Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 03, 1911, Zweiter Theil, Image 12

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    Schulen flir- , nbnorrnei
Kinder-. s
In DrJiarl Willen
, M unsere Schulen fiir normale
M bereits ein Stadium erreicht
, - von dem zu sagen wäre »Biö
und nicht weiter«, wird tein
ernstlich behaupten wollen.
M die wenigsten werden sich über
ein solches Stadium wünschen
- halten noch viel zu lernen für
unser Schulwesen, io schön Manches,
wes wir erreicht haben nach langen
Näh-In auch ist. Es besagt ja auch
nicht, das die Forderung nach Schu
len für anormale Kinder irgendwie
die Entwicklung unserer vorhandenen
Schnlbetriebe hemmen soll und muß.
Jrn Gegentheilt Es wird eine Förde
rung darin liegen. sofern die Sache
nur richtig angefaßt wird.
Aber da sind wir vielfach noch in
den allerersten Anfängen Wir ha
ben noch kaum alle berechtigten An
spräche nur annähernd befriedigt ge
sehen, da springt schon eine neue For
derang wieder heraus: Tiefes Mal
spfl’2 die Schule für übernormale
Kinder werden: Geneschulen. Man
hat wohl ihre Berechtigung aus dem
Vorhandensein von Anstalten für
«nnternormale« Kinder abgeleitet.
Jdealer und aus nationalen wie
sozialen Gründen vortheilhaster wäre
es gewiß, wenn wir diese Anstalten
entbehren könnten. Doch die Wirklich
keit fordert Tanbfiummen- und Blin
denanftalten; Krüppelheinrex Anstal:
ten für epileptische. für blödsinnige
nnd geisteslrante Kinder: Jdiotenans
stalten und Hilfsschulem Erziehungs
heime fiir sittlich verwahrlofte Kinder
usw. Aber wohin mit der großen
Zahl derer, die sich quälen, ihrer El
tern Wunsch gemäß diesen oder jenen
Derechtigungsschein zu erwerben?
Die vom Gymnasinm auf-Z Realgnm
nnfinm, von da in die Realschule und
weiter in irgend eine Presse gehetzt
werden?
Hut Alle solche Nil-Wer A— mag man
sie nun »schwer erziehbar". .,pfncho
pathifch veranlagt", »nervd"s3« oder
ähnlich bezeichnen ——— gibt es nur eine
Erziehungsftätte: das Heilerziehungs
heim
Ein solches Heim wurde vor nun
mehr zwanzig Jahren von dem be
kannten Pädagogen Johannes Triivek
gegründet. Auf einer Anhöhe rechts
der Saale liegt die Sophienhähe mit
einem weiten Blick auf das alte kleine
Jena und feine Berge. Ein großer
Pari, Gärten, Recken die sich den
Oerghang hinaufziehen, umgehen die
verschiedenen Gebäude; eigene Wasser
ceiirmg, elektrifche Zentrale, Zentral
heizung, Dampf - Wäscherei - Anlage«
entsprechen den Anforderungen einer
wdernen hhgienr. Neben einem
Turnfaol und einer großen Schwimm
inkie finden wir Einrichtungen für
Itsifage und Einzelgymnaftii. für
Heil- und Lufthäder. Die kleinen
« Knaben und Mädchen wohnen mit der
Familie des Direktor-; im Hauptge
binde; den älteren Knaben wurde vor
vier Jahren ein Lehrlingsheim für
Andwirihfchaft und Gartenbau ein
geräumt, den Mädchen einige Zeit spä
ffter ein eigenes Mädchenheim mit
haushaltunggfchulr. Für die Pflege
des Körpers, der Gesundheit, wird in
vorzüglichfier Weise gesorgt. Wan
dern und Schwimmen, Arbeit auf den
Feldern, im Garten, in dem jedes
Kind fein Beet baut, in den Gewächs
hiiufern mit ihren vie.en Blumen
stählen Leib und Nerven. Die älteren
Zöglinge unternehmen in den Ferien
such weitere Reisen unter Führung
ihres Direktorg und ihrer Lehrer, die
lange nachher noch ein lebhaftes Ge
sprächsthema bilden. Befonderes
Gewicht wird auf den regelmäßigen
« fsechfel von Arbeit nnd Erholung ge
hst. Wenn man noch dem Mittags
s;Iosh-l durch den Bart wandert, dann
M man überall Gruppen ruhender
Kinder finden, während andere wie
p- Spazierane unternehmen, spie
II nnd sieh murmelt-, wie es fiir jeden
; Mckniß ist«
Noch eine andere Beobachtung
drängt sich dem aufmerksamen Besu
chet aus: fast alle neu aufgenomme
. nen Zöglinge sind unterernährt Das
, mag im ersten Augenblick befremdlich
klingen, da doch die Kinder durchweg
Isblhabenden Familien entstammen.
