Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 15, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Ilserold
Jahks
Ummck 31
Lied der Deutschen im Ausland.
Alle wir in fernen Landen
Denken on ein heilig Gut:
Land. wo unsre Wiegen standen,
Unfrer Väter Asche ruht.
Land der Eichen, Land der Linden,
Voller Deldentämpfe Du.
Wie die Flagge in den Winden
Rauscht Dir unsre Seele zu!
Unter Cedern, unter Palmen,
hoch im Eis, am Steppensaum
Träumt der Deutsche, wie auf Almen
Leuchtend blüht der Apfelbaum,
Laulcht den heiseren Sturmesschmer
zen,
Eichen ihr, an Bismarels Gruft,
Fromm bewahrend sich im Herzen
Eines Christbaums Tonman . · .
Manchem lebt ein liebes Mädchen
Treu behütet im Gemüt,
Der sein blondes Nachbargrethchen
Noch im Alter vor sich sieht.
Mancher, den des Schicksals Schmiede
hart zu Stahl gehömmert hat,
hält bei einem Heimatliede
Weinend kaum fein Notenblatt! . . .
Vaterland, wie eine Eiche
Wächst Du in der Welt empor,
Als wenn Gott zu seinem Reiche
Dich zum Fundament erkor.
Deutsches Blut musz erdwärts trovsen,
Bis die Welt gelangt zur Rub,
In gebräunten Körpern klopfen
Dir auch unsre herzen zu!
Wer aus deutschern Blut geboren.
Schließ den Schwur in sein Gebet
Daß er nimmermehr verloren
Seinem Vaterlande gebt,
Teure heimat, aus den Schwingen
Des Gesangs vernimm den Schwur:
Wo wir wandern auch. wir singen
Deutsch und bleiben Deutsche nur!
Max Bewer CLaubegathresdenJ
Mr. Brown ans Cincinnati.
humoresle von Peter Brutz
dors.
« m Führer-Stin neben der Hof
ein hrt znrn »Blauen Hecht« war es
gesteckt voll. Der Tabatsqualm la
gette so dir! und schwer im Raum
daß die Hängelampe mit dein breit
ausladenden Blendschirrn nur in den
Konturen zu ertennen war. Wie
qrauer Chitson hing der Rauch zkvi
schen dem niedrigen Gebiilt und an
den Wänden iiber den vielen Hunder:
ten von Ansichtslariem mit denen
dankbare Krarier noch aus der Ferne
und nach Jahren ibrer einstigen Füh:
rer gedacht· Manche von den Yldres
saten hatten· längst ihr Marterl an
irgend einer Schrosse oder hatten
sonst den letzten Ausstieg gemacht. aus
dem es keinen Knieschnartler, teine
Schneeblindbeit und lein Zurück giebt.
Jrnmer war da noch eine erfreuliche
Anzahl von der alten Garde: der
Wetter-Franzi, der im linken Ellen
bogengeleni ein unsehlbares Baro
meter hatte, der bald stinsundsiebzigi
jährige Garmischer Sein-, der Roth
ouchner Wasil. von dem die Rede ging,
daß er noch nie eine Tour abgelehnt,
auch die schwierigste nicht wenn sie
gut bezahlt wurde; und der Stronti
haser Hias mit dem silbernen Kreu
zel, das er vorn Prinzregenten eigen
händig bekommen hatte und immer
tru auch zur Nacht, wie man sagt.
set stattliche, vielversprechende
Nachwuchs lauschte ausmertsam zu,
wenn die Alten diötutiertein über
Lawinen und Steinschlag, über die
Schutzbütten - Marder oder wie
eben -—-— iiber den mißlichen Wandel
der Zeiten und das unsichere Wetter,
das so arg wenig Leut in’e Oberland
führt«
»Und dö, was lemma'«, tnurrte der
eiagraue Sepp in sein zerbissenes
Pseisenmundstiicl, »ui jegerlL- Dia
san’i und turzlustiz knapp, das3’g
Schnauserl langt bis aus d’ Zieserner
Alm, was an Rai sressen und mit’r
Nandl schaksluzirm Fall'n a paar
Tropperl Regen, glei hocken’s beisamm
in der Wirtsstubn und schaun granti
von drunten aus d’Berg. Und a Göld
hamf anett Dis Ameritanerer, wann
i denl -- ui jegerll So in dö such
z’ger Joahr do hat sei nix g’seblt am
Oderland. Goldstückeln hass- geb’n
wia Buxelnsps. Mel Vatta seli «
«Guten Tag, meine Herren«, unter
brach eine muntere Mannesstimme
von der Tür her.
