Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 28, 1911, Zweiter Theil, Image 12

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    Wette von Josephine
S i e d e.
Die Bandermeelens gehörten un
zseeiiig zu den ältesten und vornehm
Dn Familien der kleinen. von einsti
' Macht träumenden Stadt. Der
nr des alten Patrizierge
« c war freilich bedenklich ge
nden, aber der Stolz war get-lies
sen. Lange Jahre hatte es nur im
Ier einen Sohn in der Familie gege
DQ aber der Rathsherr Tobias Van
Oermeeles hatte gemeint: das sei zu
wenig« und hatte vier Söhne und zwei
. Töchtershinterlaslem Söhne und Töch
ter hatten, wie sich das schickt. gehei
tathet und waren hitbsch in der Hei
math geblieben, nur der jüngste. aus
einer zweiten Ehe stammende Sohn
war in die Fremde gegangen, und fel
ten war eine Nachricht von ihm zu den
Seinen gelangt.
Dieser ferne Sohn und Ludwig
SanderrneelenT des zweiten Bruders
Heirath, das waren lange Zeit hin
durch die Familienschatten. Dieser
Ludwig Vandermeelen hatt-: —- beson
ders Frau Luise von Nolten, gehorene
Banderrneelem stöhnte allemal herz:
brechend-, wenn sie daran dachte-eine
Kantorstochter geheirathetx als Stu
dent hatte er sich verlobt und dann
wirklich diese Gustel Müller zu seiner
Frau —- erhoben, sagten die Geschwi
ster-. Zur Zeit lebte Ludwig Bauder
soeelen als Gnmnasiallehrer in seiner
Vaterstadt, und die Kantorstorhter
hatte ihm nur ein einzig-es Töchterchen
geschenkt; das hatte von seiner Mutter
eine Neigung zur Kleinheit und Fülle
geerbt und wurde in der Familie nur
das »Pusselehen« genannt.
Die Bandermeelens waren ihrer
Schönheit wegen berühmt, und Pas
selchens Basen und Vettern waren alle;
groß, schlank, und einige der Baij
galten als die schönsten Mädchen der»
Stadt. Pusselchen wurde ob ihreri
Kleinheit und Fülle diel geneckt, undl
in der Zeit. als aus dem Backsischchen
eine junge Dame werden wollte. über
raschten Jrene und Gisela die Cousine
einmal, als diese in ihrem Zimmer
aus den Fußspisen stand, die Arme
terzengerade hochha-lt-:nd, während ihr
helle Schweißtropfen über das glü
hende Gesichtele rannen. »Pusselchen,
was thust Du denn?« fragte Jrene.
»Ich will wachsen«, murmsclte Pas
selchen tleinlaut. Dem Pusselchen to
shte der Versuch. ein wenig die
schlanke Höhe der Cousinen zu errei
chen, viele heiße Thränen, denn sie
wurde endlos damit geneckt.
Die Vandermeelens hatten alle
Sinn und Neigung siir die Kunsttl
Jrene sang, Klothilde malte, Gisela
dichtete und Vetter Erich spielte Geige.
Nur Pusselchen tonnte nichts. »Wo
her soll sie auch den Sinn für das
Höhcre haben -- bei der Mutter-«
sagte Marie von Hatten, geborene
Vandermeelen.
Cousine Jrene war die erste aus
dem Mädchentranz, die sich verlabte
und von einem jungen Gutsbesitzer den
Berslobungsring an den seinen Gold
singer stecken ließ. Just in diesen Ta
gen de: allgemeinen Familiensreude
lehrte der jüngste Bruder Gerald in
seine Heimath zurück. Er kam, an
den Verhältnissen der tleinen Stadt
gemessen. als reicher Mann heim, und
da die Vandermeelens alle nur recht
mäßig begütert waren, flammte die
Liebe stir den noch jugendlichen Ontel
in allen Bruder-, Schwestern-, Nes
sen- nnd Nichtenherzen hell aus. Jrene
machte mit ihrem Bräutigam Pläne,
wie sie später das bescheidene Guts
haus umbauen wollten: Klothilde
dachte an eine Studienreite nach Pa
ris: Erich meinte, ein größerer, mo
natlieher Zuschuß tännte nichts scha
den; kurz, jeder ersann und träumte
etwas und —- dachte an den Onkel.
