Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 20, 1911, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats-aneiger und Il«cerold.
Jahrgang Isl. Grand Island. Nebr. 20. Januar I9II Zweiter (Thcil.) Nummer 22.
Jn der dämmetstunde.
Von Adelheid Stier.
Noch aeh ich nicht ins helle Zimm: t,
Ein Weilchen bleib ich noch allein!
Jn meinem Stäbchen iit t’sich s immer
So wohl und traut im ämmerschein
Dort draußen senkt sich vct den
Scheiben »
Die-Winternacht aufs weite Feld, i
Schnskeitoeien tvikbeln an die Scheiben, ;
Als ichneite zu die ganze Welt.
Da träumt WITH fchötL Jn aoldneni
Wnaen
Kommt Göttin Phantasie ioaleich,
Mich iiber Wolten fortzuttaaen
Bis in ihr lustig Königreich
Ia sehnt-I ich hoch aus blauer Ferne
Hernieder auf das Etdenlano
Und hole mit vom schönsten Sterne
tiin Miitchengliiei mit eigner Hand.
Doch vlistxlich fall’ ich mit Erichteeten
Nom Wollenteich zur Erde hin, -
Man ruft: »Wie lanae willst du stecken
un Daniel, lose Träumeein?«
Generalprobe.
Stin von E. F n h r e w
Man war in der Aunstschule in un
gewöhnlicher Aufregung Der Herzog
nor von einer langen Reise zurückge
tommen und hatte sich bei Professor
Griitfeld ansaaen lassen. Die drei
,,«Jlteisterschiiler'« des Professor-B flogen
im Atclier umher wie aufgescheuchte
Wespen. Sie sollten schnell ein bißchen
Ordnung machen, und das war gar
nicht so einfach Hauptsiichlich war esz
schwieria, dac- duntle Geheimniiz w
durchdringen, das die Ylntiindiaunzi
uniaaln
Der Professor hatte nämlich nur die
Jhiir aufgemacht und hineingerufem
»Meine Herren, der herzoq tomth
Sorgen Sie gefälligst dafur, das: es
nicht zu fradvant wie in einem -rertel
stall aussieht-«
Der Professor driickte sich immer
sehr öflich ausl; er hatte natürlich et
was raftischereg sagen wollen.
Der rethblonde Holsteiner Lehmann
hatte mit fliegenden Nodschöfzen al
lerlei Kleinigkeit-en aus dem Wege ge
räumt. die teinen Menschen störten.
»Junge, Junge«, murinelte er un
aufhörlich vor sich bin, ». Du sollst se
ben, der Herzog kommt auch nebenan!
Kommt in unser Meisteratelier! Sieht
meine PrachtgestaltenL Und erkennt
mein Genie . . ."
»Menschl« rief Deinelt, ein nervöser
Berliner, der seit einem Jahr hier ar
oeitete, »was brabbeln Sie denn egal
weg vor sich hin? Dabei tann man ja
rein verriiclt werden!«
»Wenn man s nicht schon ist!« fiigte
bedeutsam der Dritte hinu, indem er
ein großes Stück Pavpe aufhob und
hinter den alles mild verhüllenden
Wandschirm schleuderte Uebrigen
möchte ich wissen warum Ihr so n
Wesen aus der Sache macht! Der
Professor ist doch ein anertannter
Schützling von Serenissimus, da ist
es doch tein Wunder, wenn eine the
lierbesichtigung ftattfindet!«
ch, thun Sie doch nicht so nn
schiilAdigl Es handelt sich gar nicht um
den Professor, sondern um nnsl
Kommt rein! Wir wollen uns jetzt
mal überzeugen, wie es bei uns aus
sieht! Wenn der Herzog dort einen
Blick hineinwirft es ist ja gar nicht
auszudeuten, was daraus entstehen
tann
Alle drei standen nun in ihrem ei
genen Schassensraunr und stellten im
mer auf's Neue ihre Werte in ein
immer noch ,,bessereg Licht«. Lehmann
nnd Deinelt sanken endlich erschöpft
aus die Tontiste in der Ecke. Der dict·
Jürler aber, tlein und vhlegrnatiseb
ries in seinem schönsten Schioiibischr
Jetzt ischth schee! Jetzt tann'«5
Fiir chtle tomme!«
Deinelt fuhr in die Höhe:
,,hört mal, wir haben ja aile eigent
lich keine Ahnung, wie man sich be
nimmt, wenn so ein aroßeg hm
. . · . Licht tonnnt! Jch schlaae vor, wir
halten Probe.«
Damit war selbst der rothblonde
Lehmann einverstanden Seine unhol
steinische Ausreaung suchte nach weite
ren Ventilen, nnd er schoß durch das
Atelier: »Gut, gut!« ries er. »Du
Deinelt, bist Serettissimtts, und ich bit
der Professor. — Sol«
Er stellte sich in die Positur, die der
Meister am häusiasten innehatte: Eine
Hand ans die Hüfte gestützt, mit der
andern das Kinn streichelnd. Hinter
ihm stand Deinelt, so steil aufgerichtet,
daß er eine Neigung nach hinteniiber
bekam. Schon aber unterbrach Fürler
die Probe:
»Serenissimus vor! Der kann doch
nit da binte stehe!«
»Ach richtia!« mursnelte Deinelt
während er einen Schritt weiter vor
trat und dabei den Holsteiner mit dem
Ellenbogen pusstr.