- Idee in der Thatsache selbst liegt ein
-·stweis dasiik, wie wenig sachgemäß
gerade in diesen Kreisen doch die Er
nährung ist Selbstverständlich ist je
der Alkobolge nuß den Zöglingen ver
— W sie werden streng abstinent er
zagen Auch Thee und Bohnenkafsee
Zureden den Kindern in der Reael
Mit-alten Aussiihtliche Gewichts
« ckkd Körpermaßtabellen geben jeder
" Aufschluß über die Wirkungen
et gesunden Ernährung
Ist das Gemeinschastsleben bleibt
die Familie das ständige Vorbild
. We befindet sich hier im Gegen
Isis zu den Verfechtern der Schul
3 zwei-Z und Schulgemeinden- Idee, daß
gej- ensch erst nach Vollendung der
iehnng «staatabäegerreis« ist oder
et wied. So bilden denn die Zög
»so-Miete Gruppen, die sich an
W Familien unter den
; en- entschian ohne frei
disse- mbändeelich fest ver
is sein- cleise Veränderun
gen wirken immer belebend. Aue
»dem Gesichtspunkt heraus ergibt sich
auch ohne miteresl die prinzipielle
EBntretung der gemeinsamen Erz-ich
jungder Geschlechter
; ieses Gemein chaftsleben ift basirt
tan hohe Ideale: Gewissensetntgteit
aller Mitglieder die sich ausprägt im
Streben nach christlicher und nationa
ler Urspung und Charakterfeftig
lett jedes einzelnen Individuum-Z in
nerhalb der Gemeinschaft Gemein
same Fese und Andachten, an denen
alle Kinder ohne Ausnahme der Kon
session theilnehmen. bilden ein Band
und Mittel, die erftrebten Jdcale zu
verwirklichen
Auch für den Unterricht bleibt die
Entwicklung des Charatters nnd die
Veredelung des Gemüths richtung
gebend. Bloßen Jntellettualismus
haben wir nirgends wahrgenommen
Prattisch lehnt sich der Unterricht, der
in 6 Haupt-: und Pl Nrbentlassen ers
theilt wird, an den Lehrplan der
Qberrealschulen an. Selbstbethätis
gung der Kinder - Erziehung zur
Arbeit! Dafür müssen Laboratorien,
Schultüchem Werkstätten und ähn
liche Einrichtungen vorhanden sein.
Ohne solche ist ein Heilerziehungs
Heim ganz undentbar. Eine Ueber
zeugung, die übrigens auch für die
Erziehung sittlich verwahrloster Kin
der immer mehr an Boden gewinnt.
Daß der Unterricht sich vom herge
brachten Schema (Rangordnung, Zen
suren; übermäßig lange nnd viele
Stunden) recht beträchtlich unterschei
det, brauchen wir wohl laum belonx
Iders zu betonen.
Mancher wird nach alledem vielleicht
der Ansicht sein, daß dies Erzie
hungsheim zwar ganz fchön und gut
fei, aber doch durchaus nichts Eigen
artiges. Dein miissen wir entgegen
halten, daß wir hier doch eine »ein
zigartige« Anstalt vor uns haben —
nicht nur »fchwache" Kinder finden in
ihr Aufnahme, sondern auch Kinder.
die oft intellektuell auf einer sehr ho
hen Stufe stehen, wie wir uns denn
überhaupt werden gewöhnen rniissen
auch das »iibernorrna1e« Kind als
pfhchopathifch zu betrachten. Es ge
hört gewiß oft eher in eine solche
heilerziehungs -- Anftalt als in die
geplanten —- Geniefchulen.
Aber nicht nur darin liegt das Be
deutende und Grundlegende ssdieser
Schöpfung Sie wurde vorbildlich fiir
alle ähnlichen Anstalten.
