Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 03, 1911, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats— Anzetger und J cerold
Jshigzugfst « ist-er um Zwk iter räche c. ) Nummer 12.
Verschwunden
Verschwunden ist das fröhliche Blau,
Verweiii Jatminund iedm
Herbsilichee Himmel, bleiern und grau,
Gießt gleichzeitig Regen hernieder.
Mißmuihig grad wie das Weiter ist
Mein Herz: Nichts will mich erfreuen;
Die Sonne sucht mit Gewalt-und mit
List
Die Wollen zu zerstreuen.
Ach, gute Sonn-, auch du weißt nichi
Rath,
Daß der Nebelschleier zerstiebex
Was vie Liebe mit ihrer Sonne nicht
that,
Thust du nichi mit all deiner Liebe.
R. Zoozmann.
Der sprechende Este-nd
»Das Phänomen von Tbeerhiitte.
An den iiblichen Redaktionswigen
hatten es die Kollegen, sdie von meiner
Fahrt zu dem sprechenden Jagdbund
hörten. nicht fehlen lassen. Ich solle
mir von ihm lein Jägerlntein aufbin
den lassen, meinten die einen, und an
dere riethen mir, den redseligen vier
beinigen Zeitgenossen über seine Mei
nung vom Moabiter Krawallprozeß
zu intervietven. Ossen gestanden, recht
ernst hatte ich die Geschichte von dem
svrechmden Hund in der Leglinger
Heide auch nicht genommen. Aber die
Sache erschien mir doch zu «nusgesal
len«. um frei erfunden zu sein. Ge
mäß dem bekannten Scherzwort:
»Vielleicht läuft in der Lungen Gasse
Hoch ein fiecht!« tonnte in Therrhiitte,
joging es mir durch den Sinn, ja in
III-hat ein redender Ritter zu sehen
Therrhiittet Wie tommt man dort
hin? Die Frage war nicht so leicht
zu beantworten. Die Angabe »Leslin
ger seide« gab zwar die Richtung an,
insberdersortsgu suchen evarraber
die Lehlinger Heide ist groß. und meh
rere Ortslexito versagten« Schließlich
sand sich« der Ort in einem handbuch,
das sämmtliche Maulwursshausen
Deutschlands verzeichnen Er liegt in;
der Nähe von Leglingem inmitten der «
beide, die durch die hossagden bekannt ;
geworden ist, und hat 48 Einwohner«
Die nächste Babnstation ist Gardele
gen in der Altmart.
Eine Autosabrt von etwa 15 Kilo
metern durch die einsame Heide, über
der graue Novembernebel brauen,
siihrt mich dem Ziele entgegen. Rechts’
und linls von der Straße iist in Ru-«
dein das Wild. Zehn, zwanzig, drei
ßig hirsche stehen mit verschwimmen
den Konturen gegen den grauen ho
rizont, Spießer und Gabler meist;1
aber auch ein paar ganz tapitale
Kerle. Als der iauchende und mat
ternde Wagen naht, heben sie den
Kopf und äugen uns nach, ohne sich
sonst weiter beunruhigen zu lassen.
Dann tauchen niedrige Dächer aus,
untd nachdem ein Gatter durchsahren
ist, hält das Auto zwischen einigen re
gellos durcheinander stehenden Gebäu
den. Das ist Theerhütte.
Der Besitzer des sprechenden hun
des, der Königliche Hegemeister Ebers
ist nicht zu hause. An seiner Statt
empfangen mich zwei liebenswürdige
junge Damen, seine Töchter, und
geleiten mich in die mit zahlreichen
Jagdtrophiien geschmückte warme
Stube. Es bedarf teiner langen Er
tliirung siir meinen Besuch: »Sie
wollen gewiß den hunsd sehen?'« meint
Fräulein Ebers, össnet die Thiir und
ruft: »Dont«
herein tommi ein brauner, wohlge
nährter Vorstehhund und zwei tleine
bietbeinige Genossen solgen ihm.
