Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 19, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats- Anzetger und J cerold.
««z ««««««««« ff32. M 1912 Zwei »Weil ) « f « Nummer 23
Beim Lampenschein
Von Aibert Sergel.
Hatt wie heulend die Windsbraut rei
tet
Und ihre Schneegewiinder breitet
Ueber Berg und Stadt und über das
Land!
Vor dem Hause wimmert die alte La
terne;
Am Himmel kein Schimmer von ei
nem Sterne
Da fühlt sich das Mädel, da fühlt sich
der Bube
So wohlig zu haufe, in heimlicher
Stube,
Und sieht beim traulichen Lampen
lchein
Vergessene Lieblingsbücher ein,
Und dentt vergnügt in seinem Sinn:
Wie gut, daß ich nicht draußen bin!
Warum immer gleich so —- ?
Eine Ehehumoreste. Von F r e i he r r
v. S ch l i ch t.
Wenn man den Frauen glauben
darf -- und man muß ihnen fa sogar
oft glauben. besonders wenn man ver
heirathet ist s- wenn man also oen
Frauen glauben darf, dann sind die
Frauen »nie so«, wir aber, wir bösen
Männer. sind «immer gleich so - «
Die Frauen »nie«, wir Männer
«immer gleich«. -
Ich wollte mich an den Schreibtisch
sehen, um zu arbeiten· Dtag heißt,
von ·einein Wollen meinerseits toniite
gar nicht die Rede sein« denn ich war
eben von einer langen Sommerreise
zurückgekehrt, und nicht nur für Kin
der, sondern auch fiir Erwachsene ist
der erste Tag nach den Ferien gräß
lich, die Arbeit schmeckt nicht und geht
nicht von der Hand und bei unsereins
nicht aus dem Kopf. Aber ich mußte
arbeiten, es galt ein Versprechen ein
zu lösen, ich mußte fiir eine Zeitschrift
einen längst zugesagten Beitrag ab
liefern, ich mußte arbeiten, ob mir et
was einfallen würde oder nicht.
Jch setzte mich an den Schutt-Asch
aber gleich daraus stand ich wieder
auf, um nachsuholem was ich ver
gessen hattet die strengste Anweisung
an Alle im Haus, mich unter keinen
Umständen zu stören. Nicht einmal
der Geldposiboie sollte vorgelassen
werden, ich wollte allein sein.
Und als ich die Mädchen instruirt
hatte, wandte ich mich an meine Frau
»Nicht wahr, Beim. Du thust mir
auch den Gefallen, mich heute Morgen
nicht zu stören?«
Zu den vielen vortrefflichen Eigen
schaften meiner Frau gehört ed, daß
sie mich nach ihrer gewissenhaften Ue
1herzeugung niemals siöri, wenn ich zu
arbeiten habe. Aber wenn sie spazie
ren geht« tlopft sie regelmäßig an
meine Thür und ruft mir von
draußen zu: »Ich gehe jetzt fort, und
wenn es Dir recht ist, treffen wir uns
dann und dann dort und dort.« Wenn
der Himmel tritaetisch aussieht, tlovfi
sie an meine Thür und unterhält sich
von draußen mit mir eine Viertel
stunde und länger darüber, ob sie nicht
doch lieber einen Schirm mitnehmen
solle. oder ob ich glaube. daß es nicht
regnen wurde. Meine Frau llooft je
den Tag aus einem anderen Grunde
an meine Thür, und wenn sie nicht
weiß. warum sie tlovfen soll, dann
ilovst sie an und ruft mir zu: »Ich
wollte Dir nur saaen, daß ich heute
nicht bei Dir antlopfen werde, ich gehe
ietzt fort."
Es ist die gewissenhafte ueberzeus
gung meiner Frau, daß sie mich nie
mals stört, und so sah sie mich auch
jest ganz verwundert an: »Wie
kommst Du nur daraus, mich zu bit
ten, Dich in Ruhe arbeiten zu lassen?
habe ich Dich in den drei Jahren, die
wir nun verheirathet sind, bisher auch
nur ein einziges Mal gestört?·«
Jeder Ehemann muß an dem Hoch
zeitstaqe seiner Frau schwören, ihr
stets die Wahrheit zu sagen, sie nie zu
belügen und immer gegen sie so ossen
und ehrlich zu sein, tvie sie es selbst
soetan aeaen ibren über alles geliebten
Mann sein will.