»Gewiß Gott« erwiderte der Kast
ner Lipi siir Alle, indem er sich erhob
und dem«Fremden entgegentrat; denn
der Kahner Lipa hatte »düschuer«
und war der Nächste dazu, wenn es
was zu tun gab. Das war streng
geregelt bei den librersleuten Und
nur wenn ausdr etlich esir Bestimm
ter verlangt wurde, mußte der «Dlt
schuerer« zurücktreten Das tat er na
türlich nicht gern, und so zeigte sich
der Kaßner Lips sehr höflich und
dienstwillig. Er schob sogar seine
Pseise ins War-ims, als er fragte:
»Was schasst’s Eu’r Gnab’n?«
Der Fremde, ein junger Mann in
eleganter städtischer Kleidung, drückte
seinen Klemme-.- auf die Nase und
blinzelte freundlich zu dein baumlan
gen Lips empor.
»Ich bin Mister Broivn Jus Cin
cinnati und möchte eine tleine Tour
machen. mein Lieber.«
»Pcho recht. No heut, Eu’r Gna
Uns-«
»Nein. Das wäre zu spät. Mor:
gen vor Tagesanbruch. Sagen wir
um halb drei.«
.,Scho recht«, kratzsußte der Kaßner
Lips. Inzwischen hatte er den klei
nen. geschmeidigen Stadtsrack ab:
taxirt, was der wohl leisten könnte,
und machte seine Vorschläge: ,,Aus’n
Schuttern? Oder mögen’s gar nach’m
Eistlamm?«
Der Fremde schüttelte den Kopf.
»Auf die Jochrvand mischte ich.«
Hätte er auf den Mond verlangt
· die Leute im Führerftiibl hätten
nicht verdutzter dreinfchauen können.
Dem Garmifcher Sepp war die Pfeife
aus dem Mund gefallen. Nachdem
der Lips sich erholt, traute er sich mit
der Riefenprant hinterm Ohr.
»Salra, faer -- diis werd i net
fchaff’n tönna, gnä’ herr. J bin no
net aufitraxelt «
«Svlang d’ Welt steht, han a
Stückener fünf Mann d· Jvchtvand
g’fchafft", ließ der Stronthofer Hias
sich vernehmen und fvielte mit feinem
Kreuzelz »vrei dervon fan net heim
lemma; dii ander zwv fan der Roth
buchner un i un i mach net mit,
net für a Göld. Wissen’s, daß a Neus
fchnee liegt auf d’ Wand?«
»Natürlich weiß ich das«, fchmuns
zelte der Fremde. »Eben deshalb
möchte ich rauf. Wie lange hiilt sich
hier diefer Schnee Z«
»Bist a neucher fallt. « Mit Ver
lav, wisse-sey was dös hoaßt: au d’
Wand im Reufchneelt Undssniit er
laub, ham’ö fcho sa a Stückl g’
fltmcht —?«
l »Hier noch nicht. Ave- in Amerika-«
! Der Garmifcher Sepp verlor aber
Emals die Pfeife. Seine Augen wei:
teten sich. und der zahnlofe Mund zis
fchelte in Staunen und unbegrenzter
Hochachtung:
i »Satradixen an Amerilanes
rer - —-—«
Einige Augenblicke tvnr es fo still
im Zimmer, daß man den Knifters
brand des Tabatg hörte. Dann rectte
der Rothbuchner sich auf.
»Machft«o net, Lip5?« fragte er
kurz.
