Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 29, 1912, Zweiter Theil, Image 10

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    Essisssszxszxzmsssm Im Moorgarten I mssrsxmh
Etstes Kapitel.
Schmaus-nd Matt Schulden!
Spielfchuldem Verstehst du, was das
W. Linda7« Amtstat Tauf-net stand
tmgt vor seiner Frau.
»sehutausend Mark sind keine Aus
Hbe fät dich, den Millionentäubnet.«
«Sp. Glaubst du, daß ich das Geld
auf der Straße finde? Doch abgesehen
Mon. Jch denke jetzt hauptsächlich
In die sittliche Seite. Ein Spieler ist
ein leichtsmniget Mensch und zu allem
BUT , , —
Frau Kind-a wandte oen stops zur
Seite und vergrub sich tiefer in ihre
Kissen Und Decken. »Alle Oisiziere»
spielen« ;
»So traurig ist’s, gottlob, noch nicht «
um unser Ossiziertorps bestellt. Hansl
Jochen zum Beispiel jeut nicht.'«
»Ach, nun ja, Hans Jochen, der ist
eben ein Bauer.'« Linda sprach in1
segtversendem Ton.
»Unser Aeltester ist ein tüchtiaer
Soldat, sonst würde er nicht irn Ge
neralstab sein, während Wolf vom
Soldaten nichts weiter hat, als daßi
ihm die Unisorm gut steht." i
»Nicht wahr-, entzückend sieht eri
aus in seiner hellt-lauen Dragoner
unisorrn,« ries Linda lebhaft.
»Der gute Junge! Er beichtet stets
tnfreit reisender Offenheit seine Schul
n.«
»Bielleicht muß ich ihm noch dank
bar sein« daß er überhaupt welche
macht. Wie selbstverständlich hat er
vorhin dem Rentmeister ein Bündel
Schuldscheine gegeben, mit der Wei
sW sie in den nächsten Tagen zu be
gleichen. Dem alten Laugner waren
die Summen doch etwas zu lrästia.«
Dir Amtörat schlug mit der geballten
Faust aus den Tisch. »Da soll doch
gleich ein Millionendonnerwetter rein
s«
Linda machte .eine abwehrende
Handhetoegung »Der Bauer tornrnt
mal wieder zum Durchbruch Da
mals, als du um mich anhielt t,
sagte Durchlaucht: Nehmen Sie i n,
liebe HollnegtL an seiner Seite wer
den Sie niemals Geldsorgen lennen
lernen.’ und nun hab ich sie doch.«
»Nein, mein Kind, bis ietzt hast du
sie, Gott sei Dank, noch nicht, und an
dir liegt es, rnit zu verhindern. daß
dir sie jemals tennen lernst. Bestärke
Wolf nicht in seinem Leichtsinn, da
mit sein Hang zum Spielen nicht zum
i
1
i
i
i
Laster wird.«
»Laster?« wiederholte Linda ent
rüstet. «Welch schrecklicher Ausdrücke
du dich gleich bedienft! Du Kennst
nicht den prickelnden Reiz des Spieks,
mein Vater und meine Brüder —«
»Gingen daran zugrunde,«"siel der
Amtsrat in schwerem Ton ein.
Frau Linda preßte das seine«
Soitzentuch vor die Augen. »Es ists
höchst uuedel. mir das MißgeschickJ
meiner Familie vorzuhalten. Hätte;
rnit, der gebotenen Freiin von Holl-’
I negg und ehemaligen Hosdarne, das»
jemand vorausgesagt!« i
Täubner machte eine ungeduloiae
Bewegung. »Na, da säszest du ja mal
wieder aus deinem q: wohnten vorneh: i
men Ast. Jch weiß nioht ob deine»
Lage als Hosdame, die sieh in dies
Latinen einer alten grilligen Durch-«
laucht fügen und unanggeseszt sondie-’
ten mußte, wie nnd woher der Wind?
blies, der einer freien Gutsherrin
vorzuziehen ist. Der Teufel hole
- Wolfs Spielen. Bei-sucht er es noch
ein einziges Mal, nun, so hängt er
eben seinen Ofsiziersrocl an den Na-»
gel, und ich nehme ihn hier ordentlich
sest an die Kandare. Der durch Ge
nerationen in harter Arbeit errungene
Besitz soll nicht von einem Spieler ver
geudet werden« Fest und unbeugsarn
stand der Amtsrat vor seiner Frau.