Noch eine Frage bleibt uns zu bei
antworten: soll es derartige Anstat
tur nur fiir die Kinder der Reiche-i
geben? Gewiß nicht! Und von An
fang an hat Trüber die Schaffung
ftaatlicher Erziehungsheirne gefordert
—- in Deutschland ift’"s aber leider
irrt-net noch bei der bloßen Forderung
geblieben, während die ungarifche
Regierung unlängft in Budapeft eine
staatliche heilpädagogifche Elementar
und Mittelschule siir nervöse und
fchwach entwickelte Kinder nach dern
Muster der Eophienhöhe eingereicht
hat.
Es ift unftreitig eine der dankbar
ften erzieherifchen Aufgaben, die Kin
der, die zumeift unverfchuldet hinter
ihren Altersgenossen zuriielgeblieben
find, zu nützlichen Gliedern unserer
Gefellfchaft heranzubilden, so gut und
so weit das menschlichem Vermögen
vergönnt ift. Und ich muß gestehen,
daß es für mich eine große Freude
Fwar, in einer Konferenz, wie fie re
gelmäßig unter Leitung des Direk
tors und unter heiligung aller
Erzieher und Erzie erinnen stattfin
den, zu hören, daß nach den langjäh
rigen Erfahrungen und Beobachtungen
die Erfolge der Erziehung derart sind,
daß wohl durchweg alle Zöglinge
auch außerhalb der Anstalt ihren
Charakter matellos bewahren.
Und das ist siir jeden Piidagogen
der schönste Lohn! (Umfchau.)
i Amme met Auster-dem
Mit dein Alt sein findet man sick
in der Renel noch leidlich nb, aber
das Altioerden, da liegt für die Mehr
zahl eine Schzvieriaterr, die oft niebt
leicht überwunden wird.
Es ist das endaiiltiae Abltoizen von
den Ufern des Jiiqendlandes. zu dem,
wenn der Rubikon einmal Eiberielsrit
ten wurde, eg leine Umkehr mehr nicht«
der Muth des Entschlusses allo, der
so manchem fehlt.
Wer festen Fuß fassen will in einen-«
cremden Land, der darf freilich nicht
mit leeren Händen kommen. Darum
wollen wir Siedler werden in des Al
ters stillerem Land, so laßt uns ein
nehmen in’s Lebensboot einen großen
Vorrath von stachlicht und milder
Güte fiir die an jenem Ufer zurückblei
bende junge Schnar, reiche Erinne
rungsfracht großer, bleibender Ein
drücke, Erfahrungen, die uns lehrten
die vielfach verworrenen Verhältnisse
dieser Erde mit klarem Blick ·u durch
lebauerh ein fröhlich Gemüt , edles
Gleichman im Verhalten und Schätze
des Wissens nnd Könnens, sie wir zu
eigen gewannen Hülen wir uns fern-r
wohl, nicht unvorsichtig die Leitunas
dröhte ab. uschneiden, die an das ver
lassenr U er hinuberreichem Zeit müs
sen Fähluuq behalten mit ern Ju
sent-learn ·
Wie es nun sachte Feierabend wird
in unlean Leben, lo legen lieh Fett
danken auch über die Seele,
in dies Lille, erre te Feier-n hin
ein well-II die wirf n in der Ju
t aber voller fest» reiner
alles giibtrtilneud: die Glocken der
Evzisk eit. i
Furcht
Aas dem Tagednctz eines Glohetrotterg.
Daheim dachte ich in alten Zeiten
öfters darüber nach, ob ich ängstlich
sein würde, wenn ich irgendwann in
den Krieg käme —- nicht feige davor
hegte ich keine Beforgniß aber ängst
lich fo daß ea an meiner Kraft zehrte J
mein Auge verdunkeln und mich mini1
der geschickt machte, meine Lette zu
führen. ch wußte ja, daß es eigent-»
lich eine z rage der Nerven war, daß!
5 — wie die Seetraniheii —- etwai(
ist, worüber man gar keine Herrschaft
hat. Wie war es nun aber mit met-I
nen Nerven bestellt-? I
Seitdem bin ich im Krieg, sogar in
zweien gewesen« habe manche Aben
teuer und Gefahren erlebt; id: habe
also Antwort auf die Frage bekom
men. Vielleicht wird es andere inter
effieren davon zu hören, was ich in
dieser Hinsicht erfahren habe; womög
lich gibt es andere, die sich ab und zu
mit derselben Frage abgeben.
