Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 13, 1911, Zweiter Theil, Image 9

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    JahrgangZ
Nebraska
Staats- Anzetger lund II cerold.
rl913w V(Theii.)
Einmal am Tag-—
Von Hans Herbeki Ulrich
lsxnmal sollst du am Tag die Hände
fallen
lind sorgen. daß dein Schüssen stille
steht
Und über deines Lebens Allgemelien
Der kühle Hauch des frohen Nastrns
weht.
Tnnn sieh auf deines Wettiags stolzen
Siegen
lan glaube fest dem jungen Sonnen
schein
Laß deine Träume hoch zum himmel
fliegen! «
Dann wirft du frei und stolz und Sie
ger fein.
llnd deine Zulunft in den Atmen
halten
Wie man fein Liebfies stark zur Ruhe
trägt!
Einmal sollst du am Tag die Hände
falten
Daß sich die Andacht auf dein Leben
legi.
.-.--.-—
Ver Kammetherr.
Huinoriitisehe Stizzr von A. G r e e n.
Diesinal waren alle drei sehr ver
gnügt aus der Sommerfrische zurück
gelehrt. »Es ioar wirllich nett«, sagte
Großmutter Koppel; »et; war reizend,
,,meinte ihre oerioittioete Tochter, die
iininer noch schöne Frau Nietlich, nnd
»es war einfach himmlisch!« ries mit
begeisterternAngenanfsehlag ihre »Ein
zige'«, Theresehen Nietlich, aug.
Der siebzehnjiihrige Backfisch hatte
in dein kleinen Badeorte ans der
Neunioii zum ersten Male einen Blick
in die Welt der Erwachsenen thun
dürfen. Wie hatte ihr hergehen ge
pacht, als Mutter ihr die goldenen
Zöpfe aufgesteckt und ihr das neue,
mattblaiie Crepe de Chine-Kleid zit
gehatt, nnd wie hatte sie gezittert vor
Aufregung, als sie endlich, von Miit
ter nnd Großmutter begleitet, den
Festsaal betreten! Aber bald, sehr
bald-, hatte ihre Angst sieh gelegt: denn
Thereschen war iein Mauerbliiniehen
geblieben. Sehr bald waren einige
Herren erschienen, uin sich den drei
Generationen vorzustellen; der Groß
mutter eine ehrsurchtövolle Verbeu
gung zu machen. ein paar verbindliche
Worte mit der Mutter zu wechseln
und dann das selig lächelnde The
resehen viele viele Male ini Kreise her
nniziischiventen! Ein leichter Schwin
del besiel sie immer noch, wenn sie an
diesen wonnigen Abend zurückdaehtr.
Ach ja. es war »einsach himmlisch« ge
wesen!
E
0
Und es lonnte diesen Winter wieder
»einfach himmlisch« werden! Denn der
junge Mediziner, der sie im Gasthofe
ausgesucht, wollte seine Studien hier
in der Hauptstadt zu Ende bringen,
der Afsefsor, der ihr zum Ahfchied ei«
nen Strauß Rosen überreicht, würde
so wie so nach Berlin versetzt werden,
und der dritte . . . .
Ja, der dritte!