Linda schwieg. Sie wußte-, daß
ihr Mann an der Grenze angelangt
war. an der sie weder durch Bitten
noch Tränen etwas erreichte. Wolf
- den Dienst quittieren, um hier im
» f Moorgarten zu verbauerni Unter der
Aussicht des strengen Vaters im
-sthweiße seines Angesichts arbeiten,
Ist Tau und Tag ausstehen und die
zxswchte beaufsichtigen So sagte sie
Jena Mgentn Neae dich nicht aus,
J » selbstverständlich werde ich aus
ff einwirletn daß er das Spielen
III Täuer festen Mund flog ein
W Æln Wenn es galt et
» - St Voll zu erreichen, redete sie
" NO seit dem sonst als plebejifch
s si n Namen Jochen an.
III ans Liebe hatte er einstmals
M- sitt wie eUIe siechend-Juni
« Mm III-äu sehst-rieth
ecn r dich, e n
— fis-J M dk nicht met
: - M M im Schlaßn
A M seine Mutter geil
j· Ist-II ei nichte- spannt
» weih- sts cis-it
en gemlteåst
I- M
-WW
weserr. »Mir znliebeI wie er sich ge
irrt hatte! Jn seiner einfachen schlich
ten Weise ward er in der ersten Zeit
um Lindas Liebe. Er, der traftvolle
Natur-man dämpfte seine Sprache,
feine Schritte in ihrer Nähe, er trieb
ihr zu Gefallen Kunst und Musik und
las vickbändige Remune. Nach Jah
resfrist wurde ihm der erste Sohn ge
.boken. Durch Generationen hatte der
erste Täubner stets Jochen geheißen.
»Ja meinen Kreisen gibt es nur honö
YJvchkm Jochen allein heißen die Kut
scher,'· beharrte Linda, und ihr Mann
.sad nach. Wäre sie ihm nur etwas
entgegengelommen, hätte sie versucht,
ihre Pflichten zu erfüllen, er würde
immer nachgegeden haben. Nur zu
bald erkannte Täudner, dasz lediglich
sein Reichtum Linda bestimmt hatte .
seine Frau zu werden. Als er dazu
nach erfuhr das ihr Herz einem jun
gen Offizier gehörte. erstarb in ihm1
das große warme GefiihL Nie würde
er die Hand nach einer Frau ausge- i
streckt haben, die einen andern liebte.(
Die Geburt des dritten Kindes loftetef
Linda die Gesundheit. Seitdem wa-;
ren achtzehn Jahre vergangen, sie’
hatte sie entweder im Rollftuhl oder
auf der Chaiselongue verbracht, teils
mit Klagen, teils in stummer Resigs
nation. Nur Wolfe Urlaub war einej
glückliche Zeit fiir sie. Für ihre bei
den anderen Kinder, Hans Jocheni
und Germ, hatte sie nur wenig zärt
liche Gefühle. »Sie sind Täudners
art." pflegte sie von ihnen zu sagen.
Jn das bleiche, leidende Gesicht sei
ner Frau blick nd, örgerte sich der
Amtsrat iider feine Heftigteit. »Daß
du Schmerzen, Linda?« fragte er teil
nehmend.
»Ach nein, nein,« wehrte sie. »Ich
wollte nur noch sagen, daß ich Wolf
jejt viel gefester finde. Jst dir das
nicht auch qufgefallen?«
Jochen Täubner antwortete nicht
sogleich, er schien nachzusinnen. »Ja
—- ja —- du magst recht haben,« ent
gegnete er zögernd.
Bitte, schicke mir Rut, daß sie mir
vorlieftf fuhr Linda fort. Wie gut
daß sie hier ist, ich will sie immer be
halten«
Jochen Mubner verließ Its Zim
mer seiner Frau. Rut, " murmelte
er, dabei glitt ein weicher Zug über:
sein ernstes ftilles Gesicht·
Walf war rnit seinen Iameraden
auf dem Anstand. »Er soll nur nach
hause kommen, dann werde ich mir
den Windhund mal laufen,« sagte;
Jochen Täudner energisch.
Auf der Terrasse des langgestreckten
Gutshausez saßen Rat und ihre
Mutter; eifrig schnitten sie Bohnen.