Diese Beiden werden wieder hinausge
jagt. Don aber schmiegt sich an seine
herein an, liiszt sich von dem fremden
Besucher auch bereitwillig streicheln.
Dabei blickt er mich an, mit einem
tiefen, sragenden Blick, wie ich ihn bei
hundert bisher niemals gesehen. Man
glaubt fast, in diesen Augen etwas
Menschlicheö wahrzunehmen. Dann
bellt er mit tiefem Ton; aber das
wird ihm untersagt, untd wie ein gut
gezogener Jagdhund gehorcht er auss
Wort.
Fräulein Ebers hat inzwischen eine
Semmel aeholt: Man sage mal, was
Du hasti«
Der Bund bellt wieder; aber das
hingereichte Stiiel Weißt-rot- wird ihm
daraus enizoaew »Das ist nichts; das
ist aebest«, sagte Fräulein Ebers ver
weiitsznd »Du sollst sagen, was Du
Da bringt das Thier einen seltsam
atsentuteten aus zwei selbltttiinb aen
Tönen bestehenden Laut hervor, und
man versteht deutlich in diesem Dop
pellaut das Wort »Am-den« Der
Hund wiederholt ei mehrfach, und die
Wiederholungen werden jedesmal
deutlicher. Dabei lchniiuft und leucht
er; feine Flanien beben und man
sieht, wie er sich anstrengt. Doch die
richtige Antwort hat Don noch nicht
gegeben. Abermals win er gefragt:
»Was hast Dai« »
Und nun tönt es vernehmlicht
»Hunge!« »Hun-ger!«
»Brav, Don. Was wist Du nun
haben?« ,
»Kuchen haben!« Rachen habenl«
antwortet gehorsam der Hund und
erhält seinen Lohn, den er mit echt
hündifcher Gier verzehY.
Jch kann nicht sagen, daß ich über
alle Maßen erstaunt gewesen wäre.
So verblüsfend das Gehörte war, es
klang nicht eigentlich unnatürlich. Die
Worte, die der Hund von sich gab.
hatten nicht den Timbre einer mensch
lichen Stimme. Wäre es der Fall ge
wesen« ich hätte eine Mystisilation an
genommen, geglaubt, daß sdas junge
Mädchen eine geübte Bauchrednerin
sei. Aber so aut verständlich die Wor
te »Hunger«, Kuchen« und »Kuchen
haben« auch waren, sie klangen trotz
Zdem thierisch, waren von gurgelnden,
bisweilen bellenden Nebengeräuschen(
.begleitet, und sie waren phonekisch auch i
keineswegs aus deutlich zu unterschei
denden, artikulirten Konsonanten und
Vokabeln gebildet. Wohl aber war
kein Zweisel daran, daß der bund zu
iammengeseyte Laute von sich gab, die
mit allen den Tönen, die ihm von
Natur oerliehen·sind, leine Aehnlich
keit haben, und die aussallender Weise
den Sprachversuchen der Taubstum
men ähneln.
Diese primitive Art, neue Laute zu
bilden. sprichl aber nicht gegen, sie
spricht sür das Phänomen. Es be
steht darin, daß ein bund sich mit
unt-erkennbarer Anstrengung bemüht,
Menschliche M sites W- nach
zuahmen, so nachzuahmen, wie es ihm
mit hilse seiner primittoen Organe
möglich ist. Man vergesse nicht, sdaß
Kehlkopsi Rothenhole Gaumen,
Zunge und Zähne des hundes von we- -
sentlich anderer Beschassenheit sind»
als beim Menschen, daß dem hunde;
vor allen Dingen die beweglichen Lip
pen fehlen. ohne die z. B. die Hervor- «
bringung aller Labiallonsonanten wies
b- f, m. p, r, vollkommen unmöglichz
ist. Noch mehr, die gesammte mensch- ’
liche Artitulation und Lauthildung ist »
an die spezifischen menschlichen!
