Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 01, 1911, Zweiter Theil, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Ellen-r schreib-links m
III-Jus Isnksttngki.
""·"f » —
No. 595. E altes Prawerb duht
sage: «Erschtens kommt es annerscht,
zweitens wie mer denkt« Un das is
auch·setzt widder emal der Käs. Was
den tch mich alles vorgenomme gehabt
zu duhn un wie elendig is mich en
Strich dorch die Rechnung gemacht
worde. Se müsse mich eclsiuth wenn
ich e wenig ionsjuhs schreiwe, odder
tote mer aus deitsch sage duht, e we
ntg ausgernicist sin. das duht alles da
von her komme.
«So ebaut vier Däg zurick sin ich
.nttte in die Nacht aufgeweckt un hen
e ganz schreckliche-I Tuhseht gehabt.
Jeßt muß ich voraus schicke, daß ich
in mei ganzes Lewe nit gewißt hen,
was Tudseht is» Mein Zahn das sin
Pietsches. Jch hen nie nit den aller
geringste Truhel mit gehabt un alte
Leit sage: »Mei Guttneß, was vie
Lizzie sor schöne Zahn hat un lei
Mannen daß die so bissig sein kanni«
Well, jegt » n ich also auch emal e
Tuhsedl ge bt un was sor eins!
Wei, ich sin aus den Bett getschumpt
un sin in den Ruhm erum gelauie un
den gegreint un gejammert. daß en
Stein hätt Sahstening von den Brehn
hätt triege lönne. Jch hen mich die
Wißliebattel getäcteit un hen e Mail
che voll von den Stoff genomme un
das bat die Pelsns e wenig reliest.
Ich hen noch drei Mailcher voll ge
drunie un das hat mich teinder in
tacksttehteL Jch sin widder ins Bett
un schuhr genug, iin ich eingeschlafe;
awwer das hat nit lang genomme. So
bald wie der Esseit von den Wigtie
avgewohre war, sin ich auch wivder
wach gewese un die Pehns ware noch
viel schlimmer als wie zuvor.
For e lange Storie torz zu mache,
will ich Jhne soviel sage« daß ich e
Nacht gepäßt ben, die war stets-.
den einiges getreit, was ich nui den
sinne könne. Ich sm an den Philipp,
was mein Hat-band ie. sein Reack
gange, wo er sein Schnuss drin hat
un hen mich en Schnuss getäckelt. We
nigstens siwwezehn Hunnert mal hen
ich schniese müsse atvwer mit jeden
Schnieser is mei Tuhseht schlimmer
geworde. Jch den uss e Pieg Sohp ge
disse « sor warum, lann ich oss
Rohr-«- nit sage. awwer Sie wisse ja.
wer bangt. der verlangt un da is
es mich bei meine Pehns auch noch
iwwel geworde, ich sm wie mer aus
gut deitsch sage duht, siesick aeworde
un gut und hart. Ich hen mei ganzes
Zehe mit Kimmel eingerobbt un da
hen ich geschmellt, wie e Wißlieberrel
un mei Fehe is so stielie geworde, daß
es alle Fleis im ganze Haus angezoge
un attriicktet hat. Mei Fehs is e keh
geller Fleiprhver geworde.
Well, die Nacht is so bei und bei
iwwer gange, waer mei Tuhsehk nit.
Am Morgen hat der Philipp gesagt,
ich könnt awwer auch gar nicts stende
un sor warum ich nit zu den Dentiit
gehn deht, awwek da hätt ich tein
Nörs dazu. Jch könnt Jedem annere
en gute Ettweis gewwe. awwet ich
könnt mich selbst nit helse« Die Buwe
hen auch e ganze Latt s» Niemarls
gemacht un ei tell fuh, wenn ich nit
so schrecklich gesessert hätt, dann hätte
die Kunne emal ebbes eriewe könne!
