnen keine Beachtung, sondern mu
fterte durch das Opernglas das Pu
blikum. Auch die folgende Nummer:
.Der kleine Eugen Fürst in seinen
Voltigen auf ungefatteltem Pferde«
termochte ihn wenig Ju interessiren,
trotz dem der kleine Mann feine Sache
vortrefflich machte. Erst als sent
Fräulein Wanda Sumiroff, die be
rühmte Schulreiterin in die Arena
einritt, schenkte er der Vorstellung
größere Aufmerksamkeit
Es war aber auch ein fesselndes
Bild, diese schlanle und graziöse Ge
stalt ihr Pferd in den verschiedensten
Gangarten und Wendungen tummeln
zu sehen, wie der Rappe dann nach
dem Takt der Musik einhetschreiten,
wie er Verbeugungen machen mu te
mit regelrechtem Kniefall, wie ie
· Reiterin ihn um mehrere einzeln aus
gestellte Stühle im Tanzschritt herum
lenkte und daran die Stühle der
Reihe nach umwerfen und wieder aus
richten ließ, wie er endlich mit unbe
dingter Sicherheit in schnellster Gang
art über die hohen Barrieten setzte,
welche zu sechsen dicht hintereinander
ausgestellt waren.
s Etwas, was an den slavischen Th
pui erinnert hätte, woraus doch der
Name schließen ließ, fand man aller
dings nicht im Gesicht der Dame.
Das mächtige Galdhaar, welches in
dichten Fleehten unter dem hohen
.« schwarzen, mit blaue-n Schleier gar
nierten Hut hervorquell, die dunkel
blauen Augen unter den schön ge
schwungenen Brauen, das schmale
Qual des Gesichtes mit dem llassisch
geschnittenen Prof-il und dem freund
liches Munde. dessen Oberlippe etwas
in die höh- gemeu tm — M
Isei hätte eher aus eine Engländetin
ais ans eine Russin schließen lassen.
M ans dem Zettel bezeichnete sie
Den Direktor Färst als eine Russin
s-« M der here Direktor sauste doch
« · .-fäI,W W am beiden kennen.
.s"' II eher-IMP- Mt SUCH-W
—- feoensalls erregte sie das Entzücken
des Publikums. Herr b-. Mariens
wandte kein Auge von ihr, er batte
sich weit vorgebeuat. es war, ali ob ber
scharfe Blick. mit dem er die Dame
fixierte. sie mit magnetischer Gewalt
zwingen wollte, zu ibm binijberzuse
ben. tlno in ber Tat begegnete fett
ibr Auge dem seinigen, ja ein scharfer
Beobachter hätte bemerken können, daß
in diesem Moment Fräulein Sumi-.
rosi sich leicht ver arbte unb ihre
Lian welche sonst mit so sicherer
Hand den Zügel führte. Unwilltiirlich
izucktg so daß der Rappe eine falsche
kBeweguna machte und fast aus dem
lTatte gekommen wäre. Doch ging das
sAlleS so schnell vorüber, daß wohl
Ischtverlich von dem ganzen Publikum
mehr wie Einer es bemerkte. Dieser
Eine war aber Herr v. Martens.
Er erbob sich, als die Reiterin bie.
Arena verlassen hatte, und als sie ietzt «
wieder erschien, um dem Publikum
siir ben Abt-laue mit einer araziösen
Verbeugung zu bauten, klatschte Nie
mand lauter wie er. Dann machte er
eine Bewegung, als wollte er seinen
Plan verlassen. aber sich plötzlich ans
bets besinnenb. setzte er sicb wieder und
sah die nächsten Vieren bis zum
Schluß der ersten Abteilung mit an,
jedoch mit einem Gesichtsausbruck,
dem man deutlich anmerten tonnte,
baß er nicht wußte. was er sab. Wie
erleichtert erhob er sich beim Beginne
der großen Pause und stieg bis zum
Büsset hinab, wo der spekulative Re
staurateur nicht nur Erstischungen
aller Art, sondern auch eine ganze
Anzahl drächtiger Bouauets bereit
hielt. Herr v, Martens wählte lange
unter denselben, bis er sich siir einen
Strauß weißer Rosen mit einer dun
kelrvten Camelie in der Mitte ent-—
’schied. Doch beeilte er sich nicht, da
»mit aus seinen Plan zurückzutebrem
selbst nicht als die Musik den Beginn
;der zweiten Abteilung anzeigtr. Er
zsegte sich vielmehr aus einen Stuhl in
»der Nähe des Büfsets. ließ sich ein
T Glas Punsch aeben und verwickelte den
-Nestaurateur in ein Gespräch über die
Heinzelnen Mitglieder der Trupve, wo
bei er auch aus Fräulein Suiniross zu
sprechen kam. Aber so lebhaft der
Wirt in das Lob auf dieselbe ein
ftinimte, nähere Auskunft über ihre
Verhältnisse wollte oder konnte er dein
Fragenden nicht geben. nicht einmal
die Wohnung der Dame konnte er
ihm nennen. »
Endlich suchte Herr d. Mariens fei
nen Plas wieder aus. Wanda Sumi
ross hatte als vorletzte Nummer das
Apportirpserd Mirza vorzusiihren.