Ei ist nur ein wahres Glück, dasz
die Frauen sehr schnell vergessen, was
sie in dieser hinsicht dem Manne ber
sprochen haben. Das erleichtert es
dem Manne ungemein, auch seinen
Schwur nicht zu halten, und der
Mann dars ibn auch gar nicht halten,
wenn er den Frieden seiner Ehe nicht
zerstsren will.
So aestand ich denn meiner Frau.
sie hätte mich noch nie gestört, noch
nicht ein einziges Mal. und wenn ich
sie teotidem gebeten hätte, es auch
heute nicht zu thun, so wäre das nur
deshalb oeschelsem weilei doch im
merhin möglich wäre, daß sie mir
ausnahmsweise einmal etwas zu sa: -
gen hätte, beoor sie spazieren ginge.
Meine Frau sah mich völlig ver
ständniszlos an: »Ich begreise nicht,
wie Du nur aus solche Gedanken kom
men kannst. Jst das bis heute, wie
Du selbst zugiebsi, noch nie geschehen,
dann wird es heute erst recht nicht
geschehen-«
Da zog ich beruhigt von dannen,
sedte mich an den Schreibtisch und
wartete ans den Augenblick, in dem
meine Frau bei mir anllopfen würde.
Aber es geschah ein Wunder, meine
Frau klopfte wirklich nicht nn, statt
dessen stand sie aber plöhlich ohne an
getlopst zu haben, mitten in meinem
Zimmer, unmittelbar neben mir. Jn
die Arbeit versunken, hatte ich ihren
Eintritt über-hört, nun aber sah ich
sie ganz erstaunt und mehr als er
schrocken an: »Um Gotteswillem was
ist denn nur geschehen? Du zitterst
ja an allen Gliedern, komm, setze Dich
zu mir.'·
Aber meine Frau widerspruch: »Du
hast zu arbeiten, da will ich Dich nicht
stören. aber das muß ich Dir doch sa
gen: Linn bat von den wunderschönen
aroßeti Meiszner Tellern wieder drei
taput griechischen-«
»Na. wenn schon", versuchte ich
meine Frau zu beruhigen, »hin ist hin.
zerschlagen ist zerschlagen. Jch laute
Dir drei andere Teller, und damit ist
die Sache erledigt. Das ist doch se
densalltz iein Grund, Dich gleich so zu s
erregen.«
Meine Frau glaubte nicht recht ge«
hört zu haben: »Ich soll erregt sein?
Du weißt doch, im Gegensan Zu Dir,
errege ich mich nie. Jch bleibe immer
ruhig, während Du bei der geringsten
Veranlassung »immer gleich« so hef
tig wirst. Jch errege mich nie. am
allerwenigsten über das, was die
Dienstboten thun, und wenn Du mir
drei neue Teller schenten willst, oder
noch besser gleich neun, damit ich dann
nicht nur ein halbes, sondern ein gan
zes Dusend habe, brauche ich mich ja
auch nicht zu ärgern, aber daß ich
mich im ersten Augenblick geärgert
dabe, darf Dich nicht weiter verwun
sdern."
Der Mann, der sich bei einer Frau
überhaupt noch verwundert, verdient
gar nicht, dasz es Frauen aus der Welt
giebt. Und so verwunderte ich mich
denn auch nicht weiter über die unlo
gische Logik meiner Frau, sondern
wars nur verstohlen einen Blick aus
die vor mir stehende Schreibtischubr.