Un ich sin doch so arig eisreht von den
Dentist gewese. Well, ich hen awwet
iein annere Ausweg getvisit un da hen
ich mich sertig gemacht un sin zu den
Dentist. Jch hen den Bennie en Dahler
geprammiszt, wenn er mit mich gehn
deht un wenn die Feger Geld kriege,
dann duhn se einiges. Wie mer zu den
Dentisi komme sin hat er gesagt, ich
sollt mich emai gleich in den Stuhl
sehe un denke Se nur emal an. in
dieselwe Minnit hat mei Tuhsehk ge
siadpti Jch hen den Dncktet gesagt, ich
deht iietver auf e anneres mal widdet
komme, awwet der hat gesagt« newwer
meint-, bleiwe Se emal schön hier« for
daß ich Jhne Zähn einal inwestigehte
kann. Er hat es nit annerschier ge
dahn un ich hen mich hinaesetei. Es
war en tehgeller Bari-ers Tschehr. wo
ich drufs aesosse hen: ich hen mei
Mailche aufmache müsse, immer weiter
un immer weiter bis ich esireht war,
ich deht mich die Ohre ahbeisse. Dann
hat er gesittet mit en Pinscher in meine
s Höhn mim zu bohre, da hen ich nit
so viel drum gewwe. answer wie ee
mit einem mal den kranie Zahn ge
bischt hat, da hen ich en Krisch von
uich Imme, ich denke, den hat mer
his an die Stritt höre könne. »Aha,
hat er gesagt, fest hen mer den Bru
dert« Er hat dran etum getloppt un
gebohrt, daß ich jede Minnit eckfpeaitet
hen. ich deht mein Geist uffgewwr.
Jch hen in einem fort gekrifche awwer
der Beuhi hat gar niels drum gewwe.
Jetzt hat et den Zahn mit feine
Pinfchers gepackt un hat gepullt als
wenn er en Tellegriif Pohl auspulle
wollt. Es hat zu mich geguckt, als
wenn er wenigstens e halwe Stand
lang pulle deht; ich hen getickt mit
Händ un Fieb, et hat awwer nit
nachgewwe un hat gefchaffi, als ob er
den Effort von fei Lewe mache wollt.
Mit einem mal, hat es en Krach gew
we der Zahn is erauö gefloge un der
Dentift in die annere Korner von die
Offis Un dann hen ich meine Senzes
verlore. Wie ich widder rielowweet
hen, da hen ich fo fchwach gefühlt, als
ob meine Moffels all zu Pehft ge
iworde un meine Bohns all gelräclt
wäre. Jch sin froh gewese, dafz der
Bennie bei mich war, wo mich hat
heim nemme könne. Dort hen ich mich
an mei Bett gelegt un hen en Schlaf
genomme, der war e Dehntie. Un wie
ich widder aufgeweckt sin. da war ichs
mein Tuhfeht los. Denke Se nit,
Mifier Edithar, daß fo e Eckspierienz
eim in alle feine Jntenfchens tfchehn-«
fche kann? .
Mit allerhand Achtung
Yours
Lizzie HanfftengeL
—
sichattes Mißtrauem
Junge Frau (die selbst kochi): »
s»Männchen, heute giedt’s mal was l
sGuteSB L
l Junger Ehemanm »Aber Schüs, J
wie kannst Du das vorher wissen?« s
summiert
Kommis: »Ich bitte. here Chri,
könnte ich heute Nachmittag aus dem
Geschäft fortbleiben, ich habe solche
Kopfschmerzem daß ich kaum stehen
kannt«
Chef: «Gerade heute, wo soviel auf.
zuarbeiten ist?«
Kommis: »Dann bitte, vielleicht
nächsten Samstag?«
Eine Frage der Zeit.
»Nami, Sie wollen verreisen?"
»Jawohl, ich und meine Frau; wir
wollen nach New Yort!"
Jahren Sie mit dem Lloyd oder
mit der Hapag!«
»Was Jhnen einfällt! Wir sahren
mit dem Lustschiss.«
»Aber der Lastschiff-Betrieb nach
Amerika eristirt doch noch gar nicht!«
»Biz meine Frru mit der Totlette
fertig ist, exisiirt er!«
Tensnltation.
Fräulein: »Ach, herr Doktor, ich
habe immer solche eigenthiimliche Be
tlemmungen in der Herzgegend. be
sonders in Herrengesellschasi. Macht
das etwas?"
