Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 22, 1912, Zweiter Theil, Image 10

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    Ein Roman aus dem
Leben
Auf » ererbter Schelle
« Von
Reiuhold Ortmann
(12. Fortsetzung und Schluß.)
, «So geschah es nicht aus Deinen
Befehl, daß Harald heute Abend das
nämliche Verlangen an mich richtete
—— das Verlangen, ich sollte diesem
serringer das Vorwert verkaufen und
sollte meine Einwilligung zu einer
trat zwischen Jrene und dem
ohne dieses Fabrikanten geben? Er
war nicht das Echo Deiner Einflüsse
rungen,«als er rnir von den hohen
Pflichten eines rechten Edelmannes
sprach, und als er mir seinen Ent
chluß tundgab, von nun an ein ganz
neues Leben zu beginnen?«
orst war ersichtlich aus das Freu
dig e überrascht, aber es schien, daß
sich zugleich auch einige leise Zweifel
in seiner Seele regte-n.
»Das Alles hat Dein Sohn ge
tan?« sagte er. »Und Du hast den
Eindruck gehabt. daß es ihm auch
wirllich Ernst damit warsm
Ewald lachte bitter aus«
»Ich mußte es wohl glauben, nach
dem er mit sagte. daß er heute um
seinen Abschied eingetarnmen sei, ohne
mich auch nur um meine Meinung
tiber einen solchen Schritt u befra
gen. Aber weshalb sragst sdu mich
nach Alledern, da Du es doch ohne
Ist-Kessel schon früher gewußt hast, als
: «
«Rein«, erwiderte Vorst. und seine
Stimme llang beinahe heiter. »Nichts
habe ich gewuktt —- nicht ein Wort!
Aber ich sreue mich von ganzem her
sen iiber das, was ich soeben gehört
habe. Der alte Stamm kann also,
wie es scheint, noch srische und ge
sunde Weiser treiben. Du aber solltest
Dich nicht von Deinen eigenen Kin
dern beschämen lassen, Ewaldl Fiige
D· in das Unabänderliche und gieb
ne· Dein Wort, daß morgen geschehen
wird, was ich von Dir oerlangte.«
«Riemals!« wiedhrholte der Baron
trosig »so jeder Demütigung hätte
ich mich bereit sinden lassen — nur
nicht zu dieser! Du hast vielleicht die
Macht« mich und die Meinen zu Bett
lern zu machen, aber Du hast nicht
die Macht, mir diese Erniedrigung
ssngswkgosx
·..-s
Will elllet Wollt-TM ais sei ec. ge
sonnen, auf diese entschiedene Meige
rung bin der zwecklos gewordenen Un
terredung ein Ende zu machen. hatte
sich der Andere aufgerichtet
»Gut denn! Ich kann Dich aller
dings nicht zu etwas zwingen, was
- gesunder Menschenverstand und das
Bewußtsein Deiner vöterlichen Ber
antwottlichteit Dir auch ohne meine
Jnterdention hätten zur Pflicht
machen sollen: aber ich tann doch ver
hüten, daß Deine Torheit und die
Torheit Deines Weibes auch die Zu
kunft Deiner Kinder ruiniere, wie sie
Deine Existenz vernichtet haben. Jch
wer-de also tun, was mein Gewissen
mir zu tun gebietet; morgen schon «—«
Seine nächsten Worte blieben un
derstiindlichx denn der scharfe, dröh
nende Knallsines Schusses hatte sie
verschlungen. Jn nächster Nähe mußte
er abgefeuert worden sein, da sich so
gleich der beizende Geruch des aufstei
genden Pulverdampses bemertlich
machte, und da ein Kunden und Rau
schen im Strauchwerl hinter der
Marmprbank die Anwesenheit eines
menschlichen Wesens erkennen ließ, das
sich offenbar zur eiligen Flucht ge
wandt hatte.
