Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 15, 1912, Zweiter Theil, Image 10

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    Ein Roman aus dem
ceben
? luf ererbtev Schollei
Von
Reinhold Ortmann
(11. Fortsetzung)
»Gewiß! Warum sollte es mir denn
unmöglich scheinen? Sobald Sie nur
erst sich selbst gefunden haben, wer
den Sie sich auch den Platz zu erobern
süßen, der einem Manne oon Ihren
Anlagen allein geziemend ist« und der
hnen nicht nur meine Achtung sichert,
one-ern auch die Voachtung und
Verehrung der Anderen«
Er wollte ihr noch einmal ver
sichern, daß ihm an der Hochachtung
und Verehrung der Anderen durchaus
nichts gelegen sei. aber er besann sich
doch rasch eines Bessern und erwiderte
mit einem kleinen Seufzer:
»Wohlnn so will ich noch ein
mal versuchen, durch eifriges Nachden
kefdas Rechte zu finden. Aber ich
kann mich der Befürchtung nicht ver
wehren. Komtesse Herin, daß Sie mir
mehr zutrauen, als ich zu leisten der
mag und daß ich mich Ihrer Erwar
tungen niemals werde oolltommen
würdig zeigen tönt-ruf »
»Nein, nein!« beruhigte sie ihn ha-.
stig. »Und Sie dürfen mich nicht
mißt-erstehen Nicht etwa Großes
und Gewaltiges möchte ich aus Ihnen
werden sehen, sondern einzig etwas.
Tischtigesl Einen Menschen« der sei-.
sne Existenz wie seine gesellschaftlicheI
Stellung lediglich der eigenen oerdan-J
ten will—-- nicht aber einer Lüge und;
der Aufopferung eines armen, weht-(
lo ofen Manche n.g " (
Haralds blaue Augen öffneten sich
weit in verständniglasem Erstaunen l
»Der Aufopferung eines wehrlosen
Mädchens? Um des himmelå wil
len, KomtesseZ Was fiir eine neue
niederschmetternde Anklage ist dies?
Wie soll ich es verstehen?«
»Ich kann Ihnen keine weitere Er
ilärung geben Aber bei einigerUeber
legung,de denke ich, werden Sie sie auch
ohne meine hülfe finden. Und wenn
es Jhnen wider Ermatten dennoch
nicht gelingen sollte, so mögen Sie
Jhre Schwester danach sragenk
Ohne feine Antwort abzuwarten
versetzte sie ihrem Pferd einen leichten
Schlag mit der Gerte und liesz es in
eine Gangart verfallen die jede wei
tere Unterhaltung fast unmöglick
machte. Aber Harald schien auch
gar nicht mehr willens-, eine weitere
Aufklärung von ihr zu oerlangenx
Sein Gesicht war tief ernst gewor
den, und wie eine düstere Wolle lag
es auf seiner Stirn.
Stumm legten sie den kurzen Rest
des Weges bis zum lVerm-hause zu
riick und schweigend war Harald
nachdem er den herbeigeeilten Diener
mit einer Handbewegung abgewiesen
hatte, der Komtefse beim Absisen be
hülflich. Er reichte ihr den Arm um
sie ins Haus zu führen, und erst als
sie den Gang erreicht hatten, an dem
die Gemächer der Woldenbergs lagen
nahm er noch einmal das Wort:
»Nu: ein ehrloser Wicht könnte es:
geschehen lassen, daß ein anderes- Ge-»
schöpf siir ihn geopfert werde. Wennl
Ihre Vermutung zutrifft, so sollen
Sie mit mir zufrieden sein, Herta -——
dafiir verbürge ich mich Ihnen als
Edelnmnn und als Osfizier!«
rliißte noch einmal die kleine
hand, Xdie sich mir warmem Druck in
die seine geschmiegt hatte, und wandte
sich dann in fester Haltung nach der
Richtung hin. in der das Arbeitszim
mer seines Vaters lag. Aber er hatte
es noch nicht erreicht, als er seiner
Mutter und- seiner Schwester ansich
g wurde, die ioeoen von Dem Diener
aus den Sätteln gehoben worden wa
ren. Ein einziger Blick aus Jrenens
bleichesz indes-trauriges Gesichtchen
mußte genügen, ihn jetzt, wo sein
Argwohn einmal reae gemacht mor
den war, von der Wahrheit der An
klage Herias zu überzeugen, und eine
Empfindung des Zorneg. wie er sie
heißer und leidenschaftlicher kaum
jemals gefühlt hatte, wallte in seiner
Seele aus.
