Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 07, 1911, Zweiter Theil, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Jahrgang-I
Nebraska
Staats- Anzetger und Ti set-old
prit 1911 zwei rahei t.)
Kummer 3 .
Frühling-morgen
Von Paul Nüthning.
Golden glänzt der Hügel
Letchen steigen aus«
Und mit feur’gem Zügel
Fährt der Gott herauf.
Uehet Feld und Garten
Liegt noch Motgenduft.
Blühende Standakten
Wehen durch die Luft.
Alle Knospen springen.
bisher schwillt dng herz.
Näh und Ferne klingen.
Aug’ geht himmelwärts
Goldne Blüthen sinten
Mit auf Haupt und Brust.
Meine Augen trinken
Höchste Erdenlqu
Die weiße Schürze
Etizzc von H. A. Tour-tier.
»Was mich an diese Lammerzofen
schätze erinnert,« erzählte Professor
Bernon mit leisem Anslua von Me
lanchotie, «nun, das steht in Verbin
dung mit einer der tiefgehendsten Er
reaunaen meines Lebens.
Jch bin von einer sriih verwitweten
Mutter, die jedoch energischen Geistes
war, erzogen worden. sie hatte das der
väterlichen band entglittene Steuer
ergriffen und unsere tleine Barte so
geleitet· baß sie dieselbe dein Hasen,
das heißt meinem Doktorat, dem Ge
genstanb unseres gemeinsamen Ebr
aeizeg, zusiihrte.
Es war stir uns Zwei ein hartesi
Stück Arbeit, dahin zu gelangen; nicht
bloß, daß wir aller Veraniigunaeu
entrathen mußten, auch der lnurrende
Magen kam bisweilen zu kurz. Das
bei war meine Jugend von allen nur
möglichen Arten des Heiszhungers ge
plagt. Klagen hätten mir aber schlecht
angestandem meine Mutter gab mir
das Beispiel.
Von Frauenseite einer jenjer muthi
gen Emigrantinnen entstammeno vie
mit nichts anderem. als dem Einsatz
ibrer Person allem Mißgeschick getrotzt
hatten, wäre sie niemals ihrer Her
tiznft untreu geworden.
Sie war noch jung, als Trauer und
Noth über sie hereinbrachen. Um sich
ausschließlich ihrem Sohne, seiner Er
ziehung, widmen zu tönnen, verzich
tete sie sosort aus alle weibliche Eitel
leit, löste alle Beziehungen Jn ste
tem Kampfe mühte tie sich ab, wurde
iiber Kopierarbeiten blaß; um ein
Dienstmädchen zu ersparen, unterzog
sie sich den gräbsten Verrichtungen, ba
bei bewahrte sie ihr bornebmes, jede
Vertraulichteit sern haltendes Wesen.
So nöthigte sie jedermannAchtung ab;
mt zuerst.
Noch immer sehe ich sie vor mir mit
ihren sorglich geglatteten Schleischen
im Haar, dem wollenen Kleide, das
ebensowenig Schnitt wie Farbe wech
selte, der schwarzseidenen Schürze,
dem Abzeichen ihres Range-L ihrer
Kaste; nicht einmal im Mtiiterium
ihrer Küche hätte sie sich darein gesun
den, dieselbe gegen eine vulgäre blaue
einzutauschen
Jhre strengen Züge waren derSpies
gel ihres Charaiters, welcher das
Pflichtgefühl in seiner ganzen Herb
heit oertörperte. Jch hätte in ihnen
manchmal gern mehr Milde und Hin
gebung gesehen.
Aber sie war noch in den Anschau
ringen einer alten Hierarchie groß ge
worden, welche in der Ehrerbietung
den Schlußstein der Familie nnd des
Staates sah, weder in Gebärde noch
Sprache ließ sie die Vertraulichteiten
zu. Nur Morgenr- und Abend-·- um
armte ich fie, ohne das; es dabei zu ei
ner jener zärtlichen Aeuszerungen, je
ner tindlichen Liebtosungen gekommen
tobte, welche diese spartanische Le
bensführung ein wenig gemildert hät
ten. Kurz, sie sorgte betoundertings-s
würdig siir mich, aber sie verzärtelte
mich nicht.