Nun« meine Erfahrung ist mit we
nig Worten die. daß man leine Furcht
hat« so lange Menschen um einen sind,
und so lange man etwas zu thun hat.
— und je mehr man zu thun hat« je
fiiirter man in Anspruch genommen
ist« desto weniger wird man sich der
Lage bewußt. Jch din in Handge
nengen gewesen wo wir uns mit
Steinen und Eifenftangen und Revol
rsern schlugen: wir waren vier Euro
päer gegen dreißig Ehinesenfoldatenz
teinen Augenblick dachte ich daran« daß
ich getödtet oder verwundet und miß-·
handelt werden könnte Mein Blutl
war siedend; ich dachte nur daran
mich Zu schlagen, niederzusetsklagen
Das hat nichts aus sich, tapfer zu sein«
wenn man mitten im Getümmel ist.
Etwas schlimmer iit es« wenn man
nicht dermaßen dem Feinde persönlich
gegenübersteht, ihn nicht sieht« sondern
nur um sich her die Kugeln durch die
Lust heulen hört« und Granaten und
Schrapiietls einem um die Ohren
springen. Aber auch hier gilt dag
srlbe: ic mehr man beschäftigt ist« je
weniger Zeit man hat« an die Gefahr«
zu denken, desto weniger merkt man
davon.
- -
JM cllllllckc llllllJ llll kllllllill Us
Port Arthur. Ich hatte mich während
eines der großen Angriffe in einem
leeren Schüsenqrnden ziemlich. weit
nach vorn niedergelassen Oben auf
der Briiftwehr hatte ich Steine aufge
iicllt und zwischen ihnen ein Gualoch
Jngebracht, von wo aus ich voller
Spannung und Interesse dein Gang
des Streite-s folgte. Wohl konnte ich
hören, daß die Kugeln urn mich pfif
fen, aber ich war zu sehr init Schauen
und Notieten beschäftigt, als daß ich
dem einen Gedanken geschenkt hätte.
Daß die jähen Gewehrtugein eine·
Botschaft an mich enthielten, fiel mir
nicht einen Augenblick ein. Jchglaubte
mich vollständig geborgen. Plötzlich
schlug eine von ihnen zwischen die von
mir aufgebauten Steine, so daß Sand
nnd Schutt inir ins Gesicht sprühte.
Jetzt tain es mir erft zum Bewußtsein.
daß gewiß auch die anderen Kugeln
mir zugedacht waren. Jch mußte
wohl doch gesehen worden sein; ich
deute, es wird in den Gläsern meines
Felditechers gealitzert haben. Wenn
ich auf das Pfeifen der Geschosse
lauschte, tonnte ich wahrnehmen. daß
sie ganz nahe an mir vorbeiflogen.
Aber darauf konnte ich wahrhaftig
keine Rücksicht nehmen. Mehrere hun
dert Fuß vor mir raste der Kampf,
dessen Ausfall vielleicht iveltaeschicht
liche Bedeutung erlangen würde; es
war zu interessant. Bald war ich wie
der voll damit beschäftigt, dein Schau
spiel vor mir zu folgen und vergaß
alles andre.
Unaeachtet ich mich naturlich nicht
ohneNoth der Gefahr aussetzte, icar die
Eachlaae doch bisweilen derart. das-, ich
unt zu sehen was ich wollte, iiber ziem
lich auggesetite offene Strecken gehen
mußte. Ich hin bei solchen Gelegen
heiten mehr als einmal, sowohl von
Gewehr-— wie Gefchiitzfener persönlich
beschaffen worden und hatte mehrere
Hirn-n n· (-c(-.«1Ims". Einige Male tvnt
es mir schon etwas bedenklich erschie
nen, aber eigentliche Angst hatte ich,
wie ich glaube. doch nicht. Jch war so
damit beschäftigt, dem Gange des
Kampfes zu folgen, das wurde gleich
sam io sehr zur Hauptsache, daß alles
andere zu Kleinigteiten zufammen
schrumpfte. Leute mit gewöhnlichen
gesunden Nerven werden daher meines
Erachtens im Kampfe teine sonderliche
Furcht verspüren. Ich, der nur zuzu
schauen hatte und teinen persönlichen
Antheil aantreite nahm, fiihlte wenn
davon. Für die, die mitten darin sind
nnd hundert Dinge zu bedenken haben,
glaube ich, daß wenig Grund vorliegt,
Angst vor der Angst zu haben.
