Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 24, 1911, Zweiter Theil, Image 16

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Begann-· —- eia nein-z etmtj
Novelle von Isni Ochse-samt -
--;-—
·
1
Ins einer Reise nach Indien hatte
er sie kennen gelernt Er war Ober
Med aus einem Dampf-r des Nord
deutschen Llayd Sie war als
Stcwardeß aus denselben Damvser
men. Viele Mädchen hatte er
ans seinen nchtiiihrigen Fahrten tennen
gelernt. daheim nnd draußen Aber
nie ein Weil-, wie dieses Mädchen war.
Das Personal der Seeichiffe seht sich
nickt aus den reinsten Elementen zu
sammen. Doch Elisaheth Schelling
gar unnahbar siir alles Unreine und
Unehrlische. Nicht stolz nnd hochmü
tig» wie es zuerst den Anschein habenl
mochte. aber umgeben von der festen»
Mauer unverletzlicher Sitte. von einem
Strahlentranze lensctxester Jnnctfräu—-"
lichteiL Ein seltenes Geschöpf, das
dir Unedlen mieden und das- die Gut-(
arsinntrn maanetisch anzoq. Wie viel
hatte hanc Jensen ihr zu verdankeni
Wie manches ernste Gespräch über
Dinge. an die zu dentrn man im Be
rnse eines gehetzten Oberstewardssi teine
Zeit mehr zu finden glaubte, wie man
che Anregung und manche Vertiefunat
Bis-« er eines Tages vor der Gewißheit
Kand, daß er dieses reinste und echtestq
Weib liebte von ganzem Herzen und!
von ganzer Seele. Er sagte es ihr-s
Sie schüttelte den Kopf nnd jiah ihn
verwundert an :
»Ich werde niemals heirathen. Jch
bin der Liebe gar nicht siihia Frü- «
her hatte ich wohl zuweilen solche Ge
danken; aber ietzt bin ich längst dar
ins-c hinaus. Jch vit- viei zu skiH
ständig geworden im Laufe der Jahre
nnd würde gar keine gute tihesran
mehr werden können. Seien Sie ver
niinstia, Jensen, Sie hätten an mir
eine anbeaueme Gefährtin Jch habe
längst verlernt, meinen Willen dem ei
nes anderen Menschen unterzuordnen
tlnd Liebe? Nein, die ist siir mich
nicht da.'«
»Wenn tel) mir aber ;an Liede er
ringen will? »Deinen Willen qeaen
den Ihren, Fräulein Elisabeth. Se
hen wir zu. wer der Stärleee ist!«
»Liebe läßt sich nicht erzwingen, die
ist ein freies Geschent.«
»Ich werde Sie lieben, bis Sie mir
ganz von selbst dies freie Geschenk zu
Fiiiken legen«
Sie schaute ibn aus einmal mit qeö
scerer Anstnertsmnteit an. Mit einem
neuen Interesse .wie einen bisher Un
bekannten Und er gab ihr diesen
Blick mit seinen offenen, ehrlichen An
gen wieder.
»Sie sind ein wunderlicher Mensch.
Jensen!« Lächelnd wandte Etisabeth
sich ab.
; « Und dann ging das zähe Wetben an.
M ist ein Ich der zähe Widerstand.
Sie nannte seine anermiidliche Liebe
Eigensinn, and er qab ihr den gleichen
Vorwurf zurück. Es waren seltsame
Jahre. die sie auf dem Schiffe verleit
ten. sie in beständiger Abwehr, er in
nie etmattendem Hoffen.
Dann wurde et trant. :l.llalnrjc1T
-- nnd Lstngenentziindung hinter
drein. Jn Bomban mußte man ihn
zuriicklaffen Da gefchob das Unver
mutbete was keiner auf dem Schiffe
zuerst glauben wollte: Elifabetb Schil
ling erklärte, bei dem Kranken bleiben
Zu wollen man möge sich für diese
F brt eine neue Stetoardeß suchen.