Doktor: »Ja 5 Mari!«
Ein Mit-seist
Ernax »Daß dieser schöne und
reiche Lieutenant v. Z» der die Wahl
unter den reizendsten Mädchen der
Stadt gehabt, diese garstige Englän-;
derin erkoren hat« die weder Geld noch
andere Reize aufzuweisen hat, ist ge
radezu unbegreiflich«
Olaa: »Ja, es ist im wahren Sinne
ein Mißgrist«
W
Ein Brief von meinem ungetreu-n
lIst-nagt Wenn ich icbt nur wüßte, ob«
ein Dundertcr darin steckt oder nichts stu
ietztekcn Falle würde ich ihn sofort uner
» öffnet zutiickfchickettl«
Ab li b P
»,, er, e er Bett unw- wie könn
Ste nur in iolch' baufälligem Hause wogt
nen bleibe-IN
« »Das verstehen Sie nicht; da brauche
ich nienjals eznen Haus Rüssel mitarb
men, krieche einfach but ’s pack-wirkl«
Nachtgefecht bei Capon
Tripolis, 10. Oktober.
Jn der vergangenen Nacht fand ein
lebhaftes Gefecht zwischen türkischen
und italienischen Truppen außerhalb
der Oase von Tripolis statt. Jch hatte
bis gegen II Uhr friih gearbeitet, und
als ich mich niederlegen wollte, hörte
ich ein eigentümliches Geräusch; ich
dachte an Schrapnellschiissc. Ich
sprang auf und eilte in das Freie
Ein außerordentlich lebhaftes Ge
wehrfeuer war in iüdwestlicher Rich
tung hörbar, das aber nur wie ein ge
dämp teö Knaclen zum Ohre drang.
Nichts von dem sehr lauten Knall der
Araberflinten.
Bald darauf wurden auch einzelne
Schüsse in der Umgebung meines
auseö, das in der Oaie eine halbe
tunde östlich von der Stadt entfernt
liegt, abgegeben. Einige Kugeln
hörte ich pfeifen, die aber nicht vomk
Kampsselde kommen konnten. Ge-J
stern abend war es in meiner Umge
bung ziemlich ruhig heraegangen, nur .
dann und wann hörte ich Gewehr-»
schüsse, mit denen sich die Araber be
lustigten.
Drei Minuten nach Beginn des Ge
wehrfeuers ertönte von einem italie
nischen Kriegsschtsfe der erste Kano
nenschuß. Zwanzig Minuten nach
Beginn trat im Gefecht eine kurze
Pause ein, dann wurde das Feuer
wieder lebhaft, dann vereinzelt, dann
wieder start, und um 1 Uhr 57 Mi
nuten hörte ich die letzten schwachen
Schüsse. Dann trat Todtenstille ein,
aber nur für kurze Zeit, denn gleich
daraus fingen alle Hunde an, zu bel
len, und arabische Frauen, ihr geilen
des Geschrei zu erheben.
Das Feuer von den Kriegsschisfem
von denen die elettrischen Scheinwer-s
fer die Landschaft beleuchteten, dauerte
dagegen bis zum Morgengrauen. An
fangs fielen drei Schusz in zwei Mi
nuten dann jede Minute ein Schuß,
dann wurden die Schüsse noch selte
ner Jrn ganzen sind etwa 125 ab
gegeben worden, etwa 55 seit Beginn
des Bombardements. Nicht wenige
Geschosse fielen in meiner Umgebung
nieder, aber keines in nächster Nähe.
Heute schienen mehr zu trepieren, als
neulich. Es war hellster Mondschein
und ich lonnte im Freien schreiben.
Jch beeilte mich. friih aufzustehen.
Als es nach zweistündigein Schlafe ge
schah, war die Sonne schon aufgegan
gen. Bei der Suche nach der Gegend,
in der der Kampf stattgefunden hatte,
wurde ich zunächst auf eine falsche
Fährte geführt, zu weit nach Westen
hin. Jch schlug darauf den Weg nach
Bir-BuMisiana ein. in deren Richtung
ein Araber das Gewehrfeuer gehört
haben wollte. Ich fand auch bald,
daß ich den richtigen Weg getroffen
hatte. Nach einiger Zeit begegnete
mir der neue italienische provisorische
Gouverneur von Trivolis, Admiral
Borea Rieci. der das Kampsseld be
sichtigt hatte und stadtwärts fuhr.
Bir-Bu-Miliana beißt wörtlich:
Brunnen, Vater der Fülle, und ist die
Bezeichnung eines Brunnens mit un
erschöpflichem Wasser, der etwa z
Meile siidwestlich von der Stadt
Tripolis, an der Grenze zwischen den
Gärten der Oase und der Wüste, liegt.
