Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 12, 1912, Zweiter Theil, Image 10

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Essisssszxsgxzmsssm Im Moorgarten k»-?:"2««,
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(2. IsttietzungJ
.Et iii wie sein Zeiten« mutmelte
. Sie sah her kräftigen großen Ge
» li nach, bis sie ihren Blicken enz
fsmtsden war. ernee hehanbelie
Oens Jeden sie respektvoll, nie machte
fer kleine Scherze mit ihr wie Wolf.
Der konnte seht liebenswürdig, aber
ais-eh abscheulich hochmütig lein, gerade
wie seine Mutter.
Die hübschen Stubenmädchen mußte
Vaseiichen vor ihm verstecken, weil er
nichts weiter dabei fand, sie hin und
wieder zu küssen.
Viertes Kapitel
Der Moorgarten war ein langge-v
streckies ichtnuckloses Gebäudek dem
man ansah, daß es einstmals nur ein
einfaches Bauernhaus gewesen war.
Jede Generation hatte daran verbei
fert, mit dem wachsenden Wohlstand
versucht ihm ein heteschaiilichetes
Gepräge zu geben. Es war keiner ge
lungen. Trotz des ausgesetzten Stock
weeies und der vor ver Front sich
ausdehnen-den Terrasse mit ver beei
iea Freiireppse hatte es seinen ur
sprünglichen Charakter behalten. »Es
ist wie sein Heri, dem beständig der
sauer im Nacken sitzi«, pflegte Frau
Linde zu sagen.
Joch-en Töubner unterwarf das
Haus vor seiner Heirat einer gründ
lichen Renodierung. Der Speisekaal
im Erdgefchoß mit allen der Ncuzeit
entsprechenden Anforderungen sowie
ein Salon mit traulichen Nischen nnd
Iossfortabler Einrichtung waren das
Entzücken aller Gäste. Das Reizend
ße im ganzen Hause blieb stets Frau
Linde-s Boudonn Noch jetzt, nach
Jahrzehnten erkannte man, daß es
dereinst eine liebende Hand geschaffen
hatte.
Den größten Reiz des Weingar
tens bildete der große Pari, von dem
das Gut seinen Namen herleitete. Ge
rade wie am Hause hatte auch hier
« de Generation erweitert und derbes
t« Das ariißte Verdienst daran siel
jenem Christian Täubner zu, den das
-Wasser hinaus in die See getragen.
Er war ein Gärtner und Tränmer
eewesen Im Frühling, anstatt hinter
dem Pslune herzugebem hatte er die
Pferde allein laufen lassen, reglos war
er mitten im Felde stehen geblieben
und hatte dem Voaelgesang gelauscht,
gleich wie der Mönch vom Heister
bach. Bostetts wallte er im Pakt nn
legen, in denen die Vögel einen Un-4
terschluvf fanden. Schon den nächstens
Tag pflanzte er Snringen, Goldre-!
gen und Schneeball, die noch jetzt im·
Iriihling durch ihr üppiges Vliiheni
Auge und Geruch erfreuten. Abends,
wenn Eltern und Geschwister ermü
det von schwerer Arbeit am Tisch
einichliesen, saß er und las von den
Rosenfeldern in Schirkå Ein Mör
chenland mußte das sein! Mit offe
nen und geschlossenen Augen träumte
er, er hatte das ganze Haus mit einem s
großen Rosengarten umgeben. Sonn-s
tog nachmitt«ag, während die anderen!
pseisenrauchend vor der Tür saßen,!
ging er an den Feldraim Rosenwild-(
linge zu holen. Mit aeschickter öandz
deredelte er sie Daß der BaterI
doch nicht beständig über seine Narre- l
tei gebelsert hättet Und als er einess
Tages in bestiaern Zorn Christianz
Pileglinge auf-riß und sie ihm vor die
Füsse warf, rannte er in seinem!
Schmerz tief hinein in den Bari nndl
warf sein ganz verfahrenes Leben ins
Wasser.
.- - l
Nnt fuhr aus dein Schlafe
Nelln, Der Fuchs, scharrte vor der
Haustür und wartete auf seinen
Herrn. Mit freudigem Wiehern be
grüßte sie ihn.
Rut fah ihm vom Fenster aus nach,
ais er fortritL
Rasch vollendete sie ihre Toilettr.
Geräuschlos verließ sie das Zimmer.