Nur Pusselchen erhofste nichts don
dem Onkel, der sie übrigens herzlich
wenig beachtetez trotzdem war es ihr
" z· immer eine tiese, stille Freude. wenn
sie ihn sah. Er hatte auch die hohe
Gestalt der Vandermeelens und das
seine, schmale Gesicht, aber er lyzsaß
auch die tünstlerischen Neigungen sei
ner Familie -s- et bichtete. Und leider
schöne er ebenfalls zu den Dichtern,
die am liebsten ihre eigenen Dichtun
gen vorlesen, und natürlich lag er sie
zumeist im Familientkeise vor. Onkel
Geralds Gedichte wurden sehr bewun
dert; Vorst, der Reserendae der noch
von seiner Studienzeit her Schulden
hatte, sand Goethes Anmutls in den
Verse-U Jrene lispelte »Deine« und
drückte Hans Joachims hand, und
Klothilde sagte: »Ich muß an Lilien
, cea- denlen«, und sah sich schon im
ZU , noch Paris siem
sagte nie etwas; still
III-te sie zu und wunderte sich daß ein
se Its-r weleeesalsvenee Mann so al
berne Verse dichten konnte — nnd —
Ists hat«-Schlimmste war, sie auch
I.
der einmal war die Jugend der
» Familie bei Onkel Getald versammelt
XI see eisen schönen, alten herrensii nahe
. fCI der Stadt erworben und sich das
Ists-us mit sei-ein Geschmack ein
W Mie. Ieralb Bandeenieelen
see an diesem case ziemlich einstle
III zerstreut beinahe verlegen
,»- en, all seineeise Gäste sich zum Unf
« Mit-eis- Icnichl Bächer
Eile is ein grauser-ebener
Auftrag geworden«, begann er. »Ein
Bekannter von mir, hin. dem ich, hm,
etwas verpflichtet bin, hat mir einen
Band Novellen von sieh mit der Bitte
zugesandt. ihm ein freimiithiges Ur
theil darüber zu schreiben."
»Wie interessant!« rief Anna-Daro
thee, die jüngste im Kreise. »Ist der
Verfasser jung und hübsch?«
»Jung? Nein, mein Kindl« Onlel
Gerald lächelte gezwungen »Hm, er
mag so in meinem Alter sein. Jhm
liegt aber sehr vielan einem offenen
Urtheil. Doch erscheint mir in diesem
Falle die Aufgabe etwas schwierig;
ich habe daher einige Exemplare von
dem Buch besorgt. Nicht wahr, Ihr
thut mir den Gefallen. left es und
schreibt mir Eiter Urtheil auf? Und
nächsten Dienstag bringt Ihr Eure «
Kritik mitl«
»Der gute Onkel!« sagte Erich auf
dem Heimwege mitleidig.
Klothilde lachte: »Er ist rührend —
naiv!«
»Er glaubt wirllich, wir hätten
nichts genierlt!« spöttelte Herst, »und
dabei wurde er so verlegen, wie —- es
selbst Anne-Dorothee niemals wird.«»
»Pfui. Du Abfcheulicher!« schmolltes
diese und warf dem Vetter einen ihrer!
strahlenden Blicke zu. "
Ein wenig abseits von d:n anderen
ging Putselchen verträumt der Stadt
zu. Ein lauer Sommerwind sang in
den Wipfeln der Bäume, und seltsam
jzart und schön klang ihr sein Lied.
; So frei und selig war ihr zu Muthe,
l als hätte froh die enge Welt ihrer hei
imath plötzlich in unendliche blühend
IWelten verwandelt. Sie wußte nicht«
tvon wannen ihr die stille Seligleit
;tam; aber als sie gluthrothen Mohn,
Eder am Wege stand. zum Strauß
pflückte, dachte sie an Gerald Bauder
meelen. »Ich muß wohl immer an ihn
denken«. sagte sie zu sieb, »weil er ein
guter Mensch ist··«
Der Dienttag kam, uno roter-er ver
sammelten sich die Vettern und Basel-.
in des Onkels schönem Heim. der ein
wenig steifer als sonst seine Gäste
empfing· Fein säuberlich niederge
schrieben hatten sie alle ihre Kritiken
mitgebracht, und Erich fiel das Amt
zu, sie vorzulesen. Sie waren alle
sehr gut. Uebereinftimmend wurde
das Wert gelobt, einer rühmte den
blendenden Stil. der andere den kunst
vollen Aufbau der Handlung, und ie
länger Erich las, je finsterer wurde
Gerald Vandermeelens Gesicht.
