Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 03, 1911, Zweiter Theil, Image 14

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    Der Kunstreiter
Erzählung
von Friedrich Gen-stärker
IIII77IIUIvavvsvs
.(B. IcrtsesungJ
ttDer seine Ernst« seufzte Louise.
M Uns er nein doch unschuldig
Iseek wenn irgend ein unglückseliges
Wständniß».«
Möigen Sie sich, Louisez das
iset nicht. hätte ich mich nicht set
Set iiderzeugt —- wiißte ich nicht drei.
dier verschiedene Fälle« in denen er
rnit jener Frau in Verbindung stand,
ja, ich würde es auch glauben. Ma
dame Berttand hat ihn aber sogar
der-kleidet aus seinem Zimmer besucht
—- veriangen Sie einen stärkeren Be
weiss«
»Das wäre allerdings start genug,
wenn es erwiesen . . "
»Es ist erwiesen und die Sache er
ledigt. Gott sei Dani, ich habe mich
selbft wiedergefunden, und keine solche
Schwäche soll mich je mehr übern-äl
tigen. Aber still; ich glaube« Rosalie
Wt zuriicl und wird ihren Putz in
Ordnung bringen wollen."
»Es ist die Excellenz.« sagte Louise,
.«ich höre ihre Stimme."
»Meine Muttert«
Jn diesem Augenblicke öffnete sich
die Thür, und Jhre Exkellenz die
»Frau Kriegsminister v. Ralphen be
ing-mit Rosalie das Zimmer-.
»Frau-im haben Sie die Güte,
MADE-ankleiden zu lassen,« sagte
stie, zu« der Gouvernante gewandt, »ich
Wehe mit meiner Tochter etwas zu.
besprechen. Geh, mein Kind, und
komme nachher wieder hinüber zu mir
—- ich erwarte Dich in einer halben
Stunde-« Die Gouvernante verließ,
dem Winke gehorsam, mit ihrem Zög
ling das Gemach, und Frau v. Rat
phen, langsam zu Melanie tretend,
neben deren Stuhl sie sich aus densel
ben Fauteuil niederließ, in dem dot
hin Fräulein v. Zahbern gesessen.
sagte freundlich: »Mein liebes Kind
—- aber ich dächte fast, Du hättest
geweint; Deine Augen sehen so ver
schwollen aug. Fehlt Dir etwas?«
«Richts, liebste Mutter, nur ein we
nig Kopfschmerz hatte ich, und selbst
den kaum mehr, denn seit der letzten
Viertelstunde sühle ich mich um Vieles
leichter.«
»Desw besser, denn ich habe ein
paar ernste Worte mit Dir zu reden.«
»Liebe Mutterl«
«Graf Selsiloss war vorhin bei knir
mn Abschied zu nehmen. Er war auch
weh-r bei Dir, und Du weißt, daß
et in Familienangelegenheiten nach
.;" » rg mirs-. Wie lange er sich
« M aufhalten wird, hängt allerdings
III kaänden ab; er hosft aber doch
in sechs bis acht Wochen spätestens
wieder zurück zu sein, und hat mich
indessen seierlich um mein Iürnmt
bei Dir gebeten." Melanie ließ die
Des-d mit der Rades die sie gehoben
hatte. um in ihrer Arbeit sortzusah
nen, wieder sinken und sah still vor sich
nieder, und die Mut die sie lurze
Zeit beobachtete, fuhr langsamer.
Chr einbringlicher Sti« e fort: »Ich
’ W Dir die Vorkheile nicht ans
eisander zu sehen, die slie«-Dich·lvie
. fix uns Alle ans einer Verbindung
« i mit einem so edlen und angesehenen
· Hause entstehen würden; Vertheiles
l
(
, sp fase- aitch keinen Einfluß bei meiner
TM aus die Wahl eines Gatten
haben, denn, Gott set Dant, wie tön- .