Eine tleine Wasserleitung führt sein
Wasser nach der Stadt, genauer nach
drei Schisnu oder Quellen vor der
Stadt. An diesen Schisma lann je
der Wasser schöpfen, der will, in Wirt
lichteit wird es durch Wasservertäuser
den Kunden in der Stadt und in den
Votstädten zugeführt
Hier bei BirBuiMiliana waren»
einige hundert Mann italienischer»
Truppen versammelt, die mit Eifer
tm Schatten von Olivenbäumen, Fei
genbiiurnen und Dattelpalmen Schutz
vor der brennenden Morgensonne
suchten. Jin Siidoiten und Südsiid
often war scharf das blaue Varhuna
ebirge sichtbar, etwa 50 Meilen von
Eripolis entfernt. Weiter nach We
sten werden andere Gebirge durch eine
hohe Sanddiine verdeckt, auf der ein
liatieniichet Posten stand. Westlich
von dieser hohen Seinddiine waren
andere von geringerer Höhe, eine
Wüste en miniature in der man bald »
nichts mehr sieht als gelblichen Sand
um sich herum und den blauen Him- »
met über sich.
Jn dieser Gegend, rie van den Ara
bern einfach ,,Raml«, das isiSand, ak
nannt wird, bat das nächtliche Gefecht
irdischen tiirlischen Triwpen und ita
lienischen Marinesoldaten stattaesuns
den. 600 Fuß von Bir-Bu:Miliana
entfernt, in der Wüste, war bis vor
kurzem eine Zelt- und Hiittenstadt siir
bungerleidende, man hat sie aber
neuerdings etwas mehr östlich, in die
Nähe von Sidi-Masri, dem Grabe ei
nes Heiligen, verlegt, wo sie gut sicht
bar war.
Vereinzelte dieser Araber haben sich
aber in den äußersten Gärten in Zelten
niedergelassen. Von ihnen erfuhr ich,
daß zwei türlische Soldaten getödtet
und einer verwundet worden sei. Die
Jtaliener hätten keine Verluste gehabt.
DieTodten habe ich nicht gesehen, wohl
» aber einen verwundeten tiirlischen Sol
daten, der im Schatten eines Feigen
lsaumes aus dem Bauche lag, mit einem
Mantel bedeckt, während etwa ein Dut
E zend italienischer Soldaten um ihn
herumstanden. Ganz anders hörte
tch es bald in Journalistenlreisen.
Danach soll es viele Verwundete geben.
das lebhaste Feuer bei hellstem Mond
schein macht das auch warscheinlich.
) Das der englischen Eastern Tele
graph Company gehörige, von den:
k
Jtnlienern durchschnittene Kabel ist ge
stern repariert worden« und von heute
an werden wieder Telegramme eure-pa
wärts befördert. Die Telegraphens j
gesellschaft nimmt aber nur Telegram- ;
me an, die vorher die italienische Zen- s
sur passiert und den italienischen Post- i
stempel erhalten haben. Als Zensor!
fungiert ein italienischer Kapitano, der I
sich im Gebäude der Gesellschaft auf-l
hält. Die Zeitungstorrespondentem :
meist italienische, auch einige englische, I
bilden begreiflicherweise die Haupt
lundschast.
)
!
L
Die Jtaliener haben einige Maßre
geln ergriffen, die bezwecken, die Ein
gebarenen mir den neuen Verhältnissen
nuszufiihnem Sie lassen die inr
Zollhause lagernden Waaren zollsrei
hereinimamenx sie haben die soeben
erst eingeführte allgemeine Wehrpflicht
aufgehoben; sie überlassen den Plün
derern die geniiindeeten Sachen straf
frei —-- Kriegsmaterial jedoch ausge
schlossen, das abgeliefert werden muß
-— nnd-sie haben erklärt, daß einSchiff
mit Getreide unterwegs fei, und daß
diesesGetreide umsonst an alle Hungri
gen vertheilt werden sollte
Hente ist ein französischer Post-r
darnpser von Tunesren hier angetan
men. aus dem sich auch der von einem
Urlaub zurückkehrende französische Ge
neraltonsnl befindet. Ob er auch Tri
poliner Flüchtlinge ztiriickqebracht hat,
weiß ich noch nicht. Uebermoraem
Donnerstag, den12.0ttober, wird
von Malta her der reaelrecht fälliae
italienische Postdampser erwartet.