Sprachwerkzeuge gebunden, und es ists
daher undenibar, daß ein Hund« bei;
dem diese Organe ganz anders. un-(
endlich viel primitiver ausgebildet;
sind, phoneiische Aeußerungen hervor-i
brinnen kann die auch nur annähernd T
der Persektion der menschlichen Spra- ?
che gleichkommen. Die wortartigen
Lautbildungen des Hunde-Z lassen
denn auch nur primitive Kehllaute
deutlich erkennen, die aus tiesem
Rachen zu kommen scheinen.
Später kam der Hegemeister selbst,
ein iilterer Herr, und in seiner gera
den, freundlichen Art ein rechterForst
mann. Er wiederholte alsbald die
Versuche mit dem Thier, und in sei
ner Gegenwart gelangen sie noch bes
set als vorher. Aus die Frage: »Wie
heißt Dut« beantwortete der bund
seht mit einem tiefen, rauhen Laut,
aus dem man sehr wohl das Wort
»Don« les wird von der Familie im
mer «Dong« gesprochen) heraushören
konnte. Naturgemiisz ist kein »D« zu
shörenx denn der bund kann selbstver
ständlich den schwierigen Dentallaut
nicht bilden. »Don« klingt bei ihm
etwa wie ein langgezogener volaler
Kehllaut; das Wort ist auch unter den
von dem Thier nachgeahmten Worten
am schwierigsten zu erkennen. Am
menscheniihnlichsten, wenn man so sa
gen dars, erscheint daåWort ,,Kuchen«
daö der hund in zwei gleich stark be
tonten Stößen herausbringt
Herr Ebers erzählt, wie er die selt
same Begabung des hundes entdeckt
hat. Als Don ein halbes Jahr alt
war. sragte er ihn, während er beim
Mittagessen bettelnd an dem Tische
stand: »Du möchtest wohl auch etwas
baben?« Daraus gab der bund zwei
Töne von sich, die deutlich einer Nach
bildung des Wortes «haben« ent
sprachen. Aufmerksam geworden,
stellte er weitere Ver-suche mit dem
Thiere an, das dann bald die schon
erwähnten vWorte herauszubrinaen
wußte, Das war bereits vor stins
Jsbmu aber die Nachricht von der
seltsamen Kunst des Vundeö drang
nicht öder den Kreis der paar Dutend
»Nun-oberer von Theerhlttte .und eini
ger Vorgefehter des Hegemeifters hin
aus. Jetzt hat ein naher Angehöriger
die Sache in die Oeffentlichteit ge
bracht.
Don ift, so versicherte Herr Ebers,
überhaupt ein außergewöhnlich intel
ligentes Thier, was sich auf der Jagd
häufig gezeigt habe. Vor Jahren isoll
er auch einmal in logischet Jdeenvet
dindung das Wort »Martha« gespro
chen haben, nämlich als man ihn ge
fragt hatte, wer ihn denn hinausge
iassen habe. That-sachlich hatte ihm
eine der Töchter, die Martha heißt
die Stubenthiir geöffnet. Die Probe
aufs Exempel ließ sich aber nie an
stellen; denn der Hund hat das Wort
nicht mehr wiederholt, und man wird
diefen Fall deshalb als unverbürgt
auszufcheiden haben. Don öffnet auf
Geheiß auch sekbft mit den Vorder
pfoten die Thür, und wenn man ihm
sagt, er falle die band drücken, so
venfucht er, die ja wenig bewegliche
Pfote um die hingehaltene Hand her
umzulegem Jch habe dieer Versuch
felbft mit ihm angestellt; aber das
isind blon mechanische Kunststücke, die
’auch anderen Hunden beizubringen
Isind. «
It Ilt III
Es bliebe noch zu untersuchen, ob
sich der Hund des Sinnes der Worte
bewußt ist, die er nachahmt, oder ob
er auf die Fragen nur mechanisch rea
girt wie irgend ein anderes dressirtes
Thier. Jch glaube eher, daß das les
tere der Fall ist; aber ich bin zur
Entscheidung dieser schwierigen Frage
nicht koinpetent. Das mögen Thier
dhyfichologen von Ruf zu ergründen
suchen. Soviel steht aber fest, und
jeder Mensch mit gesunden Sinnen
tann sich davon überzeugen, daß der
Hund Laute hervorbringt, die an
menschliche Worte anklingen und die
sen ztveifellos nachgebildet sind. Es
handelt sich hier um keinen Humbug a
la »Kluger hans«, nicht um »Wald
manngoschichten" nach Art der Flie
sgendeneBliittersWitn Dein ehrlich
sschkichiess « Ebers siegt der
sgleichen auch völlig fern. Was ich hier
schreibe, ist Thatsochr.