Its M bliesen die-Wen Unspr"che j
machen unv stehen Keinem nach, Troer
Seliioss ist auch ein liebenswürdiger
und braver Mensch, mit dem ein
Frau schon hassen dars, glücklich und
angenehm zu leben, und ich möchte Dir
die Sache hiermit warm und Drin-Zeno
an’5 herz gelegt haben. Eine Zeit
lang glaubte ich einmal und ich
meine sogar, ich hätte Ursache dazu
, gehabt «- daß Graf Gehetstein sich
» unt Dich bewerbe, und baß Du selber
ihm nicht abgeneigt-wärest Jch hätte
sanö nicht.das Geringste gegen
seherstrin einzuwenden; er ist aus
( M Geschlecht, einkraver und wacke
- rer Mann, und derWater hat ihn be
Mdai gern und hält große Stücke
ans ehs, aber Selitoss ist denn Doch
eine bessere und schicklichete Partie sitt
Dich, und ich habe mit Genugthuung
gesehen, das Du selber so zu denken
scheinst- Graf Geherstein mag das
mich wohl fählem denn er hat sich in
lester Zeit fast asusfallend zurückgew
gen.« Die Mutter schwieg eine kleine
Weile. tem die Wirkung zu beobachten,
die Ihre Worte aus die Tochter machen
Mitben. Melante aber erwiderte keine
Silb. regte sich nicht, und die alte
Mag fuhr fort: «Gras Selitosf
« M. daß er Dir nicht ganz gleich
;J- sei. Er hat —— schüchtern, wie
s· er- t. —- sreilich noch nicht gewagt,
.-M ber darum zu fragen, er ist
Fig , sitt gewesen, und hat mich
Mut-schweife ofsen und ehrlich ge
IM ein Zitttoort stir ihn bei Dir
, also sites-lich und in aller
J . bei mir, der Mutter, am
»Deine Mi Weber-. Eben so ein
uns ohne II- Umschtveise frage
Till- Dich fest. Viele-cis willst Du
f. -«
des Grases Seltkofs wer
.Laß inich eine einfache Antwort
haben, Ja oder Nein; Seliioss selber
hat Dir noch Zeit mit der Antwort
gelassen, bis er zurückkonrmt; nur
siir mich verlange ich sie, um darüber
beruhigt zu sein; denn diese Unge
wißheit reibt mich aus. und das ver
tragen meine Nerven nicht. Hast Da
etwas gegen ihn einzuwendenk
«Rein!« «
»A«lso darf er hassen. daß Du ihry
Deine Hand reichst. Dich wenigstens
mit ihm verlobst, sobald er zurückkehrt,
denn die Vorbereitungen zu Deiner
Berniiihlung sind nicht so im Nu been
det, wie die jungen Leute gar nicht sel
ten glatt-den« —- Also: Ja oder Reini«
«Ja!« hauchte Melanie.
»Ich danle Dir, mein liebes Kind«.
sagte die Mutter mit einiger Rüh
rung, denn sie freute sich, daß ein
Lieblingsplan von ihr zur Wahrheit
geworden war. unsd fühlte doch auch
dabei, daß Melanie noch irgend etwas
aus dem Herzen bitte. das nicht so
ganz mit diesem Ja übereinstimme
ihr also dadurch vielleicht ein Opfer
brachte. Sie hiitete sich aber wohl, da
nach zu fragen, denn sie siirchtete und
baßte jede Aufregung. Die Hauptsache
war überdies erledigt. und alles An
dere konnte nicht weiter in Betracht·
kommen.
«Meinst Du da vielleicht«. sehte sie
nach einer kleinen Pause hin u. »daß
wir dein armen Grasen ein Etat Zei
len schreiben sollen, um ihn aus seiner
Ungewißheit zu reißenisp
«Rein, ja nicht!« bat Melanie rasch.
»Ich meine nicht eine bestimmte Zu
sage; nur ein paar freundliche Worte,
die ihm hoffnung machen und seine«
Rücklehr zu uns vielleicht beschleuni
gen —- wenn er sich überdies nichts
schon genug beeilt, uin seine Geschäftes
zu beenden-" s
i
)
I
lann ihm nicht schreiben, ehe er selber
bei mir um meine Hand geworden hat«
und « ich möchte auch weiter leine
Vermittelung in einer so wichtigen
Sache haben. Er hat sich selber diese
Frist gestellt, wir dürfen sie aus keinen
Fall türzen.«
»Du hast Recht«, sagte die Erwi
lenz, »das sähe am Ende gar«aus. als
ob wir es nicht erwarten könnten.