»Wo sind die Uebrigen?« fragte
Eine Mutter, die sich in merklicher
rteaung befand. »Ich meine Dei
nen Vater und den Grasen. Sind sie
in Eurer Gesellschaft zurückgekehrt?«
»Nein, Maina'«, erwiderte Hatald,
der den Blick nicht von Jkene abwen
den konnte. »Ich weiß nicht, ob sie
bereits zurück sind, und ich war eben
im Begriff- den Papa in seinem Zim
mer zu suchen.«
»So laß uns zusammen hingehen.
Auch ich muß ihn aus der Stelle spre
chen. Du magst inzwischen aus Dein
immer gehen und Dich umkleiden,
ene! Laß Dir aber dan der Jung
ee heisen und Dich von ihr srisieren.
werde später kommen, um nach
zn eheu, Loh sie Dich recht hübsch ge
M «
« h« das Opsetlamm soll ge
schmückt werden«, dachte harald Und
Ue Falte zwischen den Brauen, die
W Gesicht plöslich eine merkwür
Ilehulichkeit mit dem seines
« gab. wurde noch tiesek.
, » o seichte et seiner Mutter
»Ist Ie- und kicpste eine Minute
ists-e as die We m Arbeits im
;L-;W Da m drinnen keine ni
W Its-. feste Leonie ihre
s-- scheust-I miteiiidee
»I- »i. des pWsseneu se
’ WORK-eh M mit eher
. H .,..». » »
anmutigen Geste wars vie Baronin
ihre Reitpeitsche auf den Tisch.
»Dein Vater iß noch nicht zurück!
Weißt Du auch, Damit-, daß das
nach meiner Ueberzeugung nichts Gu
tes bedeutet? Wenn Jrene sich nicht
in ihrer Wahrnehmung sehr stark ge
täuscht hat« so hat Dein unglückseliger
Oheini dein Graer irn Walde aufge
lauert. um eine Unterrevung mit ihm
zu erzwingen. Ich weiß nicht, welche
fAbsichien er damit verfolgen kann;
kaber daß sie einen gegen uns gerichte
ten, feinvseligen Charakter haben, ist
leider nur zu gewiß."
»Das klingt fast, als ob Du eine
Ursache hättest, Dich var dem Oheini
zu siirchten.«
»Nun ,vielleicht bist Du mit dieser
Vermutung nicht allzu weit von der
Wahrheit entfernt. Hotst von Bruch
hausen ist ein Mensch. dein man Alles.
auch das Fürchterlichstr zutrauen
lann.«
»Er ist ein Fälscher nicht wahr?
Wegen einer Fälschung und weil er
außerdem« u ein Haar seinen Reit
tnecht erschlzken hätte, mußte er da
mals bei Nacht und Nebel entfliehen?«
.Wer hat Dir das erzählt?«
»Ich weiß es aus Deinem Munde,
Mama." .
«:Itun, wenn ich es Dir Magt have«
wird es sich auch jedenfalls so verhal
ten. Ader ich wünsche nicht« daß sent
davon gesprochen werde. Jch wünsche
sogar dringend, daß es nicht geschieht.
Du hast ja gehört, welche Unannehm
lichteiten uns dieser Bruder Deines
Vaters mit seiner unerwiinschten
Rückkehr ohnehin schon bereitet hat«
»Ich werde nicht davon sprechen:
aber ich möchte doch gern etwas Nä
heres und etwas ganz Bestimmtes
über die Natur der Vergehen ersah
ren, die man ihm zur Last legt.«
.Wende Dich mit dieser Frage san
Deinen Vater, nicht an mich. Oder
oerschone auch besser ihn, wenigstens
in diesem Augenblick, wo es wahrlich
Dringenderes zu tun giebt, als alte,
oermoderte Erinnerungen auszugras
den« an denen Niemand irgend welche
Freude haben tann."