Mit einem kurzen Ausruf desjsorl
nes war Horst um ein paar Schritte;
zurückgetaumelt, und es hatte für ei
nen Moment den Anschein, als würdet
er im nächsten Augenblick zu Bodens
stürzen. Ader wenn dies wirklich einel
Anwandlung von Schwäche gewesen»
war, so war sie doch jedenfalls vonl
sehr kurzer Dauer. Nur wenige Se:4
timden konnten seit dem Abseuern desl
Schusses vergangen sein, und schon;
hatte er nicht nur seine volle Geistes-?
gegenwärt, sondern auch seine ganze4
körperlicheGewandtheit wieder gewon
nen. Rücksichtslos niederhrechend Und
· auseinander reißend, was ihm an Ge
zweig und Gestrüpp im Wege war
machte er sich an sdie Verfolgung des
feigen Meuchelmörders, und fast noch
in der nämlichen Minute verriet ein
kläglich angstvoller Aufschrei aus
menschlichem Munde, daß es ihm ge
lungen war, des heimtückischen Bur
schen habhaft zu werden.
G schien, daß er nicht eben
glimpslich mit ihm nmging, denn durch
die Stille der Nacht klang eine jäm
merlich stehende Stimme:
.Zu hülse, here Baron — zu
hiiisei Stehen Sie mir bei, wie ieh
Ihnen beigestanden habe, sonst bringt
er mich inni«
Emb, der bis dahin regungslos
Wert way wie wenn das Entsesen
O schont hatte, Jahr zusammen
und wandte sieh dann, onsthlüssig
sondernd, der Richtung zu, aus der
die rnseude Stimme gekommen war.
Tier er hatte mer eben Zeit gehabt,
zwei oder drei Schritte zu tun, alt
» sie Mein Stoße eine menschliche
M us dem Gebüsch Ieschteudert
IW w unmittelbar vor den
. des W dort zusehen in
» U ständen erstes Jene-kannte
»F er in einer tos
wallnng furchtbarer Wut den Bur
schen mit beiden Fäusten, wie wenn er
ihn erwürgen wollte.
»Elender Meuchelmörder! Du wagst
es, mich um Beistand anzugehen? Du
—- mich?«
Es gelang dein Menschen, sich aus
den Händen des schwächeren Baronz
zu befreien; einen nochmaligen Flucht
versuch aber wagte er nicht mehr. denn
er sah, daß auch horft wieder an seiner
Seite stand. Mit gesenktem sandte
aber mit trotzig geballten Fäusten stand
er zwischen den beiden Brüdern.
»Das ist also die Gastsreundschaft,
die man mir auf heimischer Erde er
weiftt« sagte Horst bitter. »An dem
guten Willen dieses Burschen hat es
sicherlich nicht gefehlt, wenn seine Ku
gel nur meinen Arm getroffen hat,
statt meines Herzens, für das sie doch
wohl bestimmt war.«
«Wie?« rief Ewald in neuem,
furchtbaren Erschreckern »Du hist verz
wundett Allmächtiger Gott, dann
müssen wie sofort Hälse herbeischaf
fen — einen Arzt —- —-«
»Laß sein!' wehrte sein Bruder
ruhig ab. »Es scheint nichts Ernst
liches zu sein — wahrscheinlich nur
eine Fleischwunde. Auf eine Viertel
stunde tommt’s da bei meiner Konsti
tution nicht an. Und ich möchte erst
mit diesem da ahrechnen, ehe ich in
mein Gasthaus zurückkehre.«
»Lassen Sie mich nur einsperren,«
fiel ihm der Diener mit dumpfem
Grimm in die Rede. »Sie sehen ja,
ich setze mich nicht zur Wehr-, und ich
leugne nichts. Jch habe dem herrn
Baron aus alter Anhänglichkeit einen
Dienst leisten wollen. Ader fest, da
es mi.ßgliickt ist, läßt er mich natürlich
im Stich«
Von Neuem wollte Ewald sich auf
den Elenden stürzen; horst aber hielt
ihn zurück.
.Wszll das? Ich glsUU natåtiich
nicht einen Augenblick daran. daß Du
diefen Schurken etwa zu seiner Tat
angestiftet haben könntest, und ich
mache Dich deshalb auch nicht dafür
verantwortlich Ueberdies liegt mir
durchaus nicht daran, den Leuten An
laß zu müßigem Gerede zu geben und
den alten Familienztviii der Bruch
baufen noch einmal zum Gegenstand
öffentlicher Erörterungen zu machen.«
—- Da« — und er reichte dem Diener!
ein Väckchen von Kassenfcheinen, das.
er lofe in der Brufttasche getragen —?