Als sie in reichbordierter Stallmeistee
Uniforin erschien. welche ihrer schlan
ken Gestalt in der Tat ganz vortreff- i
lich stand. wurde sie von frenetischemä
Beifall eint-sangen und als sie ihre«
Produktion beendet. -war Martens’«
Bouauet keineswegs das einiiae.. wels
ches ihr der Dank des Publikums
spendete. Aber es war das einzige,
welches sie aufhob, und daß das nicht
ohne Absicht geschah, konnte man deut
lich an dein Blicke erkennen, welchen sie
dankend zu Herrn v. Mariens hin
übersandte.
Eine flott gerittene Quadrille in
prächtigen vatiimen bildete den
Schluß der Vorstellung, noch einmal
ballten die Bretterwände von lautem
Beifall wieder. dann drängte das Pu
blikum in dichten Massen hinaus in’s
Freie. Auch Mariens verließ diej
Bude, mehr von den Anderen gesehn-H
ben. als daß er sich selbst bemüht
hätte, den Ausgang zu gewinnen. Un- ;
schliissig blieb er dann vor dein Cirkus J
stehen und ging mehrere Male aus und ;
ab, bis er sich einem hellerleuchteten
Restaurant zuwandte, welches demsel
ben schräg gegenüberlag.
Er knüpfte auch hier nut dem preu
ner, welcher ihn bediente« ein Gespräch
an über die Kunitreitertruppr. Ob die
Mitglieder wohl in diesem Lokal ver
kehrten? —- Dann und wann. — Ob
sie Geld sehen tießen? — Gewiß, sie
wären immer bei Kasse, Kredit habe
noch Keiner in Anspruch genommen.
Ob sich wohl auch Damen hier zeig
ten? -—— Nein, dieselben lebten über
haupt sehr zurüaaezogem — Damit
waren Martens’ Nachforschungen be
endet.
Er blieb, nachdem er sein Svuper
eingenommen, noch eine Zeit lang
sicen und trant langsam seinen Wein
zu der Cigarre, welche er angezündet
Sinnend sah er den sich kräuselnden
Rauchwalten und den Ringen nach,
welche er einen nach dem anderen ans
dem Munde entlieszs" Dann verlangte
er einen Adreßtalender und begann in
demselben zu blattern
»Wie komme ich von M zum Ho
tel de Pensse’?« fragte ersärsellnen
nachdem er bezahlt
»Wenn Sie aus descctt getreten
sind, bitte ich, sich rechts zu wenden
nnd dann nur immer gerade aus, die
breite Straße hinunter, Sie können
gar nicht fehle-U
»Und wohin komme ich, wenn ich
mich links wendek —
Du die drückensteaße.« «
«Dielelbe führt zurn Flus?«
Der Kellner bejahtr. ·
«Liegen jenseit des Flusses auch each
Häuser?«
»Seit-VI
»Ist das ein eleganter Stadtteil?«
»O nein. Es wohnen dort nur
arme Leute. auch viel GesindeL Man
nennt? die polniiche Borstadt."
L »Hm, th Dante.'«
. Als Herr v. Mariens wieder unter
freiem Himmel war, ging er, ohne sich
zu besinnen. nicht nach rechts. seinem
Hotel zu. sondern wandte sich linls
und schlenderte die Brückenftraße hin
CUf. Ein heftiger Wind trieb ihm
vereinzelte Schneeflocten in’s Gesicht,
über den himmel zogen eilig schwere
graue Wollen. Der zitternde Schein
der Gasilarnmen wurde von den
Platten des Trottoirs zurückgeworfen,
welche der schnell schmellende Schnee
rnit einer nassen Decke überzog. Es
war sehr still auf den Straßen, in der
Tat war es auch lein Wetter· um Je
manden zu einem nächtlichen Spazier
gange zu verlocken.