Sie konnte ihn nicht allein in der
fremden Riefenftadt lassen, sie felbft
ordnete alles zn feiner lleberfijbrnng
ins englische Kranlenhaus an.
Dort laq er wochenlsina. Und sie
besuchte ihn täglich. Sie hatte bei ei
ner ordentlichen Witwe ein befcheidenes
Stäbchen gemietbet, dort harrte sie ge
duldig auf das Gefundwerden ihres
Freundes, als den sie ihn schon lange
betrachtete
Dann konnte er endlich entlassen
sterben Nicht weit von ihrer Woh
nung hatte sie auch für ibn ein Stäb
chen gefunden. Dahin geleitete sie den
immer noch milden Mann. Später
ging fie« täglich mit ibm spazieren. erft
kurz, dann länger, wie es feine lang
fnnt zunehmenden Kräfte erlaubten
Und plötzlich kam der jähe Rückfall
Er mußte sich erlältet haben, wo, das
trat bei Elifnbeths großer Sorgfalt
ein Rätbfei. Als sie eines Abends vom
Spaziergange zurückkehrten, betam er
einen Huftenanfall Elifabetb befahl
ihn dringend eine Schwitztur an, um
Obst-m der Mltnng vorzubeugen
besorgt nach siehaufr.
Mochi wurde sieburch ein
Klopfen gesteckt- Ein Mann
In in ihrer Thür· Es war Jenfeng
«Fkäulein, kommen Sie schnell zu
dem Deutschen, er ist schmalen-It hu
fiei sum Ersticken und verlangt noch
Ihm. Kommen Sie lchnell2«
Jn großer-hast kleidete sie sich noth
« bilng em, fuhr in ihren Mantel und
öffnete die Tüt. Der Mann halte ge
wartet und geleitete sie durch die men
Eyenleeren Straßen noch dem Hause,
dem Perlen wohnte.
»Es tzut mik fest-, Fräulein, daß ich
TM nicht weiter helfen kann. Jch
Zln Maschinist und muß um vier Uhr !
Mulllich zum Dienst Soll ich beim«
Doktor vorbeigehen?«
s Elisqlseih bat darum. dankte ihm
Versiörk und eilte die Treppen hinan.
Its se eintrat. lag der Kranke still.«
a text-u wo- gte-« seh
M Wut des NachilZmpchens
U H- sie eigen-mitn, milden Züge,
Fsoh wie der bipnkse Kopf erisxiipst in
xden Kissen ruhte. Er war einge
Isfchlusnmeri.
I Geriixischlcs ließ sie sich am Bette
fniedek Die Taschennhr nus dem
zNaQttische tiette leise. Minute um
Siinute verkenn. Jn Elisabeths Hirn
jagten sich die Gedanken
Wie unendlich schmerzhaft ist eg, ei
nen lieben Menschen leid-en zu sehen.
ohne ihm helfen zu können. Wie gern
würde sie alles hergeben, um ihm die
völlige Gesundheit zu ertaufen Jn,
wenn sie täusiich mäck. Sie beugte
sich über den Schlmnmernden und
horchte aus seine röcheinden unregel
mäßigen Atemziiqr. Sie hätte ihn
weich in die Arme nehmen, sie hätte
sein müdes Haupt an ihrer Btusi bet
ten, sie hätte ihn einhiillen mögen mit
lauter Liebe und Sorgfalt Und in
Dieser stillen Stunde der Nacht. da sie
so schweigend und lauschend saß« —
dn tauchte aus dem Grunde ihrer Seele
eine große. iiberwältigende Erkennt
nis:
»Mein Gott. ich tiebe ihn ia!«
Unumstiißlich, llar und leuchtend
stand diese Einsicht vor ihr und erfüllte
sie mit schauerndem Glitck — aber auch
mit Furcht und Zittern.
Am Bette des Geliebten sant sie er
schüttert in die Knie:
»Mein Gott· ietzt liebe ich ihn!
Jetzt, wo du ihn mir nehmen willst!
