Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 24, 1911, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats« Anzeiger und J cerold.
Jahrgang st. Grand Island Nebr. 24 Februar 1911 Zweiter (Thcil.) Nummer 27.
O pflegt das Heimgefttdli
euren Kindern.
Den preis ich glücklich, der an eignem
herd
Genüge sand, und dem mit lautern
Schlage s
Das Herz ties in der Brust tlopft,l
wenn ihm winkt s
Des festgebauten Hauses blanler
Giebel;
Ihm wird das Kleinste lieb, weit sich
um alles
Dem Epheu gleich Erinn'rung freund
lich rantt.
c pflegt das Heimgerdl in euren
Kindern
Und nährt in ihnen jenen ftillenl
Sinn,
Durch den das dåeelbetvegte Menschen
kö
Zusammenwächst mit unscheinbaren
Dingen,
Mit Kleinigkeiten, die die Welt ver
lacht!
Es drängt und treibt der Geist der
Zeit nach außen
Und rastlos jagen viele durch die Welt,
Nach neuen Reizen täglich neu ver
langend,
Und ehe sich das herz erschloß me
Blüthe,
Verweltt es kümmerlich in kalter
Brust.
Wer heimisch sich in seinem Haufe
fühlt.
Der fliegt nur gleich den Bienen in
die Weite,
Um Honig einzusammeln fiir die Zelle
Und des erworb’nen Schatzes sich zu
sreu’n;
Auch wird nur der ein tüchtig Glied
des Ganzen,
Der seine Kräfte übt in kleinen streic
Und frei sich fügen lernt in enge
Schranken.
D pflegt das«heimgefiibl in euren
Kindern!
Der Tugend beste Pflanzstatt bleibt
das Haus. -—·
—
Blaue Rosen.
Hunioregle von F. ff a d r o w.
»Und dabei bleibt’5!« sagte Tante
Christine, indem sie mit der ihr eige
nen Energie mit dem rechten Zeigesini
ger durch die Lust suhr.
»Tantchen«, erwiderte Konrad,
..streng Dich nicht an, Du weißt, wie
boclig ich bin! Und außerdem ist es
eine alte Erfahrung, dasi junge Da-:
men »weiß« meinen, wenn sie
»schwarz« sagen·«
»So! Ach, was Du mir leid thust!
Wo hast Du denn Deine große Er
sahxnng über das weibliche Geschlecht
her;«
ilonrad uinsaßte die kleine, hagere
Dame, was sie in Momenten deg Zor
nes durchaus nicht vertragen konnte,
und sliistertet
»Tantchen so wag fragt man
nicht!"
Darauf verliess er pseisend das
Zimmer. Es war aber nur ein ver
gnügtes und durchaus lein verächt
liches Pseisen
Tante Missel sant aus einen Stuhl.
»Dieses Gör!« murmelte sie. »Die
ses dreiste, grüne Ding! -- Untersteht
sich, mir Konkurrenz machen zu wol
len « mir, die ich seit zwanzig Jah
ren aus der ganzen Linie gesiegt habet
Die ich mein Vermögen meinen Rosen
verdaniel Und dagegen dasjunge, nn
ersahrene Geschöpsl Es ist zum La
chen!«
Sie lachte aber nicht. Erbost der
senlte sie sich immer tieser in den lite
danlen« welche Unversrorenheit doch
dazu gehört habe, ihr zu trotzen!
»Meinen Nessen will sie heirathen!
Aber mir will sie Konkurrenz machen!
Da hört doch wirklich alles ausl«
Dies war das empörte Resiimee,
welches Tante Christine zu einer etwas
voreiligen Aeusierung getrieben hatte.
»Dabei bleibt's.« ——- Das bedeutete,
dass Konrad, ihr Erbe, nicht Fräulein
Mite Konrad Dorn heirathen diirse.
Unterdessen sasz Käte Dorn garnicht
weit davon in dem großen Wohnzim
mer des Stadtgntshauses und soriirte
Veilchensamen.