»Nimm mit Jhren Armen! Mensch!
iJn Geaenwatt eines getrönten Hand
ftes steht man nicht so sang facon da!
Demutb meine Herren· Tiefste De
mnth bitte ich mir ang!«
Lehmann knickte zusammen und
stand nnn mit aeboaenem Riicten nnd
sskhtbar schlottetnden Gliedern da. D.r
vermeintliche Herzog- winlte ihm anii
dia mit der Hand ab· Hieraus hielt er
ein imaainäreg Anaenalas vor das
Gesicht und näselte:
»Dann besten-J, lieber Griitseld las
sen Sie mich nur selbst ansehen.
Ah, was ist denn das sitr eine vortreff
liche Fiinr da? Ein herum-z nicht
wahr?«
Dabei strebte er seinem eiaenen
Weile zu, einem lebensgroßen Hernie2«
der in der Ecke stand.
Der Holsteiner aber hielt ihn am
«!lerniel fest
»Nein, Serenissimns«, saate er la
teaorisch, »das ist tein Herines sondern
ein Inißglückter Versuch dazu! Hier
dagegen .hier sehen Eure Majestät »
etwas gani Aunerordentliehesl" Und;
bei diesen Worten bugsirte er seinenl
Landes«-betten en seiner eignen letzten
Zchövfnna hin, einer zierlichen Brun
neniianr vor der er heftia gestitnli
rend stehen blieb
,,Serenissimus geruhten zwar soeben
zu bemerken, daß Sie allein ansehen
möchten doch wir haben nur so we
nig Zeit, da empfiehlt sich doch viel
leicht, daß ich auftnerlsam mache auf
tsiese reizende Gestalt - sie würde eine
Zierde tür ieden Palast fein. nnd ich
lasse sie billia, sehr billig, boheit!«
Der Fiirst zoa die Anaenbranen bis
an die Oaarivur«ieln hoch nnd schmier
te:
- .« . s
»Unmus- mem Jriclmuuy uieni u.
Tier Professor; ich musi mich doch sehr
wundern . . .«
» Aber nun hielt es Fiirler nicht mehr
lanner ein«-.
»Folsch, grundsnlsch!« schrie er.
»Alle-H falsch! Lehmann, seien Sie ein
mal der Herzog, nnd ich werde der
Professor sein. Deinelt, Sie halten
ausnahmsweise siins Minuten den
Mund«
»Hequott!« erwiderte Deinelt, er
spricht hochdeutschk Wie wird das en
den, Jhr Y.Itiichte!"