O Herr, ich breche zusammen unter der
Last —- aber die Strase ist nicht un
verdient! Dies große. edle Herz stieß
ich zurück, als es mir seine Liebe bot
—- aus Eigensinn habe ich mich ge
wehrt gegen ihn zwei lange Jahre hin
durch. Frei wollte ich sein. Frei?
Bin ich denn nicht mehr frei, nun ich
ihm mein Alles schenle? Mit Willen
dein eigen, Geliebten so höre mich
doch! Herr, ich wage nicht zu slehenr
laß ihn mir! Mein Herr, wenn du
ihn lieber hast wie ich -- dann nimm
ihn hinf«
Da regte sich der Arante und schlug
langsam die Augen das.
Lilisabeth richtete sich schnell empor.
aber er hatte es doch gesehen, daß sie
Jus den Knien lag. Er sagte nichts.
er blickte sie nur mit unsiiglicher Liebe
an. Dann mußte er von neuern husten.
daß die Adern an seinen Schläsen zu
zerspringen drohten. Er hatte sich
im Bette aufgerichtet, seine Brust ar
beitete miihsam nnd der Schweiß
drang ihm aus allen Poren.
Endlich sant er entlriistet zurück.
Elisabeth brach fast das Herz bei dem
Jammervollen Anblick Sonst wischte
sie ihm die Tropfen von der Stirn.
Da klopfte es, Und der Arzt erschien
aus der Schwelle Er sah etwas ver
schlasen aus und ein wenig ärgerlich,
ob der nächtlichen Störung, unter
suchte Jenlen aber doch sorgsam und
schüttelte dann bedenklich den Kopf
«Morgen sriih sofort ins Krantens
haus. eine Lungenentziindung ist im
Anzugr. Cis scheint mir, als habe er
eben eine iEberstanden und dies sei ein
Rück ein«-i«
- isabeth niette wortloz.
»Haben Sie jemand zum Schicken?«
Das Mädchen oerneinte.
»Gut. so werde ich Sorge tragen,
daß der Kranienwagen morgen sriih
hier ist. Pacten Sie ihn warm ein
tiir den Transpori. Und sorgen Sie,
das-i er fest möglichst etwas schläft.«
Damit ging er. Sie blieb allein bei
dem Kranten der. von der Untersu
chung erschöpft, theilnahmlos dalag.
Die Gedanten tamen nnd gingen: end
los dehnten sich die Stunden des grau
enden Morgens.
Wie wiirde es werden? Was barg
die Zukunft siir sie und siir ihn?
Wieder lag Jensen Vier Wochen iml
Kranlenhanse. Vier Wochen voll
banger Sorge und Noth. Und den
noch kämpfte er siclt endlich hindurch.
Langsam setzte die Genesunq ein, so
langsam, wie die Blumen sich entfal
ten. Wir können es nicbt selten, wir
cnerlen nur, wie die Knospe immer
mehr schwillt und wie aus einmal eine
Blüthe da ist« wo erst nur ein winziaer
Ansatz war· Wie sie sich entfaltet hat,
das ist uns nerboraen geblieben.
Die Aerzte selbst schüttelten stau
nend ihre gelehrten Häupter und ga
ben ehrlich zu. bier habe Gott ein Wun
der gethan, und es sei gerade- als habe
er einen Todten zu neuem Leben er
weckt.
»Sie haben einen gesunden Kern in
sich, Meister Jensen, sonst wären Sie
seht ein todter Mann.«
Dann lächelte Jensen und erzählte,
wie er aus einer terniaenGroszbauerm
Isamilie im Rheinland stamme. Seine
»Mutter sei ein altes. aber noch immer
urgesundes Frauchen, während sein
Vater durch einen Ungliielssall sriib
ans dem Leben geschieden sei.
Und waren die Verzie aus dein ;
Zimmer gegangen dann legte Hans
den Inn tun clisabeths Schulter, zog
den brennen Kopf nahe zu sich heran
nnd· stiisterte ihr ins Ohr:
»Nicht wahr. Liebstes, sie brauchen
es nicht zu miser-. weshalb ich genesen
bin's Du hast es mir verbergen wol
len« dass du sti r m ich auf den Knien
lagst! Aber ich de es doch gesehen.