»nimm dies Geld, Burfche, und mache
Dich damit aus dem Staube. LäifefiT
Du Dich binnen heute und einer
Woche noch auf deutschem Bosn er
tappen, fo bist Du ein ver orener
Mann, denn ich werde Dich alsdann
ohne Gnade den Gerichten überlie
fekn. Jn Amerika aber magst Du
Dich hängen lassen, wo und wann es
Dir gefällt."
Einen Augenblick hatte der Diener
gezögettx dann aber nahm er, ohne
ein Wort zu sprechen. das Geld und
war unmittelbar nachher in der Dun
kelheit des Pariec verschwunden.
Ewald von Bruchhaufen bedeckte
das Gesicht mit den Händen, und sein
Bruder hörte, daß er weinte.
»Er-te Nacht, Ewald!« sagte er.
»Ich glaube, nun ist es doch an der
Zeit, daß ich mich drüben im Dorfe
verbinden lasse.« ·
s-- «- D
»Y("ll, Uclns klcl Dkk DUXUTL »Ja!
lasse Dich nicht fort. Nicht drüben in
dem elenden Dorfwirtsbouse ist Dein
Platz, sondern dort in Deinem Vater
bause, dessen rechtmäßiger Herr und
Gebieter Du bist.«
Doch mit- ruhiger Entschiedenbeit
wies Horst sein Erbieten zurück, wie
er auch seine Begleitung ablebnte.
»Ich weiß, itzaö ich mir zumuten
darf,« sagte er. »Meinetwegen brauchst
Du Dich keiner Besorgniß hingeben.
Gute Nachtl«
»Nun wohl, ich halte Dich nicht,
denn ich weiß, daß es unmöglich sein
würde, Deinen Sinn zu ändern. Aber
ich wiederhole, daß von dieser Stunde
an hier lein anderer Wille mehr gilt.
als der Deine. Was Du von rnir ge
fordert hast, ich werde es ohne Wider
streben morgen tun, und auch in allein
Uebrigen magst Du nach Deinem Ge
fallen über mich gebieten-«
Ohne irgend eine Gemütsbewegung
zu verraten, reichte ihm Horst seine
gesunde hand.
Du wirft seine Ursache haben, Deine
Entschließung zu bereuen. Gute
Nachtt«
Und in fester, aufrechter Haltung
Yschritt er von dannen.
z Iiipfzehntei Kapitel
? spin- yekwunvuug hatte sich bei
dee ärgtlichen Untersuchung doch als
eine recht erhebliche berausgestelli. Der
Jsibinower Landaest der zu der Er
izöblung des Patienten, daß er sich bei
dem trer hantieren mit et
nem Zagt-gewebt selbst verlest habe,
einigermaßen ungsnbig den Kopf
Wlte vermochte ihm zwar den
wies Verband anzulegen, aber er er
Meis- das er nicht-ern auch vie ser
ists-ertrug en diesern weitere seh-Id
Im W I- sts-instit N
nehmen möchte. Die Hinzuziehung
eines erfahrenen Chirurgen erwies steh
denn auch am nächsten Tage schon aus
dem Grunde als dringend notwendig,
weil der Verlehte in heftigem Wund
fieber lag, das ihm zeitweilig sogar
das klare Bewußtsein trübte.
Der wißbegierige Wirt zum »Sol
denen Löwen« war nicht wenig er
staunt, als er den Kreiöphysilus aus
der nächsten Stadt in einem mit den
besten Pferden bespannten Buchhan
sen’sehen Landauer verfahren und dem
Gefährt außer dem Arzte auch noch
den herrn Baron in eigener Person
entsteigen sah. Der Rhinower Doltor
wurde dann ebenfalls gerufen. und es
gab ein langes Confilium hinter ver
schlossenen Türen, dessen Ergebnis
die Vornahme einer fehleunigen Ope
ration und die Entscheidung war, daß
der Verwundete mit Rücksicht auf die
Gefahren eines Transportz vorläufig
am besten dort bleibe, wo er sich be
fand. Der Physilus wollte an jedem
zweiten Tage herüber tommen, um sich
von dem normalen Verlauf des hei
lungsprozefses zu überzeugen, und er
bezeichnete es als die dringlichsie
Sorge· eine äußerst gewissenhafte und
aufmerksame Pflegerin für den Pa
tienten zu beschaffen.