Das war die tadelloseste Erschei
nung in dem kleinen Seebade gewesen, f
der Mann, nach dem sich alle Frauen
umgedreht. der sämmtlichen Mütternj
heirathsfiihiaer Töchter stille Seufzer
entlockt s der wunderschöne stolze
Kammerherr. Freiherr von und zu
Bombstl Und gerade der hatte The
reschen aani augenfällig auf jener Re
union den Hof aemacht; denn er hatte
nur ein einziaes Mal - nur mit ihr
aetanzt febr zum Mißvergniiaen
aller anderen Damen. Der kleine
Rackfifch war Geaenstand des bitter
ften Neides aewesen! -- Und ihre
Mutter hatte ihn. als er iich verab
schiedete aufaefordert, die Familie in
Berlin zu besuchen. Mit tiefer Ver
beugunq und einem Handtuss hatte er
gedankt·
Oh er wohl kommen würde? Wie
der und wieder flogen Thereöchenö Ge
danken zu feiner ritterlichen Erschei
nung .. . . Sie ahnte ei nicht, daß ihre
«immer noch schöne« Mama seht jeden
Moran vor dein Spiegel stand und
sich die vereinzelten grauen Oaare aus
den Locken rupfte, während auch ihre
Gedanken zur ritterlichen Erscheinung
des Kammerherrn flogen k»
Freilich, der selige Nietlich hatte den
Besitz des Geldes an ihren Witwen
stand geknüpft . · . wenn sie sich wiede
rum in hymens Fesseln schlagen liess,
dann aing ihr Reichthum aus Thieres
chen über. auf There-check dieses
halbe Kind, das aber bei der Reunion
im Seehade aezeiat. daß ei die Män
ner zu fesseln wußte-»
Wenn nur der Kammerherr ither
haupt die Schwelle des alten Bürger
hauses überschritte! Ein neues Ele
ment in der Familie Man ver
kehrte bisher nur mit Kaufleuten; jetzt
galt es aber Künstler, Gelehrte, Offi
ziere in-’s Haus« zu ziehen, ihre Toch
ter, ihr Thereschen, sollte in andere
Kreise kommen, eine feine Partie ma
chen.
Großmutter brauchte von solchen
Zukunftsplänen nichts zu wissen; sie
war noch vom alten Schlage, zufrie
den, wenn das Soll und Haben
stimmte und sie alle Jahre ein erkleck
liches Sitmmchen zurücklegen stonntr.
So lebten die drei Frauen in dem
wintligen Kaufmannshause, das schon
viele Generationen vor ihnen behel
bergt die beiden jüngeren mehr mit
Vergangenheit und Zukunft, als mit
der Gegenwart beschäftigt, die aller
dings nicht gerade harmonisch war.
Das neue Dienstmädchen das nach
der Rücklehr von der Sommerreise an
getreten war, erwies sich als ein dum
mer und tölpelhaster Schmutzfintx im
Oliqher, wenn die Geselligteit begann,
mußte unbedingt eine andere gemiethet
werden. Bis dahin hiesz es, die Wirth
schaft in Stand zu sehen: Frau Niet
lich nahm die Generalreinigung vor.
Aber auch während der ärgsten Tage
an denen sie die ganze Wohnung un
ter Wasser zu seteen liebte sorgte sie
doch dasiir, dasz Thereschen zur Be
suchgstunde nett angezogen war. ·
Man konnte nicht wissen . ..
»Zieh Dein rosa Musselinlleid an,
mein Kind, und brenn« Dir Deine
Löckchen!«
»Aber Martia ich verderbe ja das
gute Kleid!«
»Wenn Du es hoch steckst und meine
große Schürze vorbindest, machst Du
Dir keinen Fleck. Thu’s nur« There-p
chen; wer weiß, wer tommt2'«
»Wer weiß, wer tommt!« Das war
das Zauberwort, dem zu Liebe Mut
ter und Tochter sich um die Wette
schön machten.
Endlich war auch das große Reine-—
machen vorüber; der dienstbnre Geist
und die Scheuersrau tobten nur noch
ans dem Korridor unsd in der Küche
herum. Jm Salon war der Teppich
schon wieder gelegt und die Möbel
eingeräumt -— blos die Nippsachen
fehlten noch. Die wusch und bürstete
Frau Nietlich eben in warmem Sei
senwasser, während Thereschen sie
sorgfältig abtroctnte. Solch seine
Porzellansigiirchen tonnte man den
derben Fäusten der Magd nicht an
vertrauen.
»So«, sttate Frau Nietlich befrie
digt, indem sie die letzte Nippsache, ei
nen zierlichen, bogenspannenden Amor
aus dem Wasser zoa, »so; in einer
Viertelstunde steht alles wieder an sei
nem Platze » dann mag Besuch kom
men."