Uebrigens scheint er fast einen Brief
zu erhoffen, sdenn er shat mir seine
Adresse in Petersburg dagelassen.«
, »Kehrt er zurück«, sagte Melanie,
»so ist es friih genug, und ich selber
brauche die Zeit, mich zu sammeln und
—- darauf vorzubereiten Es ist ein;
wichtiger Schritt, den ich zu thun ge
denle --· ein Schritt, von dem es lei
nen Rückweg giebt. Laß mir, liebe
Futter, die mir dazu gegitnnte Zeit
ungeschmälert, damit ich imich nicht
vorher schon als gebunden zu betrach
ten brauche —, versprich mir das.«
»Von herzen gern, liebes Kind;
guter-Gott, die-kurze Zeit wird über
dies so rasch verlaufen, dasz man am
Ende gar nicht weiß, wo sie geblieben
ist, und ich Zhabe noch so erstaunlich
viel zu thun! Jeht arach’ mir aber
auch lein so trauriges Gesicht mihrx
was ist kein Gesicht, wie ei sich siir ein
glückliches Bräutchen schickt. Amor-IT
ich habe der Rosalie zu ihrem Ge
burtstage heute Gesellschaft gebeten —
ihre gewöhnlichen Spieltameraden und
Freundinnen aus der Tanzstundr.
Komm später ein wenig zu uns hin
über, tdas epird Dich zerstreuen.«
»Weiß Papa darum?« fragte Me
lan-ie, ihre Augen zu der Mutter he
bend. —
»Um sdie Kindergesellschastk —- Ja
so, Du meinst Selitoff’ö ntragi — -
Nein, er war nicht zu ' e. Es wird
ihm nicht so ganz recht sein; ich weiß,
er hat sich zu Deinem Gatten einen
Andern ausgedacht, aber er schätzt den
jungen Rassen doch auch sehr; er weiß,
wie gern ihn der Fürst hat-nnd ist
außerdem ein viel zu guter Vater, als
Riß st Deinem Willen Zwang anthun
socie. Also beruW Dich darüber
»Nein, Mama « bitte, nein! Ich
l
l
kaut vollkommen; ein-Einspruch von
seiner Seite iß nicht zu bessrchtem —
Akt ich W W III-schwat- IM
chwagh und drtizben warten eine
Menge -Seschitste asres mich. Also
adiea, meine liebe Meloe-in adieiu Sei
wieder freundlich — nicht so ernst
miu riet- — sit-inac- sama-cui
Und die Tochter unter-nnd und titsc
send, nickte sie ihr noch einmal zu und
Verließ dann rasch das Zimmer.
22
Herr v. Zühbig hatte an diesem
Morgen außerordentlich lange geschla
fen, um sieh von den gehabten Stra
pazen gehörig auszuruhen, war dann
in sein Bureau gegangen, um vie nö
thigen und laufenden Geschäfte zu ord
nen, nnd schleudetre danach langsam
einem Frühstückseller zu, eine Er
frischunsg einzunehmen
Es war das ein Plas, der ani
schkießlich von »der baute volöe befuchi
wurde — herr v. Zühbig wäre auch
sonst nicht hingegangen Besonders
fanden sich vie cavalleriesdssiciere
gern hier des Morgens zusammen,
und der Futen-paar hatte viele Freunde
unter dem Militiir. dem einst selber
angehört zu haben sein Stolz war.
Das höchst elegant eingerichtete Lo
kal wurde selbst den Tag til-er von
Gasflammen erhellt, da Tageslicht nie
hineindringen konnte; weiche Bläsch
sophai zogen sich on den Seiten hin,
und kleine, sdurch schwere Gardinen
abgeschiedene Räumliichleiten sdildeten
traulich Cmiijchliche Bläschen, in de
neu sich ein paar Zecher hübsch abge
sondert von den Uebrigen halten konn
en.
Von Zithbig war aber gesellschaftli
cher»Nat-ur; er gehörte zu den Persön
lichkeiten, die ein stilles, zurückgezoges
neö Familienleben nur dem Namen
nach lennen « wenigstens davon ge
hört hatten, wenn sie auch nicht daran
glaubten, und eigentlich nur, wie der
Jäger sagt, »in Ruf-ein« gesunden
werden. Morgens war er in seinem
Bureau oder aus der Promenade, bei
schlechtem Wetter im Case oder Deli
latessenteller —-— Nachmittags hier oder
da mit Freunden zusammen, und
Abends im Theater oder beim Whist.