»Eine Mutter soll nicht der Dienst
bote ihrer Kinder sein,'« ertlärte sie
unumwunden, wenn sie von der Ent
sagung mancher Mutter hörte.
— Jch wußte, wonach ich mich zu rich
ten hatte.
Ehe ich sriih ins Gymnasium ging,
putzte ich meine Schuhe. hütstete mei
nen Anzug ab, machte mein Bett; bei
der abendlichen heimlehr mußte ich
Kohlen herausschassen, was ich als
schwere Demütigung meiner jungen
hasten Eitelkeit empfand.
Je iilter ich wurde, um so weniger
sagte mir diese Lebensweise zu, wo
Enthaltsamteit und Dilrstigieit hand
in hand ainaen. Trohdem schnitt ich
dabei nicht schlecht ab; das Zurück
diinnnen heiser Wünsche war sitt
meinStudlum von Ntihen, in Erman
gelung von Besserem gab ich mich lei
denlchaftlich der Arbeit hin, . · . was
mich nicht hinderte, ganz im stillen
die begünstigteren Kameraden zu be
neiden, welche den Gang der Eramina
angenehm unterbrochen Das war
aber nicht die Ansicht meiner Mutter.
»Man man seine Vergnügungrn
mit feiner Börse in Einklang brin
gen « lind sie bewilligte mir von Zeit
zu Zeit großmiithig eine lleineSilber
miin.e.
Uebrigens besaß ich niemals die
dreiste Verwegenheit, Einwände geoen
diefe ltarte Art der Lebensführung zu
machen. Dennoch arollte ich meiner
Mutter in Verlennnng ihrer eigenen
Opfer ein wenig, daß sie mir dieselbe
aufznmng. Waren sie denn, genau
betrachtet. so groß? Sie fand wenig
Geschmack am Verlehr, an Toiletten,
fiiblle fich vielleicht in ihrer Rolle der
befchriinlten und einaefchiichterten
Hausfrau wohl: aber fiir einen Jüng
ling meines Alters. mit hellem Kopf,
mit Ideen und einer offenen Hand
bedeutete das wirklich eine Qual!
Die Folge war, daf-, ich rnir wie ein
Opfer erfchien!
st- I
Als- nun die Eranlina binter mir
lagen, ich mich als Arzt niederzulassen
gedachte, da gewährte mir die Mutter
den ersten liinblia in unser mageres
But-get Ich war auss- tiußerste iiber
rasctit und bestürzt Wie sollte man
damit die Kosten der Einrichtung, der
Repräsentation bestreiten?
»Ich habe im Hinblick daraus eine
kleine Summe zuriickgelegt.« sagte ru
hig meine Mutter: »wir werden nu:
das unbedingttltothwendige anschaffen,
Du wirst Dich aber angemessen aus
itsrtten tönnen.«
Hierbei sparte sie in der That nicht,
lief-, mir drei sehr netteGemiicher mö
blieren, den Warteraum, das Arbeit-J
zimmer, dieSprechstubex ein ziemlich
diisterer Gang grenzte an das durch
einen Vorhang abgeschlossene Entree.
Die Einrichtung zeigt-.- vornehme
Schlichtheit: verschiedene Blattpslan
gen· ein oder zwei Gipssigurem hüb
sche Glaslcheiben fügten eine heiter-,
künstlerische und moderne Note hinn
Die Sessel waren behaglich, und der
alles nöthigeBettzeug in sich sassende
Diwan wandelte mein Studierzimmer
aus Wunsch zum Schlafgemach unk.
Meine Mutter hatte neben der Fluche
und dem kleinen Speisesaal ein Gelas-»
das eine richtige Zelle vorstellte, siir
sich behalten. Dort fertigte sie ihre
Kopierarbeiten an und wartete auf
die Klingelzeichen Denk-, leider! im
mer war sie es, die öffnete und da-«
genügte, um mir alle Freude zu ver
giften.