Die Ungewißheit, woher man eine
solche Pslegerin zu nehmen habe, war
aliicklicher Weise nicht von langer
Dauer. Noch ehe das Consilium fein
Ende erreicht hatte. waren die Witwe
des Pasiors Lammert und ihre Toch
ter in großer Aufregung im »Gotdenen
Löwen« erschienen, um sich nach dem
Befinden des Kranken, von dessen Ber
wundung sie eben erft gehört hatten,
zu erinndigen, und um sogleich zu er
llirren. daß fie seine Pflege und War
tung teinem Anderen überlassen wür
den.
Jn der Tat sah sich lHerr Benin
ger nach einer turzen Besprechng mit
der jungen Lehrerin veranlaßt, noch
am nämlichen Taae telegraphisch eine
Stellvertreterin siir sie zu berufen;
und keine in jahrelanger Uebung am
Kranienhette geschulte Dialonissin
hätte dem Leidenden eine so hinge
bende, ausopsernde Pslegerin sein län
nen, als es ihm von diesem Tage an
Martha Lammert war. Schneller als
sie es geahnt, hatte sie Gelegenheit gez
sunden, ihm zu vergelten, was er für
sie getan, und Keiner, der ihr Ver
halten beobachtete, hätte ihr das Zu
geständnis versagen können, dasz sie
ihre Schuld mit Zinsen und Zinses
zinsen bezahlt.
Von einem Duell zwischen Horst
und dem Grasen Woldenberg konnte
unter so veränderten Umstanden vor-·
läusig natürlich nicht die Rede sein.
»Aber es gewann ganz den Anschein,
Hals ob der Herr Gras auch sitr alle
Isulunst daraus verzichten wolle, von
.einekn so gefährlichen Gegner Genug
tuung zu fordern, denn schon nach
Verlauf weniger Tage trat er :ine
Reise an, von der er nach den im Ein
verständnis mit seiner Großmutter
getroffenen Dispositionen nicht vor
Ablauf eines Jahres zuriielertvartet
werden durste.
Sobald die in dem Besinden des
Bertvundeten eingetretene Besserung
ihm den Empfang von Besuchen und
liingere Unterhaltungen gestattete, sah
er seinen Nessen Harald täglich in das
kleine Gasthosszimmer treten, und
binnen liirzester Frist schon hatte sich
ein herzliches Verhältnis zwischen den
beiden an Alter und Lebenserfahrung
so ungleichen Männern herausgebil
det.
Von der Vergangenheit freilich war
zwischen ihnen niemals die Rede ge
wesen. Harald tat teine Frage, und
iider die Lippen feines Oheims tam
nie ein Wort, das dem jungen Manne
um seines Vaters oder seiner Mutter
willen die Röte der Scham hätte ins
Gesicht treiben müssen. Und doch
ahnte er, ohne allen Zweifel die Wahr
heit in ihrem ganzen Umfange, diese
Wahrheit, die ihn eindringlicher als
irgend ein anderes Argument davon
überzeugen mußte, wie berechtigt die
Vorhaltungen der Komtesfe Herta über
die Verwerslichieit eines zwecklofen
und verfchwenderifchen Lebens gewesen
waren.
Wie es bei der Begründung des
Gefuches nicht anders zu erwarten ge
wefen war. hatte Harald ohne Wei
teres den erheienen Adfehied erhalten,
und am zehnten Tage nach dem Vor
fall im Mk von Rhinoto machte er
dem Ohetrn einen Abschiedihefuch da
er sich entschlossen hatte, zunächst ein
paar Monate als Volontiir auf einer
als Musierwirtfchaft bekannten Be
situng zu arbeiten, um seine landwirt
fchaftlichen Kenntnifse zu bereichern
und sich angemessen auf den Beruf
vorzubereiten, dein sein ganzes Hinf
tigei Leben gehören follte.