»Und was giebt es gerade jetzt so
Dringendetes zu tun, Maine-? Jhr
seid doch, wie ich gehört habe, im Be
griff, ein steudiges Familiensest vor
zubereiten?«
»Nun ja, vielleicht ist es gerade das,
was ich meine! Aber Du stellst Deine
Fragen in einem so sonderbarenTonr.
Horale Es ist ja beinahe, als oh ich
einem Verhör unterworfen werden
sollte.« «
«Verzeih’! Das ist meine Absicht
natürlich nicht. Ich werde die weite
ren Austiinste. die ich in Bezug aus
dieses Familiensest noch haben möchte,
von dem Papa erbitten.«
Die Baronin sah ihn forschend an.
Mehr und mehr sühlte sie sich durch
sein seltsam verändertes Benehmen
beunruhigt. Nie zuvor hatte sie diesen
gehaltenen Ernst und diese männliche
Festigleit in seinen Zügen gesehen·
»Was Du Deinen Vater sragen
willst, magst Du auch mich sragen",
sagte sie. »Du weißt, daß es sich um
die Verlobung Jrenens mit dem Gra
sen handelt, die heute bei dem Diner
proklamiert werden soll. Er hat in
aller Form um sie geworben und ihre
wie unsere Einwilligung erhalten.«
»Nicht aber die meine, Mamat
Und diese werde ich aller Wahrschein
lichteit nach aus das Bestimmteste ver
weigern."
»Willst Du Dir einen Scherz mit
.mir machen? Und angenommen, daß
;sie von irgend welchem Belang wären,
zweshalb glaubteft Du, sie oerweigern
i zu müssen?«
, »Weil ich überzeugt bin, daß Jrene
fden Grafen nicht liebt daß sie durch
diefe Verbindung nicht glücklich wer
den würde. Und weil ich als ihr
Bruder nicht zugeben kann, daß sie
für die materiellen Interessen der
Familie aufgeopfert werde.«
Frau Leonie starrte auf ihren
Sohn, als wage sie nicht, ihren Ohren
zu trauen.
»Bist Du von Sinnen, Harald?«
Was für ein Geift ift es, der aus Dir
spricht? Wer hat Dir gesagt, daß
Jrene den Grafen nicht liebt? Und
felbft wenn Du es aus ihrem eigenen
Munde erfahren hättest, was aller
dings wohl das Wahrscheinlichfte ist
waä biitteft Du Dich darum zu küm
metn?«
»Ich bitte um Verzeihung, Mama
— aber dazu läge denn doch, wie ich
meine, Veranlassung genug für mich
vor. Jhr hättet mich nicht in den
Anschauungen und Ueberlieferungen
eines alten, ehrenhaften Gefchlechtes
erziehen dürfen, wenn ich nicht ein
Unrecht. das an meiner Schwester
verübt werden foll, wie eine mir fel
ber angedrohte Unbill empfinden
follte.« «
Ein höhnisches Auflachen der« Ba
ronin schnitt ihm die Weitere-de ab.
»Deine Ritterlichleit offenbart sich
da bei einer etwas unpassenden Gele
genheit, mein lieber Daraldl Wenn
man ein leichtfertiger und verschwen
derischer surfche ift wie Du, der die
case des Vaters weit iiber fein Ber
mbgen in Anspruch nimmt, sollte man
» wish-me suchst assi- sit-wiss
darum kümmern, durch welche Mittel
die erschöpfte Kasse aufs Neue geflisi
werden soll. Wäreft Du damit ein
verstanden gewesen, daß wir dem
Grafen einen Korb geben, auch wenn
Du alsdann sofort hättest Um Deinen
Abschied einlommen müssen?«
»Es isi also Wahrheit? Um sol-;
chen Preis sollte ich gehalten werden?