Jch muß zu meiner Schande gesie
hen, das-« nicht tindliche Ehrfurcht
sondern menschlicheSelbstachtnng mich
dabei bewegte; ich fiihlte mich ernie
drigt, war empört, keinen Groom, tein
Dienstmädchen, wie meine bescheiden
sten Kollegen zn haben und erschöpste
alle Argumente, meine Mutter von
der unerläßlichenNothwendigleit eines
dienstbaren Geistes zu überzeugen
Vergeblich !
»Das ist siir den Augenblick eine
unserer Mittel übersteigende Ausgabe.«
Jch suchte ihr zuzuredem man könne
den Bohner aus der zweiten Etage
dingen. der sich während meiner
Sprechstunden im Vorzimmer auszu
lzalten hätte.
»Damit das ganze Haus iib-: uns
soöttelt? Nein, lieber mache ich die
Arbeit selbs
Ein Nein war bei ihr ein Nein; ich
mußte zu meinem größten Mißbeha
Sen verzichten und fand eine schwache
Vergeltung, dazu eine recht niedrige, in
dem Gedanken, daß sie bei ihrem Cha
rakter im Grunde ebenso darunter zu
leiten habe wie ich.
II sit II
Nneh und nach stellten sich die Pa
tienten ein. Mein lieber früherer
Lehrer schickte ste. . . . Sehr seine Leu
te!. . . .Aber ste bezahlten nicht sofort.
und es ging auch nicht an, ihnen eine
Rechnung zu schicken. Da tin-site ich
wohl der mütterlichen Vorsicht meine
Anerkennung zollen. Wie tonnten
wir ein Dienstmädchen bezahlen und
bei-lästigen- wenn wir selbst mit dem
Essen tin-gen mußten?
»Wenn Du erst Mitglied des Insti
tuts bist, wirst Du Dich bei guten Di
ners schadlos halten,« meinte meine
Mutter philosophisch.
Ich hätte diese zukünftige Berühmt
heit gern ein wenig vorweggenommen.
Eine reizender tleine Gräsin, die ein
sehe lebhaftes, lustiges und geistvolles
Persönchen war, alle Krankheiten zu
haben vermeinte und das Warten
durchaus nicht leiden konnte, sagte mir
eines Tages mit lachender Miene:
»Meine hochachtung, Doktor, Sie
haben einen wahren Zerberus. . . .Und
unbestechlich ist ert. . .. Jch habe h
rer Kammersrnu 81 in die Hand dr t
ten wollen, um, wie es überall üblich,
eher an die Reihe zu kommen, und sie
bat mir sehr würdevoll erwidert
,,Unmöglich, Madame, der Herr ver
bietet es.«
»Meine Kammerfrau7«
»Ja, mein Herri«
Jcls wollte den Mund zum Wider
spruch öffnen; was mich aber diesmal
lzuriicthielt, hatte nichts mit falscher
Scham zu thun . . . Als meine schöne
Patientin ging. geleitete ich sie, statt
mich darauf zu beschränken die Thiir
des Vorzimmers zu öffnen, bis in die
Mitte des Ganges, wo ich mich im
Dunkel hielt.
Sogleich tam meine Mutter, .· . .in
weis-er Schürze.
«Wissen Sie,« sagte die tleine Grä
fin freundlich, »daß ich Jbrem Herrn
Jhr Lob gesungen habe, Sie haben bei
il1sn einen Stein im Brett.«
Keine Miene regte sich in meiner
Mutter Gesicht; als die Tür aber ge
schlossen war, stand ich erregt, fas
sungslos, keines Wortes fähig. da.
Mehr als die Mühen langer Jahre
die Entbebrungen jedes einzelnen Ta
ges bewies mir dieses im Grunde nn
bedeutende freiwillige Opfer das Maß
der mütterlichen Zärtlichkeit. . .· Ih
ren Stolz hatte sie für mich preisgege
ben. Kein Verzicht lonnte ihr schmerz
licher fein.