Unten im Vorsaal erwartete sie Mam
sell Babettchen. Rut sah sogleich, daß
sie bekümmert war.
»Baroneß wissen doch, daß der Herr
Amtsrat jeden Mittag ein gutes Stück
Ochsenfleisch auf dem Tisch haben
Voller-, und da hat mir aeftern die
gnädige Frau durch Franz sagen las
sen, das set ein ordinäres Essen. Im
mer will sie einen feinen Schnicks
schnach und nun ist auch noch die
gestrichmeelerin Edeiine da - --«
abettchen hatte Tränen in den Au
.Richten Sie einige Mutcheln mit
Ragoutsin an, und lassen Sie die mit
dem Ochsenfleisch zugleich servieren.«
»Meister! die Baroneß?'« Babettchens
Gesicht bellte sich auf. »Und dann gibt
Des als hauptgericht junge hiihner.·«
»Auf bät-mische Art gebacken, sehr
gut, Zisuletn Babettchen, und zu gn
Qer Lest Weines-eine geit?«
Mantiss war einverstanden
»Gut Wohltat isi’s, mit der gnädi
pseoses den Küchenzettel zu be
MQI Baroneß sind tote zur Guts
Imh sparen nnd sollten immer hier
W.
sitt Alte das Blut ins Gesicht
. die set nnd seit-, vie sie
» » erstlich war entschieden
W
;- »O MI- abretkevc murmelt
f-.-..-II-IIIIIIQIIIIIvsfvs v
hinans in den Port trai, und es ihr
rot und gelb entgegenflgnrmie, hellre
er sich wieder auf. Wahrlich, der
Herbst war ein unerreichbarer Künst
ler. Als ob die Sonne einen Teil ih
res Geldes auf die hohe Ahorngruppe
fiibertragem fa leuchtete ihr Blätter
lgewand Wie stolz die Dahlien noch
ihr haupi trugen. Rul schnitt davon:
fo viel ab, als sie erreichen konnte. !
Auch von dem bunten Herbftlernhl
nahm sie Nun stand sie auf der Ter- i
rasse und band einen Strauß. Tief
hing die blutrote Jungfernrebe nieder.
Ihre Ranken legten sich über Rats
braunen Scheitel. Ganz vertieft war
sie in ihre Arbeit. Sie wollte den
Kaffeetifeh fchkniicken. Onkel Jochen
mußte bald zurückkehren.
»Gulen Morgen, liebe Rut.« Wolf
stand vor ihr.
Warum fchral sie zusammen? Das
hatte sie bei feinem Anblick noch nie
getan. »Du bisi schon auf, nnd fonfi
pflegst du der letzte zu fein«, ihre
Stimme klang gepreßt. Eine rote
Kakiusdahlie entfiel ihrer Hand.
Wolf hob sie auf. er gab sie ihr
nicht zurück. Unverwandt hingen feine
Blicke an Rut. Sie war ihm noch nie
fo fchiin erschienen wie in diesem Au
genblick mit ihrer strahlenden Jugend.
über ihr das Gersnl des wilden
Weins.
Rut fühlte instinktiv, daß etwas
Außergewöhnliches kommen mußte.
Sie wollte fortgehen ,doch ihr Wille
versagte ——— die Füße waren wie fest
gewinselt
.,Deiuetwegen, Rut, bin ich zeitig
ausgestanden, ich muß dich iprechen.«
Yeich umschmeichelte sie Wolfs
Strmrne, er hatte ihre hand ergriffen.
sie war eislalt der große Strauß
fiel zu Boden. Das junge Mädchen
verstand nicht« was Wolf sagte, es
war, als ob es hinter ihrer Stirn
brauste, dazwischen hörte sie deutlich
Rellys Tritt. Alle Farbe war aus
ihrem Gesicht gewichen, ihre Knie zit
terten —- sie war sich selbst eine ganz
Fremde. Plötzlich ging ein Ruck durch
ihre Gestalt, Rut hatte» die Schwäche
überwunden. »Laß mir Zeit«. wollte
sie sagen, da iab sie in Ontel Jochenz
Augen, das Aufleuchten das Zwin
gende in seinem Blick. Sie hatte tei
nen Willen mehr. Noch immer hielt
Wolf ihre Hand in der seinigen. sie
entzog sie ihm nicht. So standen sie
oor dem Vater.