Forttviikseend kamen briefliche und
telegraphifche Anfragen, ob die Ge
fchichte von dem sprechenden Hunde
auf Richtigkeit beruhe, ob und wann
man ihn sehen könne. Kynokogen und
Naturwissenschaftler fian unter den
Anfragenden; auch Unternehmer, die
ersichtlich die ungeheure geschäftliche
Ausdeutungsfiihigieit des Phänomens
aus dem Variete und im Cirkus be
griffen haben, treten bereits an den
Besitzer des hundes heran, Jn der
Weltabgeschiedenheit des heidedorfes
hat er diese Möglichkeiten mit allen
Ehren Konsequenzen kaum erft begrif
en. ·
Durch amerikanische Ostsee-pariere
tut-riet
Rach Hinterlafsung von 25(),0l10
Mark Schulden flüchtig geworden ist
der Inhaber der bekannten Papier
Engros-Firma J. Hang in Berlin,
Nachfl. Ernst Grundwald. Allem An
schein nach hat er Selbstmord veriibt.
IVor etwa zehn Jahren iibernahmen
»die Kaufleute Ernst Grundwald und
fRing die bekannte Firma J. Hang
deren Spezialität im Vertrieb von
iPergament Packpapier und Tiiten be
ssland Ring trat vor zwei Jahren
saus, der 42 Jahre alte Kaufmann
FGrunwald führte das Geschäft nun
lals alleiniger Inhaber weiter. Er galt
Ialö tüchtiger und solider Kaufmann.
Die Ehe mit seiner Frau soll in den
letzten Jahren nicht sehr glücklich ge
wesen sein, da angeblich diese einen
sehr großen Luxus entsfnltete, wag
häufig zu Auseinandersetzungen zwi
schen den Eheleuten Anlaß gab.
Grunwald spelulirte in der letzten
Zeit viel an der Börse. Namentlich
bevorzugte er amerilanische Papiere,
und durch die fest eingetretene Vaisse
hat er alles verloren. Das Geschäft
war in den letzten Jahren auch schlech
ter gegangen, G. war wiederholt mit
den Zahlungen im Rückstand, so daß
ihm vor einiger Zeit ein Theil des
Kredits entzogen wurde. Seine ge
sammten Lagerbesiiinde und Materia
lien waren verpsiindet, und schließlich
war die Deroute so groß, daß er nicht
einmal seinen Arbeiternbie Wochen
löhne zahlen konnte, so das; diese die
Arbeit niederlegten. Dann ist G.
spurlos verschwunden! später traf in
seinem Geschäftslolal ein Brief von
ihm ein, in dem er seiner Buchhalte
rin mittheilte, daß er nicht mehr unter
den Lebenden weilen würde, wenn sie
in den Bellt des Briefes gelangt sei.
Die Verbindlichkeiten Grundtoalids
Faden auf ea. M,000 Mart ge
chsst « - -
L—
Bremen.
Von Editor-d Gildemeisier.
Nord, Lit, Süd, Jcst —
Brenicn bestl
Könnten wir uns vorstellen, daß vor
unseren Augen die alte Hansestadt mit
ihren Thürmen undGiebeln, dem grün
silbernen Gürtel ihrer Wallanlagen,
den Gartenvorstädten und dem na
stenreichen Hafengebiet durch einen
Zauber verschwände nebst allem, tan
der Fleiß ihrer Bürger hier im Laufe
einiger Jahrhunderte geschaffen hat —
t T. sähen vor uns einen eintönigen,
verschlasenen Strich Landes« schwer
lich geeignet für das Aufblühen einer
großen und-machtvollen Handelsstadt.