Und doch habe auch ich bei einer ein
zigen Gelegenheit die feuchttalte Hand
der Todesangst um meine Kehle ge
fähltz einmal habe ich dem Medusa
haupt der Angst ins Auge geschaut und
hin zusammen-gesunker gelähmt von
ihrem giftigen Athenn Das mertioiis
digfte war, daß ei damals eigentlich
nichts zu fürchten gab.
Es war zu Zeiten des Borertrieges
im Jahre IM. Die Stadt Ttentsin
war gefiiiemt und genommen nnd die
chinesischen Tranpen hatten steh den
Leid-Fluß hinauf zurückgezogem
Aber ei dauerte beinahe sechs Wochen
bevor die verbündetekMächte genü
gend Truppen sammengezonen hat
tet-. unt einen orttoß gegen Peting zu
wagen. Die Silenvabnoerbnrdnna
zwischen Iientsin nnd seiner Hosen
stadt Tatu war aänzlich unterbrochen.
Alter Trank-part von Proviant, Mu
nitiom Truppen nnd Materialien
mußte längs des Flusses vor sich geben,
aber auch diese Verbindung wurde ge
sperrt. Vorn Flusse tomrnen mehrere
große und eine Un bl kleinerer Ka
niile, die theils schi fbare Wasser-arge
kbildetem theils zur künstlichenBeroässe
rang der meilenweiten Aecker benuhi
werden« die sich ringsherum iiber das
Land erstrecken. Der aiiißte von ihnen
ist der Lutai:Kanal, der ebenso breit
und tief wie der Fluß selber ift. Zur
Regulierung des Wasserablauses ist
dieser Kanal vier bis fiins Kilometer
von seiner Mündung in den Fluß mir
einem Schleusendamm versehen. Aber
diesen hatten jetzt die Cbinesen in die
Luft gesprengt, so daß ietzt beinahe al
les Wasser dort entlang floss; das
Flnßbett laa an vielen Stellen fast
t elen· Selbst die ileinen Schlepp
da pfer, die die Leichter bnasrerten
saßen häufig in den wechselnden
Schlammbänten fest und trugen das
ihre zur Erschwerung des Vertehrs bei.
Tie Lage war sehr ernsthaft.
Eines Morgens wurde ich zum Chef
des britischen Truppenlontinaents, Ge
neral Gazelee, aerusen, der mir die
Situation erklärte und mich fragte, ov
ich binaufreiten und untersuchen wollte
toas sich thun ließe, um die Schleusen
instand zu setzen nnd argebenenfalis die
Nebaraturarbeiten aus mich nehmen.
Natürlich wollte ich. Ich war ohne
Arbeit und des Müßigganaeg herzlich
überdrüssig. Jch war noch niemals
in den Schleusen gewesen, wußte aber
so un,7efäl;r. wo sie lagen. Pferd und
Sattel hatte ich. Dante, ich brauchte
keine Eskorte: nichts stand in dem
Wege, daß ich sofort los-ritt Vor
Abend niiirde der General einen Rap
aort haben.
Flach, slach ist das Land um Tienti
sin. Soweit das Aue-e reicht, liegt die
Ebene flach wie ein Tanzboden. Es
sieht aus. als sei eine gewaltige»
Dampswalze dariibergegangen und
bätte die kleinsten Unreaelmäseigleilen,»
jede lleine rebellifchc Erhöhung ausge- J
glichen. Nur die unzähligen lleinenI
legelsisrmiqen Grabhügel liegen wies
Maulwurfshausen iiber die Ebene ver
streut. besonders in der unmittelbaren
llniaebuna der Stadt. Etwas weiter
hinaus liegen die bebauten Felder.