Aus diesem Grunde verschmähte er
auch die kleinen abgeschiedenen Lokale,
nannte sie »Gesangenenzellen« und pro
tegirte den langen Gesellschaftstisch
an dem er hoffen durfte mit Gleichge
sinnten zusammen zu treffen.
heute hatte er übrigens dazu eine
ungünstige seit gewählt. Es war noch
fzu stilh oder schon zu spät für die ge
wöhnlichen Gäste, und o. Zithbia be
fand sich hinter einem Glas altem
»Die-dein und einem Teller mit Caviar
Iganz allein und keineswegs so gemiitlp
stich, wie er es erwartet haben mochte.
Vergebens hatte er auch, in einer Art
von Jnstintt, dann und wann nach
den Fenstern geschaut, ob nicht etwa
Ankömmlinge sein Loos erleichtern
wollten. Die Fenster waren niimltch
blas Jmitationen von wirklichen, that
slichlichen Lichtverhreiternx fee bestan
den aus Spiegelglas und warfen ihm
stets nur sein eigenes unzufriedenes
Bild zurück.
»Gatcon!«' rief here v. Bin-hig.
»Ja Befehl, Ew. Gnaden«
»Der Madeira ist heute ckbotninabel
-— der muß auf einem Häringsfaß ge
legen. haben.«
»Bitte tausendmal um Verzeihung,
Ew. Gnaden ——— er hat in Flaschen
dreimal die Linie passirt.«
»So? « in der Thais dann ist er
oder ich fest an der andern Seite yom
Aequator -—- aber Sie sprechen wahr
scheinlich von dem Saviar. Der
schmeckt wirklich so, als ob er dreimal
vie Linie passitt haben könnte. Er ist
ganz ranzig.«
»Der beste russrschr. der nur zu be
kommen -war.«
» .Ein hartes Brsdchen haben Sie
Mit auch dazu gegeben, und die Ci
trone hier hat wahrscheinlich eine
egyptifche Dirnie einige tausm satte
zur Verzierung in der band gehalten.
Mii solchen Waareirisi es. kein Wun
der, daß die Gäste ausbleiben nnd ich
lcheine hier als Leiter der Mohitaner
die Reste zu verzehre-n Fürchten »Sie
sich nicht, den Keller hier so allein zu
bewohnen?'
Der Kellner lachelte verlegen, Und
Herr v Zühdig trank seinen Madeira
Jus nnd schob dZs Glas von sich.
»Gehen Sie mir noch einen Schnitt
user aus einer andern Flasche; ich
siirchte, diese ist aus Versehen irgend
too zurückgeblieben als ihre Kamera
den aus Reisen gingen.«
»Den v, Zühbig -—-— richtig wie ich
gehofft«, sagte in diesem Augenblicke
eine ssi ne Stimme, und durch die
halbgeössnete Thur schaute das ver
gniigte Gesicht des Baron Silberglanz,
während er jetzt ins Zimmer glitt
und, von »dem Kellnet unterstützt, Hut
und Paletot ablegte.
»WirtIich noch ein Mensch!« rief der
Jntendant. »Mein guter Baron, Sie
sind wohl aus einer Entdeckungsreise
begriffen. mich, als einen Verschwe
nen. irgendwo an den unwirthlichen
Ufern des Eisineerei ouszusuchen Sie
kommen zur rechten Zeit — eine hom
detalte herrscht überhaupt hier und
ich hohe- mich in Ermangelung eines
Bessern die setzte Zeit über schon mit
Fischeiern und Thron, welchen jener
junge scherzhoste Mensch Madeira
nennt. ernähren miissenf
»Ich habe Sie in der That gesucht,
bester Jnieridant«,· sagte der Boten,
indem er sichmeben Deren v. Zühtäg
niederließ. — »Carcon, mir auch von
diesen Fischeiern und Thron —- nnd
war schon ans Jhrenr Vuream um
Sie dort zu finden-«
»Aus reiner Anhänglichkeit, oder
anssei einein andern Orient-et«
est wollte ich mich er
tandigen, wie Zahne-r die Fahrt betone
inen ist«
»Bortresflich, tote Se sehen; »
habe sogar eine so evhnste Konstitu
tion rnitgedracht daß ich itn Stande
hin, die Kost hier zu vertragen. Dar
iisher atso beruhigt mit spat kann ich
weiter dime
«Jn, mein bester rr o.