Da ergriff ich, zu Thrönen gerührt,
ein Endchen ihrer schlichten Schürze,
tiifite es und sagte leise:
»Verzeih’ mir, Mama!«' «
Erzählungskunst in China.
Aus-«- der Masse der fahrenden Leu
te, die in China auf jedem Jahrmarkt,
besonders aber im Hofe jedes größeren
Tempels-, zu finden sind und nament
lictz nie verfehlen, bei einem Tempelfest
zugegen zu sein« den Geomanten,
Wahrsagern, Taschenspielern, Ohren
und Zahnärztem ragt der Geschichten
erzähler thurmhoch empor. Alle seine
Mitbewerberstellt er weit in denSchat
ten mit dern Zudrang zu seinem Platz
und besonders tntt seinerBedeutung für
die Bildung des Voller-. Jn Ländern,
wo fast jeder Mensch lesen und schrei
lieu kann, können wir uns nur schwer
die Bedeutung vorstellen, die der Ge
schichtenerzähler in Ländern hat, in
denen der weitaus größte Theil deg
Voller- aus Analpllabeten besteht, und
in denen das Zeitungstvesen darum
erst in den Anfängen steht, wie in Chi
na. Der Geschichtenerzähler ist nicht
nur der Erbe der Epiter, der fahren
der-. Sänger, die von Burg zu Burg,
von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zogen,
sondern auch der Ersatz siir die fehlen
de Zeitung und nicht selten für den
jVoltgredner.
Wer uber gute Stinimittel verfugt
nnd ein ausgezeichnete-Z Gedächtnis
hat, woran es dem Chinesen in der
Regel nicht fehlt, nnd wer noch dazu
iiber dichterische und schauspielerische
Anlagen verfügt, der darf hoffen, ein
guter Geschichtenerzähler zu werden.
sie bedarf dazu einer drei bis sechs
jährigen Schulung bei einem in dein
Beruf praktisch erfahrenen älteren
Meister. Oft lassen Klostertempeh
besonders taoistische, einen jungen
Lucann zum Geschichtenerzähler auszbil
den, der dann in ihrem Dienst fein
Gewerbe ausübt und durch seine tfr
zählungen zur Berherrlichung ihres
Heiligen beiträgt Die technische Ausz
bilkung tann in ihrer Schwierigkeit
nicht unter-schätzt werden. Denn der
Geschichtenerzähler, der von seinem
Beruf nicht nur leben, sondern auch
aui seine alten Tage ein hiibschesJ
Stück Geld zurücklegen will. mus-,
nicht nur iiber ein erstaunlich-is Ge
dächtniß und eine großeBeobachtiinkw
gave verfügen, er muß auch einen
scharfen Witz und Hang zur Satire
entfalten tönnen, immer verstehen, die
Handlung spanueud zu halten« sie tu
steigern imd zum Schluß zu einer be
friedigenden Lösung zu führen Ta
lsei inufz er Dichter und Schauspieler
in einer Person sein, und es ist höchst
ergötzlich tvie er die unscheinbarsten
Mittel auf die wirksamste Weise ver
wendet, um das Interesse zu steigern
und seinen Vortrag anschaulich zu
machen. Wenn er von tapfern Helden
der Vor-seit erzählt, wird er in seinen
Gebärden selbst zu dem Helden, der
sich verzweifelt gegen die Uebermacht
seiner Feinde wehrt oder sie in ihrer
Arglosigteit mit nächtlichem Ueberfall
beschleicht. Ebensogut versteht er die
zäntifche böse Sieben des Dorfes in
Ton und Gebärde nachzuahmen, und
dass ist teine Kleinigkeit, denn von ih
nen wimmeln die Dörfer in China«
nnd fast jeder Ehernann unter seinen
Zuhörern vermag hier die Treue seiner
Darstellung nachzupriifen Alles an
ihm ist Leben und Bewegung, und
seine Stimme geht bald tief bis zum
letsesten Flüstern herab, um dann
plötzlich mit Donnergetvalt auf die
Zuhiirer einzudringen Der Zopf, der
ihm den Rücken herunterbängt, ist da:
bei niemals in Ruhe, sondern bildet
eine höchst ausdruckgfähige ständige
Begleitung des Vortrags-, die einen
Meister wie Wilhelm Busch sicher zu
noch ganz andern Verherrlichungen be
geistert haben würde, als das Mienen- E
fpiel der Hofe des guten Herrn Knopp. !