Rings niederes Grasland und spär
liche Heide, fo weit dasv Auge reicht,
nur am Flußufer ein schmaler Düneng
rücken, der den Kern der alten Stadt
bildete, und am Horizont ein bläuli
cher Streifen: der Rand der hohen
Geest, die von drei Seiten ihre wald
reirhen Ausliiufer in das Marfchland
vorschiebt. Das Land schwach bevöl
tert, die nächsten großen Städte, Ham
burg und Hannover, weit über hundert
Kilometer entfernt. Gegen vierzig
Meilen fährt ein Schiff von Bremen
weserabwiirts, bis es die «salzige See«
erreicht, und meilentveit zieht sich dann
npch die Flußrinne in unsichtbarer
Windung durch die Sandbänte, heute
durch Tonnen und Boten für den
Schiffer gekennzeichnet Würden Ton
nen und Leuchtfeuer fehlen, so könnte
ttin größeres Schif es wagen, sich der
Küste zu nähern.
Es gehiirte ein hartes und wage
muthigesBoll dazu, an diesen unwirth
lichen Platz über See und Land die
Handelswege zu leiten und im Kampfe
nicht nur mit Wind und Wetter, son
dern auch mit nicht weniger eigenwilli-—·
gen Nachbarn, die beide Flußufer auf
wärts und abwärts in Händen hatten,
Bremen zu einer Stadt zu machen, die
sich im Bunde der Hause neben Lübeck
Mk Mhamdurg lange Zeit fast ebenbür
g behauptete. Und noch zähere That
lraft bedurfte es vielleicht, in der Neu
zeit den Wettstreit mit dem glücklicher
gelegenen Hamburg und mit den bel
gisch-holliindischen Häfen zu bestehen.
Zweimal hat Bremen seit hundert
Jahren, von der Noth getrieben, einen
tiihnen Schritt gewagt, um seine Stel
lung im Welthandel nicht zu verlieren:
zuerst die Gründung von Bremerhaven
um 1830 durch den großen Bürgermei
ster Smidt, wodurch man Bremen an
die See rückte. Sodann die Vertie
fung der Unterweser nach dem genialen
Plane des Oberbaudirettors Franzius
1883——94, wodurch man die See nach
Bremen inaufzog. Zwischen diese bei
den Marksteine der bremischen Han
delshäuser fällt die Gründung dek
Norddeutschen Lloyd (1856), dieser
Welt-Dampfergesellschaft, die 45
Jahre später nach dem Raumaehalt ih
rer Schiffe die erste der Welt gewor
den war. Mit ihrem Bliihen und Ge
deiden sind seitdem die Geschicke Bre
niens aufs engste oerlniipst
Der Lloyd, schon bei der Gründung
mit reichen Mitteln versehen und auf
große Ziele gerichtet, wurde durch den
Passe-ertrag den Breinen mit den Ver
einigten Staaten abschlcß, von selbst
auf Schnelligkeit, Viinltlichkeit und
Sicherheit seiner Fahr-ten hingewiesen;
also ans Dampserbetrieb, aus Passa
giersahrt. während die gleichzeitig in
Hamburg gegründete Hamburg-Ame
rila-Linie,im erstenJabrzehnt nur aus
Segelschissen bestehend, neben der Be
förderung von Answanderern sich vor
allem aus Gitterverlehr einrichtete und
so vielleicht dein Handel ihrer Stadt
unmittelbarer diente. Aber auch der
Lloyd mußte seine Frachten aus den
Spuren des Breiner Handels suchen
und, um selbst zu wachsen, die alten
stärken und neue ausfuchen Auf die
New Yorier Linie— die siir Hamburg
längere Zeit die einzige blieb — solgte
die Baltimorelinie dann die New-Or
leanssLinie. die, wenn auch wenig ren
tabel, durch dieBefestiauug der Baum
wolleeziehnngen siir Brekueii einen
Sieg bedeutete, auch den Tabalbaudel
kräftigte. Von grosser Bedeutung siir
Deutschland nsie siir Brenien wurde
dann die vonBistnarck einaeleitetelfiw
rtchtung der Reichsvostdamrerliuieu
nach Qstasien und Australien, einer
Unternehmung die vielfach in der
Presse, auch von Brenien aus, als ein
Eingriis in die Selbständigkeit des
Handels geradezu belänipst wurde.