»Oben scheint es eine Szene zu ge
den,'« sagte Frau Major- Hollnegg als
sie Jochen Täudners Stimme erschal
len hörten. »Die gute Linda ift ’ne
Putr. Mit etwas Klugheit hätte sie
aus ihrem Mann machen können, was
sie wollte.«
»Sie ist eine arme tranie Frau und
hat jeden Maßstab für das Leben ver
loren.« entgegnete Rut.
»Ach geh doch, Kind. Linda gehört
zu den Frauen, die, w n sie nichts
mehr mit sich anzufange wissen, be
rufsmäßig trank werden. Mit den
Hollneggichen Frauen war nie viel
los.«
Rut lachte.- »Erlaub’ mal, Mama,
ich gehöre auch zu dieser Spezies.«
»Alles mit Unterschied. Gottlob,
steckt in meinen Mädeln mehr Mumm.
Es fehlte auch gerade, daß ihr euch
den Pelz voller Fehler einer degenerier
ten Rafse setzten Der männliche Teil
war ebenfalls mehr oder weniger
swurmstichig —- iiberreif — dein Va
ter in einigen Punkten ausgenommen;
mit dem Kommißvermögen ist er al
lerdings schnell genug fertig gewor
Hden —«
s »Bitte, Mamn," unterbrach Nat die
Mutter.
Eint-IN sage durchaus nichts ge
gen ihn« — Rut hatte den Vater, der
sie, das jiingsie Kind, mit Liebe über
schüttet, abgöttisch geliebt —- »seine
Schuld ist’s aber doch, daß ihr ar
men Würmer euch mühselig durch
schlagen müßt. « Die Majorin seufzte
tief.
I »Ich glaube, daß ich alg Kranken
pflegerin niGi ungeschickt sein würde. «
f Frau Gerte hollnegg machte eine
sabwehrende Geste. »Schreckliches Los!
Iheieaten ist das einzig Wichtige fik- die
sFratr. Was haben denn deine Schwe
stern vom Leben! Die eine plagt sieh
fmit bhfterilchen Menschen im Sana
-toriuin, die andere als Gent-erneute
mit Kindern fremder Leute«
Eber tie sind dvch glücklich ist ih
rem Beruf «
»Ich, geh mir mit dieser Art Stils
lichfein Resignaiisn ist’z, nichts wei
ter. Lin-m Zeit-, Geldes wert,’ ein
stltet wahres sein« — Fra- Beete
M des wi. »Die se
Mrist vors . Linde Eis-d ihren
Musik T- « MW MU- ti
nsiere Miit
W« Meter est-it
Iwo sie vorhin stehen geblieben wer,
fuhr sie aus Herzensgrund fort:
.Hätte nur wenigstens eine von reich
Iein eigenes heim. Wie schön koste
Ies« könnte ich auf meine alten Tage
bei ihr sein. Immer das Rechts-en.
das schreckliche Re , «
. Teilnahmsvoll haxtet ten Nutz Blicke
Iaus dem Gesicht der Mutter. Es tout
; schmaler geworden, seitdem sie sie nicht
mehr gesehen hatte Jochen Täubnet
hatte Frau Grete Hpllnegg eingeladen,
ihre Tochter im Moorgarten zu be
suchen.
.Willh hat mehrere Rechnungen mit
gebracht, sie müsfen begliehen werden.«
«sagte die Maiorin verlegen.
Rats Blicke schweiften in die Ferne.
Zwischen den Bäumen des Paris fah
sie Gerths helles Kleid auftauchen, da
neben die fehlanfe Gestalt ihres Vers
todten, Lothar don Brenten. »Mir
die Liebe hat uns zufamnrengeführt,«
sagte die Kusine jeden Tag. Die
kleine dhlegrnatisese Gerty mit ihrem
runden rosigen Gesicht war gewiß lie
benswert, aber ohne ihre Millionen im
hintergrunde würde sie Lothar viel-«
leicht weniger reizooll erschienen sein.
«Das elende Geld,« seufzte Rat un
willkürlich. «
Kräftige Schritte fchreckten sie aus
ihren Gedanken — im Türrahmen
stand Onkel Jochen. Er nickte ihr zü.