Rosen und Veilchen waren ihre
Spezialität Und sie konnte mttreden,
obwohl sie erst wenig über zwanzig
Jahre alt war. —- hatte sie doch als
modernes Weib ihren landwirthschast
lichen Beruf gründlich angesaßt unds
l
aus einer Gartenbauschule zwei Jahre
lang gelernt. »
»Mitchen", sagte sie freundlich zu
dem derben, sonnderbrannten darin
der seinen Nachmittags-Kass« trank,
»Du wirst mir— doch ganz bestimmt
seit das zweite Treibhaui bauen? Ich
muß ei haben! Sonst wird die ganze
Blumenzucht nichts Nationelles.«
I »Hm« erwiderte Herr Dorn, »wenn
zDu mir so ne Plurre vol-setzt wie dies
Gebräu hier, da brauche ich eigentlich
nicht Treibhiiuser zu bauen!«
sz Köte sprang aus und kostete von
dem Kassee Er war ungewöhnlich
start.
»Unartiges Vätche n!,, sagte sie zärt
lich »Noch stärter kriegst Du ihn
icht, basta! Du willst wohl durchaus
einen Herzschlag bekommen?«
«Na«, erwiderte Herr Dorn, der
vergnügt dlinzelte, »das mit dem
Herzgist, das ist doch bloß Gerede!
Jch trinte nttn schon dreißig Jahre
lang starken siassee s- das heißt, das
wag Jhr start nennt; aber so wie in
der Mktei schmeckt er doch nie· Und
dort werden die Leute alle hundert
Jahre alt.«
Käte war nicht dumm, und deshalb
ging sie mit der größten Bereitwillig
keit immer wieder aus ihres Vaters
Steckrnpserd ein. « Er Ivar einmal
vor einein Menschenalter in Konstan
tinopel gewesen und sprach täglich
davon.
»Weißt Du«, sagte sie, »eigentlich
müßte ich dort auch einmal hin.
Rosen baut man doch dort meilen
weit. « Jch würde mir einige hun
dert Otuliertriebe mitbringen und
dann Frau Missel endgültig schla
gen. —«
»So? Jst das Dein Herzenswunsch?
Jch dachte, Du wolltest Konrad Missel
heirathen?«
»Will ich auch. - - Aber deshalb mir
Vorschriften machen lassen von seiner
Frau Taute? Fäilt mir gar nicht ein.
Jch habe heute Malchen gesagt, daß
ich jede Wette eingehe, aus der dies
jährigen Augstellung den Hauptwein
siir Rosen zu bekommen. - Bisher
hat sie doch alle die Frau Nachbarin
eingeheimst.«
»Warum hast Du ihr das denn
lagen lrtllclts Ho rllvch ryur mun;
Aber man sagt es nicht!« .
,,Vätercheu, Du bist schrecklich ge
scheut. Wenn ich sechzig bin, werde
ich ebenso gescheut sein! Aber vorläu
fig ärgere ich mich noch manchmal und
sage dann heraus-, wag ich denke.
Stelle Dir doch vor, daß mir Frau
Missel sagen ließ, ich möchte mir nnr
nicht einsallen lassen« sie »besiegen« zu
wollen! Das würde mir ja doch nie
gelingen meine ganze Gärtner-i sei
nichts alg eine Spielerei! — — llnd im
Vertrauen setzte dann die freundliche
Ileberbringerin der Botschaft « es
war Malchen Müller - - noch wonne
grinsend hinzu, daß Frau Missel nie
mals die Heirath mit Konrad zugeben
würde, wenn nicht zuvor verschiedene
Himmel einstiirzten!«
»Malchen Müller heißt, wie Du
weißt, die Kreisllatsche. Der mußt
Du immer nur die Hälfte von dem
glauben, was sie sagt. Frau Missel
ist ja nur neidisch.«
»Na ja, das ist es doch eben! Weil
ich auf den letzten Ansstellungen ein
paar Preise belommen habe! Außer
dem sieht sie, daß ich mit meiner
Gärtnerei Einnahmen erziele; das
wurmt sie jedenfalls auch! lind Kon:
rad weiß, way- ich geantwortet habe.«
»Was hast Du denn geantwortet?«
»Ich habe ihr sagen lassen, eine
bloße »Spielerei« brauche sie doch nicht
zu fürchten. Und ich würde ihr be
weisen, daß ich itn Juni den ersten
Preis bekommen würde, deshalb
bin ich ja so ängstlich wegen des
Wetters. Väterchen!«
,,hiittest Du nicht geprahlt, so
brauchtest Du teine Angst zu haben.