Auch der Fächer dient nur dazu, dem
Eizähler von Zeit zu Zeit Kühlung
zuzufächeln, sondern wird immerfort
zur Veranschaulichung deg Gegenstan
des benutzt. Bald ist er ein Schwert,
dar ans die Feinde einhaut, bald ein
Pinsel, mit dem ein zärtlicher Liebes
btief geschrieben wird. bald wieder der
Fächer in der Hand des rechtsprechen
den Mandarinen, oder die Flöte, init
ter schmelzende Lieder gesungen wer
den. Aber auch durch rednerische Mit
tel weifz der Erzähler seinen Vortrag
zu wiirzen Dieser ist eine reiche
Fundgrube für die Sprichwörter, an
denen das chinesische Voll so reich ist,
wie wenige andere. und die nicht nur
rnit haarscharfeni Verstand eine
gründliche Kenntniß deHAlltagglebens
verrathen, sondern sehr oft auch tief
hinabsteigen in vhilofovhischen Fragen
nnd in die verborgenften Falten des
Menschenherzetig. Vor allein aber
muß der Geschichtenerzähler außer
ordentlich bewundert sein in den Klaf
sitern seines Volkes und durch seine
Kenntnis von deren Aussprüchen und
Lehren seine gute Bildung betnnden
vor Zuhörerm von denen nicht wenige
ebenfalls ihre Klassiter auszwendig im
Kopfe yaoen.
Seine Stoffe entnimmt der Erzäh
ler nicht nur geschriebenen und gei
druckten Quellen, sondern auch dein
Leben selbst, das er auf seinen Wan
derfahrten und in seinen Nöthen ken
nen lernt, wie sonst kaum einer. Er
ersetzt die Zeitung, indem er merkwür
dige Begebenheiten, die sich in neuerer
Zeit in irgendeinein Winkel des weiten
Reiches abgespielt haben, darstellt« nnd
er ersetzt Romane, Novellen und alte
Heldensagen und Geschichtsbiicher, in
dem er aus allen Quellen schöpft, die
Wir chinesischen Volk seit vielen Jahr
hunderten zu Gebote stehen. Die alte
Heldensage aus der Zeit der drei
Reiche ist vielleicht die am liebsten be
nutzte Quelle nnd bietet immer wieder
Stoff zur Darstellung spannender
Kämpfe von Helden und Staatsmini
nern, von den Schicksalen von Piraten
isnd Räuberbanden, von verwickelten
Jntrigen und echt asiatischer Verschlu
genheit und Grausamkeit Seltener
sind Gespenster- und Geister-geschich
ten, obwohl auch an ihnen kein Man
gel ist, häufiger wieder Märchen inv
thologischen Inhalts oder ausgezeich
nete Tierfabeln. Es fehlt auch nicht
an fortwährenden Anspielungen und
beißenden Bemerkungen iiber die Zu
stände der Gegenwart, die dem Erzäh
ler als konservativem Anhänger des
Alten selten gefallen. Besonders das
Treiben der fremden Teufel wird nicht
selten mit bissigen Bemerkungen ge
streift.
Der Ehinese als Znhörer hat ein
sehr feines Verständnis fiir die sinnst
form, und vermag sehr wohl zu schät
zen, was ein Vortrag werth ist. Seine
angeborene Sparsamkeit würde aber
dem Sänger nicht allzu viel lfinnahi
men verschaffen, wenn er es nicht ver
siände, die Neugier und den Reiz, die
seine Erzählung hervorruft, praktisch
zu verwerthen. Wenn die Erregung
und Spannung der Ziihdrer den höch
sten Grad erreicht hat, wenn alles mit
weitausgerissenen Mündern athenilos
schweigt und im nächsten Augenblick
die Lösung des Knotens, das Herein
brechen einer schauerlichen Katastrophe
erwartet, dann macht der Künstler
eine Pause und läßt erst einmal seinen
Samnielteller herumgehen, und wenn
der nicht gefiiltt zurückkotnnit, dann
erzählt er einfach nicht weiter. Meist
aber hat er eine gute Ernte und
braucht nur selten durch ein gutes
Witzwort die Freigebigkeit feiner Hö
rer anzuspornen Gewöhnlich geben sie
reichlich, und in seinem Alter ist ein
guter Geschichtenerzähler meist ein ge
niachter Mann.
