Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 30, 1910, Zweiter Theil, Image 12

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    quoster Wendhusen
— WM«s.-x-vaM-MYVUf-m-vvvvv--v-- —
Roman von W. Heimburg
(15. Fortsetzung) s
«Lassen Sie ihn. wo er ist, kleines;
Fräulein«. erwiderte der alt: Lern;
»wir Gottes Hülfe werden wir allein;
seriizj und schlimmsten Falles ist nochs
der elegraph da; vor allen Dingen!
aber zitiren Sie ja nicht Frau von«
Riedinger her; ich habe sie einmal am
Krantenbette gehabt. zum zweiten»
Malodanle ich dafür. sie hat Gerhardt
beinahe gemardet·" Gegen drei Uhr
ging ich einen Augenblirt in’s Kloster
hinüber; Gerhardl mußte Antwort
haben und nun sollte ich gleich in mei
nern ersten Brieie liigenl Aber was
hats es? So ruhig« als es mir mda
lich war, schrieb ich. daß in Wendhu-’
sen Alles in schönster Ordnung wäre;
daß rau von Demphofs nach Tantei
Ediths Meinung nur verstimnit sei 1
inkKloster dagzegen sich Alles wohl be: l
finde: Tante Ldith, das gewisse tleine
Fräulein und die Ko en. und das-, um
sehn Uhr die ganze esellschast schon
süß und fest schlafe, wenn nicht der
Sturm gar u arg um das alte Ge
bäude tose. stach liege Schnee aus den
Bergen und noch müsse Gotttieb mäch
tige Buchenscheite in den Kamin lenen,
aber die Schneeglöckchen wollten schon
heraus mit den ersten zarten Spitzen,
und im Klostergarten hätten alle
Bäume dicke Knospen.
Wie ost iiberlas ich den Brief« ebe
ich ihn ind as Couoert steckte: immer
fiel rnir noch etwas ein, das in einem
Vostskrithrn anaesügt werden mußte,
so daß dieses endlich länger wurde als
das eigentliche Schreiben. Es war kein
Wunder, daß er so snißrieth. mein
erster Brief. Ich hatte in der Schule
wohl gelernt, gut stilisirt an irgend
eine singirte Person u schreiben; aber
das war heute verae en und ein Ge
danke jagte den andern, ich schrieb ja
an Gerhardt. - Endlich war er ge:
siegelt mit Mamas tleinem Siegel
ring. den ich geerbt; nun noch die
Adresse, und dann mußte Jette ihn
zur Post tragen.
Das hübsche Mädchengelicht lächelte
schelmisch, als ich ihr den Brief in die
nd legte; mir war eben noch etwas
engesallen, was ich hätte schreiben
können; aber zu spät, und ich mußte
eilen, wieder zur Villa zu geben, urn
Fante Editb arn Krankenbett abzuw
sen.
Als ich in das Veitibul trat. drang
mir von dem unteren Knrridor lier
das jämmerliche Weinen eines Kindes
in das O r.
»Liebe »in-na! Liebe Mama!«
Und vergebens niiihte sich eine
Frauenstimme, es zu beschwichti en
Vertoundert schritt ich näher. ot
ser, Schachteln, Hutkisten lagen in
größter Unordnung am Boden, und
dazwischen kniete die Bonne des klei
nert Kurt und suchte das weinende
Kind zu beruhigen, das noch in seinen!
pelzderbriimten Mäntelchen war.
Eurtchem Du hier?" rief ich nnd
eilte aus den Kleinen zu.
Jlurt sriert, Kurt will zu Groß
manra gehen!'« weinte das Kindrs
und in der That, es war bitter talt
1
hier.
»Am-ser. kleiner Kerl!« bedauertH
ich nun, ihn emporhebend. «Wann ist »
Frat oon Riedingen ekonnnen?«
»F diesem Augen lick«, entge net-s
die onne. »wir sind irn o eneus
Miethswagen gefahren, Madame ists
sosoet hinausgegangen zu Frau von
Denwhoss; ich kann das Kind nicht
allein lassen, sonst « s- --—«
«Weisz Frau von Riedinqen, daß
ihre Maina ertrantt ist?" sra te ich.