—— O, welche Schmach! »Nein. Ma-;
ma, diese Heirat wird nicht zu Stan
de kommen — sie wird nicht, nnd
wenn ich öffentlich Einspruch dagegen
erheben müßte.'«
»Du lannft Dir diese Mühe erspa
ren, mein Sohn«, tlang in diesem
Augenblick von der Tür her eine
müde, lraftlose Stimme. Das Ver
löbnis wird niemals proklamiert wet
den. denn die Woldenbergs sind eben
im Begriff, Rhinow für immer zu
derlassen.«
Es war Ewald von Bruchhausen,
der diese Worte sprach, indem er lang
sam zu seinem Schreibseffel ging und
sich wie zum Tode erschöpft in denfel
ben sinken ließ. Mit einem Auffchrei
des Schreckens und des Zornes fisr te
die Baronin auf ihn zu und erfa te
mit beiden Händen feinen Arm.
»Was sprichst Du da, Ewaldi Sie
wollen fort? — Was - um Gottes
wiuen -— was in auch-hear
Jn abgerissenen, mühsam gesuchten
. rten erzählte der Baron den Her
gang der Steue, die sich soeben im
Walde zwischen horst und Woldeni
berg abgespielt hatte. Als er geendet,
machte seine Gattin, die mit allen An
zeichen leidenschaftlichen Zornes zuge
hört hatte, Miene, das Zimmer zu
verlassen. harald aber vertrat ihr
den Weg.
»Wohin willst Du gehen, Mama?«
»Wohin sonst, als zur Gräsin Jut
ta! Sie dürfen nicht sort! Und
wenn ich sie aus meinen Knien darum
bitten sollte, sie müssen bleiben.«
»Sie würden nicht bleiben, auch
wenn Du sie aus Deinen Knien da
rum batest, Mama! Und es ist über
dies nicht der mindeste Anlaß zu ei
ner derartigen Erniedrigung vorhan
den. Jch kann nicht beurteilen, ob
Kurt Woldenberg die empfangene
Züchtigung verdient hat - - der Gatte
meiner Schwester aber lünnte er un
ter solchen Umständen ohnehin nicht
mehr werden. Es tann hier also von
nichts Anderem die Rede sein, als daß
Du der Grüsin Jutta Dein Bedauern
über das Bbrgesallene ausdrückst und
es zugleich ganz ihrem Ermessen Y
heim giebst, wie sie ihre ferneren -
zieäungen zu unserem hause gestalten
im .«
Leonie sah zu ihrem Manne hin
über.
»Und Du, Ewald? s - Jst das etwa
auch Deine Meinung?«
Seine Antwort bestand nur in ei
nem hossnungslosen Achselzucken und
in einem Seufzer. der wie ein qual
erpreßtes Stöhnen llang.
Mit einer Geoiirde der Gering
schätzung wandte die Baronin sich von
ihm ab· J
»Natürlich! Wie lönnte ich auch von
Dir in einem kritischen Augenblick
Geistesgegenwart und entschlossenes
handeln erwarten! Statt diesen
Fälscher und Mörder einsach nieder
zuschlagen «
Da richtete sich Ewald von Bruch
hausen, die Anwesenheit seines Sob
nes vergessend, aus und erher ab
wehrend die Hände.
»Schweig!! - Um des Himmels
willen schweig!! Du weißt, daß
er so wenig ein Fälscher ist, als ihm
irgend ein anderes Verbrechen zur
Last gelegt werden sonn, und daß er
nur die Lippen zu ösinen braucht, um
mich zu verderbens
»Vater!« schrie harald aus. »Ist
das Wahrheit? Alles, was meinem
Oheim hier nochgesagt worden ist ——s
es wäre also Lüge und Verleumdung
gewesen?«
Der Baron wollte antworten, aber
es waren nur ein paar un«usammen-"
hängende und unverständliche Worte,
die er hervorbrachte. Mit einem lei
sen Aechzen sant er plötzlich gegen die
Lehne des Sessel-Z zurück, und sein
Kopf siel aus die Brust herab. Eine
wohltätige Ohnmacht hatte ihn der
grausamen Notwendigkeit überhoben
seinem eigenen Sohne ein beschämen
des Geständnis abzulegen.