»Na «
»Als-) denn i mach’g, Herr. Aber
tdös toft a Edle-. San hundert Martin
l z’vül?«
I »Je nun zu wenig gewiß nicht«,
ilachte der Fremde. »Aber ich will
Inicht handeln. Alfo morgen früh
lhalb Drei wenn das Wetter irgend
i danach ift.«
»Im-an ma "n zranzlP sagte der
Nothbuchner, nun seitereisrig. »Geh
her, FranzL ioia scliaugt’5 aus mor
gen in der Fruha?«
Der Wetter-Franzl befühlte seinen
linken Ellenbogen und iviegte bedent
lich das Haupt.
»Hagel giebt’s und an starken Ne
bel. Uebermorgen do is gnat.«
»Schön, also dann übermorgen.
Das ist mir schon recht. Jch habe
noch Verschiedeneg zu besorgen nnd
vorzubereiten. Wie heißen Sie?«
»J bin der Rothbuchner Wastl", er
widerte der Führer, beinahe getränkt,
das; es Jemand gab, der ihn nicht
lnnnte. Aber das weiterharte Gesicht
ward eitel Sonnenschein, als er eine
blanle Doppelirone zum Angeld er
hielt. ,
Wie ein Lausseuer war es durch’H
Dorf gegangen, daß der jungeDeutschs
Amertianer, der beim Postwirt als
Arihur h. Brown aus Cincinnati
dor drei Tagen sich eingeschrieben,
und der ein lieber, alleweil sideler
Kerl war, die Jochwand besteigen
wollte.
Von Stund an stand er im Mittel
punkt des Interesses — auch bei den
Damen. Und unter diesen war es
besonders Fräulein Klörchen Gutbar,
die in ihrer romantischen Seele er
schauerte, wenn sie der Gefahren
dachte, denen der hübsche, junae
Mensch sich aussehtr. Und wohl gar
ihretwegen denn gestern war bei
Tisch davon die Rede gewesen« daß
aus der Jochtvand wahre Beete oon
Edeln-riß blühen sollten und sie
hatte sich schwärmerisch eine Handvoll
davon gewünscht. «
Der Vater, dem sie ihre Besorgnis
anvertraut, meinte allerdings, sie
wäre ein eingebildeies Schaf. Aber
hat ein Geschäftsmann, ein Fabrilani
von Huftenbonbons und Malzpräpas
raten, das rechte Gefühl siir Poesie
und Ritterlichleit? Er wußte ja auch
nicht, wie Arthur Brown ihr in die
Augen gesehen hatte, als sie den
Wunsch geäußert: so tief, so - so
rückhaltlos verheißend . . .
Schon am Vorabend des Aufftiegs
war eine Aufregung und ein Men
fchengewühl im Dorfe, wie zur Kirch
weih. Aug allen umliegenden Ori
schaften, ja bis aus Gries und Stils
waren Touristen und Einheimische
ekomnien, um die waghalsige Ge
Fchichie mit anzusehen. Das Für unsd
Wider wurde lebhaft erörtert s- und
sogar Weiten wurden abgeschlossen.
Die Ssachiundigen und solche, die das
fein wollten, waren sich darüber einig,
baß es ein amerikanischer Spleen sei.
die Jochwand zu erklimmen und
noch dazu bei Neuschnee.
I Ueber diesem allgemeinen »Disch
triren war es so spät geworden, daß
am Morgen beim Ausmarsch sich nur
wenige aus den Federn gefunden hat
ten. Fräulein Klärchen Gutbar aber
stand am Fenster eine Hand aus
dem tlopfenden Herzen, die andere in
Angst gegen den Mund gedrückt· Und
er hatte richtig zu ihr ausgeschaut
und sein Hütchen geschwenkt, der Un
selige, der liebe, liebe Mensch...
O Gott, und wie er bepackt war!