»Gewiß«, ssagte die bes idene
kleine Franzöjm ,,Madame haben
äals über Kopf gepackt, in einer bal
n Stunde waren wir sertig, nach
dern die Depesche gelomrnenz wir fint
die Nacht durchgereist.«
»Eine Depeschei Wer hat telegra
phirt?« -
»Ich glaube Madenioiselle Anna«,
entgegnete fre.
»Ich will anen Jemanden schicken
um Dei en, und warnte Milch«, sagte
und etzte das Kind auf die Erde;
und einein Diener, der mir auf der
Treppe begegnete, Austrag gebend.
lchrttt ich hinaus in das Krankenzim
mer.
Schon im Vorzimmer hörte ich
Fertcks Stimme. »Nun bitte ich
Ech, liebste Tante, mir Mantiss
P ege anzuverteauen: es ist ja se
se ten liebenswürdia, daß Du hier
her gekommen bist trotz alledem, was
zwischen Euch stelxtx in der That, ich
hielt es nicht iir möglich, beste
Taute, Dich iemals wieder in diesen
Räumen zu eben; Du hast es wohl
wetten können, ich erschrak vor Dir
als sehe ich einen Geist. -- Wie ge
sagt. Tuntchem Du hast ein Engels
herz, aber bedenke doch, wie sie sich
olteriren könnte, wenn sie zum Be
wußtsein lkime und --—- ----«
Jch trat in den Salon noch wäh
rend dieser Worte. Ferra hatte Pelz
und hat abgelegt und band sich eben
Fne große, weiße Schürze um, die
e in der Eile Gott weiß woher be
tont-ten hatte.
«Sp, nun will ich hinein geben,
Taute, ich danke Die noch einmal.«
Deine Mutter-, Fette. hat aus
deäslisch use W Gegenwart an
them ists-hil- bttten lassen«, et
M cr- tu
ante! Reis-,
— I Ums-« ' ,
III IS stets-gis send ein unbe
- M
Jä-»
II
sz M M ew- eiu we
»Nun, dann waren es Fieberreden,
Tat-tu Du wirft mich doch nicht glau
ben machen wollen, daß meine strenge.
starre Mutter ihre beinahe dreihiajabsl
rige Antipathie so plötzlich iiber Bords
wirft?« 4
»Sie selbft kann Dir leine Aus-l
lunst Zben im Augenblick, Ferra, Du
Innsdt «- ich also schon gedulden. Nähe
res über diesen Punkt zu erfahren, bis
Deine Mutter ge und iit.«
Verwirrt sah kerra die Sprechend-e
»Ich wei« in der That nicht, Tante
Ber a - « Botterte sie, aber diese fuhr
unbeirrt fort: »Ich möchte Dich auch
aufmerksam machen, Ferra, daß die
Krankheit sehr ansteckend i ."
- erra wandte ihr schöne-I Gesicht
an horchend zu Tante hinüber.
Gott! Was fehlt denn Mamai
Nervenzufälle bermnthlich?«
»Deine Mutter hat den Typhus-,
Ferra.«
»Den Typhus? Die entsehliebe
Krantheit, nach der Einem alle Haare
ausfallen-" rief sie erschrocken und
that einen Schritt zurück. »O Him
mel! Er steckt an, der Typhu-; Mela
nie von Stetten hatte einen förmlichen
Kahltops nach der fotalen Krantheitt
Aber, liebste Tante, das ist ja entsen
lich!" Und rarhlps schlug die schöne
Frau die hände ineinander; es sah
aus. als ware sie am liebsten ans dem
Zimmer geflohem wenn diese Feigheit
sich nur hätte irgendwie mastiren las
en.
Ell
«
»Du wirst hoffentlich nicht aus Dei
nem Willen beharren", sagte Tante
Edith ernst. Nur ein leier Jucken
der Oberlippe oerrietl;, wie sie die
schöne Nichte richtig zu beurtheilen
verstand. »Wer-eitle Dein tleines
Kind«, setzte sie hinzu, »wir haben Dir
deshalb die Krankheit oerheimlicht.'
·,,Du hast Recht. Tantchen", klagte
die iuuge Frau, mich halten Pflichten,
ich darf es nicht. O, meine Mama.
meine arme Mama!« Sie band die
weiße Schürze ab und hielt sich dabei
konsequent in der Nähe der Thiir aus.
Ygxch erblickend, stürzte sie zu mir her
u r:
»O Lena, wie traurig ist unser
Wiedersehen!"
