Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 24, 1911, Zweiter Theil, Image 14

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    Ein Roman
Ueue Menschen
Von A. Flach
itz. Fortsetzungt
- Der Vater. schon nrr der Innr.
drehte sich rufe nnd donnerte: ,,Jnnge,
Deine dummen Theorien wiu icn neir
noär gefallen lassen. vergiß nur nicht
tsen Respett, den Du mir schuldest.
»Jenseits rothbrannee Gesicht ent
iqkkpte sich.
»Äespett?« sagte er mit behenden
Lippen. »Ein alter- Wcrtl Wir sage
ttente »Achtnnq«, nnd die wird nicht
etzwungen . durchI lautes Spre
cis-ruf
Im Nu stand Herr Schtvetrdt dem
Sohne ge eniiber und rief mit zorr
crstickter · timmez
»»ltobert, ich bitte Dich, te!
Wort mehr sonst Gott u
l-iite, ich könnte ....·'
Iltirtbilde sprang mit schiotternden
Linien und bleichem Gesicht dazroi
schen; sie umschlang den Vater uns
birts
»Posa. llebster Parm, . ·. ich ilelts
Dich an· .. .. berirltixre Dich . . .. Mo
bert wird schweigen."
lieber Roberlg Gefecht lna ern eisi
ges Lächeln ausgebreitet er stectte di
Hönde in die Taschen seiner Sammet
jaete nnd mipptr mit dem rechte
Fuße. Seine Rasensliiael deinenten
sich lebhaft, als- er ruhig ante
«Svnsl . .. Patro, Du willst doch
trittst angedeutet haben das-, Du nriclx
schlagen würdest?
Gurgelnd tarn ec— teidcnichntttich
zurück
»Und weitst? Du willst doch nicht
sagen, daß . . . . Du Mensch ohne Ge
sähl nnd Bernrtnft!«
Nun verlor Robert doch seine bis
her mühsam bewahrte iinßerk Ruhe.
..... zischelnd ries er:
»Dn meinst doch nicht, daß ich so
etwa-Z ruhig hinnehmen würde. Wenn
Dn die Hand gegen micn erheben soll
test, bist Du nicht mein Vater, son—
dein ein Fremder, der sich nn mir
vergreifen will, nnd ....«
»Zuk! . insamer BubIC schrie
der Vater nnd stürzte aus Robert los.
Mit einein Aufs-drei brach Mathilde
zusammen. Das brachte den Vater
sofort zu sich. Er bolr die Halbohn
mächtige vom Boden, trug sie aus den
Dir-an nnd bemühte.sich, sie wieder
II sich zu bringen« der Schweiß trat
ihrs aus der Stirne hervor. Er blickte
Mk bilsesucheud nat sieb, sah Robert
seit dastehen nnd-Es ihm zu:
«;,secke die Mann-! Und dann
sort auf meinem Hauses-speist
Robert the zur Thiir hinan-i
2. K a p i t e l
Als Frau Johanna ins- Zimmer
stimme hatte sich Mathilde tieretth
wieder ein wenia erttolt Bald darauf
kenn Dr. Sellin, dctt Robert itebtucht
hatte.
»Nichts als ein netnijser Li-t)oct«,
sagte der Arzt. »Dir-s auf Weitere
kräftige, leicht verdanliche Kost einiae
s Tage Bett hüten, dann viel Sonne
eengehen, Vermeidung jeder tir
regung· Jnt Sommer toollen toir
sann etwas Gründlicheg in sitt-griff
nehmen Ach fa. dasj- Großstudtle
ben!« rief er plötzlich ntit inmiter
Zorn. »Das macht die Nerven re
belästi- Hiitte ich Gesetze zu machen,
müßte jeder Mensch bis zu seinen
zehnten Lebensjahre ans dein Lande
Leben, und von da ab je fiitts Jahre-(
abwechselnd draußen nnd in der!
Grabstadt verbringen in der alleint
mild-dingte geistige Nahrung in genij l
jgendem Maße und in der geeigneten
EQualitiit vorhanden ist Dann tviir
n wir weniger Bleichgeftchter und
Fiel mehr glückliche Menschen haben
Na Frutein Matbitde totl sofort zu
;sette gehen und an nichts denken
Morgen komme ich wieder, -— blos zu
Ihrer Beruhigung Gute Nacht al
letteitö!«
Auf dem Treppenaana erwartete
ihn Robert in ängstlicher Spannung.
Die Auskunft des Arztes betuhiate
Ebn. Er begab sich in sein Zimmer.