Und während harald und die BI
ronin noch um den Bewußtlosen be
schäftigt waren, —— während Jrene
sich mit tränennaisen Augen sitr das
Verlobten Ddiner schmücken ließ, suhr
die Grii in Jutta mit ihren En
teln in einem aus dem Dorfe requi
rirten Mietzwagen ohne Abschied dort
dannen. Mehrere Stunden später erst
, überreichte eines der Mädchen, das
den riislichen herrschasten bei ihrem
überleasteten Einpacken behülslich ge
wesen war, harald einen Brief, den
ihr die Lomtesse heria im Augen
blick der Absahrt siir den herrn
Lieutenant übergeben.
Mit behenden Fingern riß er den
Umsch herab und tas:
ich»gl;:nn giekdessefr ringt-geh qu
n u ge ag . Aus
meine Feindschaft dürsert Sie zäh
len t und immer! sei n Sie,
daß Sie ein Mann sind, un nichts
’in der Welt wird miä hindern tön
snen, Ihnen Auge in ugen zu sagen.
wie stolz und glücklich ich über den
Anteil bin, den ich an dieser Wand
lung gehabt.
Kein Lebewohl also, sondern auf
Wiederseheni
Herta.«
Hat-old driickte das Blatt an die
Lippen und barg es auf seinem Der
gen. Dann ging er auf fein Zimmer
und schrieb mit fester hand das Ge
iuch, in welchem et unter hinweis
auf seine bedrängten Vermögensver
lk,)iiltnisse um seine Verabschiedung
ai.
Jrn weiteren Verlaufe des Tages
hatte er dann noch eine lange, ver
trauliche llnterredung mit seiner
Schwester, nach deren Beendigung er
sich ein Pferd satteln ließ, um nach
jener Richtung davon zu reiten, in
der das Betringersche Fabriletablis
sement lag.
Vierzehntes Kapitel.
Nur wenige Minuten noch fehlten
bis zur Vollendung der neunten
Abendstunde, als Horst von Bruchhaus
sen durch eine niemals verschlossene
Seitenvforte den Part betrat. Es
hatte sich da drinnen nur wenig ver
ändert in den vierundzwanzig Jah:
ren seiner Abwesenheit. und trotz der
Dunkelheit fand er sich darum an der
Stätte seiner Kinderspiele leicht zu
recht.
Die uralte, halbtreisförmige Mar
morbant, die er heute Vormittag sei
nem Bruder als den Ort ihres Zu
sammentreffens bezeichnet hatte, lag
in ziemlich beträchtlicher Entfernung
vom Herrenhause auf einem tleinen
künstlichen Hügel, von dem aus man
am Tage einen hübschen Blick über
den See und seine malerisch bewalde
ten Ufer hatte.
Jetzt freilich gab es nichts Anderes
zu sehen, als die schwarzen Laubmass
sen der nächsten Umgebung, und ein
furchtsames Gemüt hätte sich in der
nur durch das eintänige, fast unheim
liche Rauschen der Blätter unterbro
chenen Stille wohl ein wenig betlom
men und unbehaglich fühlen tönnen.
Solche Regungen aber waren dem
Manne, der da langsamen Schrittes
den tleinen hügel hinauf stieg, offen
bar vvlltommen fremd. Aufmerk
sam schaute er, als er oben angelangt
war, umher, und da er sah, daß der
Erwartete noch nicht zur Stelle war,
ließ er sich ruhig auf die Marmorbant
nieder, um seiner Ankunft zu harren.
Fast eine Viertelstunde mochte ver
gangen sein, als horft endlich das
Geräusch eines näher-kommenden
Schrittes vernahm. Nur wenige Mi
nhuten noch, und Ewalv stand vor
t m.