Da tlingelte eg. Mutter und Toch
ter blickten sich entsth an Es
war ein schriller Klang getoeien
aanz sonderbar so llingelten
teine von ihren Bekannten dag
lonnte nur ein Fremder sein . . ..
Kurs vorher hatte die Uhr vom na
ben siirchthurm zwölf Schläge ge
than . » Besuchsiieit also . ..
Draußen auf dem Flur hörte man
die Scheuerfrau vollern und die En
treethiir aufreisien . « Dann sprach
eine männliche Stimme leise . .
Frau Nietlich und Thereschen die
in athemloser Erreguna lauschten,
wurden beide blaß bis aus die Kivven
»Er isi’·3. staminelte die Mutter
»das ist sein Organ . .. der vornehme
Hoston.«
»Wenn die einfältige Person ihn
nur hereinliißt«, iliisterte die Tochter.
»und nicht etwa saat. daß wir großes
Reinemachen haben!«
» Einen Augenblick horchten sie angst
svoll Da stieß die Scheuersrau die
iThiir auf. gegenFrau Nietliehs Stirn.
fDiese suhr mit einem unterdrückten
sAusschrei zurück. Dann wintte sie der
Frau stumm, vollends einzutreten.
Mit hochgeschiitztem Noa, gänzlich
durchnliszter blauer Schürze und weit
auslremvelten Aermeln stand sie da.
Das Haar hing ihr in unordentlichen
Strähnen in’S Gesicht
,,Wer ists denn-P sragten die bei-:
den Damen tvie aus einem Munde.
«Der herr Kammeeherr«, meldete
die Frau mit wichtiger Miene.
»O Du meine Gitte!« stöhnte Frau
Nietlieh, von Freude und Scham zu
gleich libermältigt, »und in diesem ab
scheulich unsauheren Auszuge haben
Sie ihm ausgemacht?«
Frau Emma glotzte dumm.
— »Wo ist denn seine Karte?« erkun
digte sieh Thereschen
»Die liegt draußen tn’s Entree.
Der here fragte, ob er die jniidige
Frau seine Aufwartung machen
diirftef
....:s - -,-«-«"M -..--—-.· .
»Natürlich! Sie haben ihn doch in
den Salon gelassen?«
»Me, er steht noch draußen auf die
Treppe. --- Jch habe die Thüre feste
zujemacht, wie ich immer soll bei
isreinbe Mannöleute!«
i »Aber doch nicht bei Kammerhet
ren!'« zischte Frau Nietlich außer sich.
»Gehen Sie sofort und bitten Sie ihn
einzutreten!« Und als die Frau Kehrt
machte, packte sie sie schnell, strich ihr
«die Aermel herunter, riß ihr die
sSchiirze ab und löste die Nadeln, die
lden Rock hochhielten . .. Sie stach sich
dabei empfindlich in den Finger
iWenn der Kammerherr nur nicht
warten mußte! Dieser vornehme
Mann Mit offenen Armen hatte
sie ihn empfangen wollen, nun war
ihm die Thiir vor ber Nase zugemacht
worden!
Mitten Sie ihn, abzulegen«, rief
sie der Scheuerfrau nach, »und lassen
Sie ihn in den Salon er möchte
ieinen Augenblick warten!« «
s »Zu fatal!« Thereschen hatte be
teils die Schürze abgestreift und war
Jnun dabei, ihre Löckchen vor dem
Spiegel zu ordnen Frau Nietlich be
Tmerltr. daß sie vor Erwartung glü
hend roth war. Sie selbst zitterte am
ganzen Leibe diese verunglückte
Antrittsvisite der Kammerherr
mußte sie ja fiir Spiefzbiirger halten.
Nervös zapfte sie ihr Kleid zurecht:
sie hatte zwar ihr Sonntagsgewand
an aber von dem warmen Wasser wa
ren ihre Hände ganz aufgeweicht —
- und er würde sie küssen!
Verzweifrlt rieb siesie - - - sie rochen
schrecklich nach Seife . . . .