Sie-—Sietnien vch dasßü chigSie
schon seither ge hatte, mir sicher
- ;
site die neu-e Oper eine Lage reserviren
zu lassen?«
«Alleevings.«
.Das wollte ich Jhnen gern noch
einmal an's Herz legen. daß Sie es ja
nicht vernähen Jch habe ei einer be
sreundeten Famiiie sesi versprochen
nnd möchte nicht worihriichig werden«
»Das ist allerdings viel Ausapsei
rung«', - versicherte Herr v. Zühhig,
»daß Sie sich, nur urn ein Versprechen
In halten« dem hiesigen Madeira und
Caviar aussehen. Weiter war ej
nichtj?« -
,,Weiter? —- nein —- nicht daß ich
iviißte —— Jhre Gesellschaft allerdings
ausgenommen« —- v. Ziihbig ver-beug
te sich leicht und lächelnd. «Allein
schmeett mit der Wein auch nicht«,
fuhr her Baron fort, ,und es plaudert
sich am besten zu Zweien. Apropos,
haben Sie ern-s Jhrer ledten Reise ei
nige Jngden mitgemachi?«
»Nein, Sie wissen ja, ich hatte leine
seit imqu
«Sonst -—— haben Sie leine Bekann
ten unterwegs getroffen-«
.Sonst --— oh so. Sie meinen außer
dem Monsieur Berti-and sund seiner
schönen Fran«, erwiderte Herr v
Ziihhig, unsd ein eigenes Lächeln zuckte
um seine Lippen. Er wußte jeht. wo
hinaus sein theilnehrnender Freund.
wollte, und nrit einigem trocknen Hu
mor, den er besaß, siihlte er sich ge
rade in der Stimmung, ein halb
Stündchen Zeit damit zu tödten,
lherrn v» Silberglanz ein wenig zu
dupiren. — Er konnte ihn außerdem
nicht leiden —- vielleicht nur weil ihn
Frau d. Ziibbig protegirte « vielleicht,
weil er im Stillen den neugebackenen
Adel mit Geringfchiigung betrachtete.
Viele, sehr Viele der baute voll-e,
Herr v. sühbig nicht ausgenommen,
würden sich auch wenig um den jungen
Baron mit feinem unangenehm eitlen
Wefen geliimmert und ihn vollständig
links liegen gelassen haben, wenn -——
sie ihn eben hätten entbehren können.
Herr v. Silberglanz war aber fehr
reich und gegen den hohen Adel -—— zu
dem zu gehören er den größten Stolz
fühlte ——— fehr liberal, und die Consi
quenz daraus ift leicht zu ziehen.
here v. Zühbig brauchte ebenfalls
lehr häufig Geld, und je nachdem »die
fes Bedürfnis ftieg oder fanl, stieg
und fanl auch zugleich fein Freund
fchaft5-Thermometer für den Baron.
Ganz fallen lassen konnte er ihn aber
nie. und unter vier Augen oder im
kleinen Familienlreife war er die herz
lichleit felber; öffentlich jedoch machte
er leinen Staat mit ihm und vermied
ihn, iwo es nur in irgend fchialicher
Weife gefchehen konnte.
.Nein, lieber Freund«, fette v.
Ziihbig deshalb, wie sich besinnend,
hinzu, »n-icht daß ich wußte. Reinen
falls irgend eine vorragende Persim
lichleit, fiir die Sie sich befanan in
terefsiren wär-den«
Eigene Sache das, mit jenem
Monsieur Verstand und feiner Frau!«
fagte Silberglanz nach einer kleinen
Paufez in der er an feinem Madeira
Wsm gelogen -
«hsschft eigen, in ,der That!« erwi
derte v. Zilhbig, feinem Beispiele fol
gend.
Apropos, Silberglanz Sie Schelm
Sie! ich habe ja gar nicht gewußt, daß
Sie in so genauer Verbindung mit der
Bertrand gestanden halten«
»Ich, lieber Zühbig? Bitte spre, n
Sie nicht so laut, der Kellnkr da d
ben spitzt seine Ohren schon, das —
war auch aar nicht der Fall."