Dei Schwabe beuchtete ihn nicht Er
hatte den zum herog aoancirten Pro
sessor noraetehoben und sousflirte ihm
jetzt im Biihnentom
»Geh-n Sie mal in meine Ecke, Leh
mann! Jch bleibe ganz bescheiden hin
ter Ihnen und ver-beuge mich bloß.«
Dies that er denn nun mich. lFr ver
beugte sich ununterbrochen, turz und
elegant. so etwa, als wenn er iich in:
Ballsaal vorstellte. Dabei verans: er
nicht, weiter zu sousslieken:
»Na, io reden Sie doch wnzl lsin
bei-zog redet doch! Und thun Sie recht
unbefangen garnicht neeleqenl Das
ist so die Art der hohen Herren!«
Lehmann war in würdevoller Heil
tung bis zu Fiirlers Abtheilung liins
geschritten. Er that es in einem schö
nen, windenden Gange, den er siir
siirstlich hielt. Vor einer zierlichen
Nymphe blieb er stehen und nictte gön
nerhastt
»ev: tt:· tagte er utu Veraviauung
»Wirtlich sehr nett! Von wem ist Diese
Kleine, lieber Prosessors«
Fiirler verbeugte sich dauernd und
itotterte: »Von einem unserer tüchtig
sten, junaen Künstler, Hoheit. Jn der
That meinem besten Schüler! Fiirler
heißt der verdienstvolle junge Mann«
Jch kann ihn Euer Durchlaucht durch
aus ernpsehlen!«
»Gebt in der Wäsche nicht aus«
unterbrach ihn Deinelt grinlend
,·Trägt sich vorzüglich bei jeder Wit
terung!«
Rrrrrruu hhig!« sauchte der Pro
fessor. ,Man unterbricht niht eine
Lludienrl Jn die Ecke, Besen! Vll
so Serenissimug gestatten, das-, ich von
dem außerordentlichen Talent des jun
aen Manne-J noch einige Proben vor
iiihre. Hier zum Beispiel ist eine Büste
des Professor-; Griitseld meiner
selbst also! Durchlaucht werden zu
geben miissen, das-, es eine ganz qeniale
llrbeit tst und dasr man wirklich von
Staats wegen ein solches Genie un
terstiiszen sollte! lkin Stipendiuiu
wiirde
Der Fiirst wandte sich unt und
schrie ihn an:
»,Ra weiter fehlte ja niclts! Lieber
Gr««iitfeld Sie mögen ja ein ganr bra
ver Bildhauer sein, aber von Ihren
eignen Schülern haben Sie ia lein
Ahnungl Ueberhaupt gehen Sie mal
da weg! Dort sehe ich das schönste
Kunstwerk dieses ganzen Ateliersl
tfin geradezu llassisrb schöner lint
wurs. Eine Brunnensigur, wie ich i
liebe! Von wetu ist denn dieses sa
belhaste Werl?«
Fürler verbeugte sich gar nicht mehr
und erwiderte mit einer beschwichtiaen
den Handbewegting:
»Na. Sie übertreiben, bester Huon
Die Figur ist ja nicht iibell Aber bei
Antäusen must man doch nur das Al
lerbeste wählen!«
Der Herjog besann sich aus les
Mäcenatenthum. Den-Kopf sehr weit
zurücklegend, sprach er leutseli :
»Nun, mein lieber Vrose or, ich
—
habe mich überzeugt, daß eiaentlich
alle Jhre Schüler außerordentliche Ge
nies sind! Ganz besonders der iunae
Lehmann -- hieß er nicht fo? Aber
ich will auch die beiden Anderen durch
sang nicht zuriicksetzen! Im Geaentheilt
Schreiben Sie mal anf, lieber Griii
IfeldS Antiinfe für den Herzoax Her
’mes, Nymphe nnd Brunnen Preis
ateichaiiltia ich zahle was gefordert
wird· Gott fei Dank hat man es ja
nicht nöthia, den Groschen umzudre
hen! lind ich wer e mir die drei
tüchtigen, jungen Leute auch fiir die-.
.utnnft merken :
Ein sonderbare-L Geriinfch ans dem
arofxen Nebenateiier lief; die Drei
plötzlich zufammenfahren Dort l;att:;
Jemand gelacht! Man hatte sie be
lauscht eg ioiirde doch nicht etwa
der Professor .
Aber da trat ein hochaewachfener
Herr im grauen Promenadenanz na
uber die Schwelle hinter ihm der
likrofefior roth und blas-, werdend:
»Ich danke Ihnen, meine f)erren!"
rief der Herzog lachend, »das ioar eine
außerordentlich unterhaltende Vorftel
lnna, die Sie da aeaeben haben! Nun
weiß ich doch wenigstens, wie ich mich
zu benehsnen habe, um Jhnen Zu ae
fallen!«
Die Tsrei hätten in die isrde sinken
mögen. Selbst Deinelt schlug die »in
gen nieder nnd der blonde Holfteinrr
wurde leicht violett im Gesicht
»Wer hat sich denn die Komödie
ansaedartit'.« fraate der Fiirft weiter
indern er fich lächelnd in der Runde
ninschante.