»Vergieb. daß ich Dich warten ließ«,
sagte er mit mühsam atmender
krqu »Aber ich befand mich wäh
rend des ganzen Tages recht unwohl,
und es wurde mir deshalb schwer, die
Aufmertsamleit meiner Angehörigen
zu täuschen, die mich in ihrer Sorge
um mein Befinden nicht aus den Au
gen lassen wollten. Möchten wir
nun nicht lieber in das Schloß gehen,
Vorst? s— Es ist so empiindlich tühl.«
»Nein! Jch habe versprochen, mei
nen Fuß nicht mehr über jene Schwelle
zu sehen - nicht nur Deiner Frau,
sondern auch mir selbst habe ich das
versprochen. Und ich pfle solche Ge
liibniffe unbedingt zu er üllen. Auch
wird es nur von Dir abhangen, un
sere Unterredung iehr turz sein zu
lassen, denn mir siir meine Person
liegt wahrhaftig nichts daran, sie in
die Länge zu ziehen. Also erst das
Geschöstliche, Ewald! Ich weiß,
daß Du nicht in der Lage bist, mir
mein oäterliches Erbteil auszuzahlen
denn ich weiß, daß Du es längst bis
aus den letzten Pfennig verbraucht
hast und daß Du so gut wie baute
rott bist. -- Oder kannst Du mir
eiwa versichern, daß ich mich darin
täusche?«
; »Horst — ich bitte Dich höre
mich an! Die ungünstigen Zeitver
hiiltnisse, » der furchtbare Druck,
der schon seit einer Reihe von Jahren
aus der deutichen Landwirtschaft
lastet ----—-«
»Lassen wir doch alle diese Phra
sen bei Seite. Also Du giehst zu,
daß ich die Sachlage richtig bezeichnet
habe. Es wäre Dir auch wohl taunr
etwas Anderes übrig geblieben, denn
als Besiher der meisten aus Rhinow
leistenden hypotheten muß ich wohl
arn besten wissen, wie es um Dich be
stellt ist«
»Wie, gourstis Jst das die Wahr
heitt —--— Du wärest
»Ehe immerhin voraus, daß Al
lei, was ich Dir sa e, die lautete
Wahrheit ist. Jch hin nicht so ganzi
der arme Teufel, sitt den Jhre Beide«
Du und Deine Gattin, mich gehalten
u haben scheint. Jch habe meine!
erme tüchtig gerührt in diesen vier-l
unt-zwanzig Jahren. Schon vor ei
nem Jahrzehnt haben mich die Inha
ber der Firma Jantsen und Kom
pagnie zu ihren Teilhaber gemacht,
und ich in heute ein reicher Mann
jenes oäterlichen Eil-teils glück- l
We Weise nicht mehr bedaes.« (
on neu ern-achtet hoff-rang be
lebt, wollte Ewatb die Hand des Brit
ders ergreifen.
»O wenn ich Dich recht verstehe.
Du ed!er, großmütiger "
Horst aber zog seine Hand zuriic
»Halt da! spare Deine Lobeset
hebungen, bis Du Alles gehört hast«
denn ich siirchte, Du wirst alsdann
nur noch wenig Neigung verspüren
mich siii edet und großmütig zu er
ttären. Jch habe Dir bei unserer
ersten Begegnung gesagt, daß wir
nicht von der Vergangenheit reden
wollen; heute aber sehe ich mich doch
gezwungen, es zu tun. Denn es
diirfte zweckmäßig sein, Dein Gedächt
nis ein wenig zu schärfen. ehe Dies
erfährst, was ich von Dir beriange.
Du weißt, daß ich ein wilder, unge
stümer und teichtfertiger Bursche war,
tein sanfter, geschniegelter unb tau,
benreiner Jüngling« wie Du. Aber
Du weißt auch, daß ich mich lieber
hätte in Stücke schneiden lassen, ehe
ich mich dazu hergegeben hoben würde,
auch nur die kleinste bewußte Ehrlas
sigteit zu begehen. Ober hättst Du
es siir unverdientes Lob, das ich mir
damit spende?«
»Nein, nein«, stöhnte der Andere,
»ich weiß es, und
»Bitte s- - dieses Nein ifi mir dor
liiufig genug! Also obwohl Du das
weißt, und obwohl Du schwerlich vers
gessen haben lannft, daß die Fäl
schung, deren mein Vater mich beschul
digte, nicht von mir, sondern von Dir,
dem scheinheiligen Verschwender und
heimlichen Wüstling begangen wor
den war, hast Du es doch geschehen
lassen, daß mich die Leute hier bis
auf den heutigen Tag fiir einen ehr
slosen Wicht und einen gemeinen Be
trüger halten. Daß ich zu stolz war.
mich auf die unerhörte Beschimpfung
die mir der Vater vor Zeugen zuge
fiigi, auch nur mit einein einzigen
Wort zu verteidigen, das hast Du
Dir feige und erbärmlich zu Nutzen
gemacht, um Deine Schuld zu oer
schleiern. Die geirllschaftliche Stel:
lang, die Du vierundzwanzig Jahre
lang behauptet, die Achtung, deren
Dn Dich bis heute erfreut hast, Du
hast sie einzig einer schmachdollen
Lüge zu derdanlen!"