»Ob« bit, Männchen, teine Flau
sen!« drohte ihm v. Zühbig lächelnd
mit dem Finger; »wenn eine Frau
einmal das eingesteht. tvas mir die
schöne Georgine eingestanden hat, da
ist’s nachher nicht mehr richtig, und
mir machen Sie in der Hinsicht nichts
mehr weis. —- Ider was geht’s mich
asi! das ist eine Sache. die Jeder mit
sich selber auszumachen hat« und ich
wijre detzLeIth Der Sie deshalb ta
de te.«
»Aber was hat sie Jhnen nur ge
saatl« siiisierte der Baron, dem seht
selber daran laa, etwas zu erfahren,
von dem er sast Tiber-zeugt war,"dasi es
ein Mißverständnis sein müsse, hätte
ihn v. Aiihvig’s Ruhe und Sicherheit
nicht wieder irre gemacht. —- »Was
iassn sie Ihnen um Gottes willen ge
standen haben?«
»Daß sie sich unglücklich in dem
Verhältniss fühle, und dasz ihr ein
Freund schlei« sliisterte p. Ziihhig.
»Ein Freunds« —
»Ist der That?«
»Und als ich sortging-und uns ihr
s- Mann einen Augenblick verlassen
hatte. trug sie mir wohl keinen Gruß
an Sie aus« hehes und hat ntir wohl
nicht dabei freundlich se agt, ich möch
te den Ramen ihres si Aufenthal
tes Schildheim nicht vergesseusf
»Den sie das in der Thats« sagte v.
Silberglanz, und evie in Gedanken
leerte er sein Glas Madeiea und
schlug mit dem Messer daran, es von
dem herbeischnellenden Gareon wieder
siillen zu lassen.
»Ich denke doch«, sagte d. Ziihbiz
-
,
rals der Kenner mit dein Glase duech
esins der Fenster verschwunden war,
»daß eine Dame eigentlich nicht gut
nicht zu verstehen geben isnnte.«
Baron v. Silberglanz schüttelte
lächelnd mit dem Kopfe. »Und doch
haben Sie die Donna saksch verstan
den«, sagte et, »sie hat mich aus tetnen
Fall damit gemeint -- wahrscheinlich
den Grasen selber. Sie weiß, daß Sie
mit ihm bestenndet sind, nnd wünscht.
allem Bermutden nach, ihn aus eine
seine Weise wissen zu lassen, daß sie
— eben Langeweile hat-"
.Lieder Freundi«
»Ich gebe Ihnen mein Wort, nicht
anders. Und wenn es wirklich anders
wäre, was hölse es mir. Jener Ort
— Schildhetm nannten Sie ihni«
»Ja wodl.'«
»Nun ja. jener Ort liegt Gott weiß
wie weit von hier entsernt ——— im Med
lenburgischen, nicht wobei«
«Allerdings.«
Jiun sehen Sie. und vielleicht weit
von einer Cisenbcrhni« -
«Etwa sechs Stunden zu sahren.«
«Entsetlich sp— aber das ist ja kaum
möglich. Da sie-ten Sie sich, lieber
stilybig Jn legter Zeit sind mehrere
Eisenbahnen dort gebaut, daß man
wohl iaum sechs Stunden von einem
Geleis zum andern hat. Sechs Stun
den vielleicht zu geben«
»Bitte um Verzeihung; zu saheen.«
(Fortsehung solgt.)
U —
Fälscher in alter Zeit.
Der Kampf gegen die Nahrungsmit
telsiilschung. der heute eine so wichtige
Frage der Voltserniihrung bildet,reicht
in seinen Anfängen bis in die Früh
zeit der Geschichte zurück. Wie Dr.
Edward Gudeman in einer inhaltsrei
chen Abhandlun , die die New Yorter
Zeitschrift The älmeriean Grocer wi
dergibt,auifiihrt, müssen schon bei dem
Volt Jsrael Geseße fiir die richtige-Un
gcbe der Qualität von Wein und Oel
bestanden haben. Der Professor an
der Vorbord-Universität George A.