Da platzte Fiirler treuherzig heraus:
»Ach. entschuldiget Se nur. Hoheit.
’L-ischt ja nur e Generalpröble a·wese!«
Da brach der Herzog nochmals i
ein schallendes ttteliiibter aus- nun
winkte dem Professor-.
»Nun, dann kommen Sie nur
l«-«riitfeld, nnd spielen Sie mit mir die
Oauptrosle in dieser "«llremiere! Wir
wollen hoffen, daß die Herren Llntoreu
nachher mit uns zufrieden sinds«
lind in der That konnten die Drei
zufrieden sein. Denn der Herzog, it«
beste Laune versetzt machte wirklich
mehrere Ttlntiiufe wenn auch nicht
ganz in den ihm voraeschriebenen For
men.
Nur der Professor schüttelte noch
taaelang nachher den stops und der
sicherte einmal iiber das andere. die
Sache hätte ebenso gut auch recht iibel
ablaufen können. Woraus der under
besserliche Deinelt naseweis erwiderte
daf; ein »Hätte« niemals so diel Werth
bwabe nsie ein ,,Jst«. lind damit hat
t. er ja auch ganz recht.
Wh
Jnuner hiiblcb höflich
ttfin Bund fiir Höflichkeit) hat sich
vor einigen Tagen in Berlin nach dein
Vorbild eines in Rom bestehenden
Vereins- gebildet· Mit riiksmenswerthrr
Fixigkeit ist gleich ein sehr wichtiger
lslunkt erledigt worden: Die Wahl ei
nes Abzeichens Es hat die Gestalt
einer kleinen Medaille, die schon als
Linderungsmittel fiir Ordensschmeri
:en einigen Werth hat und die "luf
schrift: ,,«ltro gentilezza« trägt, da
mit ungehobelte Schaff-ten Polizisten
und Kommis, die ja durchweg die ita:
lienische Sprache beherrschen, gleich
erkennen, daf; der Träger der Medaille
besondere Ansprüche an höflich-: Be
handlung stellt. Die Ziele des unter
frerndlandischen Wahlspruch streiten·
den Vereins sind gut gemeint und ver
dienen alle Anerkennung; aber gerade
iu Berlin, meint die ,,.Köln. ;-3eitung«,
macht er doch den Eindruck, als wolle
man mit einem Sibhon eine Feuers
brunst löschen. Eine gewisse Grob
heit, die von Lolalpatrioten als kernig,
berzhaft und ehrlich bezeichnet wird,
qehört zu den Charakterziigen der
Neichshaubtstadt Das Recht der
Persönlichkeit wird oft mit der Bethä
tigung nackter Jchsucht verwechselt; »in
einer Großstadt mufz sich jeder seiner
Haut wehren,« ,,mit Höflichkeit kommt
man heutzutage nicht weiter« —- solche
Lebensregeln tann man häufig aus
Berliner Munde vernehmen, obschon
doch andere Städte, die in weit höhe
rem Grade als Berlin weltstiidtische
Ziiae aufweisen, ganz gut mit einer
mildern Tonart austoinmen. Die
Grobheit beschränkt sich keineswegs
auf die unteren Volksklassen: in den
höhern zieht sie meistens Glac-2hand
schuhe an, zeigt aber bei geeigneten Ge
leaeitbeiten doch ihre derbe Faust.