Jch hatte zu arbeiten, und die Zeit
drängte. Aber so leise und verstoh
len auch mein Blick gewesen war,
meine Frau hatte ihn doch bemerlt
und sagte jetzt: »Du brauchst doch
nicht so ostentativ aus die Uhr zu
sehen, ich gehe so wie so gleich wieder,
denn ich will Dich absolut nicht stören,
aber wenn ich so erregt bin, dann
muß ich mich Dir gegenüber ausspre
chen, ich habe doch sonst Niemanden
aus der Welt."
Jn stiller Ergebung saltete ich
meine Hände vor dem Leib und sagte
so liebevoll wie nur möglich: »Du hast
recht, mache Deinem kleinen Herzen
nur Lust und sprich Dich aus.«
Und meine Frau sprach sich aus,
und während sie sprach, tauchte ich
eine Cigarre nach der andern. Bei der
dritten Cigarre war mein Bedarf an
morgenlichen Tabal gestillt, aber mei
ne Frau sprach immer noch. Jinmer
noch. s
Und die Uhr, die halb 10 gewesen
war, als meine Frau in das Zimmer
trat, zeigt ieyt halb 12.
Und öde und leer wie die Wüste
Sabara lag vor mir das Manuskript
papier, das vollgeschrieben werden
sollte: die Redaktion und die Drude
rei warteten.
Und meine Frau sprach sich immer
noch aus.
Da fing ich plötzlich langsam aber
sicher an, nervös zu werden, ich
merkte, wie die Nerven im KopseSgucb
ten und schmerzten. wie in dem " cha-:
del ein Kribbeln und Krabbeln be
gann, als wenn dort Ameisen herum
liesen. Die Fingerspitzen zitterten und
die Füße klopften unruhig aus den
Teppich.
Aber ich wollte nicht nerviis werden«
mit eiserner Energie zwang ich mich
zur Ruhe, zwei Stunden hatte ich mich
in der Gewalt gehabt. warum sollte
ich mich da nicht noch zwei Stunden
beherrschen können?
Und während meine Frau noch im
mer weiter sprach, spielte ich den »Be
berrscher«· Sich selbst besiegen, ist der
schwerste Sita. Napoleon und Fried
rich der Große kamen mir plötzlich
wie Waisentnaben vor. Die hatten
nur Andere :besiegt,,ich aber —- — -—
Bis ich dann doch einsah daß ich
die Schlacht mit mir verlieren würde.
Aber daran war ich nicht schuld, son
dern nur die Uhr, die plötzlich Zwölf
schlug. Was half es, daß ich sie in der
ingrimmigen Wuth, die über mich
lam, mit aller Gewalt gegen die
Wand wars « sie hatte doch schon
Zwölf geschlagen.
Und dann sprach ich mich aus. Al
les, was sich in den leyten 274 Stun
den in mir angesammelt hatte. mußte
herunter von der Seele, wenn ich nicht
ersticken wollte.
21,-2 Stunden sind eine lange Zeit.
da lann sich viel Explosionsstoss bil
den, und die Spannung wird um so
größer, je länger man den Augenblick
der Entscheidung hinaus-schiebt
21X3 Stunden hatte ich mich be
herrscht, das sind 150 Seiunden oder
9000 Selunden. Aber als ich dann
endlich mit einem lauten Knall er
plodirte, da sah meine Frau mich mit
ihren großen blauen Kindernugem in
denen Thränen schimmerten, aus den
Tod erschrocken an, und mit einer
Stimme, der man es deutlich anhörte,
das; sie mich wirklich nicht verstanden
ries sie mir zu: »Ich begreise Dich
nicht, wie lannst Du nur ,,immer
gleich so« heftig sein?«
-, , -----
Kranichschnabel und Ochsen- l
maul. (
—
Eine historische Wattderei von Schuh
Modcn von Dr. Paul Luni-am !