Natürlich hat auch Malchen dreimal
so viel bestellt, wie Du gesagt hast. —
Na - sieh zu, wie Du aus der Klem
me kommst! Es ist lein gutes Rosen-—
jahr, soviel ich merke. —- Worauf
vochst Du eigentlich mit dem ersten
Preise?«
»Ich will grüne Rosen ansftellen
Gras-grüne Rosen.«
»Pfui Deildel!« sagte Herr Dorn.
,,Vätchen, bei Prämiirungen tommt
eo nicht auf die Schönheit an, son
dern aus die Außerordentlichteit.«
«So- »Dann will ich doch auf die
nächste Mastviehausstellung einen
Ochsen schicken, der anstatt Fett lau
ter Knochen hatl Das ist dann auch
außerordentlich!« '
Käte lachte, aber sie antwortete
nicht. —- Jn Wirllichleit machte ihr
diese Juniausstellung schwere Sorgen.
Das war noch reichlich sriih siir Ro
sen, und doch wußte sie, daß Frau
Missel jedes Jahr die Medaillen und
Preise dafür einstrich. Jhre Gärten
waren alle nach Sitden gelegen, und
mannshohe Decken schätzten sie gegen
Wind. Da war es kein Kunststück,
zSchnittrosen zu züchten! Käte’»s
sGiirten lagen mehr nach Westen, und
die Schuhhecken waren noch nicht sehr
hoch, da sie erst vier Jahre standen.
Uebrigens hätte sich Kälte nicht u1
einer Nso kvoreiligen 8Reda hinreißen!
lassen, wenn nicht Malchen Mülleti
ihr angedeutet hätte, daß Frau Missel
aus einer »Partie« sitr Konrad be
stände. —— Eine ,,Partie«, so ungefähr
wie Malchen selbst! Diese war tausend
Morgen Weizenbodem siinfzig Stücl
Milchvieh und ungezählte Goldstücke
schwer. Daß sie ein bischen start
in die Saat geschossen und ganz ent
setzlich ilatschsiichtig war, das kam
nicht in Betracht.
Is· Is- si
Die nächsten Wochen brachte Röte in
wachsender Aufregung zu.
Konrad, mit dem sie nicht regelrecht
oerlobt war, der aber mit einer
Sicherheit ohnegleichen stets erklärte,
er werde Dorn-Z Kätchen heirathen,
wurde in dieser Zeit von ihr schlecht
behandelt, obgleich er doch ganz un
schuldig an Tante Missel·g spihen
Reden war.
Unverdrossen laut er aber troßdein
jeden Mittwoch und Sonnabend wei
ter nach dem Stadtgut er hatte ge
nau eine Viertelstunde zu gehen
nnd neckte Kate, die über ihren Ro
senstöcken, wie er sagte, ,,briitete«.
Sie waren Nachbarstinder und duz:
ten sich noch seit der Kinderzeii. «—--—
Auch hatte er sie von jeher gern ein
wenig aufgezogen; er behauptete, da
rin zeige sich die wahre Liebe.
»Köte«, sagte er, »ich bin Chemiler,
ich tann Dir vielleicht einen Rath ge
ben -—-- Landwirthschast ohne Chemie
giebt es doch nicht. - Verrathe mir
doch, was Du eigentlich augstellen
willst.«
»Rosen«, erwiderte sie turz.