Der Erfolg hat Bismarctg weitschaui
endenPlan glänzend gerechtfertigt der
Handel verdieliachte sich in kurzer Zeit.
Flir den Lloyd aber wurden die Linien
troy späterer Erhöhung der »Seid-ven
tionen« erst lntrativ, als sein Leiter
»der-Doktor Wiegand 1898 die Küsten
Schisiahrt zwi chen Jndlen nnd Süd
.china -- mä nian zweier englischer
Linien —- deutsch machte, sie oietfach I
verzweigte und erweiterte nnd se- den
Anlaushäsen der Hauptlinien Blut zu
siihrte. Sechsundvierzig Dampser
des Norddeutschen Lloyd liefen 1904
aus diesen Zweiglinien von Bombay
bis Hongtong, von Siam bis zu den
Philipp-irrem
Auch die Dampsschissabrt ans dem
Yantsetiang, die der Norddeutsche
Lloyd 1899 eröffnete und später ge
nieinschastlich mit der Hamburg-Ame
rika Linie betrieb, war eine Anregung
Wiegands. Der Name dieses rastlos
tbätigen, vielseitig bedeutendenMannes
nntfz genannt werden, wo man von
Bremens Blüthe spricht. Jn seinem
Wirken äußerst sich die 11eber3engung,
daß die Interessen des Vaterlandes
und der Vaterstadt sich überall decken
müssen, nnd daß die großen Opfer, die
Bremen für den Norddeutschen Lloyd
gebracht hat, auch siir das Deutsche
Reich gebracht sind.
Die Ursache, die den bremischen
Steuerzahler zu stets wachsenden Aus
gaben siir die heimische Schiffahrt nö
thigt, ist in erster Linie die enorm an
wachsende Größe der Schissstörper.
Wie ein vielköpsiaer Familienoater
schaudernd seine Rangen aus den
Kleidern heraus- nnd über die Betten
hinauswacbsen sieht, so Mutter Bre
men ibre Schiffe! Jm Jahre 1800
hatte der größte Segler, der bereits die
atlantische Fahrt machte, 300 Tons
Rauminbalt. Jm Jahre 1850 über
900 Tons; im Jahre 1900 über 14,
000 Tons. Und zwar besaß damals
wer work-deutsche Lioyd altem funfzehn
Dampfer größer als 10,000 Tons, fer
ner—26 größer als 5000Ton3, im gan
zen etwa hundert überseeische Damp
fer. Der Wettkampf um die Schnel
ligleit erforderte immer größere Tuns-,
und diese forderten entsprechende
Schleusentore, Trockendoels und Liege
nlätzr. Hatte die Stadt für den ersten
Hafen au der Wesermiindung mit sei
nen vielbewunderten eisernen Schleu
sentoren mit Mühe 3 Millionen Mark
aufgebracht, so losteteten die folgenden
Neuhitfen und Vergrbßernngen 6 Mil
lionen, 8 Millionen, 24 Millionen.
Dann folgte das große Werk der We
scrtorrettion mit 30 Millionen, unge
rechnet die Vertiefung der Auszenweser,
und zwar alle diese Anlagen ohne die
Beihilfe des Reiches und der Uferstaa
ten Preußen und Oldenburg.