»Ich muß meine Hände erst par-iu
miren, Thereschen ich komme gleich
wieder. Damit stürzte sie in’s Schlus
jzimmer hinüber, um auch ihre Frisur
Tschnell noch zu glatten
; Aergerlich starrte ihre Tochter un
terdessen aus die tausend Nippsachen
iringsuw der kleine Amor, den sie so
Iliebtr. und den sie ,,thn« hatte zeigen
wollen, stand nun auch im Besuche
zimmer -- —
Da erschien ihre Mutter wieder,
und die beiden Damen traten klopfen
den Herzens in den Solon . . . . Die
Jalousien waren herabgelassen, er lua
Hin shall-dunkel Aus einem Lehnstuhl
ierhob sich eine hohe Gestalt, machte
seine eleqante Verbeugung und sagte
itnit leiser Stimme: »Gnädiae Frau
ihatten mir wegen des Mödchenzims
mers geschrieben ich bin der
Kammerjäger . . .«
s-—-—-«
Kostbare Saus-nimm von Spiel
satt-m
Die Königin-Mutter Christine von
Spanien besitzt eine der kostbarsten
und seltensten Spiellartensammluu
gen, die überhaupt eristiren. Seinem
historischen Werthe entsprechend steht
an der Spitze dieser Sammlung das
Spiel, das einst dem Prinzen Euaen
von Savohen gehörte und das er aus
alle seine Feldzüge mit sich genommen
haben soll. Die einzelnen Blätter, ds
ren Zeichen und Bilder in liinstleriich
vollendeter Weise mit der Hand ne
malt sind, bestehen aus Elsenbein.
doch sind sie trohdem so geschmeidig
wie die aus Papier hergestellten Kxir
tenbliitter. Noch mehr fällt diese ttte
schmidigleit bei einem aus holland
stammenden Kartenspiel aus, das ans
Delster Porzellan hergestellt ist nnd
sich laum von den iiblichen, aus dün
nen Kartons verfertigten Kartenspie
len unterscheidet« Außer diesen st -i
tenspielen aus Elsenbein und Poriel
lan besitzt die Königin auch solche ans
Silber und Gold. sowie aus Leim-n,
Zuckerrohrsasern und Palmblättein,
und während die letzteren mehr ihrer
Kuriosität wegen von der Königin Je
sammelt wurden, sind die silbernen
unsd goldenen weniger ihres Metall
werthes als ihrer liinstlerischen Anc
siihrung wegen der löniglichenSamm
lung einverleibt worden. So gern sich
auch die Königin an ihren zwanglosen
Abenden der Kartenspiele ihrerSanmi
lung zur Unterhaltung und zum Zeit
vertreib bedient, so betrachtet sie doch
das Spiel des Prinzen Eugen als
historische Reliquie, die wohl bewun
dert, niemals aber benutzt werden
dars.
—-—.s—---·
Vorschlag zur Glitt-.
Vater: »Du warst wieder unartig,
sagt Mama. Sieh her, da ist mein
Spazierstock; weißt Du, was ich jetzt
machen werde?«
»Jch denke, einen Spaziergang, lie
ber Papa!« .
Im Theater-.
Herr: »Pfetsen Sie doch nicht so
furchtbar, das macht ja nervös!«
..Sind Sie vielleicht der Autor des
StückeiW
; Jn Clpites Satpeterwitste
l Nichts vermag die riesenhaften Ent
sentungein die uns trotz Eisenbahn-en
kund Dampfschifsen auch heutzutage
noch thatsiichlich von vielen Gegenden
der Erde trennen, deutlicher zu veran
j schaulichen als das eigenthiiinlichesMisz
iverhältniß zwischen der Größe elemen
tarer Ereignisse in sernabliegenden
Ländern undverschtvindendenKleinheit
ihrerErwiihnung in unserenZeitungen.«
Dort eine ländererschütternde Kata
strophe hier nur ein paar engge
druckte Zeilen, die zwischen den Nach
richten aus uni- niihergelegenen Regio
nen zur unscheinbaren Notiz toerdenl
So wird es auch den meisten Zei
tungglesern entgangen fein, daß nach
einer lurzen telegraphischen Meldung
aus Jquique ein verheerender Wirbel
sturm die Salpeterzone Cbiles mit
Isainmt den zahlreichen Hasenplätzen
heimgesucht hat.