Uekerall herrscht der lklberglaubem
dass die paar Minuten. die man in der
Franzen nnd Theatergarderobe durch
hihiae Ellenbogenarlsisit und polterns
teg Ferdern sparen kann, nicht mit
Gold auszuwiegeu seien: die Garbe
roben bieten deshalb niraendwo ein er
hebendrs Bild feiner Gesittung. Am
wenigsten aber in Berlin. Allabendlich
kann man den Anblick genießen: vor
dem Tisch der Garderobensrau, die
mit ärgerlich gehehter Miene und
zuweilen einen Schweißtropfen abwi
schend hin und hereilt, harrt seftaekeilt
eine doppelte und dreifache Mauer
fbettelndey feilschender, scheltenderl
Theater-besuchen gegen diese Mauer
wirft sich dann mit keckem Elan ein
nobler Herr in Frack oder ,,Smoting«,
reicht mit weit auggerecttein Arm zwi
schen den Schultern der Leute, die vor
ihr stehen, seine Garderobenmarke hin
und beschwert sich im schnoddrigsten
Ton, das; er noch immer nicht bedient
werde. Wer in der vordersten Reihe
steht und, wie es in der Regel sein
sollte, ohne laute Mahnung auf Abfer
tiauna wartet, must zusehen, wie iiber
seinen Kon weg Ballen von Mänteln
und Hüten zu dreisten Schreiern wan
dern, die nach den einfachsten Gesetzen
der Billigkeit, aefchweiae denen dei
AnstandeT sich hätten aedulden Iniiss
sen, bis die früher Getoiuineneu bei
dient worden wären. Auf dar- schwache
Geschlecht wird wenia Rücksicht genom
men; wer einer Dame auf die Schleppe
tritt, murmelt oft keine Entschuldi
gung, sondern wirft ihr einen aiftiaen
Blick zu, daß sie ihr Anhänasel nicht
besszr gewahrt habe. Vor einiger Zeit
ging folgender Vorfall durch die Ber
liuer Zeitunaeii: Ein Herr fühlte sich
iui Stinszenbahnwaaen durch den Rie-v
ienhut seiner Nachbarin belästigt. Nach
einer fruchtloer Beschwerde sprang er
auf und versetzte der Dante einen träf:
tian Faustschlaa auf den stopf, so das-,
sie in Weinen ausbrach und einer Ohn
nicieht nahe war. So etwas tann
iilserall vortommen, Rupel gibt es al
lcnthalben. Das Bezeichnende ist, daß
sich von den Männern, die in dein
Wagen saßen, nur einer zu einem pla
tonischen Verweise ausrasste, und daß
der Grobian nach einer Weile den Wa
gen verlassen konnte, ohne daf; seine
Person festgestellt worden wäre. Jn
einzelnen Zeitunggzuschristen wurde
der gemeine Bursche noch halb und
halb in Schutz genommen; es fei
menschlich begreiflich, wenn auch un
passend, daß er in solcher Weise seiner
lstalle über eine unsinnige Mode Lust
gemacht habe; tiihlpraliische Gemiither
iniivsten die Warnung an, daß die
Frauen in der Wahl ihrer Fiopfbedet
tung vorsichtiger sein sollten. Jn
England und Amerika hätten wahr-—
Mtnlich lunstgerechte Borerstöße dem
Zünderfogleich die dringend nothwen
dige An tanvglettion ertheilt und der
Richter hätte, wenn der Borerei ein
Rachspiel gefolgt wäre, die Lampen
der Höflichkeit glatt freigesprochen.
ohne sich lange mit gelehrt-theoreti«
schen Erwägunan iiber Nothwehr und
dergleichen abzugeben Auch sonst
stellt die Straßenvahn der Höflichkeit
der Berliner kein glänzendes Zeugnis
aus. Sehr oft sieht man Damen auf
eer Plattform in Wind und Wetter,
ohne daf; sich einer der Herren im Wa
gen bemiißigt fühlte, ihnen feinen
Platz anzubieten; zuweilen stehen auch
Frauen, sich an den von der Decke her
althöngenden Riemen miihsam festhal
tend, im Innern des Wagens, wäh
rend die Männer ringsum wie ange
nagelt auf ihren Biinten sitzen und
vielleicht dag- Gegentheil einer Artigkeit
murmeln, wenn die vom Wagen ge
schiittelte Dame die Herrschaft über
ihre Palete verliert und an das gehei
ligte Zeitunggblatt eines Herrn der
Schöpfung stößt. Ausnahmen gibt es
selbstverständlich aber sie sind in Ber
lin ziemlich rar. Die vorgebrachte
Entschuldigung zu. B. das; manche
Damen eine derartige Aufmerksamkeit
gar nicht wünschen, iie alö Ausdring
lichkeit betrachten usw« mögen nicht
ganz aus der Luft gegriffen fein, trotz
dem unisite ein herr, der eine nothdiirf
tig ausreichende Stinderftube gehabt
hat, auf gliihenden Kohlen sitzen, wenn
neben ihm eine Frau in unbeauemer
Haltung stehen musi. Aber in Berlin
gibt es viele große Geister, die sich mit
solchen Fileinigteiten nicht abgeben und
sie im Vollbewußtsein ihrer praktischen
Lebensausfasfung als sviefzbiirgerliche
Sentimentalität belächeln.