»Ihr Meiner weint unten, Cou
frne«, sagte ich freundlich, «er friert
in dem ungebeizten Zimmer und
küssen Sie mich lieber nicht. ich
war die ganze Nacht und heute srüh
in der Krankenftube.«
Hastig fuhr Ferra zurück.
»Ich muß mich doch um das Kind
kümmern wenn ich wirklich hier
nicht helfen kann«, erklärte sie schon
balb hinter der Portierr. »Aber nicht
wahr«. —— sie wandte den Kopf noch
einmal bittend zurück - »wenn Ihr
meine Hülfe braucht, so -— -"
»Jawohl!« niate Tante Edith und
Ferra war verschwunden.
Auf dem Gesichte der alten Dame
lag ein feines Lächeln.
»Wir kam Ferra so rasch her'.
sragåe sie mich.
» nna hat telegraphirt. Tantchen«,
erwiderte ich und wollte an ihr vorbei
raf in das Krankenzimmer geben«
« lt!« rief sie und stand mit aus
gebreiteten Armen vor der Thür: »Mit
ein ernstes Wort. ch leide unter kei
nen Umständen, da Du hier bleibst,
heute Abend kommt bereits eine Dia
konissin; ich darf Deine Pflege nicht
dulden, denn ich gab Gerhardt das
Versprechen, fiir Dich und Deine Ge
sundheit zu sor en und mag es nicht
verantworten, «- ich hier einer Anftecl s
ung auszufegen«
«Tante!« rief ich, meine Arme um
ihren Hals schlingend, «Gerhardt wäre
nicht böse, ich weiß es, eH ist ja sein«
Mutter, die ich pflegen will!"
«Tbut nichts Du gehst!«
»Aber --· ——«
»Nein Aber mehr; in fiins Minuten
wirst Du aus dein Zimmer sein."
Fast weinend gina ichs. was sollte
ich doch allein da drüben in dem alten(
Kloster? als ich die Treppe hinunter-’
schritt, klang Jena-?- schelteude Stint
Ine u mir herüber: s
« -2 war eine Albernheit von Jhnernz
zu telegraobiren und mich auf den Tod «
zu erschrecken!« ’
Ein Bedienter trug eben Thee mit
Bauwerk in das Zimmer, und beim
Oeffnen der Thür erblickte ich Anna»
vor der jungen Frau stehend. «
»Und wenn Sie nur wenigstens mir
das sagen könnten, was ich wissen
will«, fuhr sie noch erregter fort: »daß
e oben ist, habe ich allein gesehen,·
aber wie kam —— -—-«
17. Kapitel.
Ich eilte, so rasch ich konnte, fort
und ging zu Hause ruhelos- durch die
Zimmer; es war so einsam hier. nur
Minia schritt hinter mir her und sah
mich an. als wollte sie fragen, wo denn
ihre. Herrin sei?
. Ich wäre so gern, so gern drüben
geblieben bei seiner Mutter! Und wie
die Dunkelheit herabsont, da hielt ich
es nicht mehr aus, und wieder lies ich
Ziniiber nach der Wille-. Ferrcki Fen
»e: waren hell erleu tei. « m Vesiibul
kam mir mu von ’ emp oss’s Mäd
chen die »rein-e herab entgegen.
»Wie sieht es ohen?« fragte ich ste.
«Schlecht, gnädiges Fräulein; sie
fphatråicisiri und teLcjkireifiIo daßdman es
du B n us "rt: er Herr
Doktor Reis: vie Nacht hier nnd
eine Diuionissin sitzt am Bette. Gehen
Sie nicht hinauf, Frau Berin hai he
sohlen. SF unter feinen Umständen
ein nicäem
hist-i wandte ich mich um.
Sollte ich wieder zurück ins Kloster-?