»Tante Linda verlangt nach dir.« ;
Rut stand sogleich auf. ’
«Laß dich nicht zu sehr von ihr schi
lanieren.« rief er ihr nach.
Einen Stuhl herbeiziehend, sehte
sieh der Amtsrat Frau Grete gegen
über. Muts Gesellschaft ift wohl-;
tuend für meine Frau,« begann er,«
während er angelegentlich zufah, wie
rasch die schlanien weißen Hände Boh
nen fehnitten. »Gem; heiratet bald.
dann find wir alten Leute allein, nicht »
wahr, Sie überlassen uns in Zukunft
Ihre Tochter ganz?« , f
Frau Orete verfiirbte sieh. Mit
Freude hatte sie bemerkt, wie väterlich«
Jochen Tätier Rut in sein Herz ge-»
schlossen. Würde er wohl ein Aner-;
bieten stellen, wie das soeben geäußert-«
wenn er sie als Schwiegertoehten
wünscht-ei . . . Wahrscheinlich hatte er;
andere Pläne mit seinen SöhnenJ
»Geld zu Geld,« dachte fie bitter. Die
gewandte Dante verbarg geschictt ihres
Enttäuschung »Sie sind so gütig ge- z
gen mein Kind, erft die wunderschönel
Reise noch Jtalien ——«
.Beruhte ganz auf Gegenseitigkeit,
gnädige Frau. Meine kleine unselb-!
ständige Gerty lonnte nicht ohne Be-(
gleitung reifen. Und ’ne Gouvernante
mitfehleppen, jetzt, wo das Gär ver-(
. lobt ift — nee — das ging nicht. Bitte,
Tüberlegen Sie fich meinen Vorschlag.
iwenn ich nicht irre. wird Rut darauf
;eingehen. Was tausend, Wolf kommtj
jfchon dont Anstand zurück.« unterbracht
Hich der Amtsrai. Er brannte keines
wegs darauf, dem Sohn die Lebjten
tzu lesen. Wurde es ihm doch selbst
lfchwer genug, fieh streng gegen ihn zu
lzeiaern i
’ »Warum ifi leiner Ihrer Söhne
Landwirt geworden, um dereinst die
väterliche Scholle zu bewirtschaften?«
fragte die Majorin, während ihre
Blicke Wole eleganter Gestalt folg
ten.
»Die Luft fehlte ihnen dazu. Nachs
meinem Tode muß der Moorgartent
verpachtet werden«
»Tai es Jhnen nicht leid urn Jhr
feit mehr als hundert Jahren in der
Familie befindliches Besihtum?«
«Einerfeits, ja. Dieses Befihturn
würde gefährdet fein, hewirtfchaftete
ez fein Herr ohne Luft und Liebe; je
der haßt das Fleckchen Erde, auf dem.
er nur zwangsweife leben muß. Wir
Täuhners sind von jeher Bauern ge
wesen. Was fchadet es, wenn mal
eine Generation überfchliigt, die nächst- !
folgende wirft sich dann um fo eifri-»
ger auf den altangeerhten Beruf, er!
liegt nun mal im Blute.« ;
»Wenn doch alle Väter fo dachtean
warf die Majorin ein. :
Jochen Täuhner tat einige tiefes
Züge aus feiner Zigarrr. »Da-l
Dratna, das iich vor Jahren hier irnj
Haufe abspielte und draußen im Bachf
l
t
)
rnit einem ftumrnen kalten Mann en-!
dete, hat rnir ftets vor Augen geftarH
den. Nie wiirde ich ohne zwingendens
Grund in die Berufswahl meinerj
Söhne eingreifen.« 1
Polf ftieg die breite Treppe her-J
an . s
Er war in tadellofer Jagdanz-!
rüftung. s
Mit nnverhohlenem Wohlgefallen
blickte Frau Grete den jungen Mannj
an. »Wie schön et ifi,« dachte sie.
Jochen Titus-net dachte vielleicht das
selbe, nur tilgte er in Gedanken ärger
lich hinzu: »Warte nur, ich komme dir«
heute fchon noch auf den Kopr ;
«Ueidrnanntheilt« Wolf sog einens
höher nnd ein Eichhörnchen in dies
dshr. siechend blickte er urn fich. »Ist;
Atti ausgesunan Ich wollte ihr
meine Instipr tu Ists-u legen-A
e sie ifi bei deiner Mutter. Dir
ists fchnell wiederseioennien han«
Jochen und deine Kameraden werden
länger nusbleiben,« sagte Frau Grete.