»Wir bitten dich um deinen Segen«,
hörte sie Wolf in ernstem Ton sagen.
Zwei traftoolle Arme umschlossen
sie. »Sei mir willkommen als meine
liebe Tochter.« Jochen Tänbner drückte
sie fest an seine breite Brust nnd tiiszte
sie auf die Stirn. »Daß mein Her
zenswunsch so schnell in Erfüllung
geht!« -— Der sonst so ruhige Mann
war erregt. »Und dn willst es wirt
lich mit dem Taugenichts wagen Z«
Kein Ton tam über Rats Lippen,
nur so viel stand fest, ein Nein würde
es nicht gewesen sein. Sie schlang die
Arme um Onkel Jochens Hals, ein
Gefühl des Geborgenseins, der Sicher
heit übertam sie
«Gott gebe seinen Segen«. sagte der
Amtsrat herzlich.
Wolf tiiszte seine Braut. Jrn Hause
wurde es lebendig. Die Gäste fanden
sich im Speisesaal ein.
Ein launiger Zug glitt über Jochen
Täubners Gesicht. Er konnte taum
erwarten, den Anwesenden die Reuig
teit zu verkünden. Doch zuerst mußte
die Mutter-sie erfahren. Er faßte
Wolf-Z nnd Rats Hände und trat mit
ihnen hinaus in den hellen Sonnen-s
schein. .Frau Grete! Frau GreteSI
Linda, Linda!« rief er mit Stentor-?
stimme. -
Frau Major von Hollnegg hatte
ihre Toilette noch nicht beendet und
lugte durch dieGardinenspalten. »Was
ist denn los?" ries sie. Bei dem An
blick, der sich ihr darbot, vergaß sie
i ihr Neglige und alle Vorsicht
»Unser neuestes Braun-nar! Sie
geben doch Ihre Einwilligung, Frau
Grete?«
»Mein Kind, mein liebes, liebes
Kind«, stotterte die Majorin. Jn dem
selben Augenblick wurde sie sich ihrer
mangelhasten Toilette bewußt: im
schleimigen Zurückziehen klang ihr Ja
wie ein boppeltes Echo.
»Gottlob, Gnttlob!« ries sie. Rasch
wollte Frau Grete das Kleid überstrei
sen, ihre hönde zitterten und waren
unfähig, die Haken zu schließen. Sie
mußte sich erst mal niedersetzen, die
Freude war selbst für ihre kräftige
Natur zu groß.
»Was Tiiubner siir Standal macht!
Gewiß zantt er die Knechte aui«,
murrte rau Linden Da tlopste es
an der kir, ihr Mann trat in das
Zimmer
«Wols hat sieh mit Rat verlobt.«
Linda sah plöslich Ierzengerade im
. »Von —- —- sieh verloht!
Bist du verrückt
Sie hatte die Augen weit gesssnet
und sah ihren Mann wie geistesabwe
send an.
- ssi si- gzgissk M
s, . e t «, an
FOR-Eistreter Arm. s
k Der Amt-M war bete-essen, an ie
M Miskeit von sind-I
-----v--------------- s- ----
PSeite hatte er nicht gedacht. »Mensch
iß es wahr. Gott sei Dank!«
? »Nun gehört er ja nicht mehr mir«,
schrie die Frau laut auf und brach in
ditierliches Weinen aus.
s »Aha Einda, sei doch vernünftig.
Wolf muß eine tluge charakter este
Frau haben, ich sagte dir ja ge rn
fchon, welch große Sorge mir sein
Hang zum Spieten macht. Er liebt
Rut, an ihrer Seite wird er ——«
»Ach, so meinst du es«. unterbrach
ihn Linda lebhaft. »Die Jdee ist nicht
schlecht. Wenn Wolf nun mal unter
den Pantoffel tonunen soll —---— darauf
läuft es doch hinaus —— ist mir Rut
von allen die liebste. die wird auch
darauf halten, daß er im Regirnent
bleibt«, und triumphierend fügte sie
hinzu, »der haft du wieder den Or
weis, wenn ihr Töudners gute Frauen
haben wollt, holt ihr sie euch von den
Hollaeggs.«
Das Brautpaar trat an das Bett
der Mutter.
»Mein Wolf, mein einzig lieber
Junge . Rut. daß dir ein solches
Gliick widersährt.«
i ,Der junge Mann umarmte dieMut
er.