Als die zehnte Vormittagsstunde
herannahte, die Zeit also, in der nach
Aussage des Stonthofer Hias der
Ausstieg vollendet sein mußte, wenn er
überhaupt gelang, gab es nicht genug
Fernrohre, Prismengläser und Feld
techer. Selbst winzige Theatergucter
wurden hervorgeholt, und wer auch
dessen erinangelte, der schwärzte ein
Stiick Glas, um die blendende Schnee
wand drüben andauernd beobachten
zu können.
Da endlich meldete das längste
Fernrohr die Tolltiihnen in Sicht.
Brausender Jubel ging durch die
Menge. Aug Märchen Gutbars
blauen Augen rollten helle Zähren der
Erleichterung und Glückseligkeit
Bald daraus waren der Rothbuchs
ner Wastl und dann der angeseilte
Amerilaner auch durch schwächere
Gläser zu erspähen und man ton
statierte, daß die beiden eine merkwür
dig rege Tätigteit entfaltetem
— eine Art grauen Netze-Z oder
Schleiers oder dergleichen rollten sie
über den schräg absallenden oberen
Teil der Wand hinab...
Plötzlich ein Schuß, der drei-, vier
sach im Echo widerdrähnte gleich
izeitig ein jähes Aufslammen des
rätselbaften Schleiers - und
fdann las ein jeglicher auch mit blo
szem Auge in schwarzen Riesenlettern:
Mustelim das unerreichte
Kräftigungsmittel siirBerg
steiger!
und darunter in etwas kleinerer
Schrift:
Nellame.
! Neue ameritanische Schnee
Vertreter: Arthur H. Broivn.
Edeltoeifz hatte er nicht niitge
bracht . · ·.
Märchen Gutbar würdigte den tin
würdigen natürlich teineS Blickes
so sehr er sonst auch der Held des T-;
ges war. Da aber Herr Kommer
zienrat August Gutvar in Firma
Kliimpere ckc Gutbar, Hustenbonbong
und Malzpräparate Engl-as - den
smarten jungen Mann vorn Fleck weg
sür die ganze nächste Saison enga
gierte, erscheint es nicht ausgeschlos
sen, daß sich Fräulein Märchen-J
Oerztnacks noch einrentt.
Das Ende der Entdeckungen
Die Urtultur begann in Mesopo
tamien und Aegypten. Später dehnte
sich der Kreis bis aus Kreta aug.
Erst seit dem Ende des 2. Jahrtau
sendet sind viele neue Länder in das
Gesichtsseld der Kulturmenschheit ge
treten, vor allem Sudeuropa, Jn
dien und Aste-i. Eine zusain
menhängende Kulturtoelt entstand von
dem Atlantischen Ozean bis zu den
taisungepeitschten Gestaden des Stil
len Meeres. Allmäblich wurden die
ser Welt weitere Striche im Norden
Eitreisiens, sowie in Asrita und Insel
itsien gewonnen. Entdeckung war da
bei meist gleichbedeutend mit Erobe
rung. Es hat reichlich ein Jahrtau
send gedauert, bis die Alte Weit nun
vollends, immer noch mit Ausnahme
der größeren Hälfte Asrittrs, der geo
araphischen Kunde und zugleich dein
Gange der Welttultnr erschlossen
wurde. Bereits aber siihlten sich die
Völter zu enge in dein ungeheuren Be
reiche des Festliindes. Die Katai und
die Mongolen suchten nach über
seeischeni Vesitze und liesen Japan an,
die Normannen fuhren nach Grönland
und Nordamerika Ueberall nahm die
czeanische Schiffahrt einen merklichen
Aufschwung. Jn ver Mongolenzeit
wurden die Inseln der Siidsee nnd
Neuseeland von den Malaien besiedelt;
die Hansu herrschte auf dem nordi
schen Meere; die letzten Nachsahren der
Wilinqer, stanzösische Normnnnen.
entdeckten die Azoren; dieAtaber segel
ten in allen Gemässern Südnscens.