»Na ja, das weis; ich fa. Was
denn siir welche? Vielleicht welche ohne
Dornen? So, wie Du « keine bist?«
»Bah, die giebt es längst! Jch will
etwas Neues bringen! Ich weiß· daß
die Juri) dafur die ersten Preife
giebt.«
»Ach fo! Vielleicht tarirte Rosen?
Geftreifte giebt es doch auch längst.«
Er lachte sie dabei so lustig an, dafH
sie wider Willen initlachen mußte-.
Dann seufzte sie:
»Ich will es Dir gestehen, wenn
Du ec- nicht Deinem Drachen von
Tante verräthft. — Grüne Rosen will
ich bringen«
»Griine? Haft Du das schon
gemeldet?«
»Jetzt im Mai? Ich werde mich
hüten! Jch man doch erst sehen, ob ex
gelungen ift. -- Wenn ich nicht siege,
Konrad ——— dann — dann —
»Dann heirathe ich Milchen Miil
·ler", versetzte er ernsthaft. »Und
spät ein, daf; Du ohne meinen Bei
stand nicht siegen lannst.«
Entrüstet gab sie ihm einen Wans,
denn er war ihr unnöthig nahe ge
iomnien, während seine Augen immer
mehr lachten.
»Das wäre ja noch schöner!« rief sie
aus-. »Bildeft Du Dir ein, ich tann
nicht ganz allein durchsehen, wag ich
mir vorgenommen habe? Und daß
ich sitzen bleibe, wenn Du Malcheu
Müller nimmst? - Haha!«
Es tlang wie ein schlechtes Bühnen
lachen, wag sie da eben laut werden
ließ« — Aber er fuhr ungerührt fort:
»Die Sache ist ziemlich ernst, Kate.
Die Tante wiirde unerbittlich bleiben
wenn sie sich nicht selbst gebunden hät
te. Sie hat mir nämlich in Trotz
und Hohn erklärt, wenn Dir das ge.
länge, dasz Du sie mit den Rosen
»schlägst«, wenn Du den ersten Preis
für Schnittrosen betomnift, dann
würde sofort meine Verlobung mit
Dir veröffentlicht, und sie zahle mir
dreißigtausend Mart aus den Tisch
damit ich die tleine chemifche Fabrik
anfangen kann, die ich plane.----—-Ber
lierst Du bei dieser Konkurrenz, dann
hält sie ihr Wort aber ebenso sicher,
und sie hat mir versichert, daf; ich tei
nen Heller von ihr bekomme, falls ich
es mir einfallen ließe, mich trotzdem
mtt Dir zu oerloben.«
Röte stampfte mit dem Fuße auf;
nur wenig, aber sie staiupfte doch·
»Und ich werde gar nicht gefragt?
Jch werde bloß so einfach s- genomi
inen? »s— Bist Du denn rein überge
schnappt?«
»Ach bewahre, aber ich weist ja
doch, daß Du mich nimmst! Fittichen
gieb mir einen Kuß!"
Dabei hatte er sie aber schon so fest
in seine Arme geschlossen, daß es kein
Entrinnen gab. --- Vielleicht war esl
auch nicht der erste Kuß, den er sichs
raubte - Jedenfalls sträubte sich»
Köte nicht lange, und der Friede zwi
chen ihnen war geschlossen.
»Grüne RosenC das hatte sie ihmi
anvertraut. Grüne Rose sollten es
werden. Er hatte den Kopf dazui
geschüttelt und ihr gerathen, keines
Farbe zu nennen; wenn es nun doch;
tein Grün wurde! —- Aber etwas Unsl
gewöhnliches mußte es werden, so viel
stand auch beiihm fest.
Der Mai verging, der Juni brach
an, und Käte sah mit Sorgen und
Schmerzen, daß ihre erwarteten grü
nen Sprößlinge ---- einfach weiß wur
den.