Er saß lange nachdenkend irrt Fau
teuiL Dann schrieb er: »Liebe.
aut-: Manto! Es ist mir nttn llar ge
worden daß ich mit Papa niemals
sit-Motiven met-de Nach feinem,
, trqu tief Ietlefenben Benehmen von
.. heute Nacht sann ich nichts anderes
i n aljhas Elternbaus verlassen.
— tI zieht aortiiuttg ins hotet Ger
muta· Stände Dich nicht. Du beste
ones Matten nimm die Sache nicht
tragisch und bedenke daß dein Vater
Dir und mit nun viet Aeraee erspart
bleibt Wie, wenn ich einige Jahre
Inst-nd gegangen wäret So
sie mich doch in der Nähe
lde beede« ich trotzdem nicht ans
« W verlieren das thut Both
M Wirt sich gerade in einein
.. , W. Der Vater itt
« MM pl schwach; Du, Ma
W M — Ds glaubst -aut
Its-O Cassius-M einwirten zis
d- MAX dsit Mathit
Ists Ists M M ein Mädchen
M if. U bat is unso
s M tut Moder-sitzt
s MMJ W sah. Und
· — ta- W set-kapu. to weh e-.
TM W dass its mein the-»si
- .."" werde rauft ontattenj
My- ikts ot- trh nicht text
,x"
Stteben billig-te Jch halte sie blosss
siir zu schwach· nicht blos törderlich.(
und will verhindern. daß sie mitten»
aus dem Wege zum Neuen zusammen
breche Jch tiisse Dich als Dein ge
treuer Sohn Robert.«
Nachdem er den Brief geschlossen
und ihn so aus densTisch gelegt hatte,«
daß er jedem Eintretende sosort in«
die Augen salleu mußte, begann er!
seine Kleidungssiiiae. Bücher. Briese
zusammenzusuchen und packte alles
sorgsältig in den Kaiser, der seit derl
Rücktehr von seiner letzten Agitations-«;
reise in der Provinz noch irre Zimmer
stand. ;
Es war vier Uhr Morgen-T als er:
damit fertig war. Es oerlohnte ihm(
nicht mehr der Miit-O sich erst auszuss
tkeiden und zu Bette zu gehen; ers
legte sich»in den Kleidern aus die Deckel
und tauchte eine siaarette nach der!
andern. I
Nun sich sein Blut längst beruhigt(
hat· glaubt er unparteiisch sagen zu;
tönnen, daß nicht er an dem heutigen
Streit mit dein häßlichen Endes
Schuld aetragen hat. Seine Absichts
ist eg gewesen« durch eine ernste, sach-’
gemäße Aussprache ein sriedlichekesj
Verhältnisi anzubahnen, -—- schon derI
Mutter in Liede. damit sie zum nun-z
dessen den Familienseittag in ungeij
iriidtrr Heiterleit begehen könne. Au
einen dauernden Frieden mit dem;
Vater lounleftsiodert nun gar nichts
mehr akaulsen lis- ist nicht einmal«
gegliidL siir die lurze Spanne Zeit?
die seiudliche Stimmng zu bannerH
Er ruft sich noch einmal die stiiriui H
fche Szene in das Gedächtniß zurürli
und springt nun empört vom Betti
herab, denn er sieht wieder die herri (
sche Miene des Vaters, vernimmt dass
drohende «Sonst« . . .« Welche anma- l«
ikende Anschauung daß der Vaters
oder Mutter der unsehlbare Richters
der Kinder sei! und wie läppisch dies
Motivierung ist- gerade als ob es eini
Alt besonderen Edelmuthes wäre, daß
Eltern den Sprößliirg lieben! Da:
rang leilet man dann Allioissen unds
das Recht aus Tyrannei ab. llmge I
tehrt soll das aber nicht gelten — »
das erwachsene, reise Kind darf die
Eltern nicht richten, das iiingere Jn
owtvttttllt· OCL lltt Attqrtukmrn urt]
der stetig fortschreitenden Rtiltiirs
geistig enttvickelter ist, soll Ztirecht I
iveisitnn nnd Bestrasnng für irgenvi
ein begonnenes Unrecht schweigend;
hinnehmen und dars den Eltern mels
che es- trast eines Natiirgesetzes doch
uiich liebt, leine Handlung Meiner-«
sen, selbst dars das Kind es i«?et«,t,;
wenn seine Erzeuger eben dalielbel
Unrecht begannen haben solltet-. Was
Dein lsinen recht ist« sei dein Alster-i
billig.