»Ich frage diesmal herzlich wenig
nach dem Reime-ern ist es doch über
vie Maßen reizend daheim. Geli.
Rierchenf Dir schaust jth auch viel
vergnügeer drein als sonst.«
»Na, ich danke. Einen ganz ver
fluchten Jener habe ich gehabt.'· Dem
Amtsrai wollte ei nicht gelingen, fei
ner Stimme einen scharfen Ton zu
geben. Wie eine jähe Erkenntnis war
es über ihn gekommen und drängte
den Beet-tust iibet Weis in den Hin
iergrunix
»’·ltur nichts tragisch nehmen, clear
larticr,« Wolf klopfte dem alten herrn
begütigend auf die Schulter.«
Gern hätte ihm der Vater gefagt,
daß lediglich er der Gegenstand feines
Aetgeri war, aher in Gegenwart ei
ner Dame — nein dazu hatte Jochen
Titus-net sich zu fehr im san-n, Lo
hlaniierte er feinen Sohn nicht. Er
wollte ihn soeben zu einer Untern
Jdung unter vier Augen in fein Zim
finer bescheiden, als ein Wagen vor
fuhr
E »Sieh da, Tante Edeline!« rief die
f Majorin »Sie werden mit hollneggs
reichlich gesegnet fein herr Amtirat,
Ydie weltlichen sind schon anwesend
und nun kommt auch noch die unterm
Krummftah.«
ZweitesKapiteL .
Jn der guten Jahreszeit, nament
lich im Herbst, pflegten fich stets Gaste
im Moorgarten einst-finden ·
Amtsrat Taubner legte seinen Gä
sten keinerlei Zwang auf. nur hielt er
auf pünktliches Einhalten der Haupt
mahlzeitern zu denen auf Frau Lindas
Wunfch besonders Teilette gemacht
wurde.
Rut legte die letzte ordnende Hand
an die Tafel, stellte einen Strauß
Aftern darauf nnd schmückte die
Fruchtfchalen mit rotem Weinlauh
Gertn trat zu ihr
»Viel-halb ift eigentlich Tante Ehe-i
line gelommeni Es muß etwas Be-;
fonderes fein. das sie zu fo späterz
Stunde herführt. '
»Jn Tante Edelinens Stift gah es
nie etwas Besonderes. Essen Trin
len, Medisieren, etwas Frömmigleit
und viel Unterhaltung aus dem Go
thaischen das ift das ganze Reper-j
toire.«
»Du sprichft nicht gerade refpettvoll
von deiner hlanbliitigiten Muhme z
liehe Nut. Tante Edeline ist ja ’n’
bißchen toniifeh, aher fonft feid ihr
Hollneggö doch alle riefig vornehm."
Mama fowohl wie du« ihr habt fo?
’waz Matten Du gleichst ihr auf-»
fallend. Eigentlich tommt mir das,«
der leidlichen Tochter, weit mehr zuZ
als der eines entfernten Vetters. Jch
hin nach Papa geartet, dick und rot.«
Gerttt schnitt ein klägliches Gesicht.
»Ein echtes Germanenlind,« eni-’
gegnete Rut. «
»Aus den Germantyp vseiie ich.
Das ist bloß, was Mama dlebejisch
oder den Bauerndicklops nennt. Wenn
Papa bei Tisch nur nicht wieder sei
nen Bauer betont, Loidars wegen ist
mir das jedesmal gräßlich. Ich bin
die erste Bürgerliche in seiner Fami
-lie.«
Rat zupste die Aus-ne am Odr
liinpchen. »Schaiie dir etwas mehr
Rückgrat an, sonst wirst du schwerlich
in deiner neuen Familie bestehen.
Nimm dir deinen Vater zum Muster.
der imponiert allen. Er ist eine Per-;
sönlichieit, ein rechter Mann und!
daraus toinnits an in unserer Zeit.««
Rai schlug an den Geng. .
Jn den Korridoren wurde es lebenJ
dia. Wvls und Lothar traten als dies
ersten in den Speisesaal
»Wie reizend du wieder alles ar-«
rangiert hast. Unter deinen händent
nirnnii jeder Gegenstand so etwas Jn
dividuellez an,« sagte Wolf bewun
dernd.