Dieser wird jedenfalls so viele Frido
ltner Flüchtlinge mitbringen, als er
aufnehmen kann.
Wequ der jiidischen Feiertage ist die
Stadt immer noch recht ruhig. Jckd
habe die zehn zerbrochenen Fensterscheis
lsen in meinem Hause, die ich dem ita
lienischen Bombardement verdanke,
riochnicht durch neue ersetzen lassen
können, weil dieser Zweig der Thätig
seit in israelitischen Händen liegt.
Heute, das heißt jeden Dienstag, ist
in Trivolig der aroße Dienstaasmartt
Der von heute ist aber klein. Vor acht
Tagen war er noch aroß; als er sast zu
Ende war, beaann das Bombardement
Als ich ihn früh besuchte, waren etwa
70 Rinder da, und wenig mehr als 20
Kamele. Doch sah ich später, als ich
tum Kampsplatze aina, noch manches
Stiick zittreiben. Die Schafe waren
nicht auf den großen Marlt gebracht
worden, sondern wurden unter den
Martern der Stadt verkauft, wo jeden
Morgen ein tleiner Schasmartt statt
findet. Der Gemiisemarlt war nicht
stärker vertreten. als jeden Morgen
lsier waren viel da. Aber die ganze
Mitte des großen freien Platzes-, auf
dem der Markt abqelialten wird, war
leer. .
Unniiiglich zu tontrollierende Ge
riichte schwirren in der Stadt herum.
Vier Stunden von Tripolis, in westli
cher Richtung, entfernt, soll ein Heer
von 4000 Mann stehen, und ein ande
res, weit zahlreicheres —— ich will die
gehörte Zahl gar nicht niederschrei
ben —-, soll weiter itn Osten stehen.
Wer-. hat sie aeseben. und besonders-,
wer hat sie aeziihltZ
WE-. ·
Sommertage in Kitnkoux t
IWer in Hanloto — bekanntlich der
Hanptschauplntz der gegenwärtigen
Revolution in China —-- gewesen ist,
sweiß, was ein Sommertag dort bedeu-: .
ltet. Noch schlimmer aber ist eine
iSomrnernachL Er wird die Nächte
verwünschen, wie ich sie jetzt ver
»wiinsche, diese endlosen Nächte, in.
zdenen die Temperatur kaum ei-»
zncn Grad lühler ist, als am Tages
s wo man sich schlaslog aus seinem Lager
- wälzt und morgens ebenso schweißtrie
"send aufwacht, wie man sich abends
! hingelegt hat und wie man den ganzen
ITag über umhergelausen ist. Er kennt
jdas seine Singen des ewig einzigen
»Moslitos, der ins Netz gedrungen ist
sund sofort verschwindet, sobald man
ibrummend und scheltend das Licht a::
Fgedreht hat, um dann bei der Dunkel-:
heit wieder seine blutfaugende Widrig
leit aufzunehmen Ganz einsam ist es
nun in Hanlow geworden, unsere Da
men und wer es sich eben vom männ
lichen Geschlecht leisten tann, sind von
diesem Platz geflüchtet, den die Clime
sen nicht mit Unrecht die Hölle Chinag
während der Sommertage nennen.
Oben in den Bergen, an der Bahn
strecke nach Peting liegen die Sommer
häufer und zweimal in der Woche
bringt den Sommerfrischler der Ex
spreßzug in sechs Stunden bis- zuin Fuß
der Berge. Eine herrliche Gebirg-stand
schaft dort oben, mit Gipfeln bis zu
Zs)(.)0 Fuß Höhe, graue tahle Gebirges
ziige und grüneThäler voller tropischer
Ueppigleit. Unzählige Bäche sprudeln
vns den schroffen Felsstiirzen herab,
um sich in denBambushainen der Thä
ler zu verlieren. Und was die Schön
heit vielleicht noch überwiegt, man kann
es trinken, dieses wunderbare Wasser,
und das weiß jeder zu schätzen, der das
ganze Jahr über nur von Mineralwas
ser gelebt hat. Dort in einem hohen
Thale haben die meisten hiesigen Fir
men ein Bungzilom eine wohlthätige
Einrichtung für ihre Angestellten, die
so doch wenigstens fiir eine gewisse Zeit
der hihe entfliehen können.