Voll wachsender Unruhe sahen es
alle, auch Vufselchen sah es, und wäh
rend der Vetter las, erkannte sie, was
ihr bisher verborgen geblieben war
der Onkel hatte das Buch selbst gxi
schrieben. Und mit feinem Verftehcn
fühlte sie, dafx die schönen Pbrasen
den gütigen Mann verletzten, und sie
litt im Herzen mit ihm.
»Jetzt kommt Vusfelchens Urthei?!«
rief Erich. der allein des Onkels fin
steres Gesicht nicht bemerkt hatte, und
mit verhaltenent Lachen las er eg.
Das Urtheil war sehr kurz und llar
und gipfelte darin, der Verfasser habe
zwar nicht viel Talent, ab:r viel Ge
müth und Herzenswiirme Uebertrics
benes Lob gab es wahrlich nicht in der
Kritik. «
Ernst und forschend ruhten Gecalb
Vandermeelens Augen auf seiner bis
dahin so wenig beachteten Nichte.
Frei und offen erwiderte das Puls-l
chen des Onkels Blick. »Ich sagte die
Wahrheit«, las jener in ihren Augen«
Als Erich geendet hatte, schaute er
verwirrt um sich, weil niemand in sein
Lachen einstimmte. Der Onkel aber
stand auf und ging zu Pusfelchen hin:
,.Du ehrliches, liebes Kind, Dul«
sagte er und schloß sie in seine Arme.
Und als er fein Onkelrecht gebrauchen
und einen Kuß auf den rothen Mäd
chenrnund drücken wallte da erbebte
die junge Gestalt in fein-en Armen.
wie ein Bäumchen im Gewittersturm
Ein so tiefes, feliges Leuchten lag in
den klaren, braunen Augen, daß sich
dein Manne, die reine, hingebende
Liebe des jungen Geschöpfes offen
harte.
Zum erstenmal in ihrem Leben
nahm Pusselchen einen Ehrenplatz im
Familienlreise ein, sie saß an des On
tels Seite und ihre Besangenheit ver
schwand rasch, sie war« nicht mehr steif
und unsicher wie sonst, wenn sie mit
ihren schönen Cousinen beisammen
war, sondern frisch und anmuthig.
Jhr rother Mund verstand so hell zu
lachen und so klug zu plaudern, daß
Gerald Vandermeelen seufzend an
den großen Altersunterschied dachte.
Seit dem Tage aber sah er immer
tiefer in Pusselchens Augen« und ihm
war es dabei, als würde er immer
jünger. Und ivie es so geht« zuletzt
fand er den Unterschkd gar nicht mehr
so groß, und immer lieber erinnerte
er sich daran, daß er ja nur der Stief
onlel war. Sein Vertrauen auf Pas
selchens Klugheit war übrigens so
stoß, dass er ei ihr zuletzt iiberließ,
auch über diesen Illeriuntetsehied ein
Urtheil zu fällen, und dies war in sei
nen Augen dann ebenso richtig wie
das Urtheil über sein Buch! Rassel
chen entschied alle Zweifel mit den
Worten: Jth habe Dich liebl«
Eis Maske-ern
Erster sauer: »Was willst Du denn
seit der alten trauten sahs«
weiter sauer: »Na, unter Auto
xmiiken ist die noch M Mart
Der sei-ernann.
Rodellette aus dein Berliner Leben
von Hans Brennert
1.
Der Herr Baron hat schlecht ge
schlafen.
Seine neue Wohnung. die er ge
stern Abend bezogen, ist unerbori un
fubig und er wird sie wechseln mus
en
Zwar liegt sie in Berlin W. am
Hippodrorn Aber die Eisenbahnzüge
donnern darüber hinweg. Denn sie
liegt eo hat keinen Zweck, es zu
verschweigen unter dem Stadt
bahnbogem
Der Bars- ist degoutirt. Als er
gestern Abend sich auf dem heu aus
streette, das ihm der tleine Stalljunge
des nahen Tattersalls zugesieckt, bat
er sich gefreut auf den hellen Morgen
und die Reiter und die Pferde ans
dem stiebenden Sande Glänzend
lag die Wohnung fiir einen alten her
renreiter.