Und seit 143 kamen chinesische
Kriegsschisfe noch Ceylon, Ostafrika
unt ins Rote Meer, wo sie Dschidda,
den Hasenplctz Diesing, doinbardiers
ten: im Busen von Mexilo erblüyte
glenhzeitig die Schiffahrt Der Kann-«
beu. An diese überseeischen Versuche x
schließt das ozeanische Zeitaltek an,s
bog von den Europäern herausgesiihrt ’
wurde. Neue Welten wurden in Ame
rila, Südosrika, Nordasien und Au !
stralien entdeckt. Die Erschließung der
Erde nahm nun einen raschen Fort
gang. Durch die Fohrten Cooig sind
ini Grunde schon die letzten lielanqreis
chen Lücken in unserer Kenntnis besei: »
run. chon zur sen geapoieons gao i
es leine größere Jnsel von Belang
mehr und kein Gestade eines Fest
lande, das nicht von westlichen Seelen
ten angelaufen worden wäre. Dass
neunzehnte Jahrhundert fah seineAuf- »
gut-e darin, das Jnnexe der Kontinente j
zu erschließe-L Das gilt fiir lkiiropw
und das alte Asien genau so ant. wie
fiir die anderen Erdteile. Den größ
ten Vorteil hat von dem Forschungs
triebe des neunzehnten Jahrhunderts
Asrila gehabt, das zu Anfang jenes
Zeitraumes nur zu ungefähr einem
jiinizigstel bekannt war. Aber auch
Europa lernte erst jetzt so recht eigent
lich seine Alpen und die unzuqängliche
ren Striche des Apenning und der
Sila sowie Nordeuropa und den Bal«
tqn kennen. Noch bis lzum heutigen
Taae ist Jllbanien weniger belannt als
der größte Teil Mittelafriliis. Im
allaemeinen aber haben sich auch im
Innern der Länder ietzt die Lucien ge
schlossen, die in unseren Karten noch
vorhanden waren. Die letzten Rätset
wurden entschleiert in Bezug auf Las
bei-dar Tibet, Asahenistam die Mon
aolei. Jnneraustralien und vie Gebiete
der wilden Jndianer in Brasilien. Bo
iivia und Chile. Das- Wert der Ent
decker ist abgeschlossen bis auf Gegen
den chbadsee, in Tebesti und auf
Teile von Marotlo
Wissensdurstiae Pfadfinder haben
sich nach dem äußersten Norden, ;. B.
nach Island begeben. Versuche, die
Pole zu entdecken, haben sich zu uner
hörter Häufigkeit und lrampfhafter
Heftiateit qeiteigert und den leiden
sehtiftlichsten Anteil haben die Fahr-ten
von Pearn und Coot erregt.
Haben die arttischensttegionen etwas
Grausige5. Däinoiiische5, so wären
auch die öden Gebirge Jnnerasiens ge
eignet, den Schreckenglandschaften
Dorf-g als Muster zu dienen. Jn der
Tat, eiu phantastisches Märchenland, l
dieses Tibet und daH benachbarte Him- j
uielsgebirge! Großes haben da ali«
Forscher die Deutschen Zugnieyer, H
Filchner und Tafol geleistet. Mehr ,
Ruhm hat Sven Hedin einaetieimsL «
Zum Teil, weil er ein Meister der Re- :
llame ist. Zum Teil, weil Augländer :
in Deutschland immer mehr bestaunti
werden als Deutsche. Eigentliche Ge ’
fahren hat Sven Hedin niemals bei
standen. Seine wertvollstc Eigenschaft
ist das angemessene Talent, endlos z
Langeweile zu ertragen, zweitens zierk ;
«il«,n seine Freude an trockenen Zahlen. ’
Er schwelgt in Messunqu, in Sta
tistiken, in Kältegraden und in Flus: »
massersnengen Jm übrigen ist der
Erfolg solcher Erforschunggreisen viel ’
iach eine Geldstage, und auch in der
Beschaffung Von Geldern hat sich der
Schwede den deutschen Wettbewerberit
überlegen gezeigt. Dabei besitzt er das
Talent der Gewandtheit, Verschlaqen
beit, Schmieasamteit und Anpassung
an alle nur erdenkbaren Zustände
Immerhin steht es um Hedin nicht ent
fernt so schlecht, wie um die Nordpol ’
fabrer, aus deren Kranze wir alles
Lan herausnehmen mußten. Kein
Zweifel, Hedin hat Bemerkenswertes
geleistet. Auch dürfen wir nicht sein
frisches Grzäblertalent vergessen. A:
lerdingz ist er im wesentIichen Photo
graph. Er beobachtet mit handwerks:
mäßiger Genauigkeit jeden Stein am
Wege und jedes Wirtshaus-, in dem er
Tee trank. Er ver-zeichnet mit treuslei
ssiger Gewissenhaftigkeit die Zahl der
Komete, denen er begegnet.