Hankow selbst ist ja öde in seiner
landschaftlichen Umgebung, auf dieser
Seite des Yangtse gibt es kaum einen
Weg, der ins Freie führt« überall Reis
—.—.-..—--—·--.—-- —- « 4-.—--—. —
selder, die unter Wasser stehen nnd jeg
liche Fußwanderung verbieten, nur aus
einem Pony kann man ein wenig in der
Umgebung umherstreisen, aber wie sieht
man hernach aus, wenn man nicht ge
rade bis zum Hals »in irgend einem
üblen Sumpsloch stecken blieb. Nur am
jenseitigen Ufer, hinter der alten Be
amtenstadthnschauer gibt es ein paar
höhenziige, die einen schönen klaren
See umkränzen, und deren höchster
Gipfel von einer prächtigen alten Pa
gode gesrönt ist Aber das Hiniiber
kommen ist jetzt auch schwer; denn ge
waltig wachsen dieFluthen desYangtse
im Sommer an, sast 40 Fuß steht das
Wasser am Bund höher als im Winter
und die Strömung ist iiberaus reißend,
sodaß man fast eine Stunde gebraucht,
unt im Sampan, dem Ruderboot der
Eingebotenen, dem eine Meile breiten
HFluß zu treuzen. Und dann ist’s auch
nicht ohne Gefahr. Wilde Chauchau
wasser, d. h. fressende Wasser, wirbeln
an derWuchangseite, und wer dort ver
sinkt, kommt erst 15 Meilen weiter
stromabwärts zu Tage, so gewaltig
sind die Strömungen, die dort zu Tage
brausen und wieder in der Tiefe ver
schwinden.
Hankows bedeutender Handel liegt
still. Bis zum Juni hinein hallte der
Bund wieder von dem Ho und He der
lasttragenden Kulis, denn kein Stück
wird von ihnen getragen, ohne daß sie
nicht ihr eintöniges Ho und he dazu
erschallen ließen. Selbst kleine Jungen,
die irgend etwas mit der Troge in zwei
zerschlissenen Körben schleppen, mischen s
sich mit ihrer hellen Stimme darein
end fingen mit ernstem Eifer. Zuwei
ler: schwillt der Gesang mächtig sm,
wenn esgilt schwere Kisten zu schlep
Pen, wie Maschinentheile u. dgl, Jch
sah oft ZU und mehr Aulis an einer
Kiste und bewunderte immer wieder,l
wie geschickt sie ihre Traghölzer an
bringen und Lasten beträltigen, die
man zu Hause nur mit Krähnen fort
bewegt. Unbegreiflich groß ist die
Anzahl der Häuteballen, Sesamsaat
säcte, Holzölfässer, Talgblöcke u. s. w
die während der Saison in den gro
szen Schiffsriimpsen verschwinden,
denn das Wasser erlaubt den Fracht
dampfern mit Beginn des Frühjahrs
hier herauf zu kommen, 600 Meilen
weit im Jnnern des Landes und so
sahen wir denn oft hier die hamburgi
sehe Flagge als willkommenen Gruß
ans der Heimath
Während Hantow früher fast ganz »
vom Theemartt beherrscht wurde, sind i
ec— jetzt andere neu anfgenommene Ex- s
portartilel, die den hiesigen Markt so
bedeutend machen ; neben Häuten, die
schon seit langen Jahren von hier nach
allen Theilen der Welt versandt wer
den, sind es besonders Sesamsaat,
HolzöL Tala, Eigelb und Albumin
die den Theehandel der an sich schon
durch die indische Konkurrenz eine
Verminderung erfuhr, immer mehr
-ocrdrängen. Dennoch waren es noch
»große Ladungen, die im Mai und
JJnni auf seltsam gebauten Dschunken
»in kleinen buntbemalten Kisten hier
anlangten und dann neuverpackt weis
terversandt wurden. Eine große Ans
lzathheehändler aus allen Theilen der
Welt guartiert sich um die Zeit hier
ein. und für den, der längere Zeit hier
torl,nt, ist es eine angenehme Abivechs
lung, einmal andere Gesichter zu sehen
zumal die herren oft ihre Damen bei
sich haben
Der Chinese lebt nun ganz auf der
Straf-ze, also nicht nur taggiiber, son
dern auch des Nachts. Wenn die
Sonne sinkt, holt sich der Herr des
Hauses seine Bambugbettstelle vor die
Thitr nnd schläft auf dem hartenLager
ein, unbekümmert um die nächtlichen
Geräusche, unbekümmert um die
Schwärme von IJtoskitos, die über ihn
beifallen, höchstens, dasz er mal mit
einer mechanischen Bewegung seinen
Blattfächer gegen sie hebt. Seine
Söhne theilen sich in den übrigenPlatz,
Frauen und Mädchen dagegen halten
sich in den Häusern zurück. Jetzt die
Clpinesenstadt zu passieren, dazu gehort
heroischeSelbstiiberwindung, sind schon
die Düfte im Winter von unheimlicher
Penetranz, so sind sie im Sommer eins
fach unbeschreiblich. Es ist nicht zu
fassen, daß die Menschen darin leben
können, dicht gedrängt, so das; man
glrubt, sie könnten nicht einmal auf
athmen. Epidemien wüthen hier aber
auch wie nirgends. Vor 8 Jahren trat
die Cholera auf und durch ein einziges
Thor sollen nicht weniger.alH 30,000
Sätge getragen sein. Aber niemand
schafft Wandel. Die neuen Häuser
werden genau so zwischen die alten
eingezträngt, wie sie vorher standen.