Dabei ist doch Jquique trotz seines
Fischnurrigem so wenigen bekannten
JNx meng mit 44 ,00() Einwohnern
jCliileH zweitgrößte Hafenstadt, die
Ldurch den Export von Salpeter, Sil
ber, Kupfer und Jod ein. bedeutende
Stelle im Welthandel einnimmt »
.und dem Landestundigen verräthe
außerdem noch die Hiobsbotschaft,
Idaß init dem Wirbelsturm für den
Haupttheil einesGebiets von nicht we
niaer als 1400 Meilen Längenausi
dehnung ein Ereigniß eingetreten ist,
sdag mit bestimmender Gewalt in die
Entwicklungsgeschichte jener Land
lschaft eingreist und umso tiefer wirkt,
»als es nur in durchschnittlich zehnjäh
xrigen Perioden wiedereulebren pflegt.
Hei lll Ucls gkllslc Accllc Dcl zllllscy cycll
idem Riesenwall der Kordilleren und
dem Spiegel deg Stillen Ozeans get-se
genen Sandtviiste Nord- Chiles ist
sjahrzehntelang fast vollkommen regen
los-! Kein Busch, lein Kraut schmückte
sihre sonnverbrannte Fläche, nur in
wenigen tiefen Schluchten vermag sich
seine tiinstlich genährte Vegetation zu
. halten. Aber trotzdem birgt gerade
Eise trostlose Einisde in vielen reichen
upfer- und Silberminen und beson
ders in den toeitausgedehnten Salve
tetlagern einen fast uner öpflichen
Reichthutn Für diese lei tlöslichen
Kalt-» und Natronsalze bedeutet die
Regenlosigleit des Klimag geradezu
die Existenzbedingung. Dadurch
schafft aber auch die Angbeutung diev
fer Bodenschiitze durch den Menschen
in einer Zone, wo weder Thier noch
Pflanze bestehen kann, seltsame natur
widrige Lebens-senken die sogenann
ten -foizina9, wo der Salpetcr gebro
chen, gesotten nnd zum iiberseeischen
Transport verpackt wird.
Feldbahnen führen die Produkte in
langer Fahrt über die Berge nnd an
der steilen Küstentvand hinab zum
TiJieeresufer, aber viele der Offizinas
liegen weit entfernt oon jeder raschen
Verbindung mit den Handelshäfen
und sind, rings von der starren, toten
Wüste umlagert, zu einein sonderbaren
weltabgetoandten Dasein verdammt
Rein Palmtvipfel, tein sorgsam geheg:
ter Garten läßt diese Ansiedlungen,
die einigen hundert anspruchslosen
Menschen zum Aufenthalt dienen, als
tränmerische Oasen erscheinen. Häs;
lich, nur dein Arbeitsztvecl untergeord
net, stehen sie im Staube, ein Corral
fiir die Schlacht und Reitthiere, ein
Haufe schmuckloser Wellblechhijtten
darum herum, nnd alles überfchauend
die Fabrikanlage mit den offenen iibels
riechenden Salpetertaan
Nun·die schwere schwarze Rauch
wolle, die iiber ihnen den Himmel
verdüstert und das regellose Triiins
merfeld, wo nach Salveter gegraben
worden ist, verräth von Ferne ihre
Stätte. Oft sind ess- tnehr als zehn
Reitstunden, die die Ofsizinag von der
Rüste trennen, und es gehört fiir den
Landesfremden zu den eindrijcklichsten
lsrlebnissern einmal tagelang auf dem
Rücken eines guten Pserdeg die eigen
artige Welt der Sandwiiste zu dnrch
streifen.
Schweigend liegt die Pamva im
nnerbittlichen Brand der Sonne.