»Wir-A du mich noch ein wenig lieb
behalten?« bat sie fast demütig
.·Du bleibst mein goldiges Martia
chen, und Rut wird dir eine sehr gute
Tochter sein.«
»Ich will dir gern alles zuliebe tun.
was in meiner Macht steht, Tante
Linda.«
»Wirtlich? Ach, Kinder, ihr seid
reizend. Nur viel zu jung zum Hei
raten, Wolf erst siinsundzwanzia und
Rut noch seine neunzehn —-- die rein
sten Kinder.«
»Mama, jung gefreit hat niemand
gereut-« — Wolf legte den Arm um
seine Braut. »Habe ich nicht guten
Geschmack, Carissima? Rut gleicht dir
ausfallend, ein Grund mehr-, dass ich;
sogleich mein herz an sie oerlor.'
»So lieb hast du deine Mutter
mein hergenswols.' Lindaz dünnekk
Stimmchen tlang zärtlich. .Jch war.
viel zarter als Rut, nicht so groß undj
nicht so braun. Liebes Kind, du bisti
verbrannt und mußt lünstighin deiss
nen Teint besser pflegen. So! Undj
nun geht zu Tante Grete, ich möchte(
aufstehen-« »
Die Maiorin war so gerührt, daßs
sie gar nichts sagte, Rut und Wolf
abwechselnd in ihre Arme schloß und
dazu weinte. Trotzdem bemerkte sie,
das Ruts Toilette der Situation
nicht angemessen war.
«.s!ind, zieh schnell dein Organdy
tleid an«. riet sie.
Frau Grete wollte dee Tochter beim
Umlleiden helfen, aber da siel ihr ein,
daß sie Willn sofort von der Verlo
bung in Kenntnis setzen müsse, auch
die Töchter wollte sie benachrichtigen.
Jn ihrer Eriegung begann sie bald
dieses, bald jenes, suchte nach Brief-—
papier und Feder — « obgleich beides
vor ihr lag, fand sie doch nichts und
warf auf NutsSchreibtisch alles durch- s
einander. Dazwischen weinte sie. Als!
sie ihr Batisttuch hervorzog und dabei
in der Tasche Willhs Rechnungen mit- H
erfaßte. faltete sie die Hände und be-!
tete in einer frommen Anwandlunges
»Der Herr hat Großes an uns ge-«
tan.« E
heiße Glut schoß in Nutz Gesicht.
Etwas Häßliches troch iiber sie hin.
Ach, es war ja nicht nur das Gliiel
ihres Kindes-, das die Mutter in die
sen fast berauschten Zustand versetzte.
heftig saszte sie ihre Hände. »Mut
ter, bersprich mir. dasi du Onlel
Jochens Güte nicht fiir Willy in An
spruch nehmen wirst.«
,.Aber Kind, was find denn sur
Jochen Täubner so’n paar tausend
zMäriet Er muß doch auch feine
»Gründe haben, daß er aerade dich als
iSchtvieqertochter wünscht Rein aus
? dem Mäuschen ift er vor Freude.«
; Geschick han- W Gut-, wah
lrend fie mit der Tochter sprach, die
Rechnungen unter eine Mappe gescho
ben. ’
An der Tiir klopfte das Stuben
mädchen. »der Herr Amtsrat ließe die
Damen bitten«, Mutter und Tochter
ginan foaleich hinunter
Beim Frübitiick oertiindete Jochen
Täubner die Verlobuna· Es gab ein
allaemeines Gratulieten und Hände
fchiitteln. Dabei vermißte der Haus
herr ieinen älteften Sohn.
»Er ift auf dein Anftand«, beeiite
sich Lea von Tondern zu fagen.
Hans Jochen« ....Nut hatte lich
bei dem Namen leicht verfärbt Eine
jähe Ante-ff. ihn zu leben, befiel fee.
Da fühlte fie Onkel Jochens Hand
auf der ihrigen —- die Bellemtnung
war wie weggeweht.
Franz trug die Renigleit hinunter
in die lEiche.
»Verlobt find sie, der junge hkm
Wolf nnd saroneß RulI Die rede
in den hofentafchen pflanzte er Ich
vor Odems-en auf.
«Wolf und Rut«, wiederholte fle
familiiir. »Was Sie da fnaten,
Franz, Sie find wohl ganz unllng«,
erfchroelen feste sie sich auf den II
nächfi stehenden Stuhl.