Reisner hat nämlich vor kurzem in
Palästina einen Wein- und Oelleller
ausgegraben, in dem er die frühesten
Beispiele hebräifcher Schrift aus dem
Jahre 850 v. Chr. entdekttr. Diese
ältesten und bekannten hebröischen
Schriftzeichen befanden iich auf Tä
ielchen, die an den Weins und Oelges
fLißen angeschlagen waan und genau
den Weinberg, von dem der betreffende
Wein ftammte, das Jahr der Ernte
usw. angaben. Ganz ebenso wie bei
uns die Weinflasche ihr Etitett, trug
beiden Jsraeliten «eder Weins und
Oelirug seine Auff risi, und aus der
Sorgfaltigteit, mit der die Angaben
gemacht find. läßt ch schließen, daß
auf Gewicht und Re nheit der Flüssig
teiten großer Werth gelegt wurde
Das liebtfcheue Geschlecht der Wein
pantscher mag so alt sein wie die Re
benspenbe des Gottes Bacchus selbst.
Nicht nur das Volt Israel wird
schlechte Erfahrungen gemacht haben.
bevor ei die genaue Ctilettierung der
Weintrise einführte, sondern auch die
Griechen tiirnpften eifrig gegen die
s)iindlet, die den Wein schon periodis
sert auf den Martt brachten; so war
in Athen der Poften eines Weheruf
seheri eine wichtige Stellung, die man
nur einem besonders ftrengen nnd
rechtlichen Manne übertrag. Plinius
erzählt uns, daß es sogar den reichen
Leuten in Rom unmöglich war, un
verfälschten reinen Falernerwein zu
erhalten, und er beklagt sich bitter über
die Prattiten der Neapler Bäcker, die
weiße Erde unter das Mehl mischten
Um aber den Nahrungsmitteliäls
schern wirksam zu Leibe gehen zu tön
nen, war es nothwendig, feine Metho
den des Wiege-is und der chemischen
Analyse zu ersinnen, mn all ihren
Tricks nachspiiren zu können. Archi
nIedei hat sich bereits mit der Ausar
Leitung solcher Mittel befchiistiqt, aber
trohdem war man doch im Altert um
und im ganzen Mittelalter bis in die
Hier-seit hinein nur imstande, recht
state Falschungen zu erkennen. Die
iahrungmittelsiilfcher hatten es leicht
und erst im 17. und 18. Jahrhundert
fing man an, ihnen schärfer auf die
ginger zu sehen. Die ersten genauen
ewichtspriifungen von Nahrungsmit
teln unternahm auf Grund höchst
lomdlizierter Wiegemethoden der ita
lienische Arzt, Chemiter und Dichter
France-Erd Redi in zlorers Nach
ihm prüste dann No rt ohle die
Zusammensehung der Gemüte und
1784 veröffentlichte der hoiliindiiche
Gelehrte oan den Sande eine ausführ
liche Arbeit iiber die Fälschung des
Weines.
Der erste wirkliche Raheungsmittei
chemiter ist der gro e Naturforscher
Ante-M von Leeutven oetXeivesem der
das iiroftop hei der nalhse ver
schiedener Genußmittel verwandte und
die houvtbestandt ite dessafseeh des
Thor- und es P efseri, das Cassin,
Thein und das Piperin entdeelte. Nun
waren erst die scharfen und sicheren
Waffen zum Kampf gegen die Nah
run smitieiderfiilfchung gefchmiedet.
die nn später so treffliche Dienste
leisten sollten, daß wir heute fast über
all eine ganz ausgezeichnete Gefes
gsebung in dieser Hinsicht hoble Aha
der Kampf ist doch Auch das llek
Mut-rann hindurch mit grcßet Et
bilterung geführt worden. Jn Frank
reich verbietet ein Statut von« 1292
die Verfälschung des Bieres. Ein Ek
laß vom Jahre 1330 untersagt mit
Ansehung schwerer Strafenbas Mi
schen von Weinen, das Verlegen» Ir
gendwelcher fascher Namen oder eines
falschen Alters, befiehlt die Angabe«
woher der Wein stammt und wann er
geerntet wurde. Auf die Bedeutung
er Originalflasche macht ein Delrel
des Pariser Obergerichtshofei von
1871 aufmerksam, indem es die Gast
trirte zwingt, jedem Weintrinter zu
erlauben, da er sich von dem Ein
schenlen au der Originalflasche über
zeuge.