Nichts stört die sanfte Monotonie der
Bodentvellen. Nur selten blinkt das
weißgebleichte Geripp eines Ochsen
oder eines Maulthieres über der röth
lichen Sanddecte auf. Hier zieht bis
weilen einmal der Bolivianer seines
Weaerh um als mystifcher Doktor mit
rothleuchtendenGliickHdohnem Marien
glassplitterchen und anderen Sym
pathiemitielchen den Arbeitern auf den
Osfizinas Heil zu bringen. Ein
Biindel Heu für sein Pferd, im Fla
schentürbig ein paar Schluck Wasser
und ein Mund voll Cocablätter, die
zur Betäubung des Hungergefiihls
unaufhörlich getaut werden, genügen
ihm für die beschwerliche Reise vom
eisigen Hochland in die glühend heiße
Wüste hinab. Schweigsam zieht er
vorlthey sein Poncho leuchtet bunt in
der Sonne, ein Staubwöltchen wirbelt
hinter ihm auf, — und wiederum ist
es still und einsam rinsum
Gegen Abend, roenn sich die Schat
ten der Küstengrate köstlich blau über
die sandiqen Senlen legen und die
Farben des Gesteins in lebhafter Glie
derung bunt aufstrahlem wehen vom
Ozean her iiihlere Lüfte in die tags
iiber unbewegt bssxiitende Atmosphäre
der Parnpa. Jn diesen Stunden wer
den die Ochsenherden aus den Hafen
orten die Berge hinaufgetrieben, um
in geisterhaftem stumm-n Zuge nächt
licherweile zu den fernen Offizinas zu
wandern. Manchmal begegnen sie den
Maultierlarawanen, die in eiliaern
Schritt die Salpetersäcke thalrvärts
tragen, damit vor Anbruch des Mor
gens und der unerträglichen Hitze das
Ziel erreicht werde. Denn trotzdem
sich oft leichte Gewölte am Himmel
zeigen, fällt doch fast nie Regen auf
das durstende Land. Nur im Herbst
schleichen die Camanchacas, die ge
fürchteten wegverhiillenden Nebel, vom
Meere herauf und decken die Wüste
sachte mit einem schweren zwielichtigen
Wollentuch zu. Manchmal rieselt
dann aus ihnen die Feuchtigleit stun
denlang zur Erde nieder, aber rasch
zerfließen die Nebel wieder vor der
Sonne, und die Nässe hat kaum hin
aereicht, um die obersten salzhaltiaen
Bodenschichten zu einer harten Kruste
zu veriitten. Keine Quelle bat sich
aufgethan, kein Bächlein nagt sich ins
starre Antlitz der Wüste eine neue be
llebende Furche!
Wut-den nicht die Seewmde an ver
einzelten Stellen unablässia losen
Sand über die Bergtiirnme blasen und
flimmernde Dünen als die einzigen
Wahrzeichen einer bewegieren Natur
vor sich her durch die Mulden schieben,
-- würden dazu nicht die häufigen
Erdstöße die Schollen sprengen und
an den steilsten Halden unbedeutende
Ruischungen erzeugen, so trüge die
Wüste das Bild einer ewig unwandel
baren Ruhe.
Aber in diesem sanfigewellten, ein
sörrnig hinaebreiteten Plane zerreißen
unverniuthet jäheSchluchten das unge
ftörte Ebenmafk. Tief in ihren Grün
den liegen srenrdeGesteine ausgethiirmt,
und mächtige Felsbrocken, die deutlich
die Spuren von Wassergewalt an sich
tragen, sind wie Findlinge weit umher
zerstreut.
Das sind die Zeugen der Orlane,
die in so langen Intervallen die Stille
der Parnpa mit Donner und Regen
gebraug unterbrechen. Durchschnittlich«
mögen zehn Jahre von einem zum
andern Sturm vergehen, aber man
weiß auch Spanne-: von fünfzehn und
mehr Jahren, in denen kein einziger
wirklicher Regengusz niederging, wenn
sich auch die Häufigtei der Nieder
schlage in der allerletzten Zeit etwas zu
steigern scheint.