»Alt, wenn er e-. aciwgl hätte, mich
zu beriiliren«. sagte ei mit sie-irrer
Stil-inte, »ich lsiitle . . . ich hätte ....««
Er blieb ans einnml stehen« wie wenn
ilin die physische straft verlassen hätte,
die erhabenen Fäuste fielen ihm herab
nnd dtsneten sich, ein Schüttelsrost er
faßte ihn. Er snnt in einen Lebt:
srnnl Abscheu aeaen sich selbst iilier
tnm ils-i tsg tröstete ibn nur wes-ich
das-, ei insg- schensiliche Wort nicht nitch
itngqestvrochen hatte; ini Geiste war
rsxs in doch erringt So ties ist er also
qesnnleiil lfr bedeckte sich mit den
Händen das Gesicht vor Scham nnd
Reue So martert: er seine Seel-;
lange, lnnae Dann ioard es in ibni
nilntälilirli ruhiger-, er spürte deutlich,
wie seine Gednnlentbiitialeit erschlass
"t: nnd eine wohliae Hjlattigleit in
Körper nnd Geist sich nugbeitete ..
»er nthmete nun auch regelmäßig, rn
jtiiger sind schlief endlich ein.
l Gegen acht Uhr Regens erwachte
ler qelriistigt und frischen Geistes-. Er
lerinnerte sich gleich der Selbstvorwiir
ie, der zerinirschten Stimmung und
lächelte Wie tbiiricht, sich eines
imaginären Vergehen-r- wegen zn quä
len! Wenn die Menschen sich nur
des salschen Pathos- entledigen könn
ten, sie toiirden ihres Lebens sroher
werden.
Er sah zum Fenster hinaus.
Ein diisterer Morgen. Graue- Ge
wölk zog eilig iiber den himnret Von
den Dachrinnen tropste es unaufhör
lich, eintisnierv Schlüpsriger Schmutz
bedeckt-.- Fahestrash und Trottoir. Das
heftige Flottern einer Fahne ein einein
gegenüberliegenden hause zeigte, wie
windig ek- ioarx und baß der Wind
tnlt wehte, ertonnte man an den blan
rothen Gesichtern und dein Hasten der
Massen-ten
Ohne dass Robert sich dessen be
mißt ward. sei-stimmte ihn das un
tre-endliche sssetter. Er klingen-.
sagte dein erscheinenden Diener, daß
er eins mehrere Mit abreise. nnd
biesi den Kosser hinunterbritmeiu
Als Robert in den Weinen stieg,
beschlich ihn ein weiches Gesiihi. Er
ichiitteye es gleich ab.
Dei verstehe-re Sohn verläßt die
Stätte seiner finan das trairsiche,
slteeliche Hei-n Undjie Leim-its in
die teilte Fremde- yeps tgt -von Ge
- niseniibisentndxdci her- voll Ins-i
lau Les- RIUMIZAIJ linatirie er
Mist send-in ZWS · "" II Mist-«
e
iiber sein Gesicht. Der Diener wünsch
te »Gliietliche Reise« und ging.
»Loz, Hotel Germania!« rief
Robert.
Nun freute er sich ordentlich, das
er den Entschluß durchsiihrte. Wa
rum nicht schon früher? Im Eltern
hause war er ia doch stets aus dem
ewigen qui oide gewesen vor einer un
bedachten Aeuszerung, die zu einem
Wortwechiel hätte siihren können,
und vor einein angreisenden Wort des
Vater-. Jetzt empfand er gegen ihn
nicht mehr den geringsten Groll-. der
Vater-. ein iiberzeugungsteeuer Mann,
konnte ja gar nicht anders sprechen
und handeln, —- das wird ihm von
seinen Anschauungen einfach vorge
schrieben; der heftige Zusammenprall
alter und neuer Ideen ist natürlich,
unvermeidlich» Jetzt wird die tägliche
Gelegenheit hierzu fehlen, wer weiß.
ob die Flucht ans dein Etternbausc
nicht gerade die Spannung mildern
nnd ihm ermöglichen wird, ohne Angst
vor einer Szene an dem Familienselt
Theil zu nehmen! Dann gab es noch
einen Vortdeil Das Unterdr« en
seiner Ansichten um des Friean
willen· die stete Erwartung einer
Attacte seitens des Vaters. die ost nn
gemiithliche Stimmung im Hause
hatten im Lause der Jahre Robert
geradezu nerviis gemacht, was dann
auch in seinen Vorträgen bei seinen
vublizistiichen Arbeiten, selbit ini Ver
tchr mit den-Vereinsgenossen mittin
tee in nanaenelnner Weise zu Tage
trat. setzt sind die Ursachen der la
tenten Erregnng sortaesallen« jetzt
wird er sich auch mit tiilteeern Blute,
init mehr Ileberlegung seiner große-i
Sache widmen können.