Jn England wandte man sich mit
besonders schweren Gesetzen gegen jede
Verfälschung von Spezereien und Ge
ioiirzem diese Dinge, die aus Jndien
und Arabien tamen und einen hohen
Werth hatten, wurden genauen Unter
suchuäisen unterworfen. Der Deutsche
des ittelalters glaubte sich gegen
Nahrungsmittelfälscher nicht anders
wehren zu können, als durch die
schwersten Strafen. Jn Nürnberg
wurde 1444 ein Mann lebendi ver
lsrannt und zwar diente als renn
material der gefälschte Safran. den er
verkauft hatte. Um von weiterer Fäl
schung dieses kostbaren ärbemittels
abzuschreclen, wurden im ahr darauf
zwei Männer und eine Frau mit ihrer
gefälschten Waare zusammen lebendig
begraben. Mit den Mittern, die in ei
nem besonders schlechten Rufe standen,
verfuhr man in Augdbur nicht viel
besser. Der betrügende Backer wurde
zusammen mit seinen schlechten Ge
n-ichten und seinem verfälschten Mehl
in einen Korb getan; der Korb wurde
san einer langen Stange befestigt und
mehrmals in einen schlammigen Teich
getaucht. eine Operation, die wohl re
elmäßig mit dem Tode des Betref
den endete. Jedenfalls geht aus
Keinem der Berichte hervor, dafz irgend
ein Bäcker ein zweites Mal bestraft
« einer-di
l War man im Zweifel, wer bei der
Fälschung der eigentlich Schuldige
sei, so wurde wohl auch die gan e Fa
milie mit Entschluß der Angestel ten
diesem furchtbarem Untertauchen un
tertoorsen.
Jn- Jahre 1452 wurde zu Bieberich
mn Rhein ein Weinhöndler. der der
Falsch-eng verdächtig war, gezwungen.
6 Quart seines eigenen Weines zu
trinken, und als er daraufhin starb,
wurde damit die Fälschung als erwie
sen erachtet. Da er aber die gewal
tiae Menge in wenigen Minuten her
untergiessen mußte, so würde der
reinste Wein wohl dieselbe Wirtung
hervorgebracht haben. Nahrungsmit
telsiilschnng galt überall im Mittel
alter als eins der schwersten Verbre
chen, schlimmer als Raub und Mord.
Sie tvard mit Verstümntelung be
straft und im Wiederholungssalle mi:
dein Tode. Doch meist war schon die
erste Bestrafung so schrecklich, daß der
Tod eintrat
streitet Hättst-.
Die Römer warens« betanntlich ein
Bauernvolt im wahrfte Sinne des
Wortes nnd sind fiir ga z Europa die
Vorbilder in Führung einer geregelten
Landwirtschaft geworden. Manches
von dem. was fie iibten. ist den späte
ren Landwirthen verloren gegangen u.
erst in neuerer Zeit wieder geiibt wor
den« Düngnng nnd Fruchtwechsel
iannten sie wohl und and-, schon um
schliigige Ielbtvirthschaft, ein Jahr
Brache, ein Jahr Ruban Die Brach
felder wurden als Weide benutzt.
Später lernten sie aus daß Prinzip
des Fruchtwechsels lennen. Der rö
mischeLanbwirth war überaus fleißig
Er pflügte nicht einfach hin und her,
sondern sogar übers Kreuz und es gab
Recken die, nach erhaltenen Berichten,
siebenmal gepsliigt wurden, ebe der
Bauer den Samen streute oder die
Pflänzchen steettr. Die Latifundiens
wirtschaft begann erst recht nach den
punifchen Kriegem bis dahin herrschte
der Kleinbesih und intensive Bewirth
schaftung vor. Viel gab man auch
aus die Düngnng, für die man sogar
einen besonderen Schiidgott Stercui
tius hatte. Die Niimer bauten auch
Futteririiuter an, berieselten Wiesen
und übten schon die Stallfiitterung.
Auch theoretisch beschäftigten sich gera
de ihre hervorragendsten Männer gern
mit derLandwikthschast und ein Theil
ihrer oft sehr tedeutsamen Schriften
ist erhalten geblieben. Das Wert des
Karthagerz Maao iibeanndwirtschaft
wurde sogar aus Befehl des Römischen
Senats auf Staattsosten ins Laieinii
sche til-ersetzt. Calo, Patro, VergiL
Columella sind soweit ihre Werte er
halten geblieben sind, noch heute inter
essant zu lesen.
So nach und nach fängt auch Nen
orl·an, eine moderne Stadt zu wer-«
ne eben hat es seine legte Pserdebahn
« abgeschafft « . -
e
Her Kluge sieht auch dort, wo man
ihn nicht sehen lassen will.