Sie war außer sich!
Ein solcher Mißerfolg aller ihrer
Mühen! -—— Mit weißen Rosen konnte
sie doch im Leben nicht die Tante aus
dem Felde schlagen!
Eines Tages fand Konrad sie in
Thränen. -—-— Er war nichts weniger
als großnriithig, denn er sagte:
»Siehste!« zu ihr. Dann fuhr er fort:
,,.5iiite, willst Du in Deinem ganzen
Leben nie wieder behaupten, das-, Du
ohne meinen Schutz und Hülfe aus
komrnen kannst, so will ich Dich ret
ten.«
Sie blickte auf, mit rothen Augen
und rothetn Nägchen und niclte klein
laut.
»Na gut!« sprach er mit plötzlich
aroßmiithiger Miene. »Dann kümme
re Dich mn gar nichts-. Jn vierzehn
Taan hast Du Deine Siegespalnie.«
Jn der allertiefften Abenddämnrei
rang und der allerfriihesten Morgen
dännnerung hätte man fortan zuwei
len Konrad Missel in Kätes Rosen
Ltlnlagen erblicken können, wo er doch
rein gar nichts zu suchen hatte.
Man fah ihn aber nicht.
Und der Tag der Ansstellung nahte,
nnd auf dem Stande von Fräulein
Röte Dorn laaen - lornblane Ro
fen.
Sie bildeten den ,.(5lon« der Aug:
stelluna.
Zie waren mehr sonderbar alsJ
schön, aber sie hatten eine prachtvolle
Form und einen eigenthiimlichen Duft,
der ein wenia an Lavendel erinnerte.
,,«’fainoz!« sagten die Preisrichter
»Von dieser ktiosenziichterin können
wir noch Großes erwarten! Sie be
tomint die goldene Palme«
Die goldene Palme, das war der
erste Preis! Außerdem war es eine
»sehr hübsche Brosche.
Herr Dorn stand neben seine strah
lenden Tochter vor dem Stande nnd
sagte mit Stentorstiinme:
»Na, Käthe, ich denke, es sollten
ariine Rosen ..... «
«Schlvieaervater«, sliisterte Ilion
rad, der ihn heftig in den Arm ac
tnissen hatte, »so etwa-·- saat man doch
nicht!«
Niemand erfuhr, welche chemischen
Wunder hier gewirkt hatten. —- Die
Rosen standen blan ani Stamme,
davon tonnte sich selbst Tante Missel
überzeugen, die, ob sie wollte oder
nicht, die Waffen strecken mußte.
Es aab Verlobung, Versöhnuna,
äußerste Neugierde d"er Tante iiber dac
Bersahren, vermittels dessen man
blaue Rosen erzielte, und einc Andeu
tung Vater Dorn’g, das-. man in der
Tiirtei immer blaue Rosen ziichte
Erst nach zwei Jahren ahnte die
Tante den Zusammenhang. Denn zu
dieser Zeit wurde in der chemischen
Fabrik von Konrad ein nnsehlbares
Mittel angefertigt, um Blumen von
der Wurzel aus blau zu färben.
Sie war aber tlna, die Tante, und
sagt-e tein Wort. Und Stäthe hatte ihr
ganzes Herz acwonnen, indem sie die
Rosenzucht ausgegeben und erklärt
hatte, eine verheirathete Frau und
Mutter habe ganz anderes zu thun.
Und damit hatte sie ja schließlich
auch recht
-—
Bilderschwindel in Paris.