»Wenn wir unsere erste Gesellschast
»geben« muß Rut lommen uns die Ta
«sel schmücken,« riei Gertn und tauschtr
schnell noch einen Kuß tnit ihrern Ver- -
lebten aus. , ’
Der Speisesaal siillte sich rasch.
«Welch schönes Paar!« klang plöt-;
lich Kante Edelinene angerpsteter Alt.
Dieser Ansrns lonnte unmöglich
Gertn und Lotdar gelten, denn was
die Braut zu kurz nnd zu dick war,:
war der Bräutigam zu lang und zu
diinn.
Ein vergnügtes Schmunzeln glitt.
um Jachen Täubneri Mund. Daß ers
bis heute so blind gewesen war! -
- Ratt Blicke begegneten denen eines
Ossiziers in dunkelblauer Articleriesl
meiser In ihren Zügen malte sich
sesiiirgnnz unwilliiirlich trat sie eis;
neu Schritt non Weis sueiiel· For-;
lcheud isb Deus Jeden sie an tast
eend dnnile Röte til-er sein draunes
Mk Lki
« Dein Kleid isi ein richtigess
muss dicht « sagte Welt sich seicht-l
den la neben Rai sich-end »Wir-il
nennt das, nicht wahrli«
l IDYICIWe Mspwe kfwdemt
Qtsandtk eine bat-i Reich-matt der
Meter. Jch glaube, daß du im Regi
ment in puncto Damentoiletten doch
etwas mehr verwöhat bist.«
»Ganz und gar nicht« schöne Base.
Wie vie-le Geichmacklosxgleitm muß
ums da über sich ergehen lassen. Hier
diese täuschend natürlichen Veilchen
auf gelblich-m Grunde —s- so was ge
fällt mir, das ist fein —- fchick. Oder
finde ich es nur schön, weil du es»
Itrögst?« E
»Meis, deine Mutter wintt dir»
Wahrscheinlich hat sie eins-ihrer die-J
len Rückenlissen vergessen, sie läßt es;
sich von niemand lieber als von dir"
bringen« (
Wolf stand sogleich auf. »Ent
schuldige einen Augenblick. I
» Fürsorglich schob er der Mutterj
; das Kissen in den Rücken. 1
! .Mein lieber Junge,'« fliisterte sie.
I Eine feine Röte lag auf dem schma
slen bleichen Gesicht, die graublauenI
HAugen strahlten und der feine Kot-s1
mit dem stark ergrauten Haar bewegte «
sich mit fast jugendlicher Grazir.
«Wie schön du bist, cnra min.«
«Eine Ueberraschuna.« entgegnete
Linda mit einem Blick aus die Stifts
dame.
«Durch Dante Edeline? Na. da bin
»ich aber neugierig."
» Jm nächsten Augenblick saß Wolf
Jwieder neben Rut. »Tante Edeline
»wird nachher irgend was loslassen.
zGottlob, daß Frauen. insbesondere
zKlosterfrauen nichts lange auf dem
iherzen behalten liinnen.«
! »Lieber Täubner,« begann die
TStiitsdame, ihre Stimme erinnerte
san den Ton einer ausgedienten Trom
TPete —— sie sagte nicht wie sonst »Herr
;Amtsrat« —- «von jeher hat es mich
jschmerzlich berührt, daß wir trod un
iserer verwandtichastlichen Beziehungen
feinander so stemd gegenüberstehen,
wollen wir nicht das vertrauliche Du
zwischen uns waiten lassen?«
Ein spöttisches Lächeln slog um
Täubneti Mund.- »Zum-aß sind
wirklich zu liebenswürdig. Jch be
iiirchte nur, daß, nachdem wir volle
drei Dezennien mit »Sie« in ber
wandtschaftlichen Beziehungen gestan
den haben, niir das Du nicht mehr ge;
läuiig wied«
Während alle an der Taielrunde
mit Mühe das Lachen unterdrückten,
Jlachte Wolf ungeniert aus. »Tante
IEdelinens Ueberraschungen lassen an
lsiindlichleit nichts zu wünschen übrig
Vielleicht war es nur die Vorrede, die
hauptsache hat sie noch in peti0,«
fliisterte er Rut zu.