Dieses letztere Wert, die Vertiefung
der Weserfahrrinne fiir Schiffe bis zu
16 Fuß Tiefgang stand in engem Zu
sammenhange mit der Anlage eines
großenHafens in Bremen-Stadt und
diese wiederum mit dem lange hinaus
geschobenen Zollanschlusse Bremens an
das Reichszollgebiet, wodurch eben ein
Freihafen bei derStadt zur Nothwen
Digkeit wurde. Für diesen Hafen mit
Speicher- und Schuppenanlagen, der
24 Millionen kostete übernahm das
Reich die Hälfte der Kosten. Zum Un
gliiet beschränkte der Reichstag den so
nLitigen zollfreien Bezirk für Indu
strieanlagen auf ein Minimum, im
Vergleich zu dem, was man Hamburg
bewilligt hatte. Aber doch ging eine
jubelnde Stimmung durch die alte
Oamenaon als diese gewaltigen, mit
ernster Sorge begonnenen Arbeiten be
endet und wohl gelungen waren, als
ein Frischer Zug den bremischen Handel
belebte und die schwarzen Voraus
sagnngen, daß der Zollanschluß vor
allem den Tabalhandel «ruinieren
würde, nicht eintrasen.
Deutschland war um 1889 durch
seine beiden Handelsstädte an der
Nordsce —- nicht der Zahl, aber dem
Raumgehalt der Schiffe nach — die
zweite Handelsmacht der Welt gewor
den. Darun war Bremen mit 26 Pro
zent, Hamburg mit 31 Prozent betei
liat; aber 1903 zeigt sich das Verhält
nis sehr zu Hamburqs Gunsten ver
schoben: Bremen hat 28 Prozent,
Hamburg ös. Noch deutlicher wird
das Uebcrgewicht Hambitrgs, wenn
man die Binnenschisfahrt beider
Städte vergleicht: Die Elbschissahrt
Hambnras übertrifft die Weste
schissahrt Bremens beträchtlich, näm
llch Um das Sieben-fache. «
II
Jn der Baukunst kommt ein starker
Bürgersinn zum Ausdruck, der schon
in Alt-Bremen. wie in vielen alten
Handelsrepublikem dem Baumeister
ansaesprochenermaßen das Programm
ans den Weg gab, etwas noch nicht
Daaewesenes zn schaffen. Wie um
1550 die Aelterleute der Kaufmann
schast mit dem Neubau ihres Hauses
am Martt, dem Schiittinq, das goti
jche Rathaus übertrumpsen wollten,
welches dann bald durch eine neue
Vrachtsassade seinen Ran behauptete,
so entstand 300 Jahre später durch
Heinrich Miillers Hand die pruntvolle
Bese, die wieder in neuester Zeit durch
die hochragenden Massen der Baum
ttvollbötse von J· G. Poppe iiberboten
s—j
wurde: übrigens ohne daß das ehr
roiirdige Alte in seiner Wirkung ge
schädigt wäre. Die Bauten der Glanz
zeit zu erhalten und das Neue ihnen
mit litnstlerischem Sichbescheiden an
zupassen, ist das Bestreben aller. So
ist der herrliche Dom in den alten For
men neu erstanden und glücklich er
gänzt, ohne Lotterie oder Staatssa
schiisse. Aus eigenen Mitteln errichte
ten sich der Norddeutsche Lloyd, die
Reishandelsgesellschast und die großen
Banken ihre Paläste, die Gemeinden
ihre Kirchen, Waisenhiiuser und
Wohlsahrtsanstalten. Durch reiche
Schenlungen bremischer Bürger ent
i standen die neue Kunsthalle, die Volks
bibliothet und —- ein Stolz Breniens
—- die Denkmäler und Brunnen Mei
sterwerte von Tuaillon, Hildebrand
und anderen deutschen Künstlern.
Fiir die städtischen Bauten werden
in der Regel Wettbebewerbe ausge
schrieben, meistens fiir alle deutschen
Architelten,seltener fiir Bremer Archi
telten allein. Im ersten Fall ist dann
der Sieg fiir die Bremer schwer, aber
ehrenvoll. So ist der schöne Bau der
Stadtbibliothek von J. G· Poppe das
Ergebniß eines schwer errungenen Sie
ges. Oefter aber fallen die städtischen
Bauten auswärtigen Künstlern zu,
und wenn das Ergebnis nicht immer
befriedigend ausfällt, erklärt sicb das
leicht aus einer mangelnden Vermut
heit mit der Eigenart des Stadtbilbes.