»Horst ich beschwöre Dich- !
Bedenle doch. in welcher Situation ich
mich befand. Jch habe niemals eine
Anfchuldigung gegen Dich erhoben,
und mein Verbrechen ist nur« daß ich
nicht den Mut fand, mich durch ein
freiwilliges Belenntnis selbst zu der
nichten· Deine heimliche Entfernung
sprach fiir Deine Schuld, nicht meine
Anllagem und dann, als Jahr aus
Jahr verging« ohne daß man etwas
von Dir hörte als ich Dich für
tot oder oerschollen halten mußte — «
»Da wäre es natürlich vollends
überflüssig gewesen, mein Andenlen
zu rehabilitiren! Nun gut ich will
Dir glauben, daß Du nicht selbst der
Urheber der hier über mich verbreite
ten Meinung bist. Und ich will fiir
Dein Schweigen heute ebenso wenig
Rechenschaft von Dir fordern, als ich
Vergeltung üben will für jenen ande
ren Verrat, den Du damals an mir
verübt. Du und Leonie, Ihr hattet
damals fürwahr ein iauberes Spiel
mit mir getrieben. und wenn ich an
dem Tage, da ich Euren Liebesboten,
meinen Reitlnecht erisch, auf fri
icher Tat ertappte und niederschlug,
Dich statt seiner in meinen Händen
gehabt hätte, so würde das alte Ge
schlecht der Bruchhausen wahrschein
lich ein recht unriihmlicheo Ende ge
nommen haben. Aber was war
dask Klang es nicht wie das Ochnans
sen eines Menschen? Hast Du
etwa zu Deiner größeren persönli
chen Sicherheit Jemanden mit Dir
gebracht, Ewale«
»So war ich lebe, Horst nein!
Niemand, nicht einmal mein Weib
und meine Kinder, wissen etwas von
dieser Unterreduna. Es war das
Rauschen des Windes« das Dich ge
täuscht hat.«
»Vielleicht — obwohl rnich mein
gutes Gehör in solchen Dingen nur
selten im Stich läßt. Aber am Ende
bin ja nicht ich ek, der einen unt-ern
senen Lauscher zu fürchten hätte. Also
ich wiederhole, daß ich nicht nach
Rhinow gekommen bin, um wegen
dieser vergangenen Dinge mit Dir
zu rechten, oder gar, um mich nach
vierundzwanzig Jahren dasiir an Dir
und den Deinigen zu rächen. Jsch bin
vielmehr getommen, weil ich sah, daß
ich ei so nicht mehr weiter gehen las
sen darste, weil Du aus dem besten
Wege warst, Dich zu ruinieren, weil
ich Mitleid hatte mit Deinen Kin
defrm die Du zu Bettlern machen woll
te .«
»Und Du will mir dennoch ver
bieten, Dich ede und großmütig zu
nennent O, wie war es nur möglich,
daß ich nicht gleich in der ersten Stun
"de Deine hochherzige Absicht erriet!"
.Du schienst davon allerdings sehr
weit entfernt zu sein. Aber wenn
Du nun etwa glaubst, daß meine
Großmut einfach in einem Verzicht
aus mein väterlicheö Erbe und aus die
ausgelautenen hypothetenzinsen beste
hen wird, to hast Du Dich in Deinen
Absichten nicht weniger als gründlich
getäuscht, als bei jener ersten Beses
nung. Jch stelle mir meine Bedingun
gen, und sie lauten: Verlauf des Vor
wertes an den Fabrikanten Betringer,
und Einwilligung in ein Verlöbnis
Deiner Tochter Jrene mit dem Sohne
dieses ehrenwerten und tüchtigenMans
nes.«
Wie von einem Peitschenhieb ge
troffen, sprang Ewald Bruchhausen
empor.