L L y
Lin diesem Tage herrschte in der
Echwendt’schen Familie eine unheitn
lich wirkende Stille.
Der Vater siihlte sich in Folge d-r
Ausregnngen der verflossenen Nacht
nicht ganz wohl nnd unterließ, nach
lanacr Zeit wieder einmai, die Falk-re
nach der Fabrik. Robert-: Ansin
kam iltm nanz gelegen Er betrachtete
dies-.- als eine Art ossizielle Les-enger
tlarnng nnd nahm sie gern an· Bald
hatte er einen Plan entworsen, »
was- Dr. Sellin als Methode les-. Mc
tltilde vorgeschlagen, wird er Tier dem
mittelmäßigen Sohne anwenden. er
mikr- ihn link-knien nich-nich Zu
machen suchen. Und er sina an da
riiber nachzudenten, wie er das oin
besten in Szene setzen tönnte.
Frau Johanna ging worskoo im
Hause umher, in der Beschäftinnrsii
mit der Wirthschast Ablentunsi sit
chend Inzwischen plauderte sie ein
wenig mit dem Gatten, denen rttliiqis
Heiterkeit ihr aussiel.
Malhilde lag im Bett und Ins-,
Der Mutter tam es vor, sie sei nie
dergedriieth sie war ec- auch, als-seien
J sie sich Unmöglich irgend welche Ssixuld
Jan den nnersreitlichetr Vorgönaen de-:
sVorabendg beimessen konnte. Wac
lhalte sich Robert in ihre Angelegen—
iheiten einzumeaenZ Sie wird stian
inllein mit sich sertig werden und was
,die Stellung der Eltern ltetrisst zu
ihrem Entschlusse. sich ein wenig
selbstständig zn machen, so hossi sie,
durchzndrineteth ohne das-; ec- zn einer
Entsrerndnna kommt.
Als die Mutter dann wieder nach
sehen tarn. wollte Mathitde mit its:
iiber die Sache von gestern sprechen
»Nein, mein Kindchen«, erwidern
Frau Johanna· »Das gebt nicht, hat
auch leine Eile. Du würdest Dich
dabei blos ausregen. nnd Dr. Sellin
lsat uns so sehr ans Herz gelegt .. «
»Aber Maniachen«, siel Mathilde
ein, »wenn ich Dir sage, das dies nicht
der Fall sein wird.'«
»Nein, Thildchen«, entgegnete di
Mutter mit sanftem Nachdruck nnd
tüßte die Tochter aus die Stirn. »Dir
sollst und mußt eine Weile gedanken
los daliegen: »auch daß Du Dich irr to
ernste Bücher jetzt vertiesst, gefällt mir
nichi.«
»Warum ich kenne mich doch, bin ja
kein kleines Kind nicht mehr, mit
zwanzig Jahren ist man ein Boll
mensch, der weiß, was er thut und
thun soll. Bitte» setze Dich zu mitt«
Sie hatte sich"ausgerichtet: Ungedul
diger Unmuth zeigte sich in ihren
Zügen. Die Mutter seufzte.
»Nun sieh, toise Du dist, Kind. Jeht
regstDu Dich selbst muthtvilkig aus«
·Was iann ich dafür, Mai-tat
Thust Du mir nicht den Gefallen,
mich aussprechen zu lassen, inich an
zuhören, dann werde ich wohl, gegen
meinen eigenen Willen, erst recht nicht
Ruhe bewahren können. S· ist jeden
falls besser."Di-r thust rnir den Ge
sallen.« «
Was wollte die Mutter that-?
»sch. Jhr schlimmen neuen M
sehensz sagte sie traurig tächetntn in
detn f- ßckt zu Mathitde ans seit
sente. »so-n Verkehr mit Euch ge
hört ein großes Nah von Geduld
Rnn sag. was Dir am Here-n liegt,
aber deute nnd sprich Muth
gleichsam als sM Dir Niemand zu
und ais ginge das Niemand wie Dich
allein an.« .
f
,.Jch habe auch gar nicht viel zu
sagen. liebste Mama. Du ioeisji ja,
daß mir im Laufe der letzten Jahre
allmählich die Augen aufgegangen
sind. Jch habe das ja nicht geheim
gehalten. Gestein nun forderte inich
Kollege Fresung aus, mit ihm das
Theater zu besuchen. Als ich mit der
Antwort zögerte, slog ein ironisches
Lächeln iiber sein Gesicht. Jin ein
psand, ohne erst zu überlegen. sofort.