Und das sen-us ein deiner Liebe trug
mich durch die selylveren Stunden hin
durch und gab mir einen unbesieglichen
Willen um Sehn Zum Leben und
zum link
Mädels kniete ern seinem Sessel,
M-» —- Wn W »s«
, - ! , -L.Z, ei
IIW W es tsiist s- st
icdnt und horchte, wie das Herz do
drinnen pochte: »Min- fiit dicht Nur
fiik dick-P sn weltmqessenet Selig
keit biete er sie tin-schliessen
Liedftes«, flüstetie seine Stimme
leise und weich. «weißi du noch wie
ich so hochmüthig zu dir sagte: ich
will mit dene Liebe erringen-P
Sie nickie nur und sah ihn leuchtend
nn· »Nun ist es anders gekommen.
wie ich gedacht Errungen habe ich
deine Liebe zwar, aber ohne mein su
thun. Geschenti isi sie mir tein ge
schenkt in Zeiten Der hiifiosesten
Schwäche, da ich sie nicht einmal begeh
ren Don-um«
Sie schüttelte nich-lud den Kopf
und fah ihm tief in die Augen.
.Geschenlt hat Gott dir mein z
wohl, aber nicht ohne deinsnihum ei
ne große Liebe halte Inich lange schon
bezwungen « ich sträubie mich nur«
Aber wo du inir sterben wolltest. da
lam es mir zum Bewußtsein, da wars
de es stärker ioie ich. Und nun lonn
ich nie mehr zurück!«
»Wie niedr, mein Lievsleäiisp N
»Wie inelpr!·« I
li. «
Latein-Irr Frühlingssonnenfchein
lag iiker rein weilen, qriinenden Knu
ernlzofr. All die vielen Obstbiiumc
streckten ihre bliiihenbeladenenstveige
in die klare Luft. Lauter dnfiende
Blumenflräuße, mit süßen hoffnun
gen fiir den Hei-bitt nui ein Fruchter
aen. Wochfen und Reisen.
Die goldenen Sonnefirclzlen legten
sich mii warmem Rosen um die Mau
ern und Dächer des groser Bauern
gutes.
Sie legten ooldenen Glanz auf die
weite ariine Wiese mii ihren laufend
zierlichen Gönselsliirnchen nnd auf die
zahm-sen haftenden Blüthenbiiumr.
Und ein Singen und Klingen war
in der Luft, wie von lominendeni
Glück.
Unter ten Bäumen fah eine alte sil
berhaarige Frau. Sie hatte die Un
de mit dem Strickzeng im Schoße lie
aen und sah mit den alten Augen
verträumt in die Ferne.
Die alte Frau lachte leise vor siai
bin: »Hans war immer anders als
die andern vier. Die sitzen hier anf
der Schalle und sind zufrieden damit.
Der Hans hat immer die Welt kennen
lernen wollen-« Schon als ganz klei
ner Bub hat er geklagt: »Ach, Mut
ter, war ich ein Vogel! Jch mischte
die aanze weite Erde sehen.« Ich half
es gewußt von seiner Kindheit an, dafz
er feine Wanderiahre haben wiirde!
Und dann latn die Geschichte mit der
Helene dazu. Er hatte sie von bergen
lieb, und sie lachte feiner Liebe. sie
war wohl noch zu unreif und zu jung.
Das ist ihm ara nah gegangen. wenn
er auch nicht davon sprach. Sein jun
ger kühner Mannes-stolz liatte schwer
dran zu tragen. Jch wnßt’ es wohl,
dafi er auch darum gina. Nun lreuzt
er schon acht Jahre ans dem Meere
herum. Er ist was Tüchtiaes gewor
den. Als ein ganzer Mann lommt er
nun bald nach Haus! Mit einer gro
ßen Freudebotfchaft fiir mich, hat er
geschrieben. Ob er jet;t eins ist mit
der Helene7 Ob sie einen Brief von
ihm bat? Sie hat ihren Sinn geän
dert, ich ahne es wohl. Wie freu’ ich
mich auf den Hanf-!