Nein, das ging nicht, ich mochte nicht
allein bleiben. Und ehe ich recht wußte,
was ich that, stand ich in dem eleganten
Entree zu Ferrcks Wohnung. Es war
warm nnd behaalieh tn dern kleinen.
hellblan detorirten Raume: zierliche
Sessel standen nrn ein Marmortisch:
chen, ein dicker, diutnendurchwedter
Teppich bedeckte den Boden, und die it
den Zimmerecken aruppirten mächtigen
Blattpflanzen und Azaleen. aus deren
iippigem Laube Matmorfiguren ihre
weißen Arme emporstreciten, waren
übergossen von dem matten Schein der
unter der Decke i wehenden AmpeL
Jeh machte gro e Au en. Es war
das erste Mat, daß ich s ern-cis Witt
wenasnl betrat. das erste Mal, daß ich
einen Blick that in die luxuriösen Ge
iniicher einer verwöhnten jungen Mode
dame. Bei Charlotte fah es so ganz
anders aus; so einfach. to miidchenhnft
war ihre Wohnstube mit den rotengeg
bliirsten Eretonne-Miibe1n, den Nah
tiichen am Fenster und dem blumen
gefehiniirtten Balton, non dem die tlei
nen Vögel so utraulich bis auf die
Schwelle des zimmers hüpften. un
sich die dort hingelegten Btöckchen zu
toten.
Schächtern qing ieh hinüber und
pochte an die Thür. hinter welcher ich
Ferra sprechen horte. s
»Mama, es tiopst!'· rief Karte
Stimme, und irn nachsten Auaen j
blicke öffnete ein unaeichiates Kinder- :
höndchen mühsam die Thür. !
»Darf ich eintreten?" fragte ich.
Ich meinte, Ferra sitze traurig in1
lser Sophaeele und weine vor Angst
urn die tranle Mutter-. wie ich es ge s
than vor nicht langer Zeit. Verwirrt
blieb ich stehen« es war ein Bild zu
Malen da vor mir, aber es- paszte nicht.
in dass Haus, in welchem ein Men-«
fchenleben mit dern Tode rang. Dort
drüben auf dem Chaiselongne, das-L
auer vor den Kamin geschoben war,
lag Ferra; sie hatte einen weißen»
CacheinirsSchlafrock an und die wun-(
derbollen blonden Haare hingen aufge- ;
lösi und golden bis auf den grünens
Snmrnas eppich herab; sie hielt eines
Karte hoch empor in der Hand. die;
weiten Aeenrel waren zurückgeglittens
und der volle Arm erschien so marnsor -
weiß, wie der einer Statue; es lag eins
fchelmifcher Ausdruck auf dem schonen
Gesichte und offenbar beluftigt fah sie
unter den langen Wimpern zu den;
jungen Mädchen hinab, das vor ihr
tniete und ihr bittend die feinen Hände
entgegenstreckte. (
Sie sahen mich nicht. die Beiden
denn Ferra rief eben wieder:
»Mei- Dir teine Mühe, Melanis
ich zeige es Dir doch nicht; lieber nimm
die Proben von Gerfon; sieb’ sie ein »
mal durch nnd rat mir - « s
»Mama, Lena i dal« unterbrac! !
ietzt der tleine Junge die Szene unt-«
zapfte energifch an dein blonden haar;
Ferra fuhr rasch empor und sah miel
verwundert an.
»Ich bitte Sie, Lena, was giebt’s?« l
fragte sie. »Ist etwas pa sirt?"
Auch die junge Dame tte sich er
hoben und stand neben dem Chaiselon
gue, mich ebenfalls erstaunt betrach
tend. Sie war in lnappen Reitlleide
eine fchlanle, rriichtige Figur mit ei
nem regelmäßigen, bleichen Gesichte·
aus dem ein Paar fast melancholischr
braune Augen blickten. (
»Nichts, e’5erra'«, stotterte ich; »der-i
eihen Sie, daß ich störe, aber ich hatte (
Tolche Bange allein in dem alten Rlo ;
ter.«
»Ja, lieber Schags erwiderte Ferrns
gedehnt. »ich lann bie doch unmöglich!
hier einauartiren? Da Tante sich ein- !
mal fo onferfreudig bei Mania instal:
lirt hat, so niiisfen Sie nun auch se
hen, wie es eht.«
»O nein, ,j rra!" rief ich und wars
den Uon zurück, »so war es nicht e-«
meint: ich glaubte, Sie ängftigften ich
um Jhre Mutter, und da wollte ich«
anen ein einsames Stündchen ver-«
treiben helfen und auch mir; nnd wem »
ich hier bin, lann ich ja doch öfter fra
gendoispe es oben steht i:
»Meine Lous ne Manna- ene von
Dembhoss«, berichiete jetzt Feuer auf
den fraqenden Blick der jungen Dame
»Fräulein von Stelten.«
»Wer beste Ferra« , warf diese ein
»was bist Du fiir ein wunderliche-B
Jlienichentinds Da sprengft Du mich
in dem Wetter anderthalb Meilen weit
her und haft doch die niedlichite site
iellschait, bie man sich wünschen tanrs
Sieh, doch nur, ganz der Typus wie
Illlenbeth Zigeunerrnödchen das il
Iter Ausftellung jeßt Furore macht!« »
i Ferra zuckte unaeduldig die Achieln.