-—-—--—
Uns der Geschichte der Tafel
wenden
Gelehrte Forscher haben in geistrei
dsen grossen Werten dargelegt, wie im
Laufe derJuhrhunderte und der Jahr
tclxsende bei den Menschen die Nah
rnngsausnnhme sich immer mehr ver«
scmert und kompliziert heil nnd wie
uns einer ursprünglichen Notlnvendin
teil der Natur sich allmählich eine
sinnst entwickelte-, die rastlos schaffend
das Menii der Menschen wandelt und
bereicheri. Allerlei interessante Rii
chengelseimnissc uns den fernen Zeilen
der alten Aenltpteiz der Griechen nnd
der Römer bis zum Miltelalter und
zur Neuzeit enthüllt uns Arnmnd Le
bnult in einein fesselnden neuenWerle:
»Die Tafel und die Mahlzeit iniLaufe
der Jahrhunderte«, das soeben in Pri
ris erschienen ist. Jn den ältesten
Zeiten Aegyptens lvnren die Bewohner
des Nillnndes begeisterle Zwiebelesser:
der Ztviebelzucht wurde die größte
Aufmerksamkeit zugewandt, und die
Kcschtiinstler des Pharaonenteiches er
sclxöpsten ihre Phantasie in immer
neuen Variationen, die Zwiebel zuzu
bereiten Sogar die Todten sollten
den Wohlgeschmack der Zwiebel nicht
entbehren, und man legte ihnen einige
Dieser Knollenfriichte in den Sarg.
Man hat bei den Ausgrabungen in
vielen Gräbern noch solche Zwiebeln
gefunden, die seltsamertoeise nach die
ser jahrtausendelangen Abgeschiedens
heit noch die Kraft deg Wachsthumg
zeigten und bei sorgsamer Behandlung
sozusagen wieder zum Leben erwach
ten· Als Gemijse bevorzugten die
Acghpter im übrigen den heimischen
Parer und den Lotu5. Die Aegyp
ter waren übrigens überzeugte Anhän
ger dec- Roastbees, zu dem sie mit Be
bagen aus mächtigen Krügen ihr Bier
trunken, das so hoch geschätzt wurde-,
das-. Diodorusz Siculug behauptete,
der Gott Ostrig selbst habe das Bier
erkunden. Ueberhanpt waren die al
ten Aeghpter trotz des heißen Klimas
ihres Landes dem Altohol keineswegs
alt)old, und es wäre Geschichtgfäls
sa;11ng, wenn man behaupten wollte,
sie seien ein besonders nüchterne-: Volk
gewiesen.
Tie Griechen nährten sich in ihren
äliesren Zeiten vorwiegend von Ge
iiiiisen, Obst und Wurzeln; Fleisch
und Fisch wurden nur in sehr gerin
gen Mengen genossen. Aber diese Ein
faebheit des Speisezettels verschwand
mit der Zeit, und im 6. Jahrhundert
v. Chr. umsaßte ihre Küchentunst alle «
Erzeugnisse der Flora und Fauna der
ganzen Welt. Der moderne Gourinet,
der so gern die Künste des »Grill5« in
Anspruch nimmt, lann sich auf die al
teii Griechen berufen, denn auch sie
sieltten die meisten Fleischgerichte auf
dem Rost her. Das Brot ist erst ver
hältiiiginiißig spät in ihren Speisezet
trl eingedrungen, dagegen besaßen sie
sei: alten Zeiten eine Art Gebäck oder
teikctiem der aus Gerste bereitet wurde.