Weniger wertvoll sind die Schilde
rungen der Reise durch Armenien
nnd Persien. Was er da iiber die Re
volntivn sagt, ist ja nicht unrichtig,
aber alles so ausgereatt Das Gleiche
ailt fiir die Gegend am Ararai. Wenn
jemand in Asten abseits von der Ei
senbann ist, so tnufz er wissen, und das
Publikum weiß es nicht minder, daß
er häufia sein Leben in die Hand
nimmt. Es ist daher nicht nötig, dies
immer besonders zu nnterstreichen.
Auch ist bei näherem Zusehen dieSache
oft viel harmloser, als es den Anschein
hatte. Gerade am Aramt bin ich
Zeuge einer Aurdenschlncht geworden
JMeine Begleiter, Tschekkessen bedeute
sten mich jedoch sofort anfangs-, daß
mich die Sache gar nichts angehe, und
daß Anßenseiter keine Gefahr liefen
Als dnnn nnch einigen Stunden bes
tigen Schießens eine türkische Kom
paanie von Bajnzed lam, um den Wir:
ten ein Ende zu machen, und als man
nun den Schaden besah, ergab sich, daß
nach dem sünsstiindigen Gefechte —
sechg Hammel ihr Leben gelassen, und
einige andere Hammel geraubt worden
waren. Durch Kurdistnn bin ich ganz
allein geritten, ohne daß mir das ge-«
ringste zugestoßen wäre. Die große
Etjstorlr. die unser schwedischer Rei
sende nahm, war demnach nicht so un
bedingt nötig.
Volltg unbekannt sind noch einige
Stätten der Urtultur. Wenige Tage
reisen von SusasBabylon erhebt sich,
noch unbestiegen, der etwa 20,000 Fuß
hohe Kuh Dinar. Jn Abessinien weiß
man wenig über Kusch oder Kasckt,
ursprünglich von Schwarzen bewohnt.
Herzog Friedrich Adolph von Meck
lenburg hat auf neuen Pfaden den
schwarzen Erdteil durchanert und hat
dabei einige der ostafrikanischen Berg
riesen bezwungen. Pikant ist dnrt das
tointerliche Jagderlebnis mit Elefan
ten; durch bereiste Wiesen sucht der
Herzog nach ihren Spuren, Er will
in diesen Alpendickhäutern eine neue
Spezies, einen Bergelefanten erken
nen. Wir erfahren gleichzeitig durch
den Herzog Neues über das älteste
Völkchen der Menschheit, die Zwerge.
Wie wenig übrigens in Deutsch-Ost
osrita noch zu entdecken sei, das geht
daraus hervor, daß schon Hand- und
Taschenbiicher von dem Schutzgebiete
erscheinen. Die Entdeckung siir das
praktische Siedlerleben schreitet tüchtig
; vOtML
i Schon gibt es in ganz Mittelasrita
fast keine weißen Flecke mehr. Nur
einer von Belang ist noch vorhanden:
Tebesti. Diesen Fleck will jetzt eben
falls ein Kühner tilgen, Otto Art
ibauet Seit zehn Jahren treibt sich
dieser junge Mann schon in den Län
dern des Orients umher, am liebsten
da, wo er- atn gefährlichsten ist. Mit
dein grimmen Fremdenhasser Ma el
Ainin ist Artbauer selbst zusammenge
kommen und ist eine Zeitlang mit ihm
gereist. Eine wertvolle Bereicherung
unseres Wissen-«- vom Scherifenreiche
stellt ferner das Lebens-wert von Kai
row dar. Es ist ein guter Beobachter
der zu uns spricht, ein Mann mit ge
sundem Menschenderstande und mit
einem schönen niederdeutschen Humor.