» »Niemals! Niemals! Niemals!
sllnd wenn sich Alles gegen mich bet
»schwört,.dazu lasse ich mich nicht zwin
igen.« Jetzt begreife ich ja freilich, wo
her der Junge heute Abend den Mut
genommen, mir so gegenüber zu ite
ten. Du warst es, der aus ihn sprach.
Du wolltest rnir beweisen. daß Du
Macht genug hast, selbst meine Kinder
gegen mich auszuwiegelii und sie mir
zu entsremden. Aber ich lasse mir
diese Schmach nicht aufzwingen. Eher
eine Kugel als dast«
»Von Alledein verstehe ich nicht ein
Wort«, sagte Herst, dem es jeht erst
gelang, den Redestrom des Ausgang
ten zu unterbrechen. »Ich sollte Deine
Kinder gegen Dich ausgewiegelt ha
ben? Was ist denn eigentlich, das
Dich ans eine so sonderbare Vermu
tung gebracht hat?'«
tForisetzuna solgt.)
Ltterartfche products-se Deutsch
sinds
Die Erzeugung an Werten der Lite
ratur ist in Deutschland allein so unt
fangreich wie in allen übrigen Kultur
ländern zusammen. Sie beläuft sich
auf etwa dreißigtausend Bücher jähr
»lich. Außerdem erscheinen im Reiche
ungefähr dreizehntausend Fachschriften
und achttausend Tageszeitungem An
das Ausland gibt Deutschland jährlich
Bücher im Werte von fünfzig bis sech
zig Millionen Mart ab. Davon geht
ungefähr der dritte Teil nach Bester
reich-Ungarn. Jm Jahre 1 10 belief
der Wert der nach der habs urgifchen
Doppetmonarchje ausgeführten Bücher
sich auf nahezu 21 Millionen Mart.
Nach der Schweiz gingen für annä
hernd stehen Millionen, nach eliuleand
sitr nicht ganz fünf Millionen, nach
den Ver. Staaten für dreieinhalb Mil
lionen, nach Frantreich für zweieinhalb
Millionen, nach Großbritannien für
anderthalb Millionen nnd nach Jtalien
für nicht ganz eine Million deutsche
Bücher. Die Schweiz. Schweden, Nor
: wegen, Dünemarl und die Niederlande
i nahmen, obwohl sie nur insgesamt 18,
375,000 Einwohner zählen, für 12,
1234900 Mart deutsche Bücher auf,
i während Frantreich mit einer mehr als
»der-Bellen Bevölkerung Ji9,252,000
Einwohnern — deutsche Literatur nur
»zum ungefähr sechsten Teile dieser
Summe taufte. Sind hiernach die
germanischen Länder ohne Enaland
mehr als zwölfmal to start am Bezuge
des deutschen Buches beteiligt ais
Frantreich so nimmt Schweden, dessen
Cintoohnerzahl sich zu der von Groß
britannien verhält wie eins zu acht,
nahezu dieselbe Zahl deutscher Bücher
auf wie England, Schottland und Ir
land. Spanien bezieht nur für 189,
000 Mart. Japan für 818,000 Mark
deutsche Literatur. Llrgentiniem Bra
silien und Chile mit einer Bevölkerung
von zusammen 25,lj74,l:00, beziehen
siinsmal so viel deutsche Bücher als
Spanien mit 18«618,000 Einwohnern.
Die Schlüsse, die iich hieraus ergeben,
liegen aus der Hand-. Wir sehen deut
lich, wohin die Ströme deutsch-r Ge
danlen gehen, die aus der Buchlitera
tut quellen. Wir sehen, in welchen
Ländern die Erzeuanisse des deutschen
Geistes am meisten begehrt. und in
welchen sie wenig gesucht werden. Wir
sehen aber vor allem, daß nicht nur die
Länder germanischen Ursprungs son
dern auch die mit einem ansehnlichen
Bruchteil deutscher Bevölkerun :
Oeslerreich-Ungarn, die Schweiz. Nu -
land und die Ver. Staaten durch das
deutsche Buch in engster Gedankeng»
meinschast mit deni Mutterlande ste
hen« »
»Irieda, die »M sdschein onat «
kzem säh-Theilska schier-onna klar-IS
me u er « nn c wom« s.
Haar darin sind-III de sch