Mit Wohlgefallen ruhten Vorst
Augen auf dem stattlichen Jüngling«
»dem das Bewußtsein seiner ernsten
Pflichten und die Entschlossesheit, fie
tapfer zu erfüllen, eine edle Männlich
kett in haltuna nnd Aussehen verlie
ben hatte. Lange hielt er mit träf
tigem Druck seine Hand umschlossen
und als ldarald ihn verließ, durfte er
die Ueberzeugung mit sich fortnehmen,
daß er aus Erden nie einen treueren
und zuverlässigeren Freund haben
würde, als er ihn in seinem Oheim
gewonnen. ,
Und noch einen anderen Besuch
empfing horst von Bruchhausen an
diesem nämlichen Tage. den Besuch
eines jungen, strahlenden Brutwa
res. das ihn als den eigentlichen Ur
heber seines Glückes betrachtete und
ihm kein hehl aus seiner innigen
Dantbarkeit machte. Mit leuchtenden
Augen sprach Doktor Rudolf Verein
ger don seinen großen Zukunftspliis
nen, deren Verwirklichung jetzt, nachf
dem Erwerb des Rhinower Votum-!
tes, teine Hindernisse mehr im Wege
standen; und Jrene, die ihr holdes
Köpfchen an seine Schulter geschmieat
hatte hörte ihm voll so andachtigert
Bewunderung zu daß Horst die beru
higende Gewißheit gewann, sie wiirde
es sicherlich niemals bereuen die Gat
tin eines schlicht bürgerlichen Indu
striellen geworden zu sein« —
Seinen Bruder und seine Schwane
rin aber sah horft nicht wieder. Zu
wiederholten Malen hatte EwaldI
brieflich bei ihm ungefragt ob er ihn
besuchen diiie sich persönlich nach sei
nem Befinden zu erkundigen.a aber der
Kranke hatte ihm jedesmal eine ab
lehnende Antwort zugehen lassen. «
»Sei versichert, daß ich keinen Groll -
gearn Dich oder Deine Gattin hege.«
schrieb er ihm das letzte Mal, »aber
auch der beste Wille und der festeste
Vor-sah lönnten uns nicht dazu ver
helfen, geschehene Dinge aus unserem
Gedächtnis zu tilgen Wie gespensti
sche Schatten würden sie bei jeder Be
"aegnung zwilchen uns stehen unv pag
freundliche Wort, das wir vielleicht
schon auf den Lippen hatten, in Un
mut und Bitterkeit verkehren. Es hat
sich ja nun Alles so ganz anders gei
ftaltet, als ich es bei meiner heimkehr.
geplant hatte: aber ich bin der Mei
nung. daß das allmöchtige Schicksal
es um so Vieles besser gemacht hat«
als ich es hätte machen können. Der
Himmel hat Dich mit zwei vortreff
lichen Kindern gesegnet, und wie Dein
wackerer Sohn auf der eterbten Schelle
den Namen Bruchhausen wieder zu
Ehren bringen wird, so wird Dein
liebliches Töchterlein zu ihrem Teile
dazu beitragen, jene überlebten Vor-—
urteile zu erschiittein, die sich heute
noch so vielfach einem gedeihlichen
Zusammenwirken der verschiedenen
Gelellschaftsllassen entgegen stellen
und dadurch der Allgemeinheit einen
schweren Schaden zufügen. »Wir Beide
können beruhigt vom Schaut-laß ab
treten. wenn unser Stündlein lommt,
und können uns mit dem Bewußtsein
trösten, daß wir nach manchem Jrri
tum und mancher Verfehlung doch zu
leht noch wieder gut gemacht haben.
was gut zu machen war. Mit einem
freundlichereuc Eindruck, als ich es
noch vor Kurzem siir möglich gehalter
hätte, werde ich demnächst die alte hei
mat wieder verlassen. Weshalb sollte
ich denn ohne zwingende Noth dielen
Eindruck durch eine nochmalige Be
gegnung gefährden, die nur trübe Er
innerungen neu beleben und halb ver
narbte Wunden wieder aufreißen
lönntel««
l Rath Dem Empfang Dieses Quem
rnachte Baron Ewald keinen weiteren
Anniiherungsversuch mehr, und eine
Woche später verließ Horft in der
Tat Rhinow, ohne seinen Fuß noch
einmal iiber die Schwelle des Herren
haufes gesetzt zu haben. Er ging noch
Hamburq zurück! Aber er ging nicht
allein, Margarethe Lammert und ihre
Tochter begleiteten ihn nach der alten
Hanfestadt an der Elbe, die ihnen
fortan eine neue heimat bieten sollte.