Der wackere Kapitiin ist ein halbes
siltenscttenalter in Marotto und kennt
Land und Leute mie seine Tasche.
Wiederum sehen wir hier den Fall,
das; Gebiete, die ganz nahe der llrkul
tur und den Welthandeldstraßen lie
aeu, dennoch bis in die Gegenwart
tatsächlich unbekannt geblieben sind.
Jckt meine damit das Ris, iiber das
uns hier lediglich arabische Geogra
Phen und der Elliarquisz de Segonzac
einiges wenige gesagt hatten. Von
Karow hören wir eine Menge nament
lich über das östlickte Rif und die
Striche, in denen sich Buhamara ge- s
tutnmelt hat. -
Jn Amerika haben die letzten Jahre s
wenig Entdeckungen oon Velang mehr s
gebracht. Dafür geht nach des Süd s
polg nie entdeckten Sternen jetzt der s
Menschheit Lauf. Shackleton hat dort
unsere Kenntnis wesentlich erweitert. »
Man kann sich nicht genug tvundern,s
daß ein Polarland, das uns als eins
ilebermaß von Einförmigkeit gilt, zu;
so mannigfachen Schilderungen und
Zeichnungen Anlaß geben konnte, wie
es dies in dem gedruckten Werke von
Shackleton getan hat.
Albrecht Wirth.
Friedrich der Große und Doris
Ritter.
VRLJQMJU
AlH Friedrich der Große Kronprinz
war, lebte in Potsdam ein Rettor, mit
Namen Ritter, welcher seine Kinder
mit größter Sorgfalt erzog und ihnen
keine vorzügliche Schulbildung vermit
. telte. Seine älteste Tochter Doris war
lein bildhübscheg Mädchen, welches je
doch nicht nur durch ihren Liebreiz,
sondern auch durch ihr musikalische-«
Talent allgemeines Aufsehen erregte.
Jhr Vater, welcher selbst eine musika
lische Größe war, leitete in der Kirche
den musikalischen Teil des Gottesdiem
ftes, wobei ihn feine Tochter Doris
unterstüßte, indem sie in der Regel die
Solostiinmen übernahm und mit gro
ßer Andacht sang.
An einein Sonntage befand sich der
jugendliche Kronprinz Friedrich mit
seinem Musiklehrer, dem berühmten
Johann Joachim Quanz, in derKirche,
als der Rektor Ritter die Kantnte von
Bach »Wachet, betet, seid bereit!« zur
Ausführung brachte. Der Prinz, der
ein großer Freund der Musik war,
lauschte andächtig dein Gesange; doch
als Doris’ schöne Sopranstimme er
tönte, da fühlte er sich von inniger Be
geifterung ergriffen. Gleich nachSchluß
des Gottesdienstes eilte Friedrich aus
den Chor, um der Sängerin seinen
Dank für die herrliche Kantate auszu
sprechen, aber Doris hatte bereits mit
ihrem Vater die Kirche verlassen. Da
der Kronprinz aber die herrliche Sän
gerin unter allen Umstände kennen
lernen und ihre schöne Stimme öfters
hören wollte, besuchte er sie eines Nach
mittags in der Wohnung ihrer Eltern.
Von dieser Zeit an war der Prinz, der
gerade damals die schwersten Demüti
gungen von seiten seine-?- königlichen
Vaters zu erdulden hatte, öfters irn
Hause Ritters-, und die frohen Stun
den, welche er dort verbrachte in der
einfachen, stille«1Häuslia-teit, sie waren
Lichtpunlte in seinem trüben Jugend
sleberk Was der gestrenge Vater mit
Hallen seinen Strafen und Predigten
Iiiber seinen trotgigen Sohn nicht ver
mochte, das gelang der anmutigen und
» sanften Reltorstochier; denn wenn der
T Kronprinz einmal im Zorn aufbrauste,
s so genügte nur ein vorwurfsvoller Blick
aus ihren schönen Augen und ein sanf
tes »Aber Königliche Hoheit!« und
Friedrich wurde sofort ruhig.