Aber er bat die erste Nacht schlecht
geträumt. Von einer Nacht dor zwan
Izig Jahren da unten arn Kongo, wo
er damals auf Elephanten jagte fiir
die Elsenbeinfirma, und nebenbei Lö
wen schoß Mitten im Schlaf ist
er nufgefahren, erschreclt bunt-Löwen
gebriill. aber schon war ihm tlar, daß
er nicht am Kongo kampiere. sondern
im Thiergarten und der Löwe briiilte
irn nahen Zoologischen Garten. Das
gute Thier hatte Afrita gewiß nie ge
sehen Zu lachthU
Also das Quartier ist unmöglich.
Zwar: er ist ja trainirt und bat schon
schlechter geschlafen als diese Nacht in
der riesigen Tbonröbre. Und er war so
zufrieden gewesen, als er sie entdeckte.
Schimpsend triecht er aus dieser
Thonröbre und reckt sich gähnend.
Doch mit Haltung.
Ueber dem weiten Sande des Hip
vodroms dämmert es mattblau - die
blaue Stunde!
Die blaue Stunde! Seine alte
Freundin!
Diinnes. sichtiges Blau webt über
dem grauen Platz zwischen den bohen
Partbiiumen, deren Widfelfviten sich
langsam und fein im Frühlicht ver
silbern. Oben mit leuchtenden Schei
ben ein Stadtbahnzug Er hört die
Stimmen der aussteigenden Arbeiter,
die iiber den Perron eilen, an die Ar
beit. und dabei ist es eben erst siinf
Ubr Morgens. Unglaublich! Arbeit!
Er hat noch nie gearbeitet. Ob er es
einmal versucht . . .? Da nebenan
im Tatterfall als Bereiter. Er hätte
wieder Pferde, hohe Stiefel, Sporen
und würde Trinkgelder betommen von
— von Seinesgleichen oder von
Nichtseinesgleichen.
»Nu, dante3« denlt er. ,,Lieber
Zettel vertbeilen!«
O
a
Unten an der Spree unter den Bit
schen macht er Tagestoilettr.
Jn seinem Stromerlittel steckt sein;
altes silbernes Necessaire. Das hat
er gerettet aus allen Ueberraschungen
seines Lebens. Gott sei Dant! »Blosz;
nich verludern — bloß nich verlumpen
. · . !« sagt er und seilt seine Nägel.
Der tleine Von von gestern Abend
tommt aus der Vor mit einem Pferde s
und bewegt es in der frischen Mor
genluft.
Der Baron blickt aus die tleineReit- T
decke des bochgebauten Vollbluts und
auf das Wappen mit der siebenztntis
gen Krone darüber. Es ist lange ber,
seitdem er Gotba gesimpelt. Aber das
Wappen! Er tannte mal eine: die
siegelte mit dem Wappen.
Der erste Reiter kommt über den
Platz Das Pferd ist gut, der Reiter
schlecht. Das Pferd amiistrt sich auf
eigene Faust und bebt sich immerzu
vergnügt auf der Hinterband .....
Der Baron ist empört. Den Gaul
sollte er mal zwischen den Schenteln
haben. Der ginge wie auf dem Tel
ler wie auf dem Teller. Der
Magen meidet sich. Er lehrt seinen
lesten Rickel in der Westentasche zu
sammen und nimmt in der Bahn
hosswirthschaft den Laffen
Als ej von der Kirche sieben schlägt,
schlendert er stodtwiirts durch die
bunten Alleen des Thiergartenö, eine
Cigarrette im Munde . . ..
Die sauberen Wege, die schönen
Brücken, die blinenden Gewässer und
der englische Rasen erfreuen ihn im
mer wieder.
Er fiiblt sich nicht unbehaalicher als
ein Schloßberyder am herbstmoraen
den Bari seines Stammschlosses
durchs-breitet
Z
"
Der Baron liest jetzt seine Morgen
zeitung. Sie hängt groß ausgebrei
tet hinter einem Schausenster der
Friedrichstraße.
Der Baron die schmalen hände ge
sliiht aus vie dicke Messingstange, liest
die Renntelegrarnrne, die Kanzlereede
und die Vergnügnngsanzeigen
Jetzt steht er vor dem Schausenstek
eines großen herrentailott. Er stellt
sest daß die herbtnwden gesetz-nack- l
voll sind. Er wei ganz genau, was.
man dieses Jahr wählen muß
Er ist sich llar darüber im selben
Augenblick, als er sich lebensgroß in
dem großen Uetlamesptegel sieht, den
etne Firma neben ihrer Ladenthltr
hat anbeingen lassen.