Kürzlich wurde dem Louvre die be
rühmte Getnäldesannnlun«.1 des ver
storbenen Pariser Erzmillionärs
Chanchard einverleibt und das franzö
sische Nationalinusenm dadurch um ein
vaar Dutzend Meisterwerte der Schule
von Mist bereichert, vor allem um eine
Reihe tlassischerSchöpsungen von Mil
let, Carot, Dierz. Um diesen Preis inusz
der Staat,der sich die Schenkuna durch
Verleihung des höchsten Grabes der
Ehrenleaion an den sonst in keiner
Weise verdienstvollen Krösus erwarb,
auch ein paar Dutzend höchst minder
werthigerLeintoände, die zur aängiaen
Martiwaare im Bücherhandel der
Seinestadt zählen, wohl oder übel in
den Kauf nehmen, so wenig sie der Be
deutung eines Museums vorn Range
des Louvre anstehen mögen. Ge
schentt ist geschenkt. — Und leider war
der Miicen Chauchard größerer Sach
lenner aus dem Gebiete von Wäsche,
Modeariiteln, Konsettion, wodurch er
zu seinem Riesenbesctze gelangt war,
als aus dem Felde der Kunst, wo es
für ihn nur ein einziger Maßstab zur
Werthung gab; den der KostspieligteiL
Die großen Kunstwerke, die den ei
gentlichen Werth jener Galerie allein
ausmachen, toren nie hineingerathen,
hätte nicht das ungeheure Gebot ande
rer Liebhaber den Ehrgeiz eine-s Chan
chard gereizt. Den Angelus Milletg,
der jahrelang zu bescheidenem Preise
von Hand zu Hand ging, kaufte er erst,
als durch ninerilnnischen Wettbewerb
dass- Angebot die damals ungeheuer
liche Summe von 850,000 Franken er
reicht hatte. Kurz, Chauchard war so
recht, was der Wiener eine Wurzen
nennt, und die Pariser Kunsthändler
trären schlechte Geschäftsleute gewesen«
wenn sie diese schätzensiverthe Eigen
schaft nicht nach Leibesträften ausge
niitzt hätten. Sie iiberredeten ihn zu
fortwährenden Uinänderungen, Ver
täufen, Neuanfchnffungen für seine
Gnlerie und brachten dabei reichlich ihr
Schäfchen ins Trockne Und da der
Mäcen einen auserlefen schlechten Ge
schniact besaß, wäre auf diese Weise
eine wahre Schreckenstannner zusam
inengetommen, hätte Chauchard nicht
glücklicherweise einige sachverständige
Freunde besessen. Ihrem-Rathe ist eg
zu danlen, dnfz die Schenlung Chan
chnrdg den Louore thntsächlich berei:
cl:ert.
t« war auch ein reiner Gliiclszu
full, dussz Chauchard, dessen Port-enti
feele sich so leicht durch jeden äußeren
Glanz bestechen lief-« nicht einem
Glücksritter von der Art des »Grafen«
t-’Aulbn, Exprinzen von Bootghetto
und Lusianan in die Hände fiel, der
gegenwärtig vor der Straftannner von
Tours zur Erheiterung des Kriininals
publikunig und aller Zeitunggleser sich
dafiir rechtfertigen muss-, der reichen
Vlinerilonerin Mißreß Paine seine
wohl nssortierte Bildergalerie von
mehr oder minder guten Fälschuugen
into echte Milrillog, Tiziang, Ruhean
usw. für schweres Geld aufnehängt zu
lsnben. Ein in seiner Art vollkomme:
nciz Exemplar des Bilderscbioiiidlers,
dieser Graf d’Aulby. — -- —— Höchstens
die wundervoll geschnittene Kleidung
des korrekten und eleganten Gentleinan
auf der Antlagebant könnte andeuten,
das-, sein Erzeuger der Herrentonfets
tion angehörte. Erblich war wobi
ansb des Pseudografen schier patholo:
gische Liebhaberei fiir poniphafte
Phantasietostiime. So hatte er sich ein
ioundersameg Kostijm eine-Z Ritters
vom Melusinenorden zusannnenlom
Poniert, mit dein er sogar aus einem
der Substriptionsbälle im Elvsee pa
radierte. Seine Seele war durchaus
durchdrungen von der Wahrheit des
Wortes ,,.sileider machen Leute!« Und
diese Ueberzeugung hat ihn ia auch
nich« getäuscht Die vollendete Außen«
seite des Grafen d’Aulbu, sein welt
mönnisch-sichere5 Auftreten, dem als
pitante Würze etwas sentimentale
Kitnstlervose beigesellt war, konnte
den beabsichtigten Eindruck auf die
Ameritanerin und ihren Gatten, nicht
rerfehlen, denn die sonst im Geschäfts
leben so getvitzten Ueberseer erscheinen
entzückend naiv, toenn sie einem lon
tinentalen Hochstapler von großem
Wesen und tlingendem alten Namen
in die Hände gerathen. Wie tonnte
man an der Echtheit eines Grafen
zweifeln. der mit so eindringendem
Verständniß über Kunst zu plaudern
wußte, dessen Schloß in der Touraine
von Ahneubildern und Meistertoerten
mit den Namen eines Correggio, van
Duct, Tiiian, Largulliere, Grenze
usw. nur so toimtuelte, und der die
wahrhaft vornehme Uneigenniitzigkeit
besaß, seinen nach Kunstbesitz lüsternen
Fieunden diese unbezahlbaren Schätze
fiir einen Pappenstiel hinzugeben.