Wohl hatte horst seine Werbung um
Martha nicht wiederholt, aber eines
Abends, da er ihr ans vollen setzen
fiir ihre ausopfernde Pflege gedanlt
und mit wehmütig be nder Stimme
von der bevorstehenden rennung ge
sprochen hatte, die ja in Anbetracht
seiner Jahre nun mehr eine Trennung
iiir’s Leben fein würde — da war die
junge Lehrerin neben seinem Kran
ienftuhl in die Knie geglitten, hatte
ihre Wange an seinen Arm geschmiegt
und rnit tief innigem Ausdruck erwi
deri:
»Nein. wir werden uns nicht tren
nen, Vorsi, wenn Du nicht willst, daß
ei geschieht. Vifi Du nicht inzwischen
anderen Sinnes geworden und ver
schnishft Du rnich nicht, so will ich
Dir gern und freudig folgen.«
«Wie?« rief er beglückt, feinen ge
funden Arm um die zarte Gestalt der
Knien-den ichlingend. »Du willst mir
folgen. Marthai —- Als mein Weil-i«
»Es-« sagte sie.leife, »als Dein
Ue .
»Und ist es nicht blos Dankbarkeit
oder - ein gewisser angeborener weib
licher Infopiernngstrieb. der Dich
dazu veranlaßt? Du bist mir wirtlich
ein klein« wenig gut?«
»Ich habe Dich von Herzen lieb,
Horsts s-— Und wenn es auch vielleicht
ein«-andere Liebe ist als jene — jene
erste, sv ist sie darum doch sicherlich
nicht minher wahr und lies.«
Mit nassen Augen schloß Marga
rethe Lammert ihre Tochter in die
Arme, als sie von dem Verlöbnis er
suhr. Das Glück, das sie selbst ber
einst vergebens erträumt und ersehnt
hatte, nun sollte es ihrem Kinde zu
Teil werden, und wenn es auch gewiß
nicht mehr jenes überschwängliche be
rauschende Gliick war das der in Ju
gendschiinheit und überschäunienderLes
benslrast prangende horst hätte ge
währen können, so war es doch in ih
ren Augen immer noch ein Glück, sür
dessen Gewährung sie dein Himmel
noch bis zur letzten Stunde ihres Da:
seine danken würde.
Und ein stilles, sonniges Gliiel war
es denn auch in der Tat. das die
Mauern der behaglichen Van aus der
Uhlenhorst bei ldamhurg umschlossen
Die angesehene gesellschaftliche Stel
lung. die Horst von Bruchhauseii als
der Mitinhaber einer alten, hochgeach:
teten Firma unter den Patriziern der
reichen Hansestadt einnahm. erschloß
seiner jungen Frau einen herzersreuem
den, anregenden Verkehr mit liebens
würdigen, geistig hochstehenden Meri
schen« der bald auch vie lehten Schat
ten der Vergangenheit aus ihrer
Seele bannte. Und wie die Nasen aus
ihren Wangen wieder ausbliihten, wie
ihre milden, schwerniiitigeii Augen
wieder hell und glänzend wurden,
schien auch ihr graubärtiger Gatte
wieder zum ieurigeri Jüngling ge
worden« der sein angebetetes Weib
gleichsam aus den Händen durchs Le
ben trug und immer auss Neue da
rauf bedacht war, ihren Pfad mit
Blumen zu schmücken.