»Wenn Du hier bleiben willst,
Lena, fo ichließ’ wenigstens dix
Tgür. durch die Du hereingeiomme
bi .«
»Nun, freilich bleibt sie hier-S« be
Hin-nie Melanie von Stelten.
»An-kamen Sie, kleines Fräulein
von Denn-hoff, ich muß irn Augenblicl
fort; und Du darfst nicht allein sein
Fett-of
»Willst Du wirklich nicht bleiben
Melaniet«
«Sichet nicht; ich habe k- Hauie tei
nein Mensche n gesagt, non in ich gerit
ten bin. hörst Du?« Sie neigte den
sKopi zum eniteu dort tornrnt Jean
mit den P e.rden« F
Sie er riff ein zierliches Inzwi
chen, deii te ei totett auf die rnunen
lechten nnd zog eine pelzverbrömte
arnnietjaele an
I Leb« wohl. Ferra min«. sue-te sie
und schlang den Arm tun den Rocken
data-gen Frau in den- seiten
Cachimirlleidep «sobald ich kann, lam
me ich wieder nachfragen, wie es Dei
ner Mutter SM. bis dahin wünsche ich
von Herzen, daß es sich stündlich zur
Lesseruna wende. Weiß Dein Bruder
von der ErtrantungL Kommt er?"
» »Ja. mein Gott! rief Ferra und
Irrwiderte den Kuß der frischen Lippen,
jdie tliichtia ihre Stirn berührten.
i «Jch hatte vie Depetche an ihn ja
»ich-in fertig, aber da riß der Medizi
nalrath fte mir förmlich aus der Hand
« nun. ich wasche meine Hände; Ger
, hardt wird sehr bose sein.«
, »Aengstige Dich nicht«, erwiderte
!Melanie, »der alte here lann ja wohl
beurtheilen, ob und wann Gerhardt’g
Gegenwart nöthig ist, er wird Rück
) Iicht nehmen wollen aus ihn und Char
. otte." -
« Sie waren bei diesen Worten bis
«zur Thiik gelomtnen und Melanie
von Stelten beugte sich zu Kutt hin
unter.
Adieu mein Junge«, sagte sie und
strich über die blonden Locken des Kin
des· Jn der geöffneten Thiir blieb iie
iteben und wandte sich noch einmal zu
rück. ««.Ildieu, räulein von Demn
hosf'·, llang es reundlich. «sicher habe
ich die Freude, Sie öster hier zu fe
hen; und wenn Sie eine Spa iersahtt
nach Nissen hinüber machen, ev lassen
Sie nicht bei uns vorbei sahren.'«
Noch ehe ich danlen konnte, hat«
sich die Thiir hinter den beiden chlan
ten Gestalten geschlossen, denen t der
Kleine eilig nachdrängte, und ich tand
allein in dem Saan der ittnaen Frau
UeberallnieieT dunkles- gtiim wohin
man sun, wir welcher Winesgruno -
riesige Farrenlräuter durchwoben den
Teppich, der das ganze Zimmer be
deckte; zierliche Tischchen hier und da
neben einein schwellenden Sessel; dort
ein trauliches Zo haplti n für Zwei
in einer wahrhai siidl n Palmen
Gruppe. daneben ein Schreibtisch mit
tausend zierlichen Rindez und dariibe1
die leben-Große Photographie eines
itattlichen ssrziers in gelchnitztem
Golde-ihnen- Jn der gegenüberliegei
den Eile aber tsrangte aus einer Stai
selei aus ountlem holze Joachinkg
Potttait.
Ich trat hinzu und«betrachtete das
schone Gesicht, aber als ich näher hin
ah, fiel mir wieder der wüste, leert
Ausdruck der schwarzen Augen anl.
nnd leile wie mißbitliqend schiittelte
ich den Kopf.
»Nun T« sragte Fett-as Stimme
hinter mir.