Da öffnete sich das Pförtchen, das
zum Bauernhofe führte. Eine junge
Mannesgestalt lam zögernd näher
und blieb beim Anblick der Greisin im
Silberhaare stehen.
Man fah wie es in feinen Zügen
liimpfte —- in den Zügen, welche die
fellre Reinheit, dieselbe Offenheit wiss
derspiegelten wie die der alten Frau.
Jent fchweifte ihr Blick aus der Fer
ne zuriick und haftete sich wie von un
sichtbarer Gewalt gezogen auf den
Wartenden.
Sie schral nicht zusammen, sie stieß
leinen Schrei der Ueberraschung aus
-—- sie lächelte nur ein unfagbar aliicks
liches Lächeln nnd öffnete die Arme
weit.
Da lam seitriaes Leben in die trat —
tende Gestalt: der Sohn wars sich in
die Arme der Mutter.
Sie waren beide Seines Wortes
mächtig. Die alte Frau blickte nieder
aus ihren Sohn, sie streichelte die wri
che Haarslut aus seinem Haupte.
Dann sagte sie lanasnm und weich:
»Mein Jung! Ich wußte, daß du wie
derkommen würdest· «Jch wartete täa
lich aus dick-, auch eben noch. Nun bist
du da. nun ist alles quil«
Er hob das Gesicht —- die tlaten
Auan standen voll Tränen.
»Mutter, verzeihst du mir? Es war
doch ein Schmerz siir dich, das-, ich
aina Und daß ich acht Jahre drau
ßen blies-F . · - s
,.Du warst anders wie die anderen,
mein Jung’. Du mußtest auch ander-T
eeleden. Nun ist alles gut, wo du doch
wiedergetommen bist. Nun mußt du
zniorgen zu helent Sie wartet auch
taus dich.·«
»Wer, Mutter?« Seine Augen blick
ten wieder aus.
- »Weißt du's denn nicht? helene hat
dich lieben gelernt, seit du sort bist.
Sie spricht nie davon, aber ich hab’ es
doch gemerkt. Wenn ich von dir er
zähle, dann siingt sie an zu aliihen wie
ein totbiielig Aevselchen. Die Zeiten
haben sich geändert; ei steht dir nichts
mehr inr Weg! Und weißt du, wie ich
tnie die susunst den« Wenn Helene
seit dein eigen wird. dann bleidsi du
hier, sie etbt ja ihres Vaters Ves.
Dann half ich dich sUr immer wie
der Sphi- schkmte He noch imm
groß an. Delenek Hatte er lie wirs
lich einfl aeliebi?getzt. soc eine Elifas
betlp sich ihm znr rast gegeben« schien
ei ihm untaslich« daß er einii an eine
helene gedacht Und nun stand es
so? Und nun lallte er seine Mutter
gleich bei der Wiederkehr enttäuschenii
Er biß sich schmerzlich nui die Lippen.
aber noch wollte das entscheidende
Wort nicht darüber hinweg
Dann stand er ani. und an feinem
Arme ging die alte Frau aebiial. aber
mit orrilärtern Gesicht dem Hause zn.
Die Geschwister halten ian auf sei:
nen Wunsch allein zur Mutter gehen
lassen. Nun aber gab es ein freudi
aes Begriißesn ein Fragen und Erzäh
len. —- jeder wollte den Heimgelehrten
gern siir sich haben.
Als der erste Ansturm vorüber war,
erhob sich die alte Frau von ihrem
Sitze und schritt langsamen Ganges
hinaus.
Hang bemerkte es. und blitzschnell
tani ihm der Gedanke:
«Saa es ihr seht, sobald wie ruhn-—
licht Es dars nichts ungetlärt sein
zwischen aus«
Er erhob sich und folgte der Mut
ter. Sie stand aus der Schwelle zur
Milchlammer. Als die schnellen
Schritte hinter ihr thhar wurden,
wandte sie sich lächelnd urnc
»Mein Juna". ich mai-. hier eben
zum Rechten sehen. das that« ich im
rner um diese Zeit·«
Er trat schweigend mit ihr ein und
schloß die Türe zu. Dann zoaer Eli
sabeths Bild aus der-Tasche und reich
te es der Alten ohne ein Wort.