Als wohlgelungene Beispiele find das
neueRathscafe gegenüber demRathhau
se zu nennen und — soweit schon ein
Urtheil zulässig ist-das neue Stadt
hauöz von Gabriel Fe SeidL
se k- I-.
Ueber den breinischen Privathaus
bau ist schon viel Rühmendeg gesagt
worden. Seine Eigenthümlichleit, das
Einsamilienhaus, haben viele Städte
fiir Neuanlagen aus ihre Fahne ge
schrieben, und die Wandlungen einer
neuen Kunst haben die alte Eigenart
nicht ungünstig beeinflußt, vor allem
nicht den besten Theil desBretner Hau
seg: den Gartenl
, Bremen ist die Garten- und Blu
menstndt.. Wie vor hundert Jahren
sich die Wälle und Gräben der Altstadt
unter der Hand des Meisters Altmann
in anmuthigeLandschasten von überra
schender Schönheit verwandelten, wie
zur selben Zeit eine reife Gartenlunsi
in dem benachbarten Bauerndorse
Oberneuland die ruhig vornehmen
Sommerresidenzen der Bremer Patri
zier entstehen ließ, so wurde 50 Jahre
später von denBürgern derBeschluß ge
faßt, die vor den Thoren der Stadt ge
legene, 140 Hettar große Bürgervieh
weide in einen ,,Biirgerpark« großen
Stils zu verwandeln, wie ihn damals
New York und Boston schusen. Mit
dem Künstler, der diesen Park ersann
und aussiihrte, dem Meellenburger
Banqnh erlebte Bremens Gartenhäu
kunst ihre zweite Blüthezeit. Von ihm
ist auch ein Theil derLandsitze angelegt,
die von dem Abhange des hohen Le-·
surnnsers über Schilf und Deiche ins
grüne Land hinausschauen Erst in
neuester Zeit haben sic- jene alten An
lagen zu voller Schönheit entsaltet,und
eine neue Gartenlunst, an die älteste
anlniipsend, setzt ihre streng getheilten
Flächenmuster und verschwendrische
Blüthenmassen neben die langsam ge
reiften landwirthschastlichen Bilder.
Vieles wlire noch zu sagen, aber das
Bild wächst schon til-er den Rahmen
hinaus-. Was fiir Brenrens serneres
Bliihen eine gute Gewähr qibt, ist die
starke Heimathliebe und eine kräftige,
selbstbewußte Jugend die ihren Wil
len durch Sport und Arbeit aesttihlt
hat. Mehr als andere Städte musz
Bremen sich saaen, daß es, um auf der
Höhe zu bleiben, unermiidlicher Wach
samleit und Anstrengung bedarf. Aber
es braucht noch etwas andere-est das
Wohlwollen und die Unterstützung des
übrigen Deutschlands. Und daß ihm
diese nicht fehle, liegt wiederum im
deutschen Interesse.
—
Die Musik des Geld-L
Als der deutsche Kronprinz in
Bonn weilte, fuhr er auch mal nach
Köln. Die Kutscher, die davon gehört
hatten, wollten ihn gerne sehen und
deshalb vorher keine Fuhre annehmen
Der Kronprinz, von allen nicht ge
"lannt, will von einem Kutscher gefah
ren sein, doch dieser weigert sich, da er
vorher den Kronprinzen sehen wolle.
Dieser verspricht, das geschähe, und
msit dem Versprechen, er erhalte ein
gutes Trinkgeld, läßt der Kutscher sich
daraus ein. Als der Kronprinz ihm
am Schlusse der Fahrt 10 Mart
Trinkgeld giebt, sagt der Kutschen
»Im bedanke ich mich auch; här, jeht
lann der Kronprinz mir de Rauche
Nöcke.«