Je seltener dtete hrrane eintreffen,
desto schwerer find die Verheerunaen,
die sie anrichten. Mit ungeheu:er
Heftigteit brechen sie los und ftiirzen
in liirzefter Frist zahllose Wildbäche
aus den Kordilleren in die Panipa
hinunter. Jm Nu sind die alten Thal
wege aufgestellt, neue werden in den
broctigen Schuttboden gerissen-und un
ermeßliche Schlammassen überschütten
die weiten Sandbeclen. Oft finden
die Salpetexwerle in den Hochwassern
ihren Untergang und, wo der Sturm
die Küftengrate überstiegen hat, fahren
verderbliche Wirbel auf die Hafen
städte und die vor ihnen veranlerten
Schiffe hernieder.
Allerdings folgt der wilden Zerstö
rung auch eine wunderbare freund
lichere Erscheinung, denn wenige
Stunden nach dein ersten Regenfall
sprießt überall an den decn Meere lzu:
gelehrten Berghängen wie durch Zau
ber Gras und Kraut auf. Jn erstaun
lich kurzer Zeit ist der scheinbar uns
fruchtbare lahle Sand von einein grü
nen Schimmer iiberflort, aug dein
rothe, gelbe und blaue Blumen hervor-—
leuchten.
Aber nach wenigen Tagen versiegt
wieder die Feuchtigleit, und über den
Zauber dieses kurzen Lenzes bricht
wieder der schauerliche Bann der
Wüste. Die Blumen und Gräser ver
dorren und werden zu fahlem Stroh,
das der Wind in Staub zermürbt und
langsam in die Ferne verweht. Wie
der verharrt die Parnpa in ihren ge
wohnten gelben und rötlich grauen
Sandtönen, an den Abhängen blühen
wieder die weißen Salzlristalle in
lreiten Flächen aus«-, daß es wie Firn-s—
selder in der Sonne glitzert, und wenn
nicht die wildzerworsenen Schluchten,
die unausgeglichenen Geröllhausen der
Landschafi einen unruhig bewegten
Ausdruck verliehen. so würde wohl
bald nichts mehr daran erinnern, wie
gewaltsam die Elemente vor kurzem
den erhabenen Gleichmuth gestört hat
ten.
Rasch werden die Salpeterwerle
wieder aufgebaut, die Eisenbahnen,
der Telegraph werden von neuem iiber
Land gezogen, und langsam spinnen
auch die Reitpsade ihre seidenalänzem
den Spuren wieder von Offizina zu
Offizina und fern iiber die Berge nach
dem Meere hinunter, nach Jquique,
Antosagasta, Taltal oder anderen Ha
fenstädten, wo sich die mächtigen La
gerschuppen allmählich wieder mit vie
len Tausenden von Salpetersäclen
füllen. Schauren von Dampfern und
Segelschiffen, darunter die größten
der Erde, laufen wieder an den öden
Ankerplätzen an und kehren mit neuen
Frachten eiligst in die Heimath zurück,
um die Stockung auszugleichen, die in
den Kontors der Reedereien, in vielen
chemischen Industriezweigen und vor
allem im landwirthschaftlichenGroßsbe
trieb nach solchen Wetterlatastrophen
einzutreten pflegt.
Die tiefsten Bergen-erte.
Die Zeiten, in denen der Mensch
gedacht haben mag, daß es in der
Erde, je tiefer man dringt, desto küh
ler wird, sind längst vorüber. Die
Erfahrungen im Bergbau mußten
schon bald zu der Belehrung führen,
daß »dieTemperatur im Gegentheil mit
der Tiefe zunimmt. Ein tiefer Keller
erscheint im Sommer auch nur des
halb verhältnismäßig k·iihler, weil er
jahraus jahrein annähernd dieselbe
Temperatur beibehalt, also weder die
Erhitzung im Sommer noch die Ab
tühlung im Winter theilt. Jn den
Bergwerten herrscht, wie jetzt jedes
Kind weiß, bei erheblicher Tiefe sehr
starke Hitze, so daß die Leute dort
nackt arbeiten und sich zuweilen inner
halb ganz kurzer Zeit ablösen müssen.