Meile auf Meile, ganze Tagereisen
weit erstrecken sich unendliche Felder mit i
Kaoliang, einer Art Hirsc, die so hoch
wächst, daß man wie durch einen dich
t-. n, dichten Wald reitet. Die halrne
können bis 18 Fuß lang werden. Eine
ganze Armee lönnte darin stehen nur
einigech Schritte vom Wege, obne daß ers-J
mögeckchn wäre eine Spur von ihr zu
ent
Es war etwa 11 Uhr, als ich fort
ritt. · ch folgte erst der Landstraße
nach Pe ing iiber die ossenen Ebenen,
wo alle Gräber liegen, an niederge
lnannten Dörsern vorbei. wo nur ein« ·
zelne nackte Lebrnwände übriggeblieben
waren; dann larn ich zwischen die
Kaoliang - Felder. wo das Korn be-«
reits hoch und reif stand, sertig zum
(Srnten. Alle-H war wie auggestorbenx
nicht einen Menschen sah ich aus inei
nem Wege oder in den Börse-km ein i
einzelner abgentagerter Hund schlich sich
beim Anblick des Fremden mit eingezo
genem Schwanze davon. Es rasselte
ab und zu zwischen den Kaolianqshalss
men, wo schwarze Schweine und-erstri
chen und sich an dem reisen Korn mö
steten, oder auch gelegentlich einen beer
lichen Schmaus an einer Menschen
Teiche fanden: sie waren zum Plagen
Fett mit glänzenden blanlen Borsten:
solche Zeiten hatten sie noch nie gehabt
— geradezu ein goldene-Z Zeitalter in
der Stammesoeschichtr.
i
Veim Dorfe Zanili miao, wußte ich,
lpatte ich rechts ais,7,nbieaen. Ich war
schon dort gewesen nnd war sicher, die
Stelle wiederzuerlenmm es war dort
ein alterTempel mit einem eigenthiim
lichenlstlockenthnrni. den man nicht ver
kennen lonnle. Aber ich hatte verges
sen in Berechnung zu ziehen, daß jedes I
einzelne Dorf in Triimmern laq ver
brannt und aepliindert, so Häuser wie
Tempel; das eine sal) genau aus wie
das andere, und außerhalb der Dörser
war alles einziges grünes Meer von
hohem Stroh. Wie in aller Welt
sollte ich wissen, welcher Schutthaufen
unter dem Namen Sanglismiao aim.
Run. ei- lam auf den Versuch an.
Bei einem Dorf, wo ich gerade vor
über-lam, baa ein arößerer ""Weg· nach
rechts ab. Einer der Trümmerhaufen
sab aus« als lönnte er ein Tempel ge
wesen sein. Einen solchen aab es al
lerdings in einem jeden etwas größeren
Dorfe« sodaß es nicht gerade ein son
deknch zum-einiger Merkzeichen qu
Aber ir endwo hier herum mußte es
sein, al o nur immer versuchen: einen
Menschen, der mir den richtigen Weg
weisen konnte, gab es ja doch nicht. Jch
letzte das Pferd den neuen Weg entlang
in raschen Trab.
Die ganze Zeit mitten durch den
grünen See. Ab und zu ein kleiner
osfener Fleck, wo Kohl und Gurlen
nnd andere Küchenpslanzen wuchsen,
ab und zu ein tleines Dorf und dann
gleich wieder hinaus in das sachte säus
felnde Meer. Ich larn an mehreren
kleinen Kantilen vorbei, und mehrere
Seitenweae bogen nach verschiedenen
Richtungen ab; vielleicht mußte ich
einein von ihnen folgen. Ich begann
ein wenig verirrt »z- werden; es war
im Grunde gen- en nicht lehr ge
As .Tn drüben sitzt der Meyer mopgfidcl beim Wein und ist ihm doch vor acht
Taka die Frau d;-rcbqeganqenl«
B.: »Hm et sit denn wirder?«
As »Armes-»F
B: »Na asso. warum soll er dann nicht fidel sein«-«
miitblich, allein weitdraulzen auf demj
Lande zu lein. Es war völlig aus-l
Igelchlorsen daß es hier so nahe an
ITientsin Ehinesensoldaten oder orga
snisierte Borer gab. aber ich mußte recht
igut daß in diesen Tagen jeder einzigel
ICbinele es in seinem Herzen mit deuj
chrern hielt; jedenfalls haßten sie die
ltkuropäer mit einem verbissenen lange
aufgesvarten Haß. Wenn ich ihnen in
Pi- hätte-e fiel --- bah, Unsinn, hatte Ich
nicht meinen Revolut? Es lohnte sich
nicht, einen Gedanken daran zu ver
fwendern
T Weiter vorwärts stets durch den
.ariinen, sucht wogenden See, den Blick
Hnach allen Seiten versperrt Ob ich
um Ende auf den salsckien Weg gern s
then bin! »
Nein, endlich. da war derkanall Esj
rrar ordentlich rraiiickenu, fein blanleHJ
stilles- Wnifer zu sehen. Ein kleiner?