Noch stiller war es aui der Brücke
welche über den Fluß führte. Auf
das Geländer gestühh blieb Herr von
Mariens stehen und sah mit demsel
den sinnenden Blick, mit welchem er»
vorhin den Rauchwvllen seiner Ci-»
garre nachgeichaut. auf die dunlelnj
Wogen hinunter, welche sich rauschend
und brausend unter dem engen Leu-J
ckendogen hindurchzwängten. » ;
Ein rotgetder Schimmer. weiche
ihm plöhlich aus dem Wasser entge-?
genglönzte, ließ ihn aufbtieten. Es
war der Restex des Mondes, dessen
helle Scheibe sich iiber der schwarzen
Linie der entfernten Festungswertel
langsam erhob. Mariens Augen»
folgten dem Gestirn, wie es aufsteigend j
einen immer helleren und reineren
Schein annahm, während sich sein
Umfang allmählig vertleinerte. Jeht
zog eine dunkle Wolke dariiber hin
und verhüllte die silberne holbiugei
mit ihren schwarzen Schleiern. Der
einsame Beobachter wandte sich"zutn
Weitergehen.
Während er am Geländer gestanden
hatte, war ein zerlumpter. etwa zwölf
jiihriaer Bursche hinter ihm vorüber
gegangen, welcher eine jener melancho
lischen Weisen vor sich hintriillerte.
wie sie die slabischen Volksstämme fos
sehr lieben. Trotz der winterlichenj
Nacht war er nur mit einem grsbieis
neuen, schmuhig:grauen Hemde betteisj
det und einer vielfach zerrissenen und
oft geflickten Hofe von unbestimmba
rer Farbe. welche ihm viel zu lang
und daher unten weit in die höhe ge- I
trembt war. Die nackten Füße ftatenx
in Holzschuhem die laut auf deml
Siraßenbflafter Hunderten
Ter Knabe ging die breite Straße»
hinunter, welche am anderen Ufer des ?
Flusses begann und schnurgerade fort- z
lief, aber nur von niedrigen ärmlichen ;
häusern begrenzt wurde. MartrnsT
folgte achtlos dem Voranfchreitenden,
war es ihm im Grunde doch ganz
gleichgiltia, wohin ihn sein Spazier-.
gang führte. welchen er nur unter-!
nommen, um die unruhigen Gedankens
zu ordnen, welche in feinem Kon ihr»
wildes Wesen trieben. Da fah er,"
wie sich der zerlumpte Bursche plötz
lich bückte, einen Stein aufgriff nnd
damit nach einer Gaslaterne zielte.
Jm nächften Augenblick war Mariens
bei ihm. »Halt, mein Junge,« sagte
er ruhig« indem er mit eisernem Griff
das Gelent der Hand faßte, welche den
Stein hielt, »woru diese unnötige
Zertriimmerung stiidtischen Eigentu
meö?"
Der Knabe sah trotzig zu ihm auf
und liesz den Stein fallen. »Was aedt
Sie das an?" knurrte er. »Sie sind
nicht von der Polizei.« .
Mariens sah überrascht in das
Antlitz des Burschen. Zwei pracht
’oolle, tiesduntle Augen glühten ihm
daraus entgegen, wie sie Murillo tei
nem seiner dezaubernden Betteljungen
schöner gemalt bat. Auf die freie
Stirne fiel tastanienbraunes Haak in
wirren Locken herab, welches trotz der
vollständig mangelnden Pflege weich
und glänzend erschien. Nase und
Backentnochen deuteten taucn bemerk
bar aus den llaoischen Typus an, rei
zend war der Mund mit seinen vollen
Lippen, so viel übermitthiaer Trotz
ihn auch umspielte.
»Die Polizei ist nahe genug,« ent
gegnete here oon Martens auf die
letzte Bemerkung des Knaben, »soll ich
Dich etwa aus die nächste Wachtstube
führe-ist«
«Warum wollen Sie sich so oiele
Mühe meinetwegen machen?« lachte der
Bursche.