Das junae Mädchen wußte, was
Jotnmen würde. TanteEdeline hatte
wiederholt gesagt: »Nun es lo weit
ist, werde ich Tiiubner das Du anbie
»ten. nicht eher·« Nun war es so weit.
Rut war erregt. Jeht mußte es sich
»e.ntscheiden, ob die Töubners wirtlich
sdie charaltervollen Periönlichteiten
? waren, siir die sie galten.
« »Liebe: Täubner,« leitete Tante
JEdeZine zum zweiten Male ein, »ich
sage also du und da wirst du es auch
i lernen. Erzellenz von Trebernderg —
du weißt doch. daß ich jeden Mittwoch
»Whist mit ihm spiele ·-— sagte mir
ialso daß du vorzüglich bei hos an
geschrieben bist dein großer Besitz,
deine vielen Verbesserungen in diesem
ERegierungslreise, dein Verhalten im
Landtag, —- lurz und gut, eine Aus
jzeichnung steht dir bevor ich solle nur
mal sondieren. Man weiss, daß du
ziih am Bauernstand hältst —- aber,
der Adel, der erbliche Adel soll dir
verliehen werden« Die Stistödame
hatte lehr laut gesprochen, triumphie
rend sah sie sich um
» Atemlose Stille herrschte Alle
xBlicke richteten sich aus den hausherrn
t—- er sass in seiner gewohnten Ruhe.
s »Pardon, Baronesz. ich verstehe nicht
»recht, soll ich in einen Joche-r von
»Tai-time oder sogar in einen Muhme
Jvon hollnegg umgewandelt werden?«
» »Ganz wie es dir beliebt, man er
wartet in diesem Punlt deine Vor
Ischliige Wir Hollneggz gestatten dir
gern, unsern Namen anzunehmen —
eigentlich gehörst du durch Linda schon
Izu uns-«
»Ich glaubte, Linda gehöre seit ih
jrer betrat zu den Täubners,« sagte
Jder Amttrat spöttisch.
; «Tiiubner von Hollnegg.« wieder
sholte Gerin, ihre Stimme llang lieh
»tosend und ihre Augen strahlten sie
sah aus wie von einem süßen Rausch
befangen.
» Frau Lindas Gesicht leuchtete ver
klärt. »Enditch!« sagte sie so recht
aus herzenigrund und legte die
dände zusammen, als wollte sie ein
Danigedet sprechen. —- hans Jochens
Ziige waren ebenso unbeweglich wie die
seines Vater-.
Icl das nahm Rut mit Blitzes
sch lle nicht« nur aus Wolf achtete sie
t und so entging ihr die Span
nung in Unen- Gesicht. Ontel Joche-i
war der ngtge Grosgrundbesiiee in
ieser Gegend. An seinem eigenen
Tisch, die sangen Eleoen am unteren
Ende der Insel nett inbegrisses, wa
sken mu- hochtönende Namen vertreten.
- Noch immer herrschte Stille. Rutj
Beklemmung wuchs-.
’ Ja voller Gelassenheit aß der Amts
tat feinen Teller leer. Nun legte et
Messer und Gab-et aus« der Dank-.
»Bitte, sagen Sie Ema-w daß ich
ais Jochen Tänbner leben und sterben
wekde.«
»Du — Sie —- Sie wollen nicht«
»Nein, Boroneß.«
aAber Papa!" klang Gertns Stim
me entriistetz sie war blasz geworden.
Rut atmete aus.
»Du denitt nie an deine Säbne,"
rief Frau Linda in scharfem Ton iiber
den Tisch.
»Und an Ihre Frau,« wars die
Stistsdame ein, sie war schnell wie
der zu dem Sie zurückgekehrt
«Linda bat in ihrer bald dreißig
jährigen Ehe Zeit genug gehabt, sich
.an den Namen Täubner zu gewä n,
und sollte später einmal einem mein
Söhne der Adel angeboten werden —
nun. so tann er es halten wie er will,
ietzt habe ich zu entscheiden.« «
Hans Jochen hob sein Glas. - »Dein
Wohl, Vater.'·
lFortsehung tolgt.)
see-volle Ieise-.