Stea ging längs des Kanalrandes, ichs
solate ihm. Hier oben hatte ich ja
einigermaßen freie Aussicht, nnd es
tonnte nicht mehr weit fein.
Aber ich ritt und ich ritt, und nir
ginds lonnte ich eine Schleufe erfpiisj
h-n. Als ich etwa 10 Minuten aerit-"
ten war machte der Kanal eine plötz
’iche Biegung: von hier konnte ich mei-?
lenweit aufwärts fehen. Keine Spuri
irzsendwelcher Schleusenqebäude tonntet
ich entdecken. Nein, wenn ich es recht
bedachte, mußte im Grunde aenommenj
der Lutai : Kanal breiter fein. Dies-E
mußte einer der andern fein. Co and-J
i» fo viele: fteltenweife bildeten fie ein«
gonzeg Neh. H
Aber wo war ich eigentlich? Der
Weg hatte iich nach allen Seiten hin
und her geschlängelt, und drinnen im
Kaoliang war es ja unmöglich« sich
iiker dir Richtung im klaren zu blei
ben. Ich hatte mich verirrt, das war
sicher. Ich wußte nicht, in welcher
Richtung die Schleufe lag, nicht, wo
Tientsin zu finden war. Alleg. was
ich fah, war der KanaL ftill und
blank, und foweit das Auge fchweifte,
ern unermeßliches Meer von grünen
Qirfefeldern Unwilltiirlich hielt ich
an. Längs des Aanalg weiterzureii
fen, war ztoecklos. Wieder in das
Meer unterzutauchen und sich durch
die vielen Kreuzwege vorwärts-ius
taiten, war teineswegg verioaend.
Aber eJ gab teine Wahl. So unges
fähr im Siidweften mußte Tientsin
liegen. Ein kleiner Weg führte von
der Stelle, wo ich hielt, nach dieser
Richtung. Also abermals hinein in
den grünen See!
Ein tleines Stück weiter gabelte sich
der Weg. Die beiden Richtungen wa
ren nicht fehr verfchiedrn: die eine et
was mehr rechts, die andre etwas
mehr links; welches war wohl der rich:
»tige Weg? Es war gewiß am beften,
den rechts einzufchlagem er führte
mehr in die rnuthmafjliche Richtung
aber er war fo viel lleiner als der
andre, führte vielleicht nur zu einem
Brunnen oder zu einem der lleinen
Kanäle, von wo aus die Felder bewaf
fert werden. Jch fühlte mich mit einem
Male fo müde und gleichgültig: es
war ja schließlich alles einerlei. Vor
wärts würde ich fchon lommen, ob ich
nun diefen oder jenen Weg einfchlug.
Oder vielleicht lam ich auch niemals
weiter; das war gar nicht to unmög
lich, und das war eigentlich auch ganz
egal.
- . . - -.. ..l
JUA IDCT IS, Oll clllll eb. »Ur fluch
hatte es den Anschein, als tam es ganz
plötzlich; aber es bat wohl in mir ge
leaen und einige Zeit geglommem
tann ich mir denken. Es gab nicht-,
was mir Furcht einilößen konnte, lei
nen Laut, teine Bewegung, nicht ein
mal so viel wie ein schwarzes Schwein
zwischen den Halnien Vielleicht war
es die Stille, vielleicht war es die
Einsamkeit, was weiß ich. Aber es
war da, es Lam, dieses Unbekannte,
lkntfeßlichr. die fahle, bleiche Angst des
Tode-. Es war, als ob eine eiglalle
Hand mir uns Herz griff; talter
Schweiß perlte mir auf der Stirn; ich
star, daß ich zitterte: ein Nebel legte
sich mir vor die Augen. Jch dachtet
Jetzt wirft du pbnrniichlig.