»Me, Mai-elect del weeß tck besser
wie Sie«, Zwei berllnerte gern ein
bißchen. «Ver here Ums-at hakt ge
--s-------s------------7
s; t, und per her-r Wolf hat ihr je
k t.·
»Er hat mir auch getilßt«, ries
Mine, das teete blonde Küchenmiid
chen. -
Halt dien Snut, durntne Deern«.
verwies Babettchen streng. »Nein,
das ist doch rein lonträr gegangen.«
.Wieso denn? Weshalb denn?
MamselL Ihnen braucht die Herrschaft
bei ihre Verlobungen nicht um Rat zu
fragen. Jck habe det längst kommen
sehen. Wo Baroneß Rut stand, stand
ooch ver Herr Wels«. Franz sah her
ablafsend auf Babettcherr.
Die saß noch immer wie geknickt.
»Richtig ist das nicht«, murmelte sie.
»Me, richtig is das nich·', echote es
irn tiesen Paß aus einem Winkel der
Küche. Roßwe, bang Jochens Bur
sche, war es. Er paßte Messer und
nahm nie viel an den Unterhaltungen
der Dienstboten teil.
Das Frühstück wurde heut’ länger
als sonst ausgedehnt, die Unterhaltung
kwar lebhaft.
v Nur Leo don Tondern war still.
Zum ersten Male neidete er den Tiiubs
ners die Millionen. Er selbst besass
nichts als seine Leutnantbgage und
einen mageren Zuschuß « srei nach
dem herzen wählen wie die Täubners
lonnte er nicht. Da siel sein Blick aus
Hans Jochens leeren Plan. «Armet
Kerl«, dachte er unwillkürlich.
Leo don Tondern hielt es siir seine
tnmeradschastliche Pslicht, ns Jo
chen unter vier Augen von olss Ver
lobung in Kenntnis zu seyen.
Jm·Vorsaal trat ihm der Erwarsp
tete mit dem Gewehr aus dem Rücken
entge en.
»J das Frühstück noch nicht been
det?« sragte er verwundert. Es war
»
·
i
»ihm keine angenehme Perspeltioe, mit?
seinem hossen und Bangen in einem
großen Kreis weilen zu müssen
»Der Morgen hat uns bereits eine
Ueberraschung gebracht, lieber Täubs
ner.«
Hans Jochen horchte aus. Tondern
sah niedergeschlagen aus, dazu das
fröhliche Lachen im Speiiezirniner.
Warum wurde Hans Jochens draus
nes Gesicht plii lich fahl?
»Nun, was i ess« sragte er kurz
und schross.
»Wols hat sich mit seiner Kusine
Rut oerloht.«
Hans Jochen zuckte zusammen, als
habe ihn ein Schlag getrossen. die
Sprache versagte ihm. dann suhr er
empor: »Mensch. das ist nicht wahr
--- ist nicht möglich«. schrie er laut
aus und saßte den Kameraden hestig
am Arm.
»UntGotteswillen. Tiiuhner, schreien
Sie nicht so, man hört Sie drinnen."
Tondern war erschrocken von dem
elementaren Gemütsausbruch und
versuchte. den Freund sortzuziehem der
hörte nicht.
«Rut hat meinen Brief nicht erhal
ten, sonst könnte es nicht möglich sein
.. .. »Roszner!« ries er laut in das
Souterrain hinunter.
Jm nächsten Augenblick stand der
Bursche vor ihm er mußte die
Treppe hinausgesloaen sein«
»Herr Oberleutnant?«
»Hast du den Bries an Batonesz
Rut adgegeben?«
; »Hu Beschl, ja. Jch habe ihn in
jBaronesz ihr Zimmer gelegt, wie der
sHerr Oberleutnant besohlen."
; »Er wird zu spät in ihre hände
igelangt sein«, murmelte hans Jochen.
»Sieh nach, ob er noch dort liegt , de
fclhl cr
Der Bursche lprana davon.
,,Töubner, sind Sie denn des
Kuckuckzs Beaehen Sie doch teine lln
überlegtheiten«, sagte Tondern in hel
ler Verzweiflung. !
»Laisen Sie mich, ich muß Gewiß i
heit haben." j
Noßner kehrte zurück- ,.Der Briesx
ist fort. Ich weiß auch, daß Baronesz;
vorhin in ihrem Zimmer gewesen!
sind.«
»Es ist aut.«
Der Bursche machte Kehrt.