»Weil Knaben Dein-es Alters um
diese Stunde in’i Elterndaue gehö
ren. Warum bist Du nicht dort, son
dern treibst Dich auf der Straße
herumäsp
»Das geht Sie wieder nichts an,
das ist meine Sache. habe ich Sie
schon gefragt, warum Sie hier herum
laufen?«'
Mattens mußte innerlich iider diese
Inton lächeln, der, ditbsche und
weht. Aeußetlich aber lieh et sich
nichts merken. sondern hob drohend
den Stock. indem et sagte: «hiit’ mak.
mein Junge, noch eine solche Antwort
und ich priigle Dich auf der Stelle
windelweich. Stedft Du mir oder
artig Rede. lo mäte es möglich. daß
ich Dir einen Groschen schenkte. Als-:
warum bist Du nicht zu Hat-si«
»Weil ich dort Schläge deiomcne."
»Warum?«
»Weil ich nichts verdient habe. «
»Damit sollst Du Geld verdienen?«
»Damit auch Vater und Schwester
Meita Geld verdienen, mit Bettean
»Und das hat deute nichts eingetta
gen Z«
»Nein. Was kann ich dafür? tBin
Ittosige Straßendude gefiel idm immer
)
F
ich schuld daran wenn die Menschen
so bartberzig sind?«
»Wie viel mußt Du täglich nach
Haus bringenis
»Vier Groschen zum mindesten.
»Willst Du mir versprechen. direlt
nach Hans zu geben« wenn ich Dir die
oier Groschen schenke?"
Der Knabe sah verlegen zu Boden.
«Nun?«
»So-blaue beläme ich doch, weil es
schon so spät ist. "
»Aber wenn ich mit Dir ainae und
sagte, ich biitte Dich bis ietit in mei
nem Dienst gehabt, wollte jedoch das
Geld dasiir Deinem Vater selbst ge
ben. damit Die es nicht unterschliiast.
würdest Du dann auch Schläge be
tommenim
»Nein. Schläge nicht. höchstens einen
Fußtritt. aber —« der Knabe stockte.
«Nun, aber —« drängte Mariens
«Zu essen belame ich auch nichts,«
vollendete der Betteljunge, indem er
mit seinen schönen Augen halb listig.
halb verlegen zu Mariens empor
blickte.
Dieser lachte. »Dann muß ich auch
wohl dasiir sorgen,·' meinte er, jedl
erst die Hand seines Schüslings los
lassend und das Portrmonnaie aus
der Tasche ziehend. »Hier hast Du
Geld,« subr er sort, indem er dem
zerlumpten Burschen eine Münze
reichte, Jene Spelunle dort scheint
noch ossen zu sein. Oele Dir Brod
und Wurst. komm dann aber gleich
hieher zurück.«
Der Knabe verschwand in der de
zeichneten Boutique, urn nach wenig-n
Minuten rnit feinem Einkauf zurück
zukehren. »Nun oorwiitts,« befahi
Mariens. »Dein Abendeffen kannst
Du unterwegs verzehren.«
Mit beiden Backen tauend trabte
der Zerlumpte neben feinem Befchiiyer
Zunächst führte er ihn die breite
Hauptftraße noch eine Strecke hinun
ter, bog dann aber rechts in eine Ne
bengaffe ab und von diefer wieder
nach einiger Zeit lints in ein noch
fchmateres Gäßchen, an dessen Ecke
eine Gastaterne brannte. Es waren
erbarmtiche hätten, welche ihr Schein
beteuchtete, von Lehm errichtet, nie
drig, rnit halb erblindeten Fenstern.
Als Mariens dem Zerlumpten weiter
in das Gäßchen folgte, fühlte er, wie
fein Fuß in den weichen Schlamm des
Bodens einfant, ein widerwiirtiaer
Geruch umfing ihn; eine Biegung ent
zog jetzt die beiden Wanderer dem
Licht der Laterne und nächtliche Fin
fterniå umgab sie, denn der Mond
ftand noch nicht hoch genug, um in
diefe enge Gasse feine Strahlen feu
iden zu können. Sind wir noch nicht
Ibatd an Ort und Stelle?« fragte
Mariens ftehen bleibend.