Jch wandte mich um.
»Ich gehe gleich«, saaie ich trotzig
s,.ich wollte nur erst Fräulein von
Stelten sorilassen -.«
»Mein Gott« weshalb denn so eilig?
Trinken Sie doch den e-l'.bee mit mir,
ich habe ihn um acht Uhr bestellt; ich
bin natürlich müde von der Reise.
Apropos, wie cgesiel Ihnen denn Mr
lanie von Sie ten?«
Sie sprach das leichthin .nd siihrts
ihren Knaben sorglich an der band
bis zum Nebenzimmen dessen Thiir sie
öffnete.
»Mademoiselle!« ries sie mit ihrer
tlingenden Stimme, »Nun ilt müde.
bringen Sie ihn u Bette«, nnd flüch
tia dar-. Kind tii end, lam sie zuriich
»Ist sie nicht allerliebst ?« vollendete sie.
«; a, ich finde sie reizend, so ein
fach und so steundlich«, stimmte ich
bei.
Ferra «niate.
»Geiviß«, sagte sie nachliissig. »Sie
ist auch die Etnzige, die ich gern als
Schwtigerin nehme, wenn es denn nun
einmal eine Schmägerin sein mul:.«
Hatte ich denn recht gehörts Meine
Hand fuhr plötzlich nach dem Herzens
es war ja, als ob sich dort ein scharfe-z,
spiyiges Eisen hineingebohrt hätte: nie
hatte ich verstanden, mich Azu ver-stellen,
und den beiden großen ugen, die so
durchdringend unter den langen Wim.
pern hetvorsahen, konnte es unmöglich
ent eben. dast ich, wie von einem
S windel erfaßt, gleichsam in einer-i
bodenlosen Abgrund schaute. der sich
! säumt-löslich vor meinen Füßen ausge
It kl·
» »Sie fehen ja anz tonsternitt aus-,
» Hena7 Ja, unveksofft lommt oft, und
Jtalien zeitigt Früchte, die biet nie
Hmd nimmer zur Reife aelommen iin
sten. Melanie war sechs Wochen in
Venedig und Jiom mit ihrer Tante
Fund faft täglich mit Gethakdt und
iLottchen zufammen; Hat Ihnen Chai
lotte nicht«- davon ge chrieben?« fchal
te sie fragend ein. »Nein? Dai- iit
recht, man mufi auch vorher nie zu viel
von solchen Dingen sprechen.«
Wie aus weiter « tne llanaen dicfe
Worte an mein O e; es war to it
nuf einmal in mit geworden. dafz ich
faft vor meiner ei enen Stimme et
icheal, die fo eigentliiimlich fremd
durch das Gemach klang.
»Ich feeue mich seht vafz Geehakdt
eine hübiche, liebe Frau »das letzte
Wort wollte nicht mehr iibek die Lip
Ven; ich biß die Zähne zufammen wie1
heftigen körperlichen Schmerzen
und schwieg.
lind nebenbei eine halbe Million
und das if! die hauptfache meini
Kind ——-.«
»Nein. real« tief ich ietzt, »für
Uekhakdt echet nichtl«
Sie lachte hell auf.
»Sie Natichen«, sagte fie dann,
,,a«lauben Sie, Getliotdt würde Io
thoticht fein und feines Etat noct
eine arme Frau aufdiitdeni Denten
Sie doch, was da Alles lebt und aes
fiittekt fein will auf Wenhhisfent Do
wohnt Monta. die ihr Privateintom
men an Joachim’i Exteapaaanzen see
schwendet hat; da bin ich, deren-Xa ital
längst nicht mehr e Fitt, als hoch tens
noch in einigen z uldscheinen, aus
die ich doch nichts bekommen würde,
selbst wenn ich die Herren Kameraden
Riebi en’s mahnen wollte. Piuil«
sagte te sich schüttelnd: «da ist Kurt
und Tante Edith, da ist ferner ein
anzes Heer armer Verwandten die
ich an Gerhardt hängen wie die
Kletten was soll er machen, der
Aernlste? Nicht einmal ledig zu bleisz
ben, gestattet ihm seine petuniiire Lag«
ensin er sucht sich eine reiche Fraus
Gott sei Dank, da « e-": wenigstens Me-«
lanie ist!« ;
»Er liebt sie nicht, Ferra!« stam:!