Diese lautete Freundschaft zwischen
dem Kronprinzen und der schönen Do
ris Ritter bestand längere Zeit unge
stört fort, aber sie riß das junge Mäd
chen dennoch in den Strudel, welcher
Friedrich beinahe verschlungen hätte.
Das Verhältnis zwischen Friedrich
und seinem königlichen Vater hätte sich
nicht so verzweifelt gestaltet, wenn
beide nicht von ganz verschiedenem .
Temperament gewesen und neben ganz
verkehrten pädagogischen Maßregeln
auch noch andere Uebelstände hinzu
gekommen wären. Es wurmte den
König, daß sein Sohn ihm nichts zu
Willen tun wollte, außer gezwungen;
den zarten, feinfiihligen Jüngling
traktierte er mit schweren körperlichen
Mißhandlungen, welche zum mindesten
Widerwillen hervorrusen mußten. Den
eigentlichen Bruch fiihrte der König
s aber dadurch herbei, daß er dem Prin
Zen nach einer harten Mißhandlung
) sagte, »er würde sich erschossen haben,
«wenn ihn sein Vater so behandelt
f hätte.«
» Da verfiel der Prinz, aufs Aeußer
Jste gebracht, auf einen unglücklichen
Gedanken, und diesem folgte bald
’nachher die uniiberlegte Tat, — er
sann auf Flucht. Es ist bekannt, wie
ein aufgefangener Brief an seinen
Freund, den Leutnant von Kutte, über
die Absichten des Prinzen völlige Klar
heit brachte, und der König nun über
den Sohn herfiel und ihm den Degen
durch den Leib gestoßen hätte, wenn
der alte General Moscl nicht dazwi
schen getreten wäre. Katte wurde hin
gerichtet, und der Kronprinz kam für
längere Zeit als Gesangeuer nach Kü
strin. Doch damit begnügte sich der
erziirnte König nicht; er wiitete gegen
alle Freunde seines Sohnes und be
strafte sie empfindlich, am empfindlich
sten aber war wohl die unschuldige
Doris. Sie wurde auf offener Straße
ergriffen, ausgepeitscht nnd zweiJahre
lang eingelerlert, und dies alles einzig
und allein nur dafür, weil sie dem
Kronprinzen ihre Freundschaft ge
schenkt und ihm seine sonst so öden
Jugendjahre durch ihren herrlichen Ge
sang verschönt hatte.
Als Friedrich im Jahre 1740 den
Königsthron bestieg, suchte er durch
reiche Wohltaten un; Ehrunaen den
ersahrenen Schimpf des unglücklichen
Mädchens- vergessen zu machen, dnq
der bittere Kummer um die erlittene
schwere Schmach hatte die zarte Blume
frühzeitig geknickt Die schöne Doris
siechte dahin und starb bereits nach
wenigen Jahren. Seitdem sie unter den
wuchtiaen Peitschenhieben und dann
hinter dem eisernen Gitter so ansag
bar schwer gelitten hatte, hat sie keinen
Ton mehr aetungenx die Kehle war ihr
wie zaqeschniirt Als sie aber aus dein
Sterbebette lag und mit dem Tode
rang, da ertönte noch einmal ihre herr
Tliche Sopranstimme in ungehörter
Schönheit. Leise stimmte sie jene
Rantate von Sebastian Bach, welche
den Aronprinzen Friedrich einst so be
geistert hatte. an und immer stärker
und Voller entströmten die Töne ihrer
tranken Brust: »Wachet, betet, seid be
reit!« Mit gesalteten Händen und auf
blietend zumHimmel sang sie das schöne
Lied des großen Meisters zu Ende,
dann sant ihr bleiches Haupt auss
Kissen, ihre Lippen hauchten leise noch
einmal den Namen ,,Friedrich« nnd sie
hatte ausgelitten.