und wo sich die Abtoässer stauen, läßt
« man sie sich in gistgriine Krankheit
Tverbreitende Teiche verwandeln, ja,
wenn die Hausfrau weit vom Flusse
wohnt, wäscht sie gar ihren Kohl da
rin und schöpft das Teewasser daraus-.
Ee regt sich so viel in China, und
zu hause hört man noch mehr davon
als hier« aber es sind doch immer nur
einzelne Persönlichkeitem die Masse
erstickt in dem Althergebrachten, und
wer sie darin sieht, glaubt auch taum,
das; so bald eine neue Zeit anbrechen
wird. Ein seltsames Land, voller
Widersprüche! Hier so schön und dort
so häßlich, und ebenso die Menschen.
Einzelne, die weit über die anderen
hinausragen, sich mit unseren Besten
an Intelligenz messen können, und die
große Masse so im Schmutz und Aber
glauben vertommen, wie kaum ein
zweites Boli.
Kuri Wiese.
Grasliche Verzeihn-wein
Brüssel ist die Stadt des JnteMs
tionalismus. Dort wird die interna
tionale Friedensgesellschast diploma
tisch geleitet. Dort hat die interna
ticmale Schlaswagen - Gesellschaft ihre
Bureans. Dort versammeln sich auch
jahraus, jahrein die Spthhubem Gau
ner und hochstapler unserer ganzen
großen Erde. Männer und Frauen,dte
mit Dietrich und salschenWechieln und
sogar mit Mordwettzeugen viel ge
schickter umgehen als mit der Tugend.
Deshalb hat die Brüsselet Kkiminal
polizei stets harte Beschäftigung Wird
in Deutschland ein mächtiges Gauner
tucl geleistet, achtzigmal von hundert
versteckt sich der Spitzbube in BriisseL
Die gesahrlichsten ZuchthäuslerFranb
reichs und Englands versammeln sich
auf ihren Fluchtfahrten in kleinen
schwierigen Kneipen rings um die
Place Fontenas. Die Weltausstellung
vom Jahre 1910 hat in Brüssel ein
sehr beträchtliches internationales
Lumpenvroletariat zurückgelassen:
Glücksritter jeder Art, musizierende
Neger, die manches Cafe ungemütlich
gemacht haben, und sonstige Brüder
und Schwestern, die gern der Polizei
cus dem Wege gehen.