»So hat sie selbst entschieden«,
schwer lehnte Hans Jochen an der
Wand -—- er war wie zerbrochen·
Tondern legte den Arm um seine
Schultern. MKommen Sie, Täubner,
niemand darf Sie in diesem Zustand
sehen. Gehen Sie hinaus in den
Wald. Jch werde nachher veranlassen«
daß Sie ielegraphisch nach Berlin zu
rückgerusen werden und noch heute
abreisen müssen-«
»Ja, ja, Tondern, tun Sie das
nur«, sagte Hans Jochen mechanisch,
willenlos ließ er sieh von dem Kame
raden sortzieherr.
»Lehren Sie kurz vor Essenizeit
zuriich bis dahin ist die Depesche ein
gegangen. Und nun, Täubner. neh
men Sie W- nichi zu seht zu her
zen. Die Liebe ist silr manchen bitter.«
Sondern sah dem z rennd nach. wie
er schwerfällig dahin chritt, bis das
Vuscheoerl ihn verdeckte.
Jn stummer Verzweiflung wars
Hans Jochen sich unter einer Buche
nieder-. Leise rieselten die gelben
Wdiiiiier aus ihn.
Iiinstes Kapitel.
Rai war mit der Mutter nach Vei
mar JUNGE-L -
Wolf schrieb ihr jeden Tag.
Das junge Mädchen sianv am Fen
fter nnd fah zu, wie der Wind die les
ten Blätter von den Bäumen Fauste.
Der Brief war ihrer band entglitten.
Eis stand so gar nichts drin, treydem
er volle vier Seit-In lang war.
Sie seufzte-leise. Jm Grunde ge
nommen kannte sie Wolf recht wenig
sie wußte nicht einmal, welcher Art
seine Interessen waren. Ihre Unter
ltungen hatten sich meistens um
agd und Alltäglichteiten gedreht. Er
hatte eine elegante Art zu plaudeen,
hin und wieder ein antnvt hinzutver:
sen. Zehn in dier Entfernung, ver
mißte sie etwas, schrieb sie ihm. wußte
sie nichts zu sagen. Mit Hans Jochen
würde das nicht der Fall sein. Wie
hatte er früher in Metz. trotzdem sie
damals noch ein Schulmiidchen war.
anregend mit ihr geplündert. und
tvenn es nur galt, ihren Aufsatz durch
zunehmen. -
Ein Regenschauer schlug an das
Fenster, der November war recht un
freundlich.
Freilich, im Mvorgarten hatte Hans
Jochen sich nicht ein einziges Mal mit
ihr unterhalten.
Rut streifte sich mit ver Hand über
vie Stirn . . . . und nun war sie Wolfs
Braut. Ihre Freundinnen beneideten
ste.
Wieder solaten Rats Blicke dem
Spiel des Windes. Wie arirnmig er
die kahlen Aeste peitschte. Jm Moor
garten würde es recht still sein. On-«
Jlel Jochen weilte alk- Reichstagsabge-(
;ordneter in Berlin. Nut hatte Sehn
Jiucht nach ihm, nie quälten sie in sei-(
Ener Gegenwart irgendwelche ZweiseLj
Die Mutter trat herein. »Da lients
wagrhastig der Liedesbries aus demi
Fu boden!a
Rut blickte sich und hob das Schrei-. i
ben.auf.
. »Mit deiner überlegenen Ruhe bist
du wie geschaffen, deinen Mann der
singt zu dirigieren«, suhr die Mutter
or .
Sie hatte sich«seit Nutz Verlobung
verjüngt. »Das schreckliche Rechnen'«
wurde ihr vom Moorgarten Jus in
mancherlei Weise erleichtern Jede
Woche schickte Babettchen ein solides
Variet, ntn Frau Gretes magerer
Speisetammer aufzuhelsem Willys
Rechnungen hatte sie nicht« wiederge
sehen, wahrscheinlich waren sie auf
Nutz Schreibtisch liegen geblieben
und von dort an die ri lige Adresse
gelangt. Als Frau Gre den Miet
zins entrichten wollte, war er schon
bezahlt. »Wie in einem Märchen
ist·5«, sagte sie oft· Nutz Aussteuer
wollten Töubners übernehmen Nur1
Spihen hätelte sie meterweise.