Sie schaute zuerst in seine bittenden
erwartunasvollen Atmen Und dauu
aus das Bild.
Eine Pause entstand. in ier sie es
sehr aufmerksam betrachtete, Zuq um
Zug. dann fragte sie leise:
»Ist sie das. mein Juna’?«
»Ja. Mutter, das ist sie!"
»Dann will ich vorhin nichts aesaat
haben. Jn Gottes Namen sei es so!
Ties erschüttert stand Jensen vor
der schlichten Seelenariitre seiner Mut-·
ter. So lange Jahre hatte sie ihren
Lieblingsvlan genährt und still aus
seine Erfüllung aeharrt. So lieh war
er ihr aeworden, daß sie aleich nach
den ersten Minuten des Wiedersehens
ihren bang daran erinnern mußte.
Und so aab sie ihn aus. ohne Fra
aen, ohne Forschen, ohne Zweifel So
vertraute sie ihm! «
»Mutter —« sliisierte er, «woher
lannst du —-— so« — so arost sein?"
»Mir-ist du es arosz?«· erwiderte sie
mit ruhiaer Stimme. »Ich hah’ mit
Gottes Hilfe meine Kinder so erzogen.
hast ich ihnen in nltenDinaen vertrau
en san-i. Du wirst mir teine llnwiir
dige bringen. Das sagt mir auch ihr
Bild.«
Jensenssaate nichts mehr. Er schau
te nur seine Mutter an, und sie schau-·
te ihn wieder an, und jeder war in
tiesster Seele stolz daraus, daß der
andere zu ihm gehörte.
Atmen-.
Ant· den Eli-met innen einer alten Fenst.
Von Lisette-is
Die Scheeckensnochkicht, daß Genegi
tal von Monteussel die 30,000 Mann
stnkte Notdoemee der Franzosen ge
schlagen habe, due-heilte gleich einem
Sturmwind die Straßen von Amiens
Des stecke-gespenst.
Jene merkwürdig belenchteten Ne
beldildek, die man zunächst aus dem
Brocken beobachtet hat nnd die davon
den Namen Brockengeivenft erhalten
haben, bieten ein so phontnftisch gran
diosez Schauspiel, wie ei sich die
Phantasie nicht wunderbarek und zan
derhafter vorstellen kann. Der Bro
cken, seit altetslyer der Mittelpunkt
mytbologischen Hexen- und Teufels
wesens, legte den Gedanken nahe, daß
sich in diesen riesigen, schattenhaften
Schilden der Geist des Zauberberges
erhebe, der im Morgens-kaum oder
in der Abenddömmekung über seine
und verseife vie Einwohner in großen
Schrecken. — Manche-r schien es un
möglich, daß General Farre mit fei
nen Franzosen sich habe schlagen las
sen: aber es war ja doch eben geschehen;
und Gefchehenee kann nicht geändert
werden. —- Mnn hörte in der Stadt
Jammer über Jammer-« Noth über
Noth: alle Menschen. ob tapfer, ob fei
ge, verloren in diesen Tagen jeden
Muth: es wird erzählt, daß sich die
Frauen in Bodentammetm Klinge
wölben oder sonstigen Versiecken ver
bergen, um nicht den «rohen Pras
siene« -s— wie sie sagten —- in die
Hände zu fallen.
Der 28. November, ein lalter, srosts
ltarer Tag. den die Sonnenstrahlen
nur wie ein hauch erwärmten. brach
heran und mit ihm wuchsen die bangen
Sorgen um das Schicksal der Stadt.
Würde der Feind im Triumph einzie
hen und alles vernichten. wiirde er,
von seiner Kraft und lleberlegenheit
durchdrungen, alles niedertreten, was
ihm in den Weg lam? —- Wie sollte
man lich verhalte-it —- Ein schmerzli-i
ches Zagen und Trauern. gemischt mit
lpriihendem Haß, war in jedem Antlih
zu lesen.