Tie Trintsitteii der Helleiien sind hoch
entwickelt, aber ihre Weine und Biere
sind durchweg leichter als die ihrer
Nachbarn. Jiii allgemeinen genossen
si-, nur wenig Altohol, in Log bestan
den sogar Bestimmungen, die den
Weingeiiuß überhaupt erst nach der
tsTheschließung erlaubten. Plato be
stimmt betanntlich 18 Jahre als das
sriiheste Alter, iii dein Wein getrunken
tierreii dürfe. Von den Griechen
iibeinahnien die Römer die gefährliche
Sitte, unmittelbar nach dein Festiiiahl
zu baden, um die Folgen des Allohols
genusseg vorzubeugen. Die Köche eri
freuten sich iin alten Griechenland be-« s
sonderer Achtuiia und Wertlischätziina,t
sie nehmen im sozialen System einen
Ehrenplatz ein, und mehr als einmal11
nsiissen die Satiriler die Prätentionen t»
der siöche verhöhnen. Man schätzte sie i
als Künstler eiii, ein guter Koch »
mußte zum inindesten zwei Jahre ge
lernt haben. Sogar eine Art vons
Patenteii erkannte man den Köcheiii
zu: wenn einer ein neues- Gericht er i
sonnen hatte, so gewährte dag Gesetz
ilnn das ausschließliche Recht, dies
Gericht zu bereiten und zu verkaufen.
iliii das Jahr 470 v. Chr bildete sich
gar eine ,,Gesellschast ziir Forderung
und Entwicklung der Kochlunst«, und l
di Epituriier, die diese Korporation!
inJ Leben gerufen hatten, deranstalte «
ten Wettbewerbe und ertheilten Preise l
Bei ihren Festiiiahlen pflegten die St) l
bariteu im Speisesaal eine Anzahl
von Vögeln loszulassem deren Flügel
mit Wohlgeriichen getränkt waren iiiid
die dann beim Flattern den Raum in
eine Atmosphäre von Duft und Par
siiiit tauchten.
Jm Gegensatz zii den Griechen sind «
dEe Römer von Anfang an starte
Fleischesser; sie dedorzugen vor allein
Schweinefleisch das frisch, aber auch
gesalzen genossen wird. Jin alten
Rom waren die tiöche wenn möglich
noch höher geachtet als in Griechen
land, die Kriege im Osten trugen den
orieiitalischen Luxus zur ewigen
Stadt, und als man eine Kommission
nach Athen schickte, um die solonische
Gesetzgebung zu studieren, da kehrten
die Abgesandten nicht nur mit griechi
schen Gelehrten und Künstlern heim,
siidern sie brachten auch eine ganze
tlicilie griechischer Kochliinstler mit
nach Rom. Das friihe Mittelalter
läßt eine gewöhnliche Mahlzeit meist
aus drei Gängen bestehen; zuerst wird
ein Salat aufgetragen, der aus Hop
sen und anderen Pflanzen bereitet
war und den Appetit aiiregeii sollte.
Dann folgte ein reichlicheg Fleischges
richt, meist Schweinefleisch oder Wild,
das phrainidensörmig aus großen run
den Brotteliern angerichtet war. Ge
biiet und Obst beschlossen dann die
Mahlzeit. Aber die feinsten Vliiihen
griechischer und römischer Kochtiiiist
gingen im frühen Mittelalter zum
größten Theil verloren, und es folgte
eine Zeit in der die Quantität über
dEe Qualität siegte. Bis dann, Jahr
hunderte später, Frankreich die Füh
ricng in der Kochkunst übernahm und
die Befriedigung des Gaumens wieder
zum Gegenstand einer rassinierten
sinnst machte, in der Qualität alles
und Quantität nichts bedeutet.
Was ist der Alpdruck ?
» tkg gibt wohl kaum einen Menschen,
:!er nicht schon einmal am Alpdriicken,
der stirchterlichsten Art der Angstträu
sue gelitten hat. Wes ist aber eigent
lich der Alpdruck? Ernest Jones, ein
Dozent der Universität Toronto, hat
dariibei jiingst eine Studie veröffent
licht, von der die »Naturwissenschaft
lich-e Wochenschrist« einen guten Ueber
biict gibt. Was die Erscheinung des
Atpdriickens selbst angeht, so hat Mac
nish, der die Erscheinung aus eigener
Erfahrung gründlich kannte, in seiner
»Philosophie des Schlafes« die treueste
Schilderung davon gegeben. Darin
heißt eg z. B.: »Keiue Einbildung ver
mag sich die Schrecken auszumalem die
inmit verbunden sind, feine Sprache sie
i» treffenden Worten zu schildern.«
Das gewohnlichste Gefühl beim Alp
druck ist nach einer Beschreibung Mo
terg aus dem Jahre 1867 das eines
gewichtigen Körper-, der auf der Ma
gengegend sitzt. Dieser Körper kann
jede nur denkbare Gestalt annehmen:
meist ist es eiu mißgestalteter Zwerg,
der sich aus die Brust setzt und den
den Schläfer mit drohenden Augen on
starrt. Bei einigen Menschen beginnt
das Alpdriicten sogar mit richtigen
Halluzinationeir Sie sehen im Zim
mer eineu Unhold, dann springt er ih
nen auf die Brust, und sie können ihm
nicht entrinnen, wen eine vollkommene
klicgungglosigkeit ihre Glieder lähmt.