Lange Zeit gehörte zur Crenie die
ser Gesellschaft ein stolzes Grafen
raar. Sie hatten sich nicht etwa die
klingenden Titel beigelegt wider das
Gesetz. Sie trugen ihren Adelsbries,
der mit vielen Wappen, Adlern und
Kronen geschmückt war, zu Recht in
der Tasche. Und waren doch am Ende
sv verwahrlvst, so verlassen und ver
loren, daß sie eben den Reisebries er
halten haben, der in der Justizsprache
J etwasmnsanst Ausweisungsbesehl ge
rauft ru. »Sie war ern Sprokz oon ur
alter deutscher Familie. Jhr Ahn be
sitzt in Deutschland viele Dentmäler,
da er die Welt die Buchdruclertunst
gelehrt hat. Deswegen wurden seine
Nachkommen hochgeadelt. Die Gtiifin
nun siedelte sich eines Tages in der
belgischen Hauptstadt an. Sie war
schon an die fünfzig Jahre, doch sie
hielt sich stattlich, und sie flößte Ver
trauen ein, wenn sie in den Wartesiilen
des Bahnhofs auf Opfer ihrer Betrü
gersehnsucht wartete. Sie bot sich in
mehreren Sprachen an, an jungen,
unerfahrenen Mädchen Muterstelle zu
vertreten, und sie erhat sich die Börse
der alleinreisenden Fräuleins. Und
oft verschwand sie damit und heckte
andere Bauernfängereien aus. Und
si tat noch mancherlei, was der
Staatsanwalt nicht verteidigen darf.
Und im Haus der Vagahundinnen von
Forest, das nach neuester Hygiene mit
Luftheizung, Romanbibliothel und
amerikanischen Eisenbetten ausgestat
tet ist, war die Gräfin ein oft gesehe
ner Gast. Sie benahm sich im Spinn
haus stets wie eine Edeldame. -Sie
nahm alle Ehren hin, die ihr als
Staatgpensionärin gezollt wurden.
Und wenn die belgische Regierung nach
der Absicht der Gräfin gehandelt
hätte, dann würde sie die Dame mit
der neunzackigen Krone nicht ausge
wiesen haben.
Aber die Regierung war grausam
lind zugleich mit der Dame wurde der
troatische Graf Dianowitsch an die
Grenze til-geschoben Der Graf tvar
ein Genie der Gaunerei Als er in
Briissel einzog, hatte er den Kopf vol
ler Rosinen und Millionen. Er er
zählte von allem den Hotelportiers
nnd Kellnern Er hatte sich nicht zu
beklagen. Denn all diese sleißigen
Leute steckten ihm ein Teil ihres Ver
dienstes zu. Sie glaubten, dass der
fin sie schweres Geld zusammenspekw
lieren würde, und alg dann der Graf
sich als ein Phantasi, als ein geschei
terter anp erwies, der sich im Ge
fängnis nur-ruhen mußte, da war viel
Schimper gegen den Grafen. Sie
steckten ihn ein, nnd er tam erst nach
zwei Jahren wieder zum Vorschein,
als- die Geschädigten längst nicht mehr
in Brüssel wohnten. Da legte sich der
Graf aufs Fremdenfijhren. Er steckte
die Beine in mächtige, blanke Stal
tsenstiefel und setzte sich eine goldene
Flolardemniitze aus. Daran stand in
leuchtenden Lettern: »Dolmetscher in
sieben Sprachen«. Der Gras log wirk
lich nicht. Er beherrschte alles Kandel-:
chtscy Der Well. Cl cum so Imcl aus
den Hund, daß er wegen eines armen,
erboraten Franken in sieben Sprachen
bettelte, daß er sür einen ihm darge
lsotenen Schnapg in sieben Sprachen
Dank sagte. Die Stulpenstiesel klass
ten aueginander, die Miitze wurde sehr
schmutzig. Der Gras zeigte so oft sei
nen Adelgbries vor aar nicht ebenbür
tiaen, neuaieriqen Reisenden, daß der
Brief gran, klebria und zerrissen
wurde. Einstmalg war der Mann
ein Schissstapittin aelvesen Doch er
hatte alle schwimmenden Planken und
das Gut, das ihm anvertraut wurde,
r«ertrnnlen. Er glitt sehr schnell durch
Vlliohol und Abenteuerlust ins Elend.
Von der Kommandobriicle ins Kask
itiatten,ziichthaxtg, vom Spital aus die
Straße. Er wurde den Fremden von
Brüssel überlästia. Da schickten sie
ihm die Anweisung Da schoben sie
ihm aus dem Lande. Wer weiß, wo
er jetzt seine schädigen Künste erprobt.
Zwei von den trauriasien Origina
len der Hauptstadt sind in die Welt
hinansgeworfen. Die Polizei ist stolz.
und allen den Männern und Frauen,
die vorn nnehrlichen Pfennig leben,
dic das Gesetzbuch nicht lieben, ist der
tüchtige Schrecken über so viel ossizielle
Unbarmherzigleit in die Glieder ge
fahren.