' Rat würde sich von Onlel Jochens
Wohltaten hedriictt gefühlt haben,I
wären sie nicht in feiner Weise ausge:
iibt worden. Jn dern Gedanken an
Onkel ochen schwanden ihre ansstei
genden « weisel.
Wolf hatte sich-v siir Sonnabend ans
gemeldet. Rut machte sorgsam Tot
lette zu seinem Empfang sie wußte.
daß er Wert daraus legte. Nun stand
sie ans dem Perron und wartete ans
den Zug-« Sie wünschte. freudig er-«
regt zu sein. aber ihr Herz schlug nicht
rascher als sonst.
Der Zug fuhr ein.
Wolf stand am offenen Fenster und!
warf ihr eine Kußhand zu. Sie wars
fast fravdiert von seiner schönen elesl
ganten Erscheinung. Ein stolzes Ge-j
fühl schwellte ihre Brust, als sie ans
seinem Arm durch die Stadt ihrerl
Wohnung ruschritten. s
Wolf preßte zärtlich ihren Arm«
»Den Kameraden, den Manne-nä
tornmandeur, allen habe ich von inei
ner schönen Braut erzählt, nlle sind
neugierig, dich zu sehen.« Jn der klei
nen Gartenoilla war es riesia gemiit
lich. Wols zeigte sich voll zarter Auf
merksamteit fiir die beiden Francn.«
Nutz vornehme Ruhe imvonierte ihm,l
dazu war sie so lieb· Er tüßte ihre
Hände nnd sagte ihr unzählige
» Schmeicheleien
; Der Abend verging rasch. Als Rnt
lini Bett lag, überlegte sie sich, daß sie
Feige-strich nichts Vertrauen«-s gespw
chen hatten. Das war wohl bei den
meisten Brantpanren to.
Den nächsten Morgen ionr es win
terlich talt, aber die Sonne schien.
Wols hatte seiner Braut einen pracht
vollen Nosenstrausz aus den Katletisch
gelegt. Rat war entzückt davon. Eine
jede der Rosen ist dein Ebenbild«,
sagte er in ihre Bewunderung hinein.
Ein Schatten slog über Rufs Ge
sicht. Es lag nicht in ihrem Sinn·
das Ertönt-et oon gestern sortzuseyem
«Uielleicht eben wir eine Stunde
in das Goethe uc?« schlug sie vor.
Sie machten sieh sogleich aus den
Weg. Ein trlistiger Wind blies oon
den Bergen und tötete die jugendli
chen Wangen.
Das schöne distin uierte Paar fiel
in der tleinen Re denz aus« viele
Blicke folgten ihm.
Das Gotthehaus war schnell ek
reichi. »
»An Einfachheit läßt die Bude
nichts zu wünschen übrig«, sagte Wolf.
Des Yltinzte im Vorsaal das Salve.
AND du dich nicht gleich beim
.
,------—s-s
Eintritt in dieses Dass-is der Alltägliehg
teit entrückt?«
s «Lieber Schan. im Zusammensein
mit dir bin ich immer nnd über-all der
Alltiigiiehteit entrückt.«
»Ach, bitte, nieht so«, wehrte Rut.
»Hier aus dieser Stätte verseke ich
mich ganz in die Vergangenheit nnd
habe jedesmal das Gefühl, ais müsse
der große Mann mir entgegenstehen-«
»Mein mir höchst unangenehm,
iiebe Rut. der-wackere Herr würde sich
zweifellos in dich verlieben, war er
doch sein Lebenlang ein recht gefahr
lieher Schwereniiter.«
Rat war auf den kleinen Altan ge
treten und biiette hinaus in den Gar
ten. Wie so Innnehesmni hatte der
Dichtersiiest hier das neue Leben in
der Natur, ihr Mühen und Sterben
gesehen und mitaeiiihit. Der Wind
wehte Rat ein diitres Blatt vor die
Füße, sie biiette sieh und hob es ani.
Es diinite sie wie ein Gruß. Da
iiihite sie Woiss band anf ihrem
Arm. Sie zuckte zusammen.
»Ich bin nicht sonderiich im Goethe
betvandert«, sagte Wolf, während sie
die Treppe hinnusstiegetc »Wind er
mal im Theater gegeben, na da
geht man eben nicht hin.'·
»Aber man lernt Goethe doch nicht
im Theater tennen.« Rnt war et
stannt über diese Auffassung.