Tag Alpdriirten erreicht den Höhepunkt
der Furchtbarleit wenn die Gestalt sich
auf die Brust des Schläfers gelegt hat;
in diesem Augenblick bedeckt sich der
Körper mit Angstschweiß, das Ent
setzen steigt aufs höchste, der Schläfer
stuszt nnd schreit zuweilen und er
wacht völlig verstört.
Für den Alpdruct gibt es die ver
schiedensten Erklärungen. Der Eng
länder Bonn der bereits 1753 eine
wissenschaftliche Abhandlung iiber die-—
sen Gegenstand veröffentlicht hat,
meint z. B» die wagerechte Lage sei be
sonders günstig siir das Eintreten des
Alpdructz und schlief daher, weil er
sclvst häufig darunter zu leiden hatte,
eine Zeit lang sitzend in einem Stuhl.
Maruisb fiigt als interessante Einzel
heit zum Alpdruct noch hinzu- daß er,
während er im Traume die gräßlich
sten Martern erlitt, gleichzeitig ein
vollständig tlareg Bewußtsein davon
bette, daß er am Alpdruck litt. Ge
lebrte und Laien haben oft die Ansicht
ausgesprochen, die Riickenlage verur
sache häufig den Alpdruck jedoch haben
genauere Forschungen ergeben, daß die
Körperhaltung kaum eine Rolle dabei
spielt. Joneg tennt sogar Fälle, in
denen Menschen die bei Tage sitzend
schliefen ,oom Alpdruck gepeinigt wur
den, und spricht daher von einem
»Dal)mare« im Gegensatz zu dem
»Nigl)tmare«. Weit verbreitet als
Erklärung des Alpdrnckg ist die An
sicht, ein iiberfiillter Magen oder voller
Darm rufe die Erscheinung hervor·
Das kann zuweilen zutreffen, ist aber
nicht die allgemeine Erklärung Wal
ler, der häufig unter dem Alpdructe
litt, hat eine Zeit lang nach 1 Uhr
mittagsz überhaupt keine Speisen mehr
zu sich genommen, jedoch ohne Erfolg.
Erschwertee Atlnnen tann zuweilen
auch den Alpdruet auglösem wie die
Versuche Börnerg aus dein Jahre 1855
beweisen. Börner tonnte bei seinen
Versuchgpersonen Alpdruck bervorru
sen, wenn er ihnen im Schlafe die
Nase mit einem Tuch bedeckte.
-
0Icntütlslich.
Wirtth als sich der Tonrist zu
Bette legt: »Und nicht wahr, Sie ge’
ten acht est-J nämlich in dem
Bette mich die Hintre cnit ihren fiinf
Jungen drin.
Beim Wort genommen
»Ich cslanbe, trag Geld, das Sie mir
Mulden. sehe ich nicht bis auf den
jüngsten Taq9!«
»Gut, wenn Sie dann fn gegen
«
Vlbend versprechen möchten.
Das kleinere Uebel.
Elln soll ja ihrem Bräuti
nuin Manchem Trinken und sogar die
Jagd untersagt haben! Hat er ali’
diese Dinge aufgegeben?«
»Nein blooß die Brant.«
meaenmittcL
Bäuerin: »Herr Doktor, unfetMichi
hat a’ Petroleum ’ttunken.«
Doktor: »Habt-n S« schon ein Ge
genmitteX angetriendet?«
Bäuerin: »Ja. i’ hab’ ’n schon or
dentlich diirch’vriigelt.«