Kranichschnabel und Ochsenmaull
-— mit diesen heidenNamen bezeichnete
das 15. Jthrhnndert die größten Ex
ttetne der Schuhsorm, die gegen Ende
dieses Säkulumg eine kurze Zeit sich
den Rang streitig machten, bis das
breite ,,Ochsenmaul« den so lange hin
durch angebeteten »Kranichschnabel«
völlig unter das altmodische Gerümpet
verdrängte. Und liegen in diesen bei
den Worten nicht auch in der Gegen
wart die Gegensätze der Schuh-Moden
leschlossen2 Wer tragt heute noch nach
der langen scharfen Spitze des Stie
sels, mit der vor wenig Jahren das
»Gigerl« stand und fiel, nachdem nun
das schwere breite Vordertheil des
»American Shoe« seinen Siegesqu
durch Europa angetreten hat? Und
drch droht über kurz oder lang auch
diesem ,,Ochsenmaul« aus dem Lande
der Yankees das Ende. Schon jetzt
wird die Schuhform schlanker und
spitzen Wer weiß, ob nicht bald wie
der die Zeit des »fchn1alen Schnabels«
gekommen ist? Aber die große Mode
srage ist ja überhaupt nicht mehr in
dem Maße eine Schuhsrage, wie in
den Zeiten des Ritterthums und des
Rokoto, in den klassischen Epochen de
lc-ngen, sich fest anschmiegenden »Dein
längs« und des »Steckelschuhs«. Unser
Schuh ist ein schlichtes, zweckmäßige-g
Kind der Straße und des Sports ge:
worden, ist nicht wie einst ein reichge
schmiieltegSymboL verklärt von Poesie
und Sitte, kein eleganter, vertvohnter
Liebling des Solon-Z. Nicht mehr
bringt man, toie vor Zeiten der Ger- «
inane, den Schuh als treues Unter
psand eines innigen Verlöbnisses der
Geliebten dar, nicht mehr ziert de:
Schuh das Wappenschild eines alten .
Rittergeschlechts als Zeichen von Recht ;
und Eigenthum, wird der altdiiterische s
Bundschuh zum sinnsiilligen Ausdruck »
einer gewaltigen sozialen Bewegung
tvie während der Bauernkriege der Re
sorntationszeit.
Der erste Mensch ——— die Dichter
meinen, es sei eine Frau gewesen
der sich zum Schutze gegen Dornen,
Steine und heißen Sand ein Stiia
Thierleoer unter die nackten Sohlen
band, ist Von der poetischen Legende
verherrlicht worden. Die Sandale ent
stand jedenfalls aus dieser ilrsorm des
Schubs; sie ist in der Gestalt der »ge
t«-timmten Sandale«, deren nach außen
vorn umgebogene Sohle auch denZeheu
Sckug gewährte, bei allen Kulturvol
tern es Alterthums vorhanden. Dsk
neben erscheinen schon bei den Aegyp«
tern Schuhe und Stiefel, grün gefärbt,
mit zierlich geschnittenen Schnüren
men versehen, aus den Sohlen mit Fi
guren bemalt, erlesene Schmuckstiicte,
deren Reize die Qrientalen besonders
durchgetostet, denn auch im Alten Te
stament sinden wir die Freude an den
schönen Schuhen deutlich ausgeprägt
Das Ansehen, das bei Griechen und
Römern dieSchuhmacher besaßen, läßt
aus eine gleiche Hochschätzung schließen·
Die Hellenen tannten bereits Schuh
moden, bei denen luxmiöse Schmuck
sormen, Arabesken, Stickereten, Span
aen, Kameen u. s. w. »die Fußbetlei-—
dung vierzierten. Jm allgemeinen
aber blieb dort im Altertum die ein
fach natürliche Sandale, die die edle
Gestalt des Fußes, das seine Spiel der
Muskeln zu bewundern erlaubte, vor
hettschend; wie herrlich sich in solch
zwangloö steter hier die natürliche
Bildung entsaltete, schauen wir noch
heute staunend an den antiten Sta
tuen.
Jni Gegensatz zu solch geläuterien
Formen des Kulturmenschen stand der
Schuh des Barbaren, der dem Römer
fremdartig und sonderbar erschien
Der seiilseste germanische Schuh, der
uns erhalten ist, stammt aus vorrömi
scher Zeit und fand sich an einer Lei
che, die aus dem Torsgrund der ostsrie
fischen Gemeinde Etzel gehoben wurde.