Aus dein Gesagten geht hervor, daf;
der Geschichtenerzähler siir die Bil
dung des chinesischen Volkes von der
aller-höchsten Bedeutung ist. Er ist auch
für den Auslander, der China-H Volk
und Land in feinem wahren Leben
kennen lernen will, ein ganz vorzjig
licher Lehrmeister. Daß er kein
Freund des Neuen und damit der
Fremden ist, haben wir schon erwähnt,
und auch der Regierung kann er gele
gentlich höchst unbequem und gefähr
lich werden, denn schon oft hat ein Ge
schichtenerzähler die Saat ausgestreut,
die nachher in den Thaten einer Ge
heimgesellschast oder in furchtbaren
Revolutionen aufgegangen ist.
WE
Die Leute, die niemals Zeit haben
tun am wenigsten.
Wie die Menschen heizen
Jn Großstädten sieht man meistens
bei Neubauten Zentralheizung vor.
Lb Luft-— oder Wasserheizung, ob die
ses oder jenes System, ein jedes hat
zur Folge. daß der alte, Lraoe Ofen
verschwindet Ein turzes Aufschwu
ben, und warme Luft füllt das Zim
mer, ein kurzes Abstellen, und man
friert da, wo man vor nicht fünf Mi
nuten unter der Hitze litt. Die Magd
braucht nicht mehr mit Holz nnd Kohle
durch-Z Zimmer zu schlurren, der Koh
lenftaub wird nicht mehr lästig, viel
Arbeit wird gespart, aber auch viel
Behaglichteit und ein schönes Stück
chen Poesie ist verloren. Nun, so be
ouem hat man es eben nur in moder
nen Häusern und in den wohlhaben
den Ländern der Welt, anderswo muß
man sich anders behelfen.
Wer hat nicht schon einmal von den
halb in die Erde gegrabenen aus Eis
blöclen gebauten Häusern der Estimos
gehört, die sie im Winter bewohnen.
Nun, drinnen ist es- auch warm, sehr
warm sogar, so daß die Jnsassen halb
und ganz nackt darin hausen, aber
Oesen in unserem Sinne haben sie
nicht. Sie heizen auch, aber mit einer
Tranlampe, deren Docht aus Renn
tierinoos besteht. Ueber ihr hängt der
siochtessel und sie ist auch die allge
meine Lichtspenderin. Freilich, sie
allein liefert nicht die Wärme, die
menschlichen Körper, d. h. die Lungen
der Bewohner helfen täglich rnit. Das
geht aber nur, weil die äußere Luft
abgesperrt ist. Natürlich herrscht ein
erstielender Dunst in der Hütte, den
ein Europäer nicht ertragen tann.
Mitnnter sind die Lungen der Men
schen überhaupt der einzige Ofen, sc
z. B. in den Gehöften kleinerer islän
discher Bauern. Natürlich ist auch in
diesen dürftigen Wohnungen nicht gut
weilen
Die ursprünglichste Art der Heizung
ist wohl die mit freiem Feuer· Jn
den Filzzellen der Kirgisen oder Ja
tulcn glimmt ein Häuflein Schilf oder
gedörrter Dünger und erzeugt mehr
schioelenden, die Augen beißenden
Rauch, als Feuer. Nach Sibirien
Verbannte, die im Disziplinarwege zu
solch einer Rirgisenhorde geschickt wur
den. wissen den Aufenthalt in solchen
Zelten nicht schrecklich genug zu schil
dern. Bei den Lappen und den we
nigen noch eristierenden Jndianern ist
eg- wenigsteng Reisig, das ein Flacker
fener gibt, und von den Frauen un
terhalten wird, und eine ähnliche,-iin
inerhin noch recht armselige Heizung
findet man initunter sogar noch in ent
legenen irischen Dörfern, wo auf der
nackten Erde ein Torfseuer glimmt.