daß er Recht hatte, —- man hat ja
Anschauungen nicht blos zn innere-,
sozusagen platoiiischer Befriedigung
man musz sie doch auch bethiitigen
Dann siel mir anch gleich ein. dasi es
Papa nnd noch mehr Dich tränken
iviirde, wenn ich urplötzlich so han
dele, wie ich schon lange dente. Aber
ich sagte mir: Vorbereitet seid ihr ja
doch schon: vorerst darüber verhan
deln tann zu einer Verstiiiiniiiiig süh
ren: da ich denn doch sriihei oder
später mit dem alten Vlunder »wid
chenhaster Zuriiahaliiing« ausräumen
ioill, so fei es gleich ietzt, nnerioartet
siir meine Eltern, sie sind nicht eines
Sinnes mit inir, wohl. aber mit
einem fait acconipli sindet man sich
leichter ab. Nun. liebste Mama,
sprich anseichtig, -—- tanii inan bei
ruhiger liederlegnng etwas Anstößi
ges, Tadeliisiverthes draiii sinden.
daß ich mit einein Kollegen ins
Theater gehe oder einen Abendsdazier
gang inache?«
»Nein, eigentlich nicht, iviitliih
nicht!" erwiderte die Mutter Jhr
war aber dabei sehr lihiiiei zn Muthe.
Sie wollte jedoch nicht sagen. mar- sic
dariiber dachte, in dei Beiiirgiiise,
Mathilde, di? gaiii alrichgiltig schien«
damit zu ärgern; sie liiell es iiheidies
siir angezeigt, der Tochter vorliinsig
in allein Recht zu geben, damit nicht
ihr Widersprnchögeist rege ioerde.
Frau Johanna litt sehr unter die
ter Wandlung der Dinge. Sie piiiste
sich, ob sie je einmal etwas vernb
säumt hatte, das einer sorgsamen
Mutter Pslicht ist« nein! Sie hat
voll liebevoller Aiisinerlsanileit das
Ansteinien von Gedanlen nnd Gefüh
len in der Seele ihres- geliebten Mad
chens beobachtet« hat, wo Aiitahe zu
Untrant vorhanden waren, iiiit vor
sichtiger Hand die Ausioiichte ent
lernt. lseufzend nach-e irr-. w
herrscht eine Art geistige tipideuiie
unter der Jugend von heute, das
Tempo der Entwickelung ist fieberhaft
fosch, zu rasch« und das liegt in der
thft, gegen diese Aufteilung tann
man die Kinder nicht schützen Oder
war ec- ·,ur ein Fehler gewesen« Ma
thilde ans tionseroatoriuiii gehen zu
lassen? Aber andererseits, ihre
ausgesprochene Begabung fiir Musit,
besonders sur das Klavierspiel, er
heischte die weitere Ausbildung in der
Hochschule, obgleich eg allgemein be
tannt war, dass unter den Schülern
und Schiileriunen eine etwa-:- leichtere
Auffassung der alten Echiellichteits
Vorschriften herrschte. Ec- ist ja
nicht zu leugnen, thöricht sind ja viele
von diesen »Du sollst« und »Du
sollst-nicht-Paragradheu«, aber sie
bilden doch eine Art schützende Hei-le
gegen unmittelbare Angrisse aus die
Sittlichteit. Auch Llltathildens erster
Schritt vom Wege der stondention
hätte gar nichts zu sagen» wenn eg
eben bei diesem ersten Schritt auch
bliebe. Denn die Gefahr ist vorhau
den, daß der Tochter die Zwanglosig
teit behagen nnd fie, ohne eH selbst zu
deinerten« langsam, Schritt siir
Schritt aus diesem» Seitenloege wei
tertvandeln wird, bis sie nicht mehr
zurück lönuen wird Das flog
der Mutter nfeilschnell durch den
Sinn. ·
Und nun, wenn möglich, iiber das
Verhältnis- ztvischcn Mathilde und
Freyung Klarheit zu erhalten, was
vor Allem als das Nothwendigste cr
schien, fragte anscheinend Frau Je
hanna ganz harmlos:
«Kennst Du den jungen Mann
schon lange?«
aSeit ungefähr drei Monaten.«
, »Und gefällt er Dir —- ich meine.
nicht sein Aeuszere5, sondern sein
Wesen und sein Charatter?««
Mathilde lächelte-.
»Sei ganz ruhig, Monta, ich oin in
ihn nicht verliebt. Er ist ein tluger,
ruhiger Mensch und wie ich glaube,
guten rzenö -——— ein angenehmer
Rainer-a siir mich, nichts weit-er als
das und sonst ein genialer Musiter
und interessanter Gesellschaften Wie
ich schon gesagt habe: Jch tann niich
überhaupt nicht verlieben, dazu bin
ich denn doch zu vernünftig. Wir von
heute tsnnen uns von dein duftigen
Wein der Liebe nicht berauschen las
sen, denn wir trinken blos Wasser, das
klare Wasser der «Wahrhett.«
«sist Du der Meinung. daß er
Wss Mist sttht M Dus
«Ohne Zweifel. Mann-. Teoi
seiner Jugend desiht er ein umfassen
däi und dabei gründliches Wissen, er
t auch von außerordentlicher Geistes
schärfe.«
»Nun, das ist ia sehr erfreulich.
Und wie stellt er sich zu Dir. beat er
auch so etwas wie tameradschastltchei
Wohlwollen sitt Dichti«
I .
»Das kann ich nicht genau wissen
aber ich denke doch, ich bin ihm etwas
mehr, als er mir. Er scheint mich
! sehr gern zu haben, aber ich mache mir
i
!
gar nichts daraus."
»Dann is’s gut, Thrldchen. Du
magst rnit ihm frei verkehren und ich
werde ihn sogar gern recht häufig bei
uns sehen. Ich merke, Du bist in der
ilepten Zeit gereift, Du hast ein ruht
l ges Urtheil, einen sesten« aus vernirnis
tiger Erwägung hervorgehenden Wil
len, Du bedarfst wahrhaftig nicht
; mehr des Gängelbandes, ich gebe Dich
;frei. mein liebes Mädchen«
« Mathilde küßte die Mutter innig.
.Taufend Dant, liebstes Mütter
;chen. daß Du mir teine Schwierigkei
.ten machst. Arb. wie glücklich bin ich
darüber! Mir war io bange davor.
daß es zwischen uni- rverden wiirde
wie bei Papa und dem armen No
. beri. '
Der ruhige Verlauf der Angeinan
dersehung schien aus Mathilde rriri
schend gewirkt zu haben; ihr Gesicht
hatte nun den grauen Ton nicht mehr
und der malte Blick der Augen war
verschwunden Darüber sreutetsich
Frau Johanna sehr. Allein ihr blieb
doch dvn dieser Unterredung ein bit
terer Nachgeschmack s- es wäre ihr
beinahe lieber gewesen. wenn sich bei
Mathilde etwai- mehr Wärrne geäu
ßert, während sie von Frehung ge
sprochen. das wäre ja naturlicher ges
wesen, als ihre taltbliitige Kritik, das
hätte gezeigt, dasi in ihrer Seele das
Gesiihl doch noch lebhafter gliiht . .
oder hat Mathilde Komödie gespielt,
hat sie mit Vor-bedacht gelassen ge
sprochen, um sich nicht tu verrathen?
Frau Johanna wieEof diese Vermu
thuna gleich wieder ab: vor Allem
wollte sie gar nicht annehmen, dass
Mathilde so durchtrieben ist« um sich
versteuert zu können, und dann: in der
seelischen Veriassuna, in der iie sich
ietzt befindet. hätte sie mit der Wahr
heit nicht hinter dein Berae gehalten
»Ist ei· vielleicht gar das Richtigste-,
anzunehmen. dasr Frehnnrr teinen tir
seren Eindruck ani Mithilde gemacht
hat · .. Das iii zwar nicht sehr wahr
scheinlich, aber immerhin nicht nn
ntiialich, das wäre ja herrlich!" iarite
sich die Mutter mit dein innigen
Wunsche, das-r die letzte Vermuthung
iich als zutresiend ertoeiie, denn sie
konnte nicht ohne Widerwillen an
Frenuna denten, der ihr als ein eisk
lalter Egoist erschien, dessen Ruhe ihr
iiir einen Maria seines Mich nicht
ne llen wallte.
iFortsehnna sölgt.)
--
Die grüne Stunde
,:;irieinml am Tage srlxliigt dein Ism
riser die Stunde des Llpo«"«ritiss:s, aurtz
isoitiscli die grüne Stunde genannt
tsinntnl urn die UttittnggzeiL turr vor
kein bitilselsriihsliitt dnnn oder -— du«-.
ist die große Stunde! nlrendg argen
sectzs Uhr. Aus-— den BUan ani- den
Werlslätten nnthierlpliitzen strörntdnz
Herr, der Kopf-— nnd der Hundert-eilen
n. zertheilt sieh in nnqeziihltenBärlilein
in etsenso ungezählte tsns·-9, Schenten
nnd thlellneipen Jn tleinen
lslruppen sent nmn snh entweder dran
szrn vor dein Guis- nn ein-H der toinei
qen runden Marmor oder lsrsentitrlz
d"rtt, un denen der Strom desz Ver
teler voriiberbrandet, oder die
Jstanungätte nehmen drinnen nns nd
sqeichalsten Pliisch oder Ledersosnk
Wink wenn sie nicht vor,;iekieri, ant
,Stt)enltiscli. dessen blanleg, weisser
Plltetnll mit den vielen tupsernen Hiih
irren und den ausgepslanzten Flaschen
Idertiihrerisch glänzt, stehend eine lln
Iterhaltung mit derWirthin anzutniip
sen: moderne Jugend schivitth sich,
atavistischen Regungen folgend, nsit
assenattiger Behendigteit aus cisrtn
der lehnenlosen, hohen Barstithe nnd
ltuuert sich geltiinunten Niirtens vor
»den Tisch.
J Der Kellner erscheint« die seh-unsin
"Zerviette malerisrh unt den Hals- ge
schlungen. Bei den Stomnrtunden
sragt er nicht lange. Hinter ihrn her
schleppt der Pitlolo unterrn Arme eine
große Batterie von Flaschen mit röt
selhast buntem Inhalt und pruntvol
len Etitetten. »hier ein Vermouth.'«
»Dort Cassis!« »Dort Vermouth nnt
Guignolet!« »Eine Grüne sür Mon
sieur Durand!« ordnet der Kellner an
Hund stellt gleichfalls aus dar- tleine
Fiichrhen eine Wasserslasche, einen
Sinsheim eine Zuckersrhale und die
Stengelgläser, die sein Adjutant voll
Vorsicht mit den gewünschten Flüssig
teiten via zu einem Drittel, gelegent
lich bis zur hälstr. stillt. Dann wird
der Würfeldecher oder das Kartenspiel
daneben freies-. Während Monsieur
Dudont die tanilletarten mischt, be
reitet stch Monsieur Durand voll An
dacht seine Grüne und schliirst vorge
nießend mit der Nase det- Anisdust
ein« der sich aus seinem Glase und den
Gläsern der Nachbarschaft aufdring
lich verbreitet. Ein aanzes Zerenw
niell, dem der japanischen Werber-et
tung nicht unähnltrh geht dem Ge
nusse des Absinth vorher. Dichter ha
T den ej schon in Versen verherrlicht« vie
.genau vorschreiben wie das Wasser
erst langsam aus den Würselzutter ge
traufelt werden soll, durch den es tn
die grünliche Flüssigteit itn Glase
rinnt, bis diese sich in ein milchig trit
l-se5-Gemisch verwandelt.
Noch inrnrer behauptet der griine
Abqu eines giftigen Krautes den er
sten Rang unter den flüssigen Giften
die der Franzose unter dem Namen
Llpöritifs vor jeder Mahlzeit zu sich
zu nehmen pflegt· unter dein Verwan
de, damit feinem Verdauungilapparat
die Arbeit zu erleichtern· während in
Wirklichteit all die Bittetn die,
Schnäpse, die diabolifchen Mischuugetr
und vor allenr jener Traut. der der
grünen Stunde den Namen gegeben
hat. in Magen, Darm und Schädel
dir toijsteste Unordnung anrichten.
Tenn sie enthalten nicht nur einen sehe
flattert Prozentsatz Altohoi. sondern
daneben noch- scharfe Pslanzengistr.
Diese tönnen um so nachhaltiger wir
ten. als sie stets anf nuchternen Ma
gen genossen werden« rtnd zudem bleibt
es selten bei eitlem »Magenössner«.
denn in Frantreicn, tote in England
besteht die iible Sitte desJ Rundentrin1
eins.
Frantreich steht irn Verbrauch von
Altohol, worunter der Franzose Wein
und Bier nicht tnitbegreist. weitaus an
der Spitze aller Staaten Europa-.
Dafür befiht es auch eine blühende,
durch Gesetzgebung und Steuern tautn
gehemmte tttiftrrriicherindristrie« ein
prosperierendea Schantgewerbe, um
das es von allen Schnapsfabritanten
und Kneiprvirten Europas beneidet
lrerden tann. Schier jedes Tributs
biiro der Regie, jeder schwierige Mein
tohlenhiindler an der Netz jeder tleine
Krämer hat seinen tleinett Ansschattt,
Wer gewohnt Tit, ltn Absinth den
Sorgenbrecher zu finden, hat arn
Weine nicht mehr großes Gefallen.
Jus besten Falle gönnt man sich beide
Genüsse einträchtiglich nebeneinander.
Will matt wissen, wie ein Durch
schnitlsarbeiter rni« einem Verdienst
von 9 Frant in Paris leth iDieser
Verdienst muß, da durchschnittlich Its
Tage durch Feiertage, Streits usw«
wegsallen, natürlich um einiges ge
tigrzt werden-) Wenn unser Mann
morng sriih inr Arbeit geht, geneh
migt er sich zunächst ein tüchtige!
Stück Brot mit einem Glase Weiß
nsein; etwas später folgt an der Bat
ein Kassee mit obliaatenr Schnöpss
rtienz vor dein Frühstück« das man in
der Nähe des Wektblatzes einnimmt,
tornmt ein ttlpfsritist das Frühstück
begleitet ein gutes halbes Liter Weit-.
dann folgt abermals Kasfee nett
Schniipschenx uur drei llhr eine tleine
Erholung-dank gewürzt durch zwei
gute Gläser Weins. Nach Feierabend
beain man lich zum Lin-Elend wobei
eH lauin j? bei einein Glase bleibt
daiiu lehrt der satide ilJtann heim zur
liebenden Gattin, itie das Mahl bereits
aeriistet halt; natürlin darf auch hier
der Wein nie als Begleiter fehlen.
Wohlgeiiierit, dass ist die Tagesord
ordiiuiia eines;v normalen. solidenMan
tiefs. Man sieht daraus, ioieviel am
Schenltische gieopsert wird, meist auf
Lasten rationeller Genährtan Just
du Atti-stillsc· habt-is ja die von vielen
arliliiilzte tiiaenseizaih die natürlichen
Gefühle des- Ilcaaens zu betäuben, den
Appetit. .-deii sie angeblich reizen soll
ten, mitzubringen Aber daß auch
ein robusterAliaaen schließlich die Wir
lisuqen solchen Elteaimesj verspürt, ift
lein Wunder. Werlineister verschie
dener Gewerbe lsriiiaeii den Nieder
aaiia der phtfsisrlieii Leiftiinasfahigleit
ilirer Arbeit direlt mit tseiii friiher nn-«
getan-neu Verbrauch aros-,er Menaen
allohalifaiec Giflaetrante iii Verbin
duna
Jn lleinliiiraeilicht-unreifen herrscht
iiri ganzen eine erheblich atonotnilchere
Wirthsrliaft als bei der Arbeiterllasse,
die lieh leine arofzen Zuliinftosorgen
macht. Aber auch im bürgerlichen
Haushaltsbudnet taucht als ständige
Rubril ein- bis zweimal täglich der
Apäritis auf, der fiir den Franzosen
nun einmal zum unentbehrlichen Ge
niisiiiiittel geworden ist. Lieber dein
Magen die Nahrung versagen. als auf
den Magenosfiier zu oerzirhleni Lie
ber die Stunde des Elle-M als die
ariine Stunde verpassen. ivo lieh un
term scharf betäubenden Geruch des
Absinth aller Aerger des Tages, alle
Sorge fiir eine lurze Weile oerfliichtig
gen. Weit die grüne-Fee jedoch fest
in den Krallen hat« den läßt fie den
kurzen Gliiettirausrli nachher grimmig
büßen. Die Strafe ist nicht der
blasenfaininer wie nach gewöhnlichem
Alloholaenusi, sondern eine Folge
nachhaltiger toinplizterter Löhmungii
erfcheinungem von denen hintereinan
der dieFuntti nen des Körpers. Muss
leln, Sinnezkhirm befallen werden,
bit-l schlief-it das Opfer unheilbareni
Wahnfinne verfällt Eins der ersten
Opfer war Alfred de Masset, der ge
niale Quelle-, dessen hundertsten Ges
burttltaa Franlreich dieser Tage sei
erte. Ein Verlaine, ein Maupaffant
nnd viele andere sind dein Dichter in
die Nacht des Wahnsinns aus dein
gleichen Wege gefolgt.
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Jn Allantic City hat eine rau ei«
neleolizisten ais Dank au beide
Wangen getilgt, alo er ihe einen verlo
renen Schmuck zurückbrachte Da
brauchte .er lich i-! nicht einmal den
Mund zu ivifchen·