An Schloß Nhinow und seine Be
wohner wie an die Vorgänge während
der letzten Anwesenheit Horsts wurden
sie natürlich ost genug erinnert. Aber
mit einer einzigen Ausnahme geschah
es immer in durchaus erfreulicher
.Weise. Diese Ausnahme aber ereig
nete sich an dein Tage, da Harald sei
nem Oheim schrieb, man habe in ei
nem Brunnen des Rhinower Forstes
die Leiche eines in zerlumpte Gewän
der gehiillten Selbstmiirders gesunden,
der alsbald als der ehemalige Diener
erilch retognosziert worden sei. Der
Mann war also damals nicht, wie
Horst es ihm zur Pslicht gemacht hatte,
nach Amerita gegangen, sondern er
hatte sich allem Anschein nach im
Lande umher-getrieben und von dem
erhaltenen Gelde so lange ein stottes
Leben geführt, bis es vollständig dar
auf gegangen war. Dann mochte er
weiter und weiter beruntergetommen
sein. Die Verzweiflung und der Hun
ger mochten ihn zuletzt, trotz der Ge
fahr, der er sich damit aussestg nach
Rhinow zurückgesiihrL haben. Und
Hals er dort erfuhr, daß Baron Ewald,
an den er sich wohl hätte um Hiilse
wenden können, gar nicht mehr aus
iseinem Gute lebte, sondern mit seiner
Gemahlin sern im Süden weilt-, und
er damit auch seine letzte hossnung zu
sammenbrechen sah· hatte er dann in
der Stille des Waldes seinem verfehl
te Leben freiwillig ein Ziel gesetzt.
tkSonst aber waren es nur gute und
herzersreuende Neuigteiten, die aus der
heimat nach dem schmucken Häuschen
hinüberslatterten. Jrene war an der
Seite ihres Gatten so glücklich, wie
es ein verliebtes junges Frauchen nur
immer sein kann, und harald hatte
sich in der gut benuhten Lehrzeit zu
einem so tüchtigen Landwirt entwickelt,
daß seine Gutsnachbarn mit Bewun
derung wahrnahmen, wie rasch das
ziemlich verwahrlosie Rhinow unter
leiner Verwaltung emporbliihte.
Denn diese Verwaltung war wenige
Monate nach feiner Heimtehr in feine
hönde übergegangen, da Frau Leonie
plöglich ein dringendes Verlangen
fühlte. ihre angegriffene Gesundheit
durch einen längeren Aufenthalt im
Süden wieder herzustellen. Die ei
gentliche Veranlassung zu diesem Ent
schluß aber war wohl viel weniger ir
gend ein ernsthaftes oder auch nur
wahrnehmbares törperlicheo Leiden,
als eine tiefe Verftirnrnung iiber die,
trog ihres heftigen Einfpruches und
troß eines ebenso energischen Wider
standeö von Seiten der Gräfin Jntta
erfolgte Verlobung Vorale mit der
IKorntefse Woldenberg
Ehrltch nnd mutig hatte herta das
Versprechen erfsllt das fie bei ihrer
iiberhafteten Abreise auf dem zurück
gelaffenen Zettel dein jungen Offizier
gegeben. Sie hatte ihrn nicht nur
trog des tiefgehenden Zwisteö zwischen
den beiden häufern ihre Freundschaft
bewahrt, sondern fie hatte auch leinen
vAugenblitt Bedenlen getragen, ihm bei
der erften zufälligen Wiederbegegnung
die« ungefähr acht Monate nach jener
Abreise erfolgte, mutig und ehrlich ins
Gesicht zu lagen, san ne mir kam zu
frieden und von ganzem Versen llpld
auf ihn fei.
Was nach einer solchen, für eine
junge Dame einem jungen Manne ge
genüber immerhin etwas ungewöhn
lichen Erklärung sich notwendig neig
nen mußte, war dann prompt gesche
hen. harald hatte ihr der Wahrheit
gemäß und mit einer Aufri tigieit,
die hinter der ihrigen nicht zuruckftand,
erwidert, daß die Liebe zu ihr den al
lerwesentlichften Anteil an der mit
ihm vorgegangenen vorteilhaften
Wandlung gehabt habe, und daß er es
als einen nicht geringen Gewinn fiir
fein ganzes iiinftiges Leben anfehen
würde, wenn sie ihm Gelegenheit gäbe,
viele Liebe durch eine Vereinigung ih
rer Schicksale bis an das Ende seiner
Tage frifch zu erhalten.
Wie ihre Antwort ausgefallen war,
hatte er teinem Menschen erzählt;
aber sie mußte doch wohl in einem be
friedigenden Sinne geläutet haben, da
schon am nächften Tage auf beiden
Seiten der Kampf mit den widerstre
benden weiblichen Anverwandten be
gonnen hatte, und da kaum vier Wo
chen später der über diese Anverwand
ten glücklich eriochtene Sieg durch ein
festliches Verlobungsdiner gefeiert
werden tonnte.