Einen großen Fortschritt bezeichnet
es schon, wenn dem Feuer eine erhöhte
Stätte, ein Herd, geschaffen wird.
Er ist der Mittelpunkt nnd das Sinn
bild des gesitteten häuslichen Leben-j
Jn den Blockhiitten Finnlands, im
Kaulas115, in den Bergen Spaniens
und Griechenlands- herrscht der offene
Herd, der sich auch n»ch in Niedersach
sen findet. Natiirlich hat er hier
meist eine Esse, die den Rauch, wenn
auch nicht vollständig, ableitet, sehr
häufig fehlt aber auch diese, selbst noch
auf der Jnsel Rügen, und dann zieht
der Nauch durch das ganze Gemach
und Haus, bräunt Wände und Ge
genstände und verleiht allen Dingen
einen brenzlichen Geruch. Lungen
IlllO Atllqcll lclUcll, ullu Uuurl Wut u
durchaus nicht einmal gleichmäßige
Wärme. Wer diese ioiinschts— muß
sich schon nahe an dagHerdseuer setzen,
leidet doppelt unter dem Rauch, oers
sengt sich auf der einen Seite und
friert womöglich auf der andern. Ge
nau dieselben Mißstände weist eine
veredelte Abart dec- Herdes, der Ka
tnin, ruf« den man ain meisten in
Amerika, England und Frankreich
hat. Es sitzt sich s. traulich vor ihm,
sein slaeterndes Feuer ergießt einen
warmen rosigen Schein ins Zimmer,
der aus den Metallgesäszen spielt und
es guckt sich gut in die Flammen.
Aber lange hält man es in seiner
strahlendcn Wärme nicht aus, ja man
muß sich durch Schirme dagegen
schützen, sperrt damit aber auch ein
gut Teil Wärme überhaupt ab. Und
wie der Herd ist er ein arger Ber
schwender, er verbraucht ein ganz un
verhältnismäßig großeg Brennma
terial. Da er aber nun einmal sehr
hübsch aussieht, so sucht man heutzu
tage Oesen aller Art etwas Kamm
artiges zu geben, indem man durch
Glimmerplatten ihr Feuer sichtbar
werden läßt. Das ist natürlich ein
tiimmerlicher Ersatz, aber immer
hin besser als die Täuschung, die in
eleganten Hotels und Wohnhäusern
geübt wird. Man heizt dort zentral,
aber man legt einen Kamin an, der
unten eine Attrappe in Form eines
Reisigbündels hat, die von elektrischem
Lichte durch rote und grüne Gläser
hindurch erleuchtet wird.
Jm Süden spielt naturgemäß die
Heizung nicht eine solche Rolle wie bei
uns im Norden, aber man kommt
durchaus nicht ganz ohne sie aus.
Man kann dort recht kalte Wintertage
mit Schnee und Eis erleben, und
mancher ,,Nordländer« hat schon weh
miitig an den daheimgelassenen Pelz,
die anderen winterlichen Kleidungs
stücke, und vor allem an den braven
Ofen gedacht. Da saß er in einem
hohen Zimmer mit Steinwänden.
Estrichfußböden, bis auf den Boden
reichenden Fenstern, den tlaffenden
Flügelthiiren, u. sror, denn zur »Hei
zung« dienten nur »Caminos« und
,,Braseros«, d. h. auf deutsch:
Räpfe und Becken mit glühenden Koh
len. Diese haben noch größere Nach
theile als der Kamin, ohne auch nur
einen seiner Vorzüge. Man kann
nicht einmal eine Hälfte des Körpers
an oder vielmehr über ihnen wär
nten, sondern nur stets ein Glied,
man schluckt üble Dämpfe, und der
schließliche Effekt ist, daß man friert
und Kopfschmerzen bekommt. Der
Nordländer leidet bei diesem System
mertwiirdigerweise mehr als der Süd
länder. Etwas vernünftiger geht es
kei den Türken und Osmanen zu, bei
denen die Kohlenpfanne (,,Mangal«)
unter einem mit Teppichen umhängten
Tisch steht. Da werden wenigstens
die unteren Extremitäten der Herum
sitzenden warm gehalten. Die Koh
lenpfanne ist auch in Japan zu Hause.