Gortsesnng folgt.)
—,--—-4
Dle serluftttlte der Industrie-.
Vierzigtausend Tote, an zwei Mil
lionen Verwundete. die gleiche Zahl
und mehr Sieche, frühzeitig erschlasft
und marode —- das iit die Verlustliste
aus dem Jndustrietrieg der Ver-. Staa
ten . .. Das ist der Tribut, den jedes
Jahr der weitverztveigte Industriebe
trieb in diesem Lande allein sordert·
Wir zitieren diese Zahlen aus dem
Buche des hiesigen .,Atneriean Museum
os Sasetn", welches in der richtigen
Erkenntnis, daß sieb gar viele Leben
der Industriearbeiter erhalten ließen,
wenn die Fabrilen und die Bergwerle
und die Transporlgesellschaften und
all die anderen, die zu diesem ungeheu
ren Verlust an Menschenleben ihr Teil
beitragen, mit den besten und modern
sten Schuttvorrichtungen versehen wö
ren, vor mehreren Jahren hier ein Mu
seum zum Lerrsen und Belehren ge
gründet hat« Würde ein prosesftonels
ler Agitator. dein nur daran liegt. Un
zufriedenheit nnd Unrast wachzurufen,
diele Zahlen nennen, wir wären ver
sucht, sie für übertrieben zu erklären.
Aber diese Gesellschaftf die in dem Ge
bäude der Engineering Sorieties, 29
West st9. Str., eine Lehranstalt für
Arbeitgeber begonnen hat, will irr ge
rade zu dem besseren Verständnis Uri
schen Arbeiter und Kapital verhelfen,
und der Unzusriedenheit derer, die täg
lich ibr Leben auss Spiel setzen müssen,
den Grund benehmen.
Verpestete Arbeitsriiume, ungesunde
Werkstätten. unreines Trintwasser,
schlechten Ventilation, trngeniigenden
Schutz gegen Feuereeesahr, allzu gra
ße Waghalsigteit, um einen »Trist« in
dieser Industrie oder jenem Unterneh
men möglich zu machen. Rücksichtslo
sigteit gegen die, welche unter all und
jeden Umständen arbeiten müssen. wol
len sie nicht verhungern, all das sind
Gründe, weshalb, hier mehr als in
jedem andern Lande, die Zahl der
Opfer so gross ist« Kein moderner
Krieg, den Amerita mit einem fremden
s einde führen tönnte. tviirde größere
pser fordern. . Kein Krieg ist aber
auch so unbarmherzig als der Indu
ttrietrieg unserer Zeit. Das Leben des
Einzelnen gilt da nicht viel. Ueber sei
nen Leib hinweg stürinen die anderen
vorwärts-, die Ambulanz entfernt den
Gesallenen nach dem Hast-ital, das ihn
als Krüppel entläßt." oder nach der
Morgue, too die Gattin, die ihres Er
nährers beraubten Kinder den letzten
Blick, aus ihn, der ihnen alles war,
trersen dürfen. Die Industrien stehen
deshalb nicht still. Kaum daß eine
handvoll von Menschen den Ausfall
bemerkt. Das Leben ist ja so billig, so
viele gibt es, die in die gewordene Lücke
einzuspringen bereit sind.
Was aber tun unsere Regenten?
Was die, denen das Voll die Fürsorge
siir dir, die sich nicht selber helsen tön
nen, übertragen bat? Viel, unendlich
viel ist in diesen Tagen ron den Bestre
bungen die Rede gewesen« das Massen-.
morden des Krieges siir die Zulunst
unmöglich zu machen, wenigstens auf
das denkbar größte Minimum zu re
duzieren. Ein löbliches Untersanaent
, Aber siir das Massenmorden des Krie
iges daheim, der Industrieen baden die
’ wenigsten ein Ver ändnij. Da wollen
Ifie Verträge abschließen, dass die ein
izelnen Völler sich nicht so leicht enebr
lan die Gurgel springen können. und
lich-n doch nicht die Minimu- Opeey
ldie sedes Jahr der schlimmste Krieg,
s KrtDollartrieg im eigenen Lande sor
i k ·
.-.
Der Ante ung der Ver. Staaten
und der deu eben Regierung solgend
haben sich nun auch die anderen Machte
aus die Jntegritiit Chinas verpflichtet
Da ist manches Annexionidliinchen ins
Wasser gesallem