Kiirzlich ins man tagtäglich in den
Pariser Blättern von einem unge
wöhnlichen tiinitlerischen Ereignis:
Kubelil spielte in einem Konzert die «
Geige Jngreö’, der nicht bloß ein gro
ßer Maler, sondern mich ein tüchtiner
Geiger war. Seit Pnganini hatte
sie tein Geiger von Weltrus mehr ge
spielt. Nun rubt sie wieder im Schad
.des Museuins und ist den Wechseliäl:
len des Schicksals entzogen, denen an
dere noch kostbarere und berühmter-e
Geigen ausgesept sind.
Es ist etwas über 15 Jahre her, da
erregte der Diebstahl einer der Wuns
dergeigen der Welt. des »Von-Strom
varius«, gewaltiges Aussehen. Sie ge
hörte Johann Joses Bott, und war in
dessen Besitz aus den Händen Motiv
Don-maussti, dem sie der Herzog von
Cambridge vermocht hatte, 1876 iiir
85500 übergegang:n. Jrn Jahre 1894
trnt er, alt und traut- geworden. mit
Nicolini. dem Gatten der Adelinn
Patri, in Verhandlungen über den
Vertan der eige, die sich aber zer
schlugen. Wenige Tage später erschien
in Bette Wohnung, während er ausge
gangen wor, ein Fremder, der erklärte,
Bott sprechen zu miissen nnd warten zu
wollen. bis Bott wiederkomme. Als
Bott nach hause tatn, war der Fremde
und mit ihm die Geige, die er sicher
verschlossen glaubte, verschwunden.
ilntröstlich über den Verlust starb Bott
bald daraus am sto. April 1895, ohne
daß der Dieb entdeckt worden war. Jn
zwischen aber Fäuste sich der Verdacht
gegen den "ndler, der die Verhand
lungen zwischen Nirolini und Bott
vermittelt hatte. Er wurde verhasiei
und im Mai 1896 i-ernrteitt· Bevor
aber noch der Appellationghos das Ur
teil bestätigt hatte, wurde in einem
Schneidergesehäst zu Brodllyn eine
Stradivariusgeige entdeckt. und die
Witwe Balle-, als sie ihr vorgelegt
wurde, erklärte sie siir die verlorene.
Der Prozeß gegen den Händler wurde
trsieder ausgenommen nnd der Ange
klagte entlassen obwohl einige Zeugen
erlliirten, die vorgezeigte Geige nnd die
bei dem Schneider gesundene seien
nicht identisch. Die Geige der Frau
Bott ist vor wenigen Jahren siir
89000 das Eigennin- des amerikani
schen Sammlers Mitchelt geworden.
Sorgsaltiger behandelten die Eigen
tiimer des »Mesfie.e - Stradivariue«
ihren kostbaren Besitz. Dieser wurde
irn Jahre 1827 von den Erben des er-.
sten Besitzers, des Grasen Cogio de
Salagnes, an Luigi Tarisio vertaust.
Taristo bewachte das Instrument so
eisersiichtig, daß es nie jemand zu se
hen belatn; und Jean Baptiste Guils
taume, der es nach seinem Tode er
warb, bewahrte es in einem Glastasten
aus und verließ es weder Tag noch
Nacht, aus Furcht, es möchte ihm ge
stohlen werden. Nach seinem Tode ver
kausten es seine Erben siir 815500 an
den Edinburger Sammler R. Croto
ord.
Eine Geige, deren Preis in 46 Jah
ren beinahe aus die zehnfache hohe ge
stiegen ist, ist das Meisterwerk dett Jo
ses Guarnerine, die ,,iiönigsgeige«.
1857 hatte sie nach Jamee Godtngs,
ihres Besitzers-, Tode, der Händler
John hart-in London site 8800 er
standen. Bald daraus tani sie in die
berühmte Sammlung Plowden. Nach
dem Tode Plotvdens erwarb sie der
Ameeiianer John P. Weitere site
81850 Er spielte sie lange Jahre,
und als ihn seine Kräfte verliehen,
verkaufte er sie site M an den sich
längst tun bemühenden Sammler
von Trento-re er Geigen Royal de Fo
resi can-sey. Dessen ganze Samm
lung ging naeh seinem Tode an Italp
Orangbeee in Santiago lcal sent-?
über, r sie in einer großartigen Mu
si lle aus seine-n Lan at seaees nnd
die Istcher . ansbem te. Rath
cea ei Tode wurde sielscs e
F an . c. doverneyer in
ori veeka