Die Temperatur richtet sich freilich
noch nach der Zusammensetzung des
Erdboden-T und besonders hoch pflegt
sie in der Nähe vonErzgängen zu sein.
Daher ist dem Menschen eine Grenze
gesetzt, die er in der Ausbeutung sol
cher Bodenschätze nicht überschreiten
kann. Dennoch gibt es Bergwerte
von sehr ansehnlicher Tiefe auch im
Metallbergbau. Jn dem berühmten
Goldbezirt von Bendigo in Australien
ist die Goldmine von Viktoria Quarz
gegenwärtig die tiefste der Erde. Sie
besitzt einen sentrechten Schacht, der
bis auf 4280 Fuß Tiefe auggehoben
ist, und dann noch ein Schöpsloch von
229 Fuß. Dies Bergwerk ist bei sei
nen außerordentlichen Verhältnissen,
denen selbstverständlich auch unge
wöhnliche Anlagetosten entsprochen
haben, nicht einmal sehr ertragreich,
da die Goldauarzaber in jener Tiefe
nicht den erhosften Reichthum gezeigt
hat. Die Gesellschaft, der die Mine
gehört, bat daher die Regierung des
Staate-J Victoria uni die Bewilligung
einer Anleihe von einer Viertelmillion
ersucht, um den Schacht noch 305
Meter tiefer hinabzusenken, und diese
Forderung ist bereit-J bewilligt wor-v
den. Dies Bergwerk ist an sich
durchaus nicht das tiefste. Die Ehre
des lsie-rittiefstenGoldbergwertdz kommt
der Mine Sanjon del Ret) in Brasis
lieu zu, deren Schacht bis aus 4500
Fus-, hinabsteigt. Im Goldgebiet deg
»Rand« in Transvaal befindet sich die
Jupiter-Mille von Liouu nah uuu uic
Mine Cinderella von 4270 Fuß. Das
tveltbekannte BergbaugeLiet im We
sten der Bereinigten Staaten hat keine
so große Tiefen aufzuweisen. Jn Ca
lifornia. wo die ersten großen Gold
sunde auf diesen gewaltigen Erzb
gern gemacht wurden, gibt es in dem
sogenannten »Muttergang« einen
Schacht von Its-IV Fuß. Dieser hat
eine besondere Geschichte. Die ersten
großen Coldlager wurden hier bis
300 Fuß tief gefunden. Dann zeigte
sich eine Erschöpfung Man gab aber
den Plan trotzdem nicht auf, sondern
grub den Schacht immer tiefer. Diese
Beharrlichteit wurde dadurch belohnt,
dasz in dreihundert Meter Tiefe eine
neue reicheErzzone angetroffen wurde.
Vor einigen Jahren erlag dann auch
diese, und man stieg aufs neue Inuthig
tiefer hinab. Auch diesmal wurden
die Hoffnungen nicht getäuscht; denn
bei 25(")0 Fuss fand sich eine dritte
mächtige Erzlage. Die tiefsten Berg
werle für Erz finden sich aber ·ikn—Obe
ren See in einer Gegend, die sich
durch ihre Kupferlager einen Weltruf
erworben hat. Der tiefste Schacht
geht dort 5310 Fuß hinab.
stindtichko Mißverständniss.
Der kleine Hans hat eine Armbrust
geschenkt bekommen und schießt eines
»Tage- damit in die Fensterscheibe hin
"ein, so daß diese tlirrend zerspringt.
Vater: »Warte, Junge, fiir diese
Ungezogenheit sollst Du jetzt eine tüch
tige Tracht Prügel betotnmen."
Der kleine Hans: »Aber Papa, Du
hast doch selbst gesagt, ich soll mich tm
Scheibenschteßen übe-M