Die hochzeit folgte dann binnen
lürzester Frifi, da nach Haralds oft
wiederholter Versicherung bei der vor
aus-sichtlich ständigen Abwesenheit fei
ner Eltern Rhinow unmöglich lange
ohne eine Schloßherrin bleiben dürfe.
In der Tat erschienen denn Baron
Ewald und Frau Leonie nur noch sel
ten und immer nur aui kurze Zeit,
gleichsam als Gäste. auf dem Gute,
das der Baronin durch die Anwesen
heit der ungeliebien Schwiegertochter
und durch die Veränderung, die unter
ihrem Einfluß mit Harald vorgegan
gen war, gründlich oerleidei schien.
l Auch ihr Gotte harte nach seiner
iimmer wieder abgenebenen Erklärung
keine Freude mehr an der ererbten
Escholle, seitdem durch das zwischen
Landwirtschaft und Großindustrie
eingegangene Bündniß alle Traditio
nen seines alten stolzen Gelchlechtes
über den Haufen aeworfen feien. Die
sehr beträchtlichen Summen aber, die
ihm harald aus dem Ertrage dieses
für beide Teile aleich fruchtbeingenden
Bündnissei zur Veriügung stellen
konnte, nahm er doch ohne Murren
entgegen.
lE n d e.)
N
hefteten used s-— betonte-.
Mizzi Wirth. die bekannte Sou
brette, die jüngst vor den Rechnungen
ihres Schneiders aus Berlin flüchtete
und jeßt in Peteraburg in dem Wie
ner OperettensEnsemble im Kasino
Theater die Haupt41n2iehungskraft bil
det, war, wie aus Petersburg geschrie
ben wird, vor einigen Tagen der Mit
telpunkt einer hüchft komischen Szene,
die teils Theater, teils Wirklichkeit
war. Jm Latini-Theater wurde die
Premiere von der neuen Operette
Franz Lehara »Eva« gegeben. Die
Vorstellung war zugleich das Benefiz
desPetersburger Lieblings Jul.Spiel
mann. Mizzi Wirth hatte die Rolle
der Ver-im Es konnte darum nicht
ausbleiben, daß das Kaido-Theater
bis aus den letzten Platz von einer bei
fallzluftigen Menge gefüllt war. Die
Stimmung war sowohl im Publikum
wie auf der Bühn: allmählich fehr
ausgelassen geworden. Der Erfolg
war außerordentlich und fteigerte sich
nach dem zweiten Att zu wahren Bei
fallsstürmem Die Hiihe des Erfolges
bildete aber folgende Szene im dritten
Att: Eva, die von Grete Freund dar
geftellt wurde, machte die Bemerkung,
daß das Koftürm das sie trage, noch
nicht bezahlt ei. Darauf erwiderte
Mizzi Wirth- pitm »Ach, wer denlt
denn beim Hieiderbesellen immer bald
ans Bezahlenl« —- Donnernder Ap
plauö folgte diesem Wiß. Das Publi
tum. das genau wußte, daß es den
Aufenthalt der Mizzi Wirth in Pe
tersburg nur ihren Schneiderschulden
verdanke, rafte vor Beifall, und heute
ist es in Petersburg ein geflügelte
Mort: »Wer denkt denn heim Kleider
bestellen leich ans Bezahlen.« —- Die
armen L ferantenl
Vatikan-.
»Das Dich Dein Mann aus Liebe
gehei!atet?«
»Votläufig ja, mein Ersteil be
komme ich erst spätet.«
senden-II
»Cin Wort am Vertrauen, lieber
Freund-! Der Kuglek hat bei Inst ei
nen Posten Wein bestellt —- was hal
ten Sie von dem Manns Es ist mit
erzählt worden« et pfle sich Ware
Kommen zu lassen. um e nachher zu
verkaufen, und die Lieferanten hätten
das Rachfehen.«
«.Das ist eine VetteumdnngS
Ob et bezahlt, weiß ich zwar nicht —
aber verkaufen tut er teinenfaill den
Mk Was et bestellt, das tean U
« «