Denn ioasJ sind 40,()s)0 Franken Jah
resrente, die sich der Graf alg Gegen
leistung ausbedang, angesichts jener
Schätze, die den Direktor des Louvre
und der Galerie Pitti neidifch machen
könnten?
Graf d’Aulbi) ging in seinen
Freundschaftgbeiveisen noch weiter. Er
besorgte den Yankeeg auch echte alte
Möbel in vorzüglicher Nachahmung
als sie sich dauernd in Europa nieder
lassen wollten, und schließlich wurde er
sogar zu ihrem Weinlieferanten. Das
tvar sein Unglück. Denn erst da merk
ten es die Freunde, daß sie es mit ei
nemFiilfchcr zu thun hatten, und wur
den ungemijtlich Die Folge ist dieser
merttoiirdige Prozeß gegen den Melu
sinenritter, der leider seine hohe Ab
tunft von dem Kreuzzughelden Veit de
Lusignan mit keinem Schriftstiicke
glaubhaft zu machen vermochte, seine
Handlungstveise gegenüber den Ame
ritanern aber damit zu rechtfertigen
suchte, daß er ihrer Doll. nothwendig
bedurfte, um der Welt ein musikali
sches Meisterwerk, eine Oper von nn
erhörter Schönheit, zu schenken. Es ist
ein Jammer, daß diesem Talente nun
die Schwingen gebrochen werden sol
len, bloß weil die Meisterwerte der
Galerie Paine nicht ganz echt find.
Eine der biühendsten Industrien der
französischen Metropole, der Bilder
schtoindel, worin es zahlreiche begabte
Persönlichkeiten zu Meisterschaft, An
l
Ifehen und Reichthum gebracht haben,
müßte turzerhand lianidieren, wollte
die angenehme Knndschaft von jen
fents des großen Baches erst anfangen,
wirkliche Ursprungszeugniffe für die
erworbenen Schätze zu fordern. Bis
jetzt hatte man sich mit Recht begnügi,
einen großen Namen mit exorbitantem
Preise bezahlt zu haben. Mochte der
Carot, den man fiir eine halbe Million
erworben hatte, auch in Wahrheit von
Tronillebert gemalt sein: was that das
zur Sache? Weder Besitzer noch Besu
cher hätten zwischen den beiden ja ir
gend einen Unterschied festzustellen
vermocht.
Die Unterschiede sind, danl der
Kunst, die auf das Fäifchungsaewerbe
verwandt wird, oft in derThat so fein,
daß selbst in Europa die Kenner häu
fig genug grimmig getäuscht werden.