Einen Augenblick fuhr es mir durch
den Sinn, daß ich trank geworden
wäre, den Sonnenftich bekommen
hätte. Aber ich wußte im Grunde pie
ganze Zeit, baß ich Angst hatte, Angst
bis zum Tode. Das Pferd war
ftehengeblieben. Ei quälte mich hier
zu siten, aber ich war wie benommen,
an die Stelle fiel-anat, tannte mich
nicht rühren. Bi der u. Gesichter wuch
sen um mich liermnx sie bekämpften
nnd schlugen si und drangen von al
ten Seiten au mich ein« Jch fah
gelbe, aufgefchwollene Leichen den
Flan herabgeschwommen kommen over
ans Ufer gefpiilt werden. wo wider
liche, feine Hunde sich darum lieu
lenv bnlgten. Jrh fah zerfleifch
te, verbrannte Körper von denen.
die zu Tode gepeinigt waren. Ich füh.
ich erinnerte mich —- —— es war, als
ob der Wald von Halmen mich von
allen Seiten mnllammerie, mit Hän
den« die greifen wollten, mit klebrigen
Former-new die sich unl·"mich schließen
und mit lich tief hineinziehen wollten
in einen qrilnen, häßlichen See voller
nnfagbarer Schreclniffr. Ich versuchte
mich selbst Zur Vernunft zn bringen,
mich daran zu erinnern, daß ja gar
lein Grund zur Furcht vorlag; ei«
nützie nicht;« die talten. graubleichen
llnholde der Angst hatten ihren Zau
bertina nm mich gewunden.
Mein Pserd brachte mich endlich
wieder zu mir selbst. Das Stillireben
mitten ans der Landstraße war ian
ossenbar zu langweilig geworden, und
es begann ganz ruhig vom Kavtiana
zu weiden. Das machte aus mich den
schlagenden Eindruck von etwas-.- sehr
tomischen; dieses gesunde, prosaiicbe
Phlegina im Gegensatz zu meinen
lrantbast erbinten Phantasiem da
stand ja das Tier nnd fraß ganz rutiiii
an meinen bösen Unholden. Ja
mnßte lächeln bei diesem Gedanten,
und dieses Lächeln streiste die ganze
Verzauberung von mir ab. Im
siihlte mich bedeutend müde nnd
schlaff, aber zugleich bedeutend wohl
nnd zufrieden als ob eine schwere
Krantbeit hinter mir lage. Und dac
verbielt iich ja gewissermaßen auch so.
Wie ich schließlich doch noch zur
Schleuse durchsand. ist ein Abenteuer
siir sich. Aber niemals seit jenem
Tage denke ich gering von feinem
Manne, der sich fürchtet. f«
Nach der seist-roth
«Weinhändler iim Wirthshause »in
s:ch): ,Wenn ich nicht bestimmt wiißte.
daß Her Wein von mir ist. würde iet
dem Wirth einmal qriinblich meine
Meinung sagen.«
Der Nacht-an
»Ich bin der Klavierstimmer. Fräu
lein!"
»Ich habe Sie nicht bestellt."
’ »Stimmt! Aber ver Herr, der ne«
ben Ihnen wohnt.«
Nach längerer Ette
Sies »Verqu nicht, übermorgen iii
mein Geburtstaa.«
Er: »Natürlich! Den iilebnrigtaa
soll ich mir merten, aber Ameisen soll
ichs wies alt Dn bist.«
Anch ein Sport
,,Jhre Frau Gemahlin sah ich fo
eben in der Kiichenschiirze!« «
»Im ja, das neue Sporiioinim sie
kocht seit einigen Tagen selbst!«
Ein Giiieitichen
»Du hast geheiraihei?«
»Ja, eine Wittwe.«
»Und bist Du glücksich Z«
«Außekordentlich. Sogar vie An
ziiae von ihrem ersten Manne pnssen
mir.«
zu starke Bist-.
»Herr Doktor, mir. scheini. das
Kräftigunasmiiieh das Sie unserem
Frist-n verordnei haben. ist zu stnri.«
» ieso denn-«
»Nun, in der kurzen Zeit. du er es
nimmt, hat er bereits eine Was san-,
ne, einen Spiegel. zwei hohe sen
und einen Wandeeller zerichiaaem fei
nem Schauiespferd den Schwanz aus
gerissen, und den ganzen Birnbaiw
geplündeti.«
.
Junqer Man-it »Sie leimen mich wohl
m mehr-? Mem Name Ist statt If
schen« ·
stellen-r Den-: »Im- dcn Augenblick
samt ich mich nicht alt-im besinne-IF
Immer Wams; »Ich war oft last sh
nen, als Zic- uoch qm Pathe wohnen-.
Imp beforqu da klemc Gänge für Eies
ich war» dafumal freilich noch ein dum
mer Amme "
sc mer dem »Ja, ichs erst-um- ich
Sie wisset ANY-wen sich scisdcm
eigentlich wenig beraubt-us«
-