Als aber gediinwster Trommelllang,
allmählich lauter werdend. in dieStadl
einzog und aus vielen Instrumenten
unt vielen heiseren, ermüdeten Kehlen
das liebliche Lied: »Ich bitt euch, liebe
Vögelein. will teins von euch meinl
Brte sein« erscholl, da verließen allel
ihre Versteete und lauschten, mit einer
gewissen Ehrfurcht vor ihrem BesiegerJ
diesem Liedchen. !
Welnnnth u. Rührung schlichen sichi
in manch haßersülltes Frauenherz, alsi
die tapsrren Königsberaer und Rhein «
länder unter Führung des Generals«
rvn Göben, mit zerrissenen Röcke-I,
durchlöcherten Stieseln. verbundenen
Köpsen und viele sich aneinander stüt
zend, duer die Straßen zogen. Es
war ein Trauerbild, wie die armen
Truppen von den verschiedenen Leiden
des Krieges mitgenommen waren
Nein! Leute, die so schöne, herger
greisende Weisen alg Boten in eine er- I
oberte Stadt schicken und die so hell
tslickende. zuversrchtliche Augen haben,
das können teine Barbaren sein!
Das einsache Liedchen hatte eine
arvsreBernhigung iiber die ausgeregten,
veröngstigtenGemiither gebracht: denn
trotz der empsindlichen Kälte össnetej
Hielt hie und da ein Fenster nnd manch
sgriineii Blatt, manch später Blüthen
zweig slatterte heimlich aus die sieg
jreich einziehenden Feinde herab.
Der Haß, der in den Frauenherzen
jgeschluinnrert hatte, war der Bewun
lderung gewichen. und wenn die schlan
ten blonden Helden es sich einsallen
ließen. einmal in die Höhe zu schauen,
tras sie meist ein theilnahnisooller,
warmer Blick.
Da hast und Liebe, wie belannt,
nicht weit von einander wohnen und
namentlich bei den Frauen der Nord
sranzosen die Liebe und das Mitleid
über dem Haß stehen, so war es auch
hier tein Wunder, wenn die glühenden
Augen der Schönen oon Amiens sich
Hunden-, ja nrinutenlang in die ruhi
gen Augen der Germanen verseniten,
um den wahren Charakter der seindi
lichen Rasse zu ergründen, worüber die
Deutschen aber sliichtig, ja nichtachs
tend hinwegglitten; denn wie die Son
I Gipfel schreite Aber das Brockengess
spensi ist nicht etwa nnk anf den
»Schaut-las der Faustifchcn Walpur
ais-nacht beschränkt sondern findet sich
überall in der Welt hauptsächlich auf
iBemem es hat auch andere Namen
erhalten wie z. V. »Meis- von Ul
loa«. nach den sich bildende-i eigen
Ethümlichen Lichts-jagen Tag erste
J Mal, daß diese-J atniofphörische Phä
s non-en beobachtet wurde, ift wohl in
. das Jahr 1744 zu setzen, wie J. Loifel
Ein einein Auffatz über das Brocken
gcfvenit in der ,,Natnre« einführt.
Die Reisenden Bongnek nnd la Con
dantine beobachtete-n eine solche Er
scheinung während ihres Aufenthalts
in Pera auf dein Gipfel des Pani
ne zu lchtvaå war, ihre halt-erfrorene
ntiiden Glieder zu ern-Sirenen, la wa
ren auch die duntel glänzenden sagen
der berückenskten Frauen nicht tät-is
die lriegerilch ge rnnten Herzen
ZOlielanen Kinder« höher schlagen zu ma
n.
Einer aber verstand es. in den trau
rigen Augen eine-; lieblichen Mädchens
eine ganze Welt zu entdecken, und diele
Welt wollte er siir sich ganz allein er
obern. —
Dauplnrann Karl von der Mark
lam. lal) und siegte in jedem Sinne!