Er sieht einen elenden Ilins Iger;
im Spiegelglas. schäbtg abgerissen,
nnelegant, den Rocktragen hochgeschw
gen, die hönde in die Taschen ge
bo rt. den Filz tief im W.
ad sieht er mit fcheuem Blick.
Dann giebt er fah einen Ruck. Die
verlebte Geftalt wird ftraffek, als
glitten zwanzig Jahre von ihr herab.
Er dient nun in die Linden ein.
Er trifft da immer alte Bekannte
Alle sind gut angekommen
Sieh da — der Tottleben ift auch
wieder in Berlin, hat die General:
ftabsftreifen! Von dem kriegt man
nun auch noch hundert Mark!
Ob man sie gelegentlich einlaffirt?
Wozu?
Es ift Mittag. Er hat die Washi
parade zum Schloß begleitet und de
fchließt. Musik zu hören. Er liebt das
Promenadenconcert der Wachtmufik
im Lustgarten. Er fehlt teinen Mit
tag. Ja, Berlin!
Dann fällt ihm ein, daß im Mu
seum ein neuer Rembrandt hängt,
den er noch nicht gefehen.
Er weiß zwar, die Aufseher find
mit feinen Besuchen nie einverstan
den. Aber er wird den Nernbrandt
sehen. Selbstverständlich!
Und er hat auch das Bedürfnis
wieder einmal auf Plüfch zu fihem
4.
Der Baron hat dinirt. Oben am
Oraniendnrger Thor ist ein Dreisch
tentutscherleller. Da findet er sich
jeden Mittag ein. Die Kutscher effen
dort, und er beaufsichtigt und füttert
die Pferde und ruft die Kutscher,
wenn sie eine Fuhre haben·
Es heißt dann: »Wer ist da!« oder
»Der Baron ift da...«, und er de
tommt zu essen.
Jmmer schieben sie ihm nachher ei
nen Nordhäuser hin: »Na, Baron,
immer noch nicht'?«
Der Baron aber dantt . Schnaps
tornmt nicht iiber feine Lippen. »Wer
dantt!" sagen dann die Kutscher und
lachen unmenschlich. »Trinlt blos
Schampanja!« »Wer ist ’n Lebe
mann ....« Sie wissen eben nicht,
dafz er ein Lebemann ift.
Der Baron hat dinirt, ein Glas
frisches Bier getrunken, und durch
feine alten Knochen strömt Wärme.
Er schreitet lebhafter im wundervol
len Nachmittag, dessen goldene späte
Sonne oben iiber den Dächern in den
lud-fernen Drähten flammt·
Die Straße! Enfim sein erlauelp
tes Geschlecht ift wieder so weit wie
»vor fünfhundert Jahren auf der
Straße! Wirthschaft, Horatiol
l Wenn man noch einmal so herun
ter tönnte von der Straße -— s - er
hat ja noch nicht gebettelt - - !
Lichter flammen auf. Ueber dem
Asdhalt ein bunter Korsa. Die ro
then und grünen Signale der Trom
ways und die spielenden blauen und
sgelben Wagenlichter der Drofchten
!und der ungethiimen Omnibusse.
Der Baron treibt dahin in der
schwarzen Menschenwoae, die sich über
das Trottoir dahinwälzt, in die
Stadt hinein.
Das ist ihm Lebensluft hier ge
hört er her. Jhm entgegen, in der ele
ganten Menge, die Blechtanne in der
Hand« wieder Arbeiter und Laden
mädchen, die nach Norden strömen. in
die duntle Vorstadt mit ihren öden
Straßen und düsteren, langweiligen
Plägem
Es ift, als wollten sie ihn mittei
fzen. hinaus, wo die lehren Häuser
sind - hochmüthig weicht er dein
Zuge aus.
Hier gehört er her. Er will be
kannte Gesichter haben, Unifornien.