tnelte ich. l
,,Kind, Liebe? Natürlich liebt erl
sie, Jedermann thut es ja selbstversi
ständlich brennend, wenn er um ein(
schönes, reiches Mädchen wirbt, nnd;
wie gesagt, reich muß sie sein! Oder:
meinen Zie, Kind«, sie nahm einenj
Brief svom Tische und reichte ihn mirs
herüber, »das-, der tiesste Brunnen nichti
endlich leer wird, wenn man aus bit-sel
Weise aus ihm schöpft?«
Jch wars einen untlchern Bliel auf
das Papier, aber dann hasteten meine
Augen sest aus einer Stelle; es war
ein Schreiben meines Vormundes an
Gerhordt, die Bitte entbaltend, 150
Thaler. die sich meine Mutter während
ihrer lehten Lebenslage von ihrem
Hauswirth geliehen. zurückzuerstatten
der Mann sei nicht in der Lage, das
lleine Kapital länger entbehren zu
lönnen.
«Ferrn « entschuldigen Sie, wenn
ich gehe«, sa te ich mühsam und wand
te mich der « hiir zu: das Zimmer und
Alles, was drinnen, tanzte im wirbeln
den Kreise vor meinen Augen; «mie
taumelnd schritt ich uber den weichen
Teppich, und so aina ich in der teilten
Abendlust durch die duntlen Parlivegr.
lieber mir rauschte der Sturm unt
schlua die Zweige zufammen, er nat-m
mir das Tuch, das ich über den Kopf
geschlagen ich merlte es nicht; nach
heute weisz ich nicht, wie ich bis ii
mein Zimmer gelangte und mich in:
Dunlein bis zu meinem Bette tnitete
Und dort lag ich nun in der tiefen
Stille und tain rnir so elend, so ver
lassen bor, ioie nach nie in meiners
Leben.
Das erste klare Gesiilil war eine
brennende Scham über meine tbörich
ten Träume, in die ich mich gewiegtx
wie war es auch nur niöjlich qewen
Vetter Geriiardt’s Mitleid siir etwa-.
Llnderes zu baltenZ Die schöne Dam
in dein lnappen Reittleide tauchte vor
meinen Augen aus und daneben das
kleine, braune, laurn erwachsen ichri
nende Mädchen-; o, wie ich mich schsini
te! Er mußte ja aus jeder Zeile mei
nes Briefes herausgelesen h.-.besi, das-.
ich nur an ihn gedacht!
Deshalb schrieb er anch ruchl. lvic
er versprochen: er mochte qar leine
Zeit gehabt haben an etwas- Anderes
Ei denlen; erst Jetzt, nun sie wieder i
eutschland war, halte er Sehnsucht
nach Wendhusen. Und dann san ic
seine Augen« hörte ich seine weiche
Stimme, tte er doch selbst Tnnte
Editb die Meere fiir mein Wohl an«
die Seele gebunden! Alles nur Mit
leid mit der Waise, die ihm zur Last
gefallen! lfr wer ja so gutniiitlsi9, ioie
Ferra saalr.
lind wenn er sie nicht liebte? Wenn
er wirllich nur um sie steile, weil ei·
eine reiche Frau ? tintlelzliclll lind
Georg und ich, wir halfen noch da
durch unsere lostspieliae Gegenwartl
Und dann die Schulden von Mamal
- o, ich konnte es mir wohl denken
wie es gekommen Sie hatte so lange
nicht arbeiten löstneiy der»Winter lvar
vor der Thiir, da mußten Kohlen ge
lauft werden und Holz; ja, in, so war
es. O, Mutter. Mutter. hätten wir
doch lieber gefroren, als heilte, ietzt die
sen Brief in Ferra’g Hat-den« die nie
gewissen was es beißt. frieren oder
hungrig zu Bette ehenl llnd wie ost
hatte meine arme utler dies gethan
Wenn sie wüßte, dass setzt doch dil
Wendlnlsen helfen mußten, toeil s
nicht anders konnten; sie· die lieber as
darbt, ehe sie an dieser StelJe gebeten
hättet
Jch setzte mich h im Ven- auf.
»Nein«, sogleich ldlaut, «e«5 gebt
nicht so, lieber unter wildsremden
Menschen, nur fort von biet-: ich lann
selbst siir rnich sorgen, Mademoