Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 17, 1911, Zweiter Theil, Image 10

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    ! Humoriftifchsmilitärische
Erzählung
Der falsche Adjukapkz
Von
Fsreiherr v. schlicht
(4. Fortsetzung)
»Das ist auch meine Ansicht«'. mein
te der Bürgermeister Er örgerte sich
iiber seinen Rathsdiener nnd doch
mußte ee im stillen zugeben. daß dieser
recht hatte. Bei Beginn seiner Thatig
teit in der hiesigen Stadt hatte er zu
viel aus die Rathschläge des Stadtoers
ordneten Hupfeld gehort, denn er war
teos allem ein sehr tluaer Kopf und
hatte im stillen gehofft. selbst Bürger
meister zu werden. Mit falscher
reundlichleit hatte er sich dem neuen
tadtoberhau i aeniihert, um iiber
diesen Einslu zu gewinnen und da
mit einen Theil der Macht in seine
"nde zu bekommen. Leider hatte der
ilrgermeister ihn zu spät durchschnut
und ais ersihn dann fallen ließ, röchte
sieh dieser nun dafiir durch ewig-.
Streitereien, die er in der Bürgerschaft
hervorrief '
Oasen der Fett Bürgermeister
sonst noch Befehle ·
»Nein, ich danke. siir heute nicht«
»Den Bürgermeister. es war mir
eine Ehre.« Und mit feierlicher Würde
schritt Paulsen zur Thür hinaus.
Der Bürgermeister blieb in schlech
ter Laune zurück. er ärgerte sich iiber
den Stadtveroedneten aber auch iiber
die Geschwätzigteit und Vertranlich
teit seines Rathsdienes. Er hatte die
sen alten« erfahrenen Beamten von
seinem Vorgängen der sich von ihm
alles batte bieten lassen. übernommen
und ihm sogar die Anstellung aus
Lebenszeit besorgt.
»Paulsen hat ganz recht". sprach er
vor sich hin, »ich bin zu gut und zu
gutmiithig, aber das soll und muF
anders werden. in der Hinsicht it
vielleicht die inilitärische llebuna sehr
gut siir mich, da lernt man mal wie
der streng, aber gerecht zu sein. EH
ist doch eine samose Sache nni die
militärische Erziehung. Wenn ich
an die wenigen Worte denke, die der
Bataillonsschreiber redet. und an den
Wortschtvall meines Rathsdienees,
so sann mir wirklich schlecht werden«
Und in seiner Begeisterung siir
das Militiir wurde er aufs neue be
stärkt. als gleich daraus Luise ins
Zimmer trot, um eine Ordonnanz
vom Bntaillonsbnrenu zu melden
Er erhob sich von seinem Lager nnd
setzte sich an den Schreibtisch nm
auch nur den Verdacht zu vermeiden,
als hätte er schlafen wollen.
Gleich darauf trat der Soldat aus
die Schwelle. »Ich bitte eintreten zu
dürfen.« 4
herrgott, das tlana doch aanz
anders als das ewige »Herr Bürger
meister. es isi mir eine Ehre.'·
»Was bringen Sies«
Ohne ein Wort zu reden, holt«
der aus seiner Mappe die Papier
hervor. die auf Unterschrift warte
ten. Alles war fix und fertig vorbe
reitet, er brauchte nur seinen Namen
darunter u setzen, selbst die Bemer
kung F. . d. B. K. tJm Auftrag
des ataillonstotnmanderrrs) sowie
die Unterschrift: H. d. L. u. stellv.
B.K· thauptmann der Landwehr
und stellvertretender Bataillonstomi
Inandeur) waren schon vorgemertt.
»Es it wirklich eine Freude. mit
solchen eamten zu nebeiten«. dachte
der Bürgermeister, dann setzte er
seinen Namen unter die Panier-, die
ihm vorgelegt wurden. -
Ali letztes tarn das Schreiben an
die Garnisonverwaltuna, dies las er
ganz besonders gewissenhaft durch,
und er lonnte seine Anerkennung
dem Adgutanten nicht versagen. Der
tte das Gesuch unt die eisernen
· stergitter fo ausführlich unt- so
achlich begründet daß er selbst taurn
noch etwas binzuzusesen hatte, trotz
beni« schrieb er seinem Versprechen
gemäß unter das Gesuch: »Auf das
allerwörrnste befürwortet sowohl irn
teresfe des Bataillons wie der
todt-« Und während er die ande
ren Schriftstiiete nur »stellvertreten
der Major« unterzeichnet hatte, setzte
er diesmal hinzu: »Halt tmonn der
Lsnbtpe r und Bürgermeiter.·'
.Son noeb eiwas?«
Statt jeder Antwort tlappte der
Soldat nicht nur die Nummpr
sondern auch die Hoden zufammen,
used du wußte der Bürgermeister-,
de das Negieken erlediqt sei. Die
Or onnanz verschwand, und der
stirgermeiftek wollte sich an die Ar
beit machen, aber er war nicht icH
der ki tigen Stimmung dazu, und!
das s öne Wetter lockte ins Freie
So entschloß er sich denn u einem
Spaziergang, natürlich in niforns,
denn det Ctvilonzug war für die Zeit
feiner Dienstvertode verboten. Er
tief seinen Burschen. der ihm fiik die
Dauer seiner Uebung tommandiet
thut und der sich, weil es an einem
anderen Zimmer fehlte, zum Gnt
esen det, can Brümmer beständig
m der Mi aufhalten mußte, wo
ee Luife rasend den hol machte —
Imd trat, nachdem ek sich umgezogen
hatte auf die Straße Und gerade
vor Keiner houstdiit traf er mit Frau
In anse, mit Relln und mit Böhme
Ufer-mein Die Begegnung war eine
L· siefstläse und dadurch. daß der
Itsetm ftek die anderen, die dicht
c- det Schwelle feines hat-fes vorbei
isqeth beinahe amqeftoßen hätte, eine
ko unerwartete und plöyliche daß alle
is ersten Augenblick erschraken.
« »Bist fp eilig des Weges-P frag
I Ficke Isustn . nachdem mun sich
»Ist-Keins bestes-I und einig-e flüchti
YI Ustte miteinander gewechselt hatte·
k Idmbim wo es keine freche
"-—. » Gotte-im leisten unverschäm
ten Stadthoten und teine schwerhöri-(
gen Stubenmädchen gibt."
»Sie haben sich ärgern wissean
ertundigte sie sich, während er anj
ihrer linken Seite dahinschritt- l
..Unbedeutend, gnädige Frau. gari
nicht der Rede werth«« wich er ihr«
aus. denn er wollte sie nicht mit!
teinen Angelegenheiten langtveilen.;
»nur gerade so viel· wie jeder Jllensehi
nach einem alten Wort täglich nöthig;
hat« um immer von neuem daran ers«
iirrnert zu werden. daß er nur ein
Mensch ist und infolgedessen leine
Ursache hat. irgendwie übermiithig
zu werden. Aber ich freue mich heute
doppelt und dreifach. daß ich das
Gliicl hatte. Sie zu lressen. Darf
ich fragen, wohin der Weg Sie
siihrt2«·
,,llederallhia und nirgends. Jch
wollte ein bißchen dureh die Stadt
dummeln und mir noch weiter an
sehen. wie sieh hier so vieles verändert
hat« seitdem Sie das Kommando
führen. Mein Schwager erzählte
heute zufällig, daß Sie auch am Ha:
sen arbeiten lasset-. dofz Sie dort ein
neues Bollwerk errichten, neue An.
lageplötze schaffen und große Bag
gerarbeiten ausiiihren lassen." llnd
scherzend setzte sie hin-tut »Sie wol
len doch nicht etwa Berlin als See
stadt Konkurrenz machen. Das würde
ich Ihnen als Berlinerin ernsthaft
iibelne men.
,S ,ois. urn Iehren Zorn nicht her
ouszubeschioören, oersrchere ich Eie.
dass ich nicht den Ehrgeiz habe· uns
mit Hamburg, Bremen, Berlin und
vor allem mit der großen Seestadt
Leipzig auf dieselbe Stufe zu stellen.
aber trofdem toill ich manches thun,
um un eren hasenverkehr zu heben
und neue Schiffsahrtsverbindungen
wieder in die Wege zu leiten. Wenn
es Ihnen Vergnrigen macht, sich den
Hafen einmal anzusehen, iviirde ich
Jhnen denselben gern zeigen, aller
dings sehr hübsch sieht es dort zur
Zeit nicht aus.«
O, das macht nichts-" Dann
wandte sie sich an Nellh und Böhme.
die hinter ihnen gingen: »Der Heer
Bürgermeister ioill uns die Hasen
baiiten zeigen. es ist Dir doch recht,
Nelln, es macht auch Jhnen Vergnü
gen, Herr Leutnant?«
»Aber selbstverständlich aiiiidige
Frau«. antwortete Bdhuie für sich
und seine Begleiterin, dann meinte
er: »Nicht wahr, gnädiges Fräulein.
es ist doch auch Ihnen recht; wohin
man geht, ist ja schliesilich ganz gleich
gültig, die hauptsache ist ia doch
nicht, das; man geht« sondern in er
ster Linie, daß man zusammen geht«
«Finden Sie’c!« seagte sie. sowohl
iiber seinen Ton wie iilser feine Kerl
beit belustigt.
»Aber selbstverständlich aniidigez
Fräulein. Jeh kann mir nicht hel
sen. von allen Beschöstigungen aus
der Welt ist fiir mich das Spazieren
gehen die laiigtoeiligstr. vielleicht
schon deshalb. weil die Aerzte ec
imnier verordnen unt- meil ich als
ganz gesunder Mensch nicht die aller
geringste Neigung verspüre, auch noch
etwas sür meine Gesundheit thun zu
müssen. Unser Leben ist so kurz. und
die Zeit aeht bekanntlich so schnell da
hin, daß man sie entweder uutzbrini
gend ausfüllen soll oder aber ver
schlezsönk
» it Jhrer Ansicht iiber das Schla
sen scheinen Sie aanz mit meinem
Vater übereinziistinimein
Er stöhnte schwer aus. »Mir toiire
es schon lieber. wir hätten auch iru
wachenden Zustande gemeinsame An
schauungen ilnd ich kann uiir nicht
helfen. ich glaube, das ganze Miß
trauen Jlires Herrn Vaters argen mich
torurnt lediglich von meinem Beina
men ,der falsche Adiiitant’.
Sie sah ihn ganz überrascht an.
»Jetz. verstehe Sie nicht."
nd doch ist die Sache sehe ein
sach. Bekanntlich verdante ich diese
Bezeichnung dein Umstande, dasz ich
plötzlich an Stelle eines Kameraden
urn Adiutanten ernannt wurde. aber
;he Herr Vater bezieht das- Wort
.falsch·' aus meine Charaktereigen
schasten. er hält mich nicht siir offen
und aufrichtig, er glaubt. ich wäre
nicht nur ein falscher Adjutanh son
dern auch ein falscher Mensch.«
»Wie können Sie iriohk so etwas
svon meinem Vater denken«, nahm
»Man diesen in Schuh. obgleich sie
zugeben mußte. daß er Init seineri
Vermuthung nicht so unrecht hatte. i
»Sollte ich nitch wirtltch irren, sol
iotirde sich tein Mensch lebhastee dasi
riilier freuen als ich, und ich hofsef
ja auch. dosr die Stunde nicht mehr«
seen ist. in der er einsehen wied, daßi
er mir unrecht thut. Vorläufig aller
dings --—«· -
»Sie diirsen meinem Vater seini
Wesen nicht übelnehmen«, bat sie et
was verlegen.
»Ich denke ja an nicht daran,
schon Jhretmegen nicht« Und als er
sah, dasz sie bei seinen Worten undk
unter seinem Blick leicht erröthete,
fuhr er fort: »Wir haben hier lei
der sehr wenige junge Damen in der
Stadt. im Bqtaillon sind Sie sogar
die einzige, und wenn da durch die
Mißhelligieiten zwischen Ihrem Deren
Vater und mir auch zwischen uns eine
Spannung entstehen würde, so wäre
das nich nur für mich persönlich. son
dern au siir dre gesalzen herren des
Botqillons sehe betriib is: denn wenn
»wir uns aus den angesahrten Grün
den jemals entscemdeu sollten. so
würde naturgemäß Ihre Frau Mutter
sofort auf Ihre Seite treten. Und bei
allen gemeinsamen Veranstaltungen,
bei den Zusaxnrnentijnsten und Rus
sliigen wiirde von vornherein ein
Mißtlang in die nllaemeine Stim
mung tomxnen wenn Sie an mir miti
einem Gesicht voriiberainaem das da;
sagte: »Mein bere. ich erinnere mir
zwar dunkel, Ihnen einmal in inei
nem Leben begegnet zu sein. aber ich
kann mich im ugenbiick weder da
raus besinnen. wer Sie sind, noch
wie Sie heißen« Und es wäre dann
doch peinlich, wenn Sie mich bei dem—
Versuch, Jhnen meine beicheidene Exis
itenz wieder ins Gedächtnis zuriirk u
rusen. einsach mit einem schnippisegen
Knieks absertiaten." Und ohne sich unt
die allerdings nur wenigen Passantrn
zu kümmern, mochte er ihr einen der
artiaen schnippischen Kniets vor.
Zither Herr Leutnant -— was sol
len die Leute davon denken«. sagte fie.
»Daß mich piö lich jemand von
hinten in die Knie ehlen gestoßen hat«
oder was sie sonst wollen. mir ist es
einerlei. Aber Sie können aanz un
besorgt fein. gnädiaes Fräulein, die
guten Bürger denken hier nicht unbe
dingt mehr als sie müssen. sie sind in
telligent genug. nm zu wissen, daß das
Denken nicht nur eine der irrechtlose
sten, sondern auch eine der anstren-j
genditen Thaitgieiten ist."
»Sie sind ein Spötter", schalt sie.
»Dann hin ich in Ihren Augen doch
endlich wenigstens etwas. bisher habe
ich immer die Empfindung gehabt, als
wäre ich siir Sie eine große Null im
Dasein.«
»Und woraus schlossen Sie das?«'
sragte sie sast gegen ihren Willen.
»Das ist sehr schwer zu sagen
gniidiges FriiiileinT meinte er nach
deutlich, »ich bin ja leider tein jun
ges Mädchen und taiiii somit nicht
aus eigener Erfahrung beurtheilen
welchen Unterschied man in der Be
handluiig desjenigen Manner iiiacht
die im- gar nichts sind, udn derie
nigeii, die uns wenigstens etwas
sind.«
»Sie sind ungerecht, Herr Leut
nant«, schalt sie von neuem. »ich bin
stets gegen Sie genau so freundlich
gewesen wie gegen jeden anderen.«
»Das ist es ja eben »genau sr
sreundlih« Das ist aber gar kein
Zeichen von Freundlichkeit Die iiingt
erst da an ivo das »genaue« aufhört
wo man darüber hinausgeht und wo
inaii gegen den einen freundlicher ist
als gegen die anderenk
»«.tlch in, und Sie meinen Sie wol
leri der eine sein?a sragte sie lachend
»Gniidigec- Fräulein ich bewun
dere Ihren Scharifinm iiiid ich wage
nicht Jhiien zu widersprechen ein
mal, weil ich dies jungen Damen
gegeniiber iiie thue. dann aber auch,
weil ich ganz Ihrer Ansicht bin-"
»Und dars ich auch wissen. warum
Sie gerade derjenige sein wollen-«
»Aber gnädiges Friiiileiii«, unter
brach er sie. »von wollen ist ja gar
nicht die Rede, ich will es nicht nur
sein, ich muß es sogar sein.«
Sie wuszte nicht« ob sie sich über
seine Keitheit ärgern oder ob sie das
riiber lachen sollte. »Da bin ich denn
doch begierig. wie Sie das begründen
wollen«. meinte fie endlich.
»Aber gnädiges Friiiilein«, ant
wortete er iibermiithig. »das ist doch
sehr einfach. Als erstes bin ich doch
nun einmal ich.«
»Da haben Sie allerdings recht«
stimmte sie ihin bei.
»Sehen Sie giiiidiges Fräulein«,
srohloitte er, »warten Sie es nur ab,
darin habe ich Sie aanz überzeugt
Denn ich bin nicht nur ich, sondern
Sie sind auch Sie.«
»Ach nein, wirtlich?" triigte sie an
scheinend ganz erstaunt.
»Gaii bestimmt, Sie können es mir
glauben . antwortete er sehr ernit
»Und wenn ich und Sie und Sie und
ich, wenn wir beide einmal nicht seht
gute Freunde werden sollten, wer soll
te es denn wohl werden?«
»Ja, daß wiiszte ich allerdings aiiel
nicht« meinte sie ous seinen Ton ein
ge.hend
»Na also, gnädiges Fräulein dann
wären wir uns ja schneller einig, al
ging-dacht habe Das-, es mir geiingei
Sie so schnell zu überzeugen
habe ich selbst nicht geglaubt.«
be»Ich auch nicht« itiinmte sie ihni
»Ja, ja« , meinte er, »ez kommt
eben in jeder hinsicht immer anders
als man denkt. Ein neuer Beweis
dasiir ist der ieäickge Spaziergang
;Daß ich das Gl haben würde,
Sie beide unterwegs zu tressen, und
dass die gnädige Frau die Liebens
iwiirdigteit haben würde niich uin
Jrneine Begleitung u bitten, das
Thal-e ich nicht erwart t.«
Während Böhrne so in seiner
iibermiithiaen Stimmung, in die ihn
das unerwartete Zusammentreffen mit
Nella versetzt hatte, darauf los plan
derte, unterhielt der Bürgermeister
Frau Konstanze in seiner ernsten,
ruhigen Weis-. Er machte sie aus
mancherlei hauliche Veränderungen in
der Stadt aufmerksam, und sie hielt
mit ihrer Anerkennun nicht uriick.
Aber als sie ieht am Hasen an amen,
war sie wirklich aanz erstaunt iiber
das Leben und Treiben, dos dort
herrschte, über die. zahllose-r Arbeiter-,
die damit beschäftigt waren, Erde zu
tarren Mahle einzuranrmen und
neue Lagerraurne auszuführen Ausk
iiihrlich schilderte er ihr die Bauvliine
und wie lich später alles gestaltey
würde. und voller Bewunderuna siir
seine Thattrnft und Energie hörte sie
ihm zu. »Ich mache Ihnen mein
Kompliment. Herr Bürgermeister.
ich bin früher schon verschiedentlich
hier gewesen, aber datz hier ein der
artiges neues Leben erblühen könnte.
habe ich nicht geglaubt, ich habe es
überhaupt nicht siir miiglich gehalten.«·
Jhre Anertennung erfreute ihn
sichtbar. »Wenn Sie eine Ahnung
hätten, gnädige Frau, wie dankbar
ich Jhnen fiir Jhte Worte din. Sie
glauben gar nicht, wie man mich an
gegriffen hat. als ich diese Jdeen
hier zuerst entwickelte. Man hat mit
Steinen auf mich geworfen. und man
hätte mich am liebsten gleich wieder
fortgefchickt, wenn man es nur gekannt
hatte. Wie habe ich tämpfen miiffen,
bis ich meinen Biirgern die lieber
zeugung beibrachte, daß es nur ein
Mittel gäbe. die Einnahmen der Stadt
zu erhöhen. und daß dieses darin be
stände. den Hasen wieder auszubauen
Endlich gelang es mir, mit meiner
Ansicht durchzudringen aber trotzdem
gibt es auch noch viele hier in Stadt.
die mich fin verrückt halten«
..Das darf Sie doch nicht krön
len«'. tröstete sie ihn. »e·3 ist doch von
jeher das Geschick aller Reformatoren.
auf welchem Gebiet sie auch thatig
waren. gewesen, uerst von der großen
Menge nicht oertanden und nicht be
griffen zu werden. Kleinliche Rücksich
ten auf den einzelnen diirfen Sie doch
aber in Ihren Entschliissen siir die
Allgemeinheit nicht beeinflussen.«
Wieder betrachtete fie voller Bewun
derung die umfangreichen-Arbeiten die
vor enornrnen wurden, aber plötzlich
fties sie einen tleinen Schrei der Lfnt
täu chung aus.
»Was ist Ihnen nur« gnädige
Frau?" fragte er erschrocken.
Sie fah ihn ganz entsetzt an. »Wc
ist denn die schöne Kastanienallee ge
blieben, die sich dort an den Gärten
entlangng
,,Abgehvlzt, gnädigr Fran, und
vielleicht heute schon in den Sage
werten verarbeitet.«
Noch immer starrten ihre Augen
auf den leeren Plan »Das hätten
Sie nicht thun dürfet-» Sie hätten
sie schonen sniiisen, es war meine
Lieblingsaltee hier."
»Sei-en Sie wohl, gnädige Frau«.
sagte er halb ärgerlich, halb belustigt,
»nun fangen auch Sie schon an zu
fchelten! Crit lobten Sie, nnn tadeln
Sie. Wieviel Zaschriften habe ich
nicht erhalten« die Bäume zu scho«
nen!«
»Und warum thaten Sie es trotz
dem nicht-»
»Weil es nicht ging, aniidiae Fran.
Ich mußte hart bleiben, denn ich
hatte sonit keinen Platz tiir die Schup
pen und Lagerriinme aehnbt, und
ohne die wäre jeder Groschen. der hier
veransgabt wird, fortgetvorieneå Geld
Und vielleicht dachte auch ich damals
dasselbe, was Sie mir eben iaatent die
lleinlichen Rücksichten aus den einzel
nen dürfen dich nicht in deinen Ent
ichliissen beeinflussen«
Etwas beschämt hlielte sie zu Vo
den. .Sind Sie mir böse· das-, auch
ich Sie tadelle?"
»Wie sollte ich wohl?" traate ek
lebhast. »Ich sreue mich iiver das
Interesse, das Sie an der Stadt nnd
ihrer Verqanaenheit und an ihrer
jetzigen Enttvietelnna nehmen. Jn
wenigen Jahren werden Sie die
Stadt hoffentlich lau-n toiedererlen
nen, viel alte Poesie geht naturge
niiiß verloren.«
»Leider, leider«, stimmte sie ihm
bei. »Aber vielleicht aerade weil iels
in der Residenz leise liebe ich di
tleine Stadt mit den leeren Stra
ßen, dem stillen Marttplatz, dem
Nachtwächter, der allabendlich in
sein Horn bliist, und all ihren ande
ren zahllosen Reizen.'«
»Aber möchten Sie auch in einer
sc tleinen Stadt wohnen. in der
jedes Leben, ieder Fortschritt ruht?
Ich qlanbe nicht, daß Sie es länger
als vierzehn Tage hier aus-hielten,
itnd wie Jhnen ergeht es zahllose-!
anderen. Da rniislen tvir daraus
bedacht sein, nach Möglichlcit siie die
Entwickelung unserer tleinen Städte
zu sorgen. damit wir Fremderizuzug
erhalten« damit die Zahl der Ein
wohner sich mehrt, damit Handel
nnd Industrie neu aufblühen, damit
unsere Einnahmen oekarößert wer
J
den.« «
Der Bürgermeister sprach lanqe und
aussiihrlich aus sie ein. nber ntH er
laubte, sie überzeugt zu haben, sagte
e: »Sie mögen recht haben rnit al
lem. was Sie sagen, aber trotzdem —
um die Kaitanienallee ist es schade.'«
Er lachte laut aus und schließlich
mußte sie auch selbst lachen.
»Daß wir Frauen doch nie ani
lzören, in mancher Weise Kinder zu
klåibenk Eigentlich ist es doch schrcri
i .« t
«Da bin ich doch aber aanz anderer
Ansicht,'« widersprach er, »die Natur
hat schon aetvuszt, was sie that, als
sie den Charakter des Mannes und
den der grau so verschieden gestaltete.
Denken ie sich nur einmal eine Ehe
ein , usamtnenleben zwischen zwei
Ment n, die in ihrem ganzen Wesen.
in ihren san-en Anschauungen, in all
ihren Entschiissem kurz in allem
gan gleich sparen, wo die Frau ebeuxo
ziel wußt ist, wie der Mann es it,
oder wenigstens sein soll, oder wo
der Mann ebenso un chliissig- in man
eher Beziehung eben o tindlich, ebenso
wanlelmiitbig wäre wie die Frau. Das
iwiiee doch entsehlichf
,
»Aber vie Frau ist doch nicht nur
geboren, um zu heirathen-«
»Noch meiner Meinung doch". wi
derfrrnch er. »und an dieser meiner
Uelserzeugnng lönnen mich alle moder
nen Frauenbeweaungen nicht irre ma
chen. Ich iiit meinen Theil wenig
stens betrachte diese nur als einen
Nothbehelf siir alle diejenigen junan
Mädchen, die ihren wahren Beruf,
Frau und Mutter zu werden, nicht
erfüllen lönnen."
Aber bestimmte sie ihm wieder
nicht bel. und ebenso lebhast, wie et
seine Anschauungen vertrat, kämpfte
sie fiir die ihrigen· bis sie es endlich
lachend anhaben sich gegenseitig zu
iiber engen.
arum leine Feindichast nicht«
stimmte sie ihm bei. »aber lassen wir
dieses Thema lieber in Zulunst ru
hen. lieberhaupt, mit einem Manne
zu diskutiren —«
»Ist beinahe ebenso schwer. wie mit
einer Dame zu ftreiten.'·
Und als jetzt Nellv und Böhme. die
inzwischen um die ganzen Hasenanlm
gen herumgeezangen waren. en ihnen
traten. machte sich alle in fröhliche-n
Geplauder auf den Heimweg.
5. Kapitel·
Hauptmann Mehring befand sieh
in sehr schlechter Laune. Es war am
frühen Morgen wiederum im Ba
taillon ererzirt worden und bei der
Gelegenheit hatte er fich hlamirt. fo
gar zweimal Einmal hatte er ein
Avmnrando salfch verftanden und
dann hatte er ein richtig verstande
nes stammando falfch ausgeführt
Dass man sieh irren tann. ist ja
menfehlieh. und Hauptmann Meh
ring hätte sich iiber diefen Punlt
auch weiter gar nicht aufgeregt
wenn er sich nur nicht gerade var
dem Bürgermeister lilamirt hätte,
denn diefer führte an Stelle des Ma
iors von Gebhard, der fiir einige
Tage beurlaubt tvar, das Bataillon.
So hatte der Herr Hauptmann der
Landivehr ihn auf seine Fehler auf
inerlfam machen miiffen und hatte
ihn in der höflichften Art und Weise
dariilier belehrt, wie er die Sache
wohl besser, richtiger hätte machen
können. Weg-i er nur ivenigfteng
grob geworden wäret Hauptmann
Mehring hatte ein Illifrtranen gegen
alle Leute, die ihren Tadel in lie
hrngtviirdige Form tleideten. Dac
verftand er felbst gar nicht, er
fchalt und polterte gleich darauf los«
und wenn er feine Grobheiten voi
Herzerrsserunts hatte, sann war die
Sache Auch iüt ihn erledigt.
Warum hatte der Hauptmann der
Landwehr ihm nicht in deutlichen,
llaren Worten zu verftehen gegeben.
dass er eine große Dummheit gemacht
hatte? War der Adiutant wieder da—
ran schule Hatte der den Vorae etzs
ten von nenem bewogen, rnilde zu ein«
um ihm abermals u henseifent ieh bi
gar nicht dein Feind, wie du ef- dir
immer einbildeffi
f
Oder aber! banntniann Melirina
ivar eine ossene nnd ehrliche Natur,
nnd aerade toeil er das war, iiiar er
aeaen iille Menschen, die nicht ebenso
essen waren wie er selbst, beständia
niisetranisch So suchte und ariibelte
er auch jetzt darüber nach. warum der
Hauptmann der Land-bebe ihn in so
unendlich liebengiuiirdiaer Weise anl
seine Fehler aufmerksam aeinacht bat
te, anstatt init einem heiliaen Donner
ioetter dazwischen zu fahren. Der
Grunde gab es viele, der natiirlichste
ioar der, das; der Hauptmann der
Laiidinehr aar nicht daran dachte. ei
nein an soiid diel erfahreneren Ossi
zier, als er selbst es war, grob zu wet
den. Aber gerade diesen ioichtiasten
Grund liesz Hauptmann Mehrina
am allerwenigsten asltein Nach seiner
Meinuna liess sich lein s.«andloel1rossisv
Zier die Gelegenheit eiitaeheii, eiiieni
aktiven Kameraden seine aeistiae lie
berleaenlieit zu seinem wenn ihn hier
zu nicht gar-; besondere Gründe ver
anlaszten
Jliid diesen Grund erlaubte ei
schließlich errathen zu haben, und die
ser Grund hiesi Konstanze
Und in demselben Vliiaenblick als
Hauptmann Mehring zn dieser Er
tenntnisz lam, stiesz er seiner ar
lreuen Rosalie beide Sporen in die
Rinden und beide Lipreii slnchtenr
»Jnsanies Fratienziniiiier!'« niobei
es un tviß blieb, ob sieh diese Worte
aus eine aetreue Stute oder ans
seine Schwäaerin bezogen
Und in demselben Augenblick be
lain Nosalie noch mal die Sporen,
aus alter Angewohnheit wollte sie
wieder einen lauten Klageton von
sich geben, aber sie wußte aus Er
sahrung, dasr sie dann biiehstens noch
ein« an die Ohren dazu bekäme. So
schwieg sie denn und dachte ihr Theil
Und wie der Kater Vidiaeiaei sieh
»den Kot-s darüber zerbrach, warm
sich die Menschen liessen, so Fermars
lterte sich Nosalie ihr hirn darüber,
weshalb sich die Menschen ärgern. ,
j Und Hauptmann-Mebrin«a öraerte
sich gräßlich, verlan te leine Scho
nung. inan sollte i n to behandelt
tvie et et verdiente. er wollte leineni
Menschen zu Dank verpflichtet sein«
seiner Schmägerin Konstanze ani al
lerrpen sten, und doch stand ez siir
ihn ses: sie allein war die Veran
lassung, da nian seine große Dumm
heit so na siehtia tritisirt hatte. Al
lerdings iiber das »waruin« in seiner
Vermuthuna war er sich nicht so aanr
tlar, aber er gab sieh auch gar nicht
de Mühe weiter darüber nachzuden
ten er reveie sich immer mehr in sei
nen Verdacht hinein, bis dieser siir
ihn Thatsache wurde. tte er iiichi
mit eiaeneii Augen ggeih wie dei
Bürgermeister seiner aerin aus
der Gesellschaft den has gemacht hai
te. verging auch nur ein einziger Tan.
an dem Konstanze sich nicht einge
hend nach dem Bürgermeister «er
lundigte. bat dieser ihn nicht iast
ieden Mittag, ihn seinen Damen zu
empfehlen? —- Waruin das alles.
wenn die beiden sich nicht iiireinander
interessirtenti Und das sollte, das
durite nicht sein, eher tollte seinetwe
gen die Welt untergehen, eher wollte
er Himmel und Hölle in Bewegung
setzen und wenn es sein mußte selbst
sterben, bevor er zugab daß seine
Schwägerin zum zweitenmal beiratbe
te. Allerdinas, man würde ihn aar
nicht danach fraaen, das war jii sicher,
und daß man ihn so einfach beiseite
schieben würde, empörte ihn ertt recht.
Na aber noch war es ja nicht so weit,
und ehe es so weit kam, bot sich ihni
vielleicht doch irgendwie Gelegenheit,
mit einein Machtwort dazwischen zu
fahren. Und diese Hossniina stimmte
ihn plö lich wieder froh und a litt
lich, er reute sich direkt aus den Au
genblick, in deni er Konstanzeng
Plane würde durchleeuzen tönneii,
und es erschien ihm als eine qeradezu
ideale Lebensausgade. sie zu überlisten
und ihre Absichten zu zerstören. So
lehrte denn plötzlich seine iite Laune
zurück, und als er nach eendiguna
des Dienstes seiner Wohnung entge
genschritt, machte er ein aanz ver
aniiates Gesicht
Aber seine Stimmung war mit
einem Male wieder versiegen, als er
wenig später zu Tisch ging. Er hatte
sich so aus sein Mittag aesreut, und
nun gab es das einzige Gericht, dar-«
er nicht sehen tonnte: Hammelbratea
Den hatte er ais junger Leutnant se
den Freitag im Kasino betonimen und
niemals war das Gericht gar gewesen;
seit der Zeit haßte er das Fleisch und
ihin wurde schon elend zumuthe, wenn
er nur einen lebendigen Hamniel sah,
geschweige denn einen todten.
Modijbudgjdiw
Mancher willsp räume deuten und
versteht nicht einmal, was er machend
erlebt.
I M Y
Manche Leute sind am spaßiasten
kann, wenn sie sich selbst ernit zu neh
men glauben
i O i
Der Korvettentapitiin Sims- will in
eine Panzersabrit eintreten. Recht so.
Tag Mundwerk zum Reiseontel hat er.
O I I
hätten alle Leute das, um was sie
beneidet werden, so hätten die meisten
mehr als sie haben.
se :- i
Eier und Butter sind billiger ne
worden, urn aber die Geschichte aus
zugleichen, ist der Fieischpreis wieder
erhöht worden.
I O J
Hurrat Sogar die Mausesnllen sol
teu billiger werden« Wer zweisett
setzt noch darna, daß das Millenniurn
iin Auzuqe ist«-Z
I i
Carrie Nation ist nervös. Schwache
Nerven wären tatsächlich dag aller
letzte gewesen« was man bei der stan
dalsiichtigeu Beilschivingerin erwartet
hätte.
F O I
Die Ernennung einer Frau zum
Haupttassierer einer New Yorter Bank
erregt bedeutendes Aussehen. Dieses
Erstaunen werden viele Ehegatten
nicht verstehen.
I I I
Da das Fleisch um so viel teurer
werden soll, als die Eier im Preise sin
len, so richtet sich der Mittelstand sär
die uiichsten Wochen aus eine Ruhreis
Periode ein.
I I I
Caruso sang urit einem Wiegen
liede ein Bahn in Evanston in Schlos.
Das Mittel mag sehr gut sein« zum
allgemeinen Gebrauch siir den Mittel
stand ist eg aber doch zu teuer
O I f
Der Chiragoer Korrespondent cur
iis ist mit der Bestrafung der engli
schen »Gentlemen-Spione« Trench und
Brandon unzufrieden. Es gibt eben
ttlmeritaner, die englischer sind als die
Eiigländer.
Kopf und Herz sollen immer zusam
menarbeiten: überläßt der Kopf dem
Herzen alle Arbeit, so kommen wie,
send überläßt das Heez dem Kopse alle
Arbeit, so kommen die anderen zu
Schaden.
I O i
Vor den Wünschen, die eine Frau im
Herzen hul, brauchst du dich nicht zu
fürchten, wehe dir, wenn sie Wünsche
Im Kopse hal. -— Drei Mal Wehe aber,
wenn sie eine lange hulnadel im Kopf
hat« i i i
Die deutsche Universität in Pkag
hal dem Kailer Wilhelm den medi
zinischen Dolioriiiel verliehen. hof
senlli erblickt der bereits lo vielsei
lig be chäsiigle Monorch darin keine
Aussorderung, sich nach noch der ätze
lichen Praxis zu widmen.