Toiletten, schöne Frauen, und im Ge
hen lauscht er scharfhärig auf die
Stimmen vor sich, hinter sich, neben
sich, auf silbernes Frauenlachen «
ach, er ist noch mit tausend Fäden an
»die Welt gewüde und da dämmert
dumpf ein Gedante in ihm auf: »Man
iniiißte zurück! Man miiszte es doch
» Zecfuchenl Man muß nachdenken!
al«
r einem neuen Magazin viewt
»er stehen. Das ganze Schauseniter
scheint ein Boudoir zu sein, das Bon
idoir einer schönen Frau·
. Da liegt schon im tosenden goldenen
Licht der Glühbirnen die perlenge
istickte schillernde Robe, totett iiber ei
’nen aoldenen Baroktstnhl geworfen;
die schwere lachsfarbene Schleppe segt
weithin das Partett Und ringsum
auf Didans, Kissen Hadern und zier
lichen Holzbäntchen Handschuhe, lange
Idurchbrochene Seidenstriimpse, Mie
der, Fächer und Blumen, und da aus
dem Boden ein Paar gemalte Schuhe,
hastig hingeworfen, als seien sie so
eben von einem tleinen Fuß gestreift.
, Die große Gestalt des Barons bat
seine eleaante Silhouette angenommen
Den schmalen Schädel ein wenig
vorniiber geneigt, mit der deutlichen
shaltung eines Kenner3, das linte
Auge ein wenig zugetnissem das
rechte ein wenig aufreibend, als wolle
er dai Monotot einsetzen, so genießt
ser die Sensation des Jnterieurs..
Plöp lich recht und lints ein
» cheuei Abriieten der Damen, entrü
3 ete Blicke wie nach einem Schus
mann.
I Er begreift· Er ist wie von der
Peitsche getroffen. wie damals bei
jener Geschichte-» Aber ee nett mit
teiner Wimper. Er tritt mt taltern
Blick zurück.
- Rein, in diese Welt giebt es tein
lZurileL Die Weiber hatten ganz recht
s -—-.—.
Z.
Irgendwo schlägt ei elf. Di
andh tvp Aus stillen Britcker
Mkuksiåsdsis
Mein-Elle aus dem Bett-erbaut f Mqtiechen aber ist erst vier,
Spielt hew mit Mein-Marie, —- Ein kleines Dame-schen noch,
Der Garten gleicht ja alles aus —- .Du«« sengt fest Ella, «sage mit««
Im Garten wohnen die. Was ist Dein Vater doch?«
Schon groß ist Clla und gescheidt. Ob. das weiß unser Meinchen gut
Fasi acht, wie die sich fühlt! »Koktosseln«, beichtet sie.
Sie denkt: »Man weiß doch gern Be- »Ich mein', sagt Elle-, »was et
scheid, Waff«
Mit wem man her-P gespielt.« Jst schimpft«, spricht Mein-Marie.
und am dunllen, hohen Flußufer
dnntle, starre Gestalten am Gelän
der lehnen, die mit dem schwarzen
Wasser Zwiesprach halten
Der Baron starrt hinüber zur tag
hellen Friedrichsbrüele Das Bo
genlicht blitzt weiß im schwarzen
Wasser. Er horcht in die Nacht. Er
denlt nicht er horcht nur mit weit
geöffneten Sinnen auf diese gräß
lichen unterirdischen Stimmen. die
durch die flackernden Lüfte heran
schwingen. Die ihn leben heißen.
Dir ihn sterben heißen. Die ihn
immer rufen. Alle Nacht — um
dieselbe Zeit
Jrgendwo da im Dunteln in der
thürmenden Ferne hockt und grinst
und gloht ein gräßliches Räthselthier
und lockt und reizt ihn, daß er lam
men soll.
Er wird kommen. Die Stimmen
rufen jede Nacht lauter. Es giebt
leine Flucht. Nicht einmal den
Sprung hier in den lalten Fluß.
Wenn man die Rettungsmedaille
hat --!
Er toird tommen und ein Säufer
werden oder ein Verbrecher wie die
anderen, die vor ihm diese Straße
fuhren; vielleicht doch noch einmal
wieder auftauchen aus der Masse als
Schwurgerichtsheld und dann ganz
untertauchen als Arbeitshäusler oder
Striifling.
Aus dem Leben gestrichen!
Oder verblöden « langsam ver
blöden ? Nur nicht das!
Noch halten die schwachen Fäden,
mit denen er sich an das lustige Le
ben geknüpft hat ein Lebemann
der Straße.
Ein Lebemann der Straße! Toller
Witz Dt1s! ;
Und diese etelhaste Kälte, bei der;
einem die Gedanten im Schädel
frieren, und auf die man noch gar
nicht eingerichtet ist!
Er hält friistelnd Umschau da
drüben am Ufer hinter dem Zaune
stehen Möbetwagen, da wird er in
zehn Minuten vorzüglich schlafen . . . .
wenn teine hunde da sind. «
Und morgen wieder: leben.