nnd da die Häuser durchwegs aus
Holz nnd Papier hergestellt sind, ge
hen noch viel mehr durch Feuersbrün
ste zugrunde, als selbst in der an
Bränden reichen Türkei. Die Chine
sen, die je nachdem mit Dünger, Holz
oder Kohlen heizen, suchen die Stiel
gase in ausgestellten Wasserbeclen auf
zufangen, oder stellen ihre Wärme
Pfannen unter einen gemauerten Auf
bau, Kang genannt, der dann als
warme Lagerstätte dient. Natürlich
bringt das ausströmende Kohlenoxyd
manches Unglück zustande, und wäh
rend der deutschen Chinaerpedition ist
ein hoher Offizier auf diese Weise
selnniihlch umgekommen.
Jn Rußland ist und in Deutschland
war bisher herrschend der Kachelofen,
mit dem sich der deutsche Vetter an
Größe und raffinierter Ausniihung
freilich nicht messen lann. Er ist in
der That, wenn ein geschickter Töpfer
ihn gebaut hat, Praktisch und ange
nehm, ein wirklicher Freund und
Wohlthäter. Und wenn wir Aelteren
auch in noch so schönen Stuben mit
noch so raffiniert angelegter Zentral
heizung sitzen, wir denken doch mit
Wehmut an den alten Freund aus den
Irinderiagein und an die Bratäbfel,
die in seinem Rohr zischten, zurück.
Die Sicheruuqifchutzvamen bei
Quinctius-.
Ali- einfame Kuppe im Meer erhebt
sich die kleine Felseninsel Helgoland
aus den Wogen derNordsee, dac- grün
roth-—tveiße Eiland, dessen Besitz den
Deutfchen so werthvoll erschien, daß sie
ei— 1890 gegen die Abtretung der Hos
Theitgrechte üver Sansibar von England
’eintaufchten. An Stelle der englischen
Butter-ten ragen heute feste Panzer
thiircne empor, als-Zv wirksamer Schutz
deutscher Interessen in der Nordsee
»zum Schutze der Jnfel und besonders
cHgfeiig und des Seebadeg hat die
iMarineverwaltung vor einigen Jahren
mit ungeheuren Kosten Schutzwerte
ausgeführt; eingefpulte Höhlungen
Iwurden mit Mauerwert und Beton
iauggefüllt und an den am meisten ge
lfährdeten Stellest aus großen Granit
! qnadern schwere, bis überSturntfluth
Thisbe aufgefiihrte Stützmauern errich
itet Diese Sicherunggmaßregein ha
ten sich bei dem jüngsten, außerordent
lich heftig auftretendenS turm vorzüg
licljs bewährt, und sie werden auch den
besonders im Dezember und Januar
alljährlich heftig wütenden Weftftiit
nun fernerhin Trotz bieten. Jn einer
Länge von mehreren Meilen ziehen sich
diese Schutzmauern hin, hinter denen
über hundert Torpedoboote ihren Lie
geplatz haben. Für die Festigteit die
ser Mauern gewinnen wir einen Maß
stab durch die Feststellung, daß folch’
eine vom Sturm gepeitsche Woge eine
ungeheure Kraft entwickelt, derenDruck
auf die Quadrathard bis zu 1.0 Ton
nen und darüber erreichen kann, und
die genügt, um größere Fels-blöde von
meheren Tonnen Gewicht von der
Stelle zu bringen.
Jst Courfchneiden Zeitverteudungck
fragt Dorothn Dir Bei den Mit
giftjägern nur, wenn die Geschichte mit
einem Korbe endet.