Dieser aus einem einzigen Ledersiiict
ueschnittene Schuh hatte ans dem
Spnnn einen Ausschnitt, dessen eine
Langseite in einige Laschen kniiSchlitz
löchern zertheilt war, während die an
dere mit Reihen von lkiibschen Stern
und sonstigen Muster-n durchbrechen
und mit Riemen besetzt war. Es ist
der Typus des allen germanischen
Stämmen gemeinsamen Bundschuhs,
wie er wiederholt in Torsuiooren aus
gefunden, bei dem die Riemen durch die
gegenüberliegenden Laschen gezogen
nnd iiber dem Spann mit Vielsaiiien
Verschlingungen zusamnienaetniipst
werden. So einfach diese Fußbeileis
dung auch war. gestattete sie doch man
cherlei Schmuck in bunter Färbung
und Vergoldung, in eingepeeszten oder
einpesckinittenen Ornameuten. Aus
der Allerowingerzeit find uns ein paar
sehrv schöne Bundschube erhalten, die in
einem Torfnioore leei Friedeburg in
Ostsriesland die fyiisze eines StelettH
gesrizmiielt haben. »Die Tracht der
Franten«, berichtet der »«-JJtiincl7 von
St. lsiallen«, »den-sind in Schuhen, die
aussen mit Gold gesehniictt und mit
drei Ellen langen Schnüren versehen
waren«. Allmiiblicit treten nun neben
diesen niedrigen, breiten, nitvöterischen
Vundsckfuh modernere eleganteFormen
tie lsig »zum Knochel herausreichten.
sich nich vorn mäßig zuspitzten und ei
nen neuen Geschmatt, ein neues-« Gefühl
iiir die Schönheit des seufze-:- andeute
len. Tie Aera deH Schilabelschnhes be
reitete sich langsam vor.
. Mit dem Geist des Ritterthums und
; dem der beginnener Gothil drang die
ihr zum Schlanlen, zum Spitzis
;en, zur Eleganz und zur star
ken-Betonung aller Körperformen in
die Tracht ein und gestaltete auch den
Schuh von Grund aus um· Wer es
war, der die Welt mit den »Schnabei
schichen beglückte? Die Legende lündet
von dem Grasen Fullo Von Aniou.
der ums Jahr1087 lebte und ein wal
lerer Held und Ritter war. Seine
große Anfechtung aber bestand darin.
daß er mißaestaltete Füße hatte, und
um nun seine »Frostballen« oder be
sonders riesigen Hiihneraugen zu ver
bergen, ließ er sich lange, vorn ganz
spitze Schuhe machen. Der annzesJJiodk
stil drängte freilich auf diese Mode
hin. Gegen Ende des«11. Jahrhun
derts tauchte sie unter dem üppian
iiotriiannisrben Adel auf und wurde
von ihnen nach Gnnland gebracht. Ein
Dnndy vom Hofe des analonormanni
schen Königs Wilhelm des Roten,
Rodbertus, kam zuerst auf den inge«
niiisen Einfall, die lanan Schnäkel
init Werq auszufüllen und wie ein
Widderhorn zu krummen, weshalb cr
den Beinamen »Der Gehörnte« erhielt.
Diese tolle Erfindung verbreitete sich
im ganzen westlichen Europa. Die ,,Pi
ansehen« .die aleicli Skorpicnienschivän:
zen aus den Schuhen heraus-stachen
aalteu alsZ besondere-Z Anzeichen Von
tfhrenhaftigteit und Elliiinnlichlein In
Deutschland fanden sie zuuiirhst nur
wenig Aufnalnne; hier erfreute man
sich an helfen aekudvften Stiefeln ans
rothem od. violettenllorduanleden wie
sie auf den Miniatnren dei- »Dann-)
deliciarnm« die Gestalt der Putzfucbt
trägt, an leichten Sonunerfchuhen aus-«
buntem Stoff mit farbigen Spitzen
nnd an warmen Winterfchuheu mit
Pelzverbrämuna Erst als acan Ende
des lka Jahrhunderts die vorher tnrze
Zeit ausgegebenen ».5i"rauichschnäbel«
wieder, diesmal von Polen aus, ihren
Siegeszug durch die Kulturwelt hiel
ten, huldigte man auch in Deutschland
diesen foaenannten »Krackauern«.