Zwischen Käusern und Verläufern
herrscht der gleiche auf immer größere
Vervollkommnung der Kamvfmittel
zielende Krieg wie in der Jndustrie
der Kanonen und Panzerplatten Je
raffinierter sich die Methoden des Er
tenneng gestalten, um so schlauer geht
der Fälschungstiinstler zu Werte, und
vom rein technischen Standpunkte ist
es oft eine wahre Lust, seine verfeiner
teu Methoden zu verfolgen, sowohl in
der Herstellung des Werkes wie in der
Art undWeise, in der es an die »War
3en« abgesetzi wird. Der im Prozeß
gegen den Melusinenritter vernommene
Sachverständige, der Maler Carier
Velleuse erklärt selbst, daß in der Ga
lerie der Mrs. Maine sich eine Anzahl
trefflich gelungener Fälschungen befin
den, nnd er weiß selbst manche-«- Stück
lein von der Verfchlagenheit ihrer Ur
heber nnd Helfershelfer zu berichten.
So erzählt er, daß ein ihm bekannter
Bilderhändler dreimal die gleiche Ga
lerie von Meisterwerten erneuern ließ
und immer wieder dafür einen Häuser
fand. Desgleichen berichtet er, daß ein
von gleichen Schwindlern hineingeleg
ter Betaunter diese aufforderte, die ge
fälschte Waare anderweitig unterzu
bringen und ihm daraus 25,000Fran
ten als Schadenersatz zu entrichten.
Nach kurzer Weile lehrten die Händler
wieder und lZahlten ihm schmunzelnd
die 23,sn)0 Franken aus. Sie hatten
nimm Franken aus den Fälschungen
gelöst! Und alle Welt war zufrieden
Der Melusinenritter und seinesglei
chen dürfen sich a- Vollstrecter eines
Schicksalgwillens betrachten nnd des
halb mit Fug auf die Milde der Rich
ter Anspruch machen. wie sie auch der
nachfichtiaen Sympathie des Publi
kums aewiß find. Verschaffen sie ihm
doch die reinste aller Freuden ---—— die
Schndenfrende.
——-—«
Eine seltsame Lehre.
Jn der Zeitschrift des Allgemeinen
Deutschen Sprachvereins lesen wir:
Ein preußischer Amte-richten nach ei
nein anderen Orte versetzt, giebt seine
Besuchgtarten ab, und darauf steht
unter Namen und Amtsbezeichnung,
wobei auch der Lieutenant der Land
wehr nicht fehlt, die Abkürzung p. p.
r. Er erhielt darauf folgende Ant
wort, die vielleicht auch anderen Stin
dern dieser Art gelegentlich zu Herzen
gehen wird:
Jch las Deine Karte mit tiefem Weh:
Ein deutscher Richter und -— p. p. c.?
Ein deutscher Richter, ein deutscher
Soldat?
O dafi Dich gereue die Greuelthat,
O daß Du Dich endlich möchtest be
quemen,
Von solcher llnsitte »Abschied zu neh
men«,
Die der Muttersprache, der trauten,
vergißt! « —
»Gedenke, daß Du ein Deutscher bist!«
Jn der Komödie des Lebens ist die
Freundschaft eine Kulissenwandc wenn
man sich daran anlehnt, fällt sie um.
et: -t: Its
tfg gibt nichts Dummes in der
Welt, das nicht schon einmal dagewe
sen wäre, und nicht-Z, das sich nicht ge
legentlich wiederholen wird.
It- -l- st
Gehöreu den verheirateten Frauen
ihre Kleider? möchte eine Suffragette
wissen. Das kommt daraus an, ob sie
bezahlt sind oder nicht; sehr oft sind
sie es nicht.
st- It- st
Jeded echte Glück genießen wir drei
mal; in der Erwartung, in der Wahr
heit und in der Erinnerung.
It- Ilc st
Wir werden alle in der Jugend mit
so viel dummen Jllusionen vollges
pfropft, das; das Leben nicht aus
reicht, sie wieder los zu werden.
sie Il: Zi·
Die Nervosität wird von vielen
Leuten als Privilegium betrachtet, den
anderen Leuten unangenehm zu wer
den.