Neck, bevor die Trupven weiter zagen,
hatte er sich mit Eecile de Champaigne
—- drrrn Vater bei Mars-la-Totir ge
fallen war, was sie allerdings erst lehr
viel später erfuhr -- verlobl, um.
wenn der Friede läute. sie nach feiner
Heitnatlt zu holen.
Und was Karl von der Mark ver
sprach, hielt et auch treulich. Am 10.
Oltober 1871 führte er seine junge
Frau in sein vöierliches Schloß ins
schöne Thüringer Land. Zwei Söhne
die der Liedesehe entsprossen, halfen
ihnen ihr Leben glücklich und zufrieden
verbringen« bis Karl in den letzten
Krieg auszog. ans dem es keine Rück
kehr gibt. ·
Gecile hat die Deutschen steti- qeliebi,
obgleich sie ihr den Vater qeiijdiei hat
len. «
·
Ute Iossl eine speiset-ri- niem
« Von dein grossen italienischen Tra
göden Ernesto Rossi erzählte ein gu
ter Kenner des italienischen Theaters-,
der stanzosische Schriftsteller Jean
Domizi, sent eine hiibsche Geschichte
Eines Abendg, als er mit einigen
Kunstgenossen speiste, lam die Rede
aus die uiiinische sinnst nnd ans die
Bedeutung dec- ttlugdructcs in der
Stimme, nnd Rossi vertrat die An
sicht, daß Miniit nnd Stimme allein
eine so getoaltige Wirtung auszuüben
vermöchten. das; es dabei aus den vor
getragenen Text nicht antoknme. Juni
Beweise seiner Ansicht machte er sich
anheischig, die s — Speiselarte, die aus
dern Tische lag, Vorzulesen oder viel
mehr sie oorzuspielen Er verpflich
tete sich, seine Zuhiirer durch den blo
seen Klang der Stimme und den rni
mischen Ausdruck seines Gesichts zum
Weinen iiber die Speisetarte zu brin
gen. Eine Wette wurde geschlossen
und Rossi begann init ganz einfachen
und breiten Arcenlen, bis seine Stirn
me anfing« zitternde Furcht anzudeu
ten. uin sich dann zum Angdruae des
Schiner-us zu erheben. Hier war sei
ne Macht iiber die Zuhörer bereits so
gross geworden, dass sie obgleich es sich
doch nur um Snppe un Gemiise
handelte, einander ganz bestürzt, an
sahen. Als aber Rossi weiter ging,
stöhnte und schließlich mit oerzerrten
Zügen in Thriinen ausbrach. da füll
ten sich auch die Augen seiner Zuhiii
rer mit Thränen Rossi hatte gewon
nen. Wenn die Geschichte wahr ist.
so bildet sie das Seitenstiiel zu dein
Triumph ,den Garrick davontrag. als
er eine Fußbanl in seine Arrne nahm
nnd mit diesem Reauisit die Szene
einer ihr todtes Kind beklagean
Mutter vorstellte-. Auch er, so wird
berichtet. wußte sein ansangs lachen
des Vublisurn durch diese Darstellung
aus das tiessle zu ergreisen.
bamaram ,,Eine Wolke ,dic uns zu
nächst ganz ein-gehüllt hatte und sich
dann zerstreute, ließ nns die ausstei
aende Sonne sehen. die strahlend
leuchtete-. Eine Nebeln-and wogte
von der anderen Seite herüber; sie
war nicht dreißig Schritt entfernt, als
jeder von uns feinen Schatten auf ihr
.proiizirt sali, und zwar nur feinen
eigenen, weil die Wolle leine eigent
liche Oberfläche darbot. Die geringe
Entfernung erlaubte ung, alle Theile
des Schattens zn unter-scheidend man
sah die Arme, die Beine, den Kopr
aber was uns in Erstaunen setzte,
» war daß dieser letztere Theil des Kör
pers, mit einem Lichtschein oder Au
teole geschmückt war.
Eine photographische Aufnahme du ,,ssoekenqeipesntnft4