Nun gehörte es bald zum guten Ton,
die Spitzen der Schuhe oder der
ftrnmpsartigen befohlten ,,Beinlingc«
um mehrere Zell iiber die Zehen hin
aus zu verlängern. Jm 14. Jahrhun
dert regelten Verordnungen die Lange
des Schuhschnabels bei den einzelnen
Siändent Könige und Fürsten durften
sich Schnabel von drei bis sechs Fus-,
Länge gestatten, der hohe Adel mufttc
sich mit zwei Fuß begnügen, die Her
ren und Ritter trugen Schnabel von
einem Fuß, die Bürger von einem hal
ben Fuß Länge. Die Schuhe strahlten
"in bunten Farben, und zwar jeder in
einer verschiedenen, der eine grün. der
andere roth usw. Bald hingen die
Schnabel schlaff herunter und schlen
lerten beim Gehen arotest umher, bald
waren sie durch Fifchbein steif gemacht,
mit einer klingenden Schelle bekrönt,
gesäbelt oder durch ein zierliches
Kettchen am Knie befestigt und so in
einer schönen Krümmung festgehalten.
Da man mit diesen riesigen Aus-wäch
j sen oder Schwänzen nur mühsam ge
! hen konnte, kam man auf den Gedan
J ken die Schuhe mit Unterschuhen zu
versehen; das waren hohe Hotzsohlcm
auf die die eigentlichen Schuhe festge
nagelt wurden.
Jn dieser Hochblüthe des ,,Kranich
schnabels«, im 15. Jahrhundert, tritt
nun der Damenschuh selbständiger
hervor. Zunächst war die weibliche
Fußbetleidnng von der männlichen
niebt verschieden gewesen. Die Frauen
hatten gar kein Interesse an der Ver
schönernng des Schuh-T denn er war
unter den weiten Gewändern nicht zu
sehen; es galt für einen argen Verstoß
gegen die Sitte. den Fuß zu zeigen.
Ja der Epoche der Minnesiinger, da
man die Schönheit der Frauen mit of-:
fenen Sinnen zu schauen und zu prei
sen anfing, ward das anders. Die
Grazie eines schlanken Schuhes, eine-s
seinen Knochels entzückte die Männer,
die als ihr Jdeal einen kleinen, aber
hoch gebogenen Fuß aufstellten; di-:
Höhlung unten in der Fußsohle sollte
so hoch sein, daß ein Zeisig darin Platz
haben konnte. Die Kunst des Schuh
macher-s war daher hoch begehrt. So
richteten sich denn in gleicher Weise
gegen beide Geschlechter die Verbrne
und Strafpredigten geaen die Schuh
schnäbeL die im 14. und 15. Jahrhun
dert im strengsten und im klagendsten
Ton laut wurden.
Da die Mode nun einmal das Um
; salrtagen von einem Extrem in das an
zdcre liebt, so ließ sie ziemlich plötzlich,
laeaen Ende des 15. Jahrhunderts, an
Stelle des Kranichschnabels den brei
ten »Entenschnabel« treten, dem dann
die plumpen ungefügen Vorderkappen
an den sogenannten »Kuh- oder Och
settmäulern«, auch ,,B·cirenklauen« ge
nannt, folgten. KonservatideGemiither
weinten den Schnabelschuhen manche
Träne nach, und wir begegnen in den
Streitschristen der Resormattonszeit
wiederholt der sprichwörtlichenRedens
den Schuhen trug. Zu der ungebunden
freien Epoche der Renaissance paßte
nicht mehr diese groteske, den Fuß ein
schniirende Kleidung; man wollte sich
ungeniert und bequem bewegen können
in dieser weit ausschreitenden und
grobianisch zügellosen Aera, und
dem gibt der Schuh Ausdruck,
nrit seiner niedrigen, offenen, schlup
penden Form und den breiten Knppen
an Zehen und Ferse. Als Schmuck
brachte der kecke Landslnechtssinm wie
in der ganzen Kleidung, sarbig unter
bnusctite Schlitze in Aufnahme, die
bunt aus dem Leder hervorquollen.