»Leben und genießen . . . .'«
Iotlefchttko Itohssaseimuep
Während der gewöhnliche Sterbliche
mit dem Besihe von Flöhen im allge-»
meinen teine reinen Lustgesühle ver-it
bindet und meist, je nach seinem Tem-«
peramente, mit mehr oder minder«
großerThattraft danach trachten wird,
tich der unwilliommenen Jnsetten zu
entledigen, lebt in London ein Mann,
der nicht wenig darauf stolz ist, die
meisten Flöhe zu besitzen. Das ist Sir
Walter Nothschild, der freilich eine in
timere Berührung mit seinen Pfleg
lingen ängstlich ver-meidet und den nur
wissenschaftliche Interessen mit seiner
berühmten Flohlollettion verbinden.
Er lann sich rühmen, heute eine
Sammlung von mehr als 3000 ver
schiedenen Floharten sein eigen zu
nennen. Aber trotz dieses schönen
Bewußtseins, so erzählt der »Gan
loig«, hatte Sir Walter Rothschild bis
vor turzem seine schweren Sorgen;
trotz aller Bemühungen wollte es ihm
nicht gelingen, einen echten Fuchssloh
aus- den Polnrregionen seiner Samm
lung eiiizuverleiben· Bis ihm die Er
leuchtung tam. Jn einer eanadischen
Zeitung ließ er ein großes Jnserat er
scheinen, und zu seinem lebhaften
Entzücken empfing er vor einigen Ta
gen auch richtig eine sorgsam versie
gelte Flasche, in der drei prächtige Ex
emplare der so lange vergeblich ge
suchten Flohart verwahrt waren. Jn
seiner Freude schickte Sir Walter
Rothschild dem canadischen Flohjäger
einen Check über 8600 siir drei Flöhe.
Cli- eusufches tobten auf dte
deutschen state-, «
Den englischen Frauen hiilt Fran
ces h. Low in einem englischen Platte
eine strenge Predigt, die in einen Lo
beshhmnus aus die deutsche Frau aus
tlin t:
»Hu Deutschlands herrlichsten Be
siye gehören die schönen und edlen
Trauern Sie sind aus dein Staat-le
n nicht sort udenten. Alt thattriis
tige. kluge ttarbeiterinnen sind sie
bei allen Dingen unentbehrlich, echte
Voetiirnpserinnen des Fortschrittes
ihres Landes. Sie sind ei, die das
künftige Deutschland schaffen, indem·
sie ihre Kinder von sagend aus zum
väterliindischen Pslichtbewusztsein er
ziehen. Und sie herrschen im hause
herrschen selbst. Wenn die Einkünfte
bes englischen Gatten sich steigern, ist
das erste Ziel der englischen Frau,
ihre eigene Verantwortung zu erleich
lern, sie stellt mehr Dienstboten an.
Die deutsche Frau aber regiert selbst
ihren Haushalt, auch dann noch. wenn
der Reichthum ihr leine Schranken
,auserlegt. Sie wollen ihr Haus nicht
zdon anderen »gefiihrt« wissen, wo
HFiihrerin zu sein, sie sich selbst berusen
Jwissen. Die Einfachheit und Würde
»und Einheit des Willens charakterisi
Hren das deutsche Haus. Jn leiner Nas
Htion der Erde lebt ein so reiner, idea
’ler Familieninstinlt der sich zu
isrohem Patriotisnius und nationalern
iPslichtgefiihl erhebt. Die moderne
sdeutsche Frau hat nicht die Lebhastig
leit der Ameritanerin, den rassinir
ten Geschmack der Französin, da
Fascinirende der Südländerin, aber
unter allen Nationen ist sie der größte
«Besih«, die Hüterin der Flamme, die
Deutschlands Söhne das Vaterland
über alles lieben läßt«
l
W
N isffe stnit Taufe nnd Lnkel Fazit-«
ms gebendjz Zag« mal, liebe ame,
warum seufzt ou eigentlich jedes Mal,
wcmi wir on dieser Ecke vorüber-kommen?
To n : (- : Ach, hier lkattk ich mal als
junge-:- Mcjdchcn ein ReimezgvouC
Alles zu sei-er Zeit.
·- - ·
Matie, mach nie
-««N
su mich-i Zeit ospk «
LETTER