i »Gleich find wir da.« lautete die
lfliifternd gegebene Antwort, »dort das
sang mit den zwei Fenster-U
Vergebens strengte Mariens feine
Augen an. et vermochte nichts Bei
stimmtes zu unterscheiden. »Geh nur
dorsn«' gebot er feinem Führen »di)
will hier warten. bis Dir geöffnet
wird.«
Der Knabe wiirgie den lehten über
großen Bissen seines Brodes hinunter
und hufchte davon. Man hörte. wie
an eine Türe get-echt wurde und dann
die bittende Stimme des Burschen
..Vatet. Meiji. macht ani. ich bin’s.«
Er mußte Wochen nnd Ruer meh
tere Male wiederholen bis ihm geöss
net wurde Ein großes itarltndchi
ges Weib erschien in der Türe, bes
leuchtet von einer Stalllaterne, welche
Isie hoch in der Linien hielt, während
ihre Rechte einen starten Priigel
schwang.
»Vo11enoraten. rommn Un eno
lich?« treischte sie dem Knaben entge
aen und tniidste daran eine ganze
Flut tpolnischer Verwiinichungen,
welche Martens unverständlich blie
ben. Dabei schwang sie fortwährend
drohend den scniivoelv aber der Knabe
hielt sich in vorsichtiger Entsernunz
iede unsanste Berührung mit dem ge
siirchteten Instrument vermeidend.
Jetzt hielt herr v. Mortens es an
der Zeit, zu interbenieren. »Ich bin
schuld daran, dah Euer Bruder so
spät nach Hause lommt.« laate er.
aus die Türe zutretend .,Bis seht
habe ich seine Dienste in Anspruch ge
nornmen: damit er aber seinen Lohn
nicht oerschleudere, habe ich es iiir
besser gehalten, ihn hieher zu beglei
ten und Euch das Geld zu geben-«
Er reichte bei diesen Worten der
Person ein Markstiick. welches die
selbe rnit Verwunderung betrachtete
und dann einen noch erstaunteren
Blick auf den eleganten Herrn wars,
welcher so plötzlich oor ihr aufgetaucht
war. Gleich sah sie ihrem Bruder nur
in der vollständig unzureichenden
Kleidung. sonst iihnelte sie ihm durch
jaus nicht. Tie Vanentnochen waren
Jbreic die Nase platt. der Mund un
Iverhältnisntiißig groß und das ganze
lGesicht vom Branntweinaenusi aufge
sdunfen und getötei. Die kleinen
grauen Augen tvaren rotgeriindert.
Hdas strohsarbene Haar hing ihr vorn
Iin wirren Steahnen m die Diana
twiihrend es hinten in einen bald wie
der ausgelösten Zapf zusammenge
slochten war. Wie schon erwähnt,
war die Gestalt groß und mass-n die
plumpen Hände verrieten ungewöhn
iiche Ktast und die entblößten Arme
zeigten Muskeln, weiche einem Schif
serinecht alle Ehre gemacht haben
würden.
Jetzt ließ sie den Prüget fallen und
ariis mit der Rechten nach dem Sil
berstiick. während sich ein widerliches
Grinsen iiher ihr breites Gesicht legte.
»Sie sind seht aiitia, mein Heu-",
sagte sie, »wenn ich Jhnen irgendwie
nähen kann, so beiehlen Sie iiber
Jhre gehoriame Dienerin.«
Mariens bemerkte, wie sein Schütz
ting hinter dem Weibsbild in das
Haus schlich und nicht vergaß, den ge
sahrtichen Kniippel mit sich zu neh
men. »Es ist schon gut," nickte er
dem Mädchen zu und wandte sich zum
Gehen. Bis zu der Biegung des Gäß
chens versolgten ihn die Strahlen der
Stalllaterne, welche das Weib, ihm
nachbiickend. hoch erhoben hielt, und
die lauten Danteobetheuerunaen, die
dem breiten geinsenden Munde ent
wollen« Er atmete ani, als er die
hauptstrasie wieder erreicht hatte und
ihm der Nordwind mit den Schnee
sloclen eine scharfe, aber reine Lust
entgegenltieb.
Gortsesung solgU
-«--..—-- s
Iiss Ies- seies-«eteueee«.