Mit Samt und mit Seide ward der
Scbuh abgesteppt, mit Silber gestiftet
und beschlagen. Das Symbol der reis
terlustigen Zeit des Dreißigjährigen
Krieges wurde dann der Schaststiefel,
der zu einer eleganten Manschette um
gesclrlngen war, um die wieder bei vor
nehmen Herren ein graziöses Gewirr
von Spitzen, Tüll und Band sich legte.
Auch die Damen garnierten ihre Schu
he mit Spitzen und ließen aus dem ge
sct·litzten Leder Samet und Seide
l)ervorleuchten, aber bald erfunden sie
sich einen neuen Triumph der Schuh
nsotet den hohen Absatz, den Hacken —
deu Steckelschuh!
art: ja, damals sei die goldene Zeit aus
Erden gewesen, da man Schnabel anl
Hohe untersatze aus Holz waren
Allskfl bei den Unterschuhen der Kra
njclscbnäbeL den sogenannten ,,Trip
ibenZ aufgetreten. Die Frauen behiel
»ts:n solche dicken Sohlen an den Pun
H tosseln bei. Aber der hohe Absatz er
j sdxeint in der Mode erst häufiger in der
Iztoeiien Hälfte deg M. Jahrhunderte-.
? Der Wunsch, ihrer Länge eine Elle zu
zusetzen, ließ die Frauen, nachdem die
ihornartigen Riefenfrifuren erschöpft
waren, den Versuch »Von unten her«
wagen. Die schöne, aber kleine
Otnbrielle d’ Estrfses soll die erftenEin
lagen in den Schuhen getragen haben.
Die Absätze werden im 17. Jahrhun
dert immer höher, immer fchmaler, im
mer spitzerz sie erheben sieh um 1650
8 bis 4 Zoll über die Erde u. prangen
in einem starken ausfallenden Roth
Tieser ,,Steckelfchuh« ift ein mysteriö
scs Kunstwerk, zu dessen Herstellung
der Schuster sich mit dem Absatzmacher
vereinigt. Als Schmuck dient zunächst
kie breite Bandrofette und dann die
erst nur den Abbe-H eingeräumte
Lthenallh die immer größer und kost
barer wird, je kleiner und niedriger
der Schuh ift. Mit einer entzückenden
tlnbcholfenheit und loketter Hingebung
bewegt sich die Rotokodame im .,Stek
telsrlsuh«, doch auf der Straße gleicht
sie, mit den breiten Flügelfalten ihres
Manteau einem großen, unsicher
sschlrantenden Vogel und kommt, auf
! einen zierlichen Stock gestützt, weit nach
vorn gebückt, nur langfam Und mit
Anstrengung vorwärts. Trotzdem läßt
die Frau lange nicht von diesem unbe
quemen Martertverlzeug.
Aber endlich stirbt auch die in bun
ten Stictereien und funkelnden Edel
steinen prangende Kaprice cses Sterbl
schuhes dahin. An Stelle der heiterm
Farbigteit der Schuhe beginnt im 18.
Jahrhundert das blanke Schwarz der
Wichse zu treten. Schon seit dem 10.
Jahrhundert hatte man die Schuhe mit
Wachs undFett behandelt, mit schwar
zen Farbsteinen gefärbt; jetzt wird die
blanke Wichse modern. Ungezwunge
ne, zweckmäßige Formen dek- Schuhö
treten in der Zeit Rousseaus aus. Um
1790 ist der Modeschuh ein leichter of
fcner Pantoffel; die Herzogin von
Ycrt, die wegen ihres schönen Fußes
berühmt war, soll ihn eingeführt ha
ben. Die Revolution nimmt ihn be
geistert auf. Der Schulj wird nun
ganz flach; er hat keinen Absatz, eine
Sohle, »so leicht wie ein Blumen
lslatt«, keine Schnalle. Und aus die
ser Schlichtheit stürzt er dann im 19.
Jahihundert zu neuen Formen hervor,
die doch nur wieder die alten sind, sich
zwischen den ewigen Gegensätzen der
Schuhmode bewegen, zwischen hohen
Absätzen und ganz flacher Sohle, zwi
schen spitzen und breitem Vorderteil,
zwischen Steckelschuh und Pantoffel,
zwischen Kranichschnabel und Ochsen
maull —
Das Hohelted von der Ortsp
»arm«
Wohl ist schon manchesLied erklungen,
Doch wer hat je sich aufgerafft
Und ein gebührend Lob gesungen
Der orthograph’schen Wissenschaft? ·
Bedenkt, wie-viel vergnügte Stunden
Die Theure uns bereitet hat,
Und daß wir ihr zu Dant verbunden,
Sei’s jung, sei’g alt, in Dorf unsd
Stadt.
Sie leitet hin zum Pfad der Tugend
Bereits der Kindheit Publikum;
Jch übte ssie seit srüh’ster Jugend
Und s-» lernte sie schon dreimal um.
Einst schrieb der Klügste selbst »all
miilig«,
Draus schrieb ,,allmälsisch« Jeder
mann, .
Und ,,seelig« ist man setzt —- nein
»selig«! —
Daß man »allmählich« schreiben kann.
Einst schrieb man mit i—e »studie
ren«,
Dann ward eine Zeitlang bloß
,,studirt«,
Jetzt prangt das e aufs neu’ jm
,,ieren«,
Bis ....? Bis sich’s wieder ’mal
verliert.
Sonst ,,tt)at« mit dem tih man
»Thaten«,
Doch Duden ,,tut« das h hinaus-;
Und »Ton« ist ,,Ton«, ob man So
naten,
Ob man ’nen Kochtops macht daraus.
Die »Waare« schuf man um zur
,,Ware«,
Kein E kommt im »Konzert« mehr
vor,
Den »Czar« vereinfacht man zum
»Zare«,
Und Niemand weiß recht, was ein
»Tor«.
Dies und noch and’re Wunderdinge
Hat ung- die Rechtschreibung geschenkt,
Werth, daß man traftvoll sie besinge,
Bis man den Kehlkops sich verrenkt,
Nur leider, leider giebt’s noch Fragen,
Da packt mich an des Zweifels Weh,
Denn ach, tein Lehrbuch kann mir
sagen:
Trint’ ,,Tl)ee« ich? oder trint’ ich
»Tee«?
Vergeblich ring« ich auch die Hände,
Ob ,,Quai« das richt’ge ist, ob »Kai«,
Und warum weiches »Brot« am Ende
Mit hartem t zu schreiben sei.
Auch sahr’ ich oft mir in die Haare:
Schreib’ ich ,,Couvert« mit C, mit K?
Jst ,,Sosa« mit dem s das Wahre?
Sitzt sich’s bequemer mit ph?
Doch mag dem sein auch, wie ihm
wolle,
Ob noch soviel d’ran nebelhaft,
Es lebe hoch die wundervolle,
Die orthograph’sche Wissenschaft!
Edwin Bormann
(in den ,,"«Fliegenden Blättern«.)
—-—-- —--.
meines Mißverftiiiidniß.
Fritz: »Sa«q’ ’mal, Mama, geht un
ser Dienstmädchen noch in die-Schule?«
Mutter: »Nein. Wie kommst du
denn zu dieser Fruge?«
Fritz: »Weil Papa gestern, wie er
mit ihr allein war, sagte: Aber, Lina,
daß Du mir nicht aus der »Schule
schwatzen !««
Beweis.
Vater: ,,Nee, nee —- schlag’ Dir den
Jüngling nur aus dem Kopf; der hat
mir für sein befcheidenes Einkommen
zu kostspielige Passionen!«
Tochter: »Nicht, das ich wüßte! So
nenne mir doch eine!«
Vater: ,,Seine Passion fin Dich!«