Nach der nenesien Statistik brachle
das Jahr 1911 nicht weniqer nls 1100
neue Marlenpnsgabem ron denen
inerlnsiirdiqermeise die Mehrzahl aus
Asrila entsiel. Aber schon das lauen
besonnene Jahr bat Manns-geben qes
bracht So hat Bulgarien ans An
laß der Großiiihrigleit des Kronprin
zen Botis Posllatlen gesclkassekr. Die
ivelsgeschichilichen Ereignisse, beten
Schauplad ietzt das Reich der Mille
isl, werben iiber kurz cder lang ihren
Widerschein anch aus vie chinesischen
Marien wersen. Schon die Aenvernnq
des Wappens-. Durch die on Stelle des
fliegenden Drachen die silnssarbige
Fahne meint-nd hierzu zwingen, even
to wie die in französischer und chinesi
scher Sprache aehaltene - Umichrift
»Kaiferliel·'· Chinefischen Post. Die
Schilder an den chinesischen Postänp
tern sind bereits umaeöndert worden,
und to werden auch bald die Paiiwerti
zeichen folgen. Die jetzt im Kurs be
findlichen Matten sind seit It bis 4
Jahren im Verkehr. Seine Wirkung
auf die Philatetie hat der-krieg in Tri
polcö nicht verfehlt. So hatte z. B
Benqbast noch während des Krieges ei
ne Marle im Nennwert von 20 Pf.
herausgegeben. die jeder Sammler fiir
25 Pf. haben konnte. Man nahm
nämlich an, daß von dieser Marle
noch aeniiaeude Menaen von den dort
gen Postiithrn zu beziehen wären. Da
stellte sich heraus-. daß die Aussagean
be diekerWertzeichen nur 10,000 Stück
betrug, und laum war dies betannt ge
worden, als der Preis in weniaen Wo
chen von 25 Pf. auf 10 M. das Stück
emporfchnellte. Wer aber mill es dem
Privatverlehr oerdenten, wenn er aus
den Zeitverbiiltnissen den entsprechen
den Nutzen zu erzielen sucht, da selbst
die Reaierungen aus alten Martea
Vorteile zu ziehen wissen! So stellte
Bayern seineBeftände in älteren Mar
ten im Renntvert von »- und 5 Mart
zum Verlauf, und zwar trnnte Jeder
diese Poitzeichen erhalten« der minde
stens 10 Stück taufte. Die Nachfrage
war so groß, daß die zum Verlauf ge
langten II.8,000 Stück in einem Tage
vergriffen waren. Die Türlei hat ei
kürzlich ähnlich gemacht. Sie verlauf
te die Reftbeftiinde älterer Ausgaben
mit der Versicherung, daf; weitere Be
ftiinde davon nicht vorhanden wären.
Plötzlich fanden sich aber ncch recht lie
dentende Posten der gieichen Art vor,
und auch dieie wollte die Regierung
auf den Marit bringen« Die Antäu
fer der erften Bestände erhoben jedoch
Einspruch, ein Berliner Rechtsanusaii
nolnn sich ver Sache an, nnd der lie
faia war, daf-. der Weilen-erian diefek
Marien unterdlied. — Taaeaen fisckt
die deutsche Reich-weit den Handel mit
Briefniarien, tvsnigftens fcsoeit es
deutsche Poftsoertezeichen sind, zu er
schweren Sie tut dies dadurch« dafz sie
die Marienf die auf Packetndressen ins
Ausland neben, mit einem Lock- ver
sieht. Dadurch find die ausländischen
Poftnerwaitunqen verhindert, diefe
Marien zu verlaufen. Dem deutfchen
Paitveriehr lann dadurch eine be
trächtliche Mehreinnairme erwachsen,
weit die Sammlu, di-: im Auslande
nach deutschen Marien Verlanaen tra
gen. fich diefe nun auf biefe Wege nicht
mehr verschaffen iönnm Es wird be
fiirchtet, daß die fremden Staaten
das gleiche Verfahren einschlagen trcri
den, fo daß der Jmpcrt von abaeftern
reiten Marien mit Hilfe des Paletvers
tehrg unterbunden werden dürfte.
Der Graf non
Monu- Christo
Tuba M
Lesen Sie den interessantesten Roman
aller Zeiten, das an Abenteuer-i reiche
Leben de
Gtafkn von Maule Christo
von Itexandre Dame
Redeu diesem unvergleichlich spannende-:
Rosen enthalten die beiden Hände no« zwei
weitere sicut-me:
Ein Grab an der Kitmyofgmankk
von Julie pure
vquuuknyof von A. sei-by
Ju dee Ossice dieser Zeitung zu haben
preis der 3 BomonkgxolnøDoggen-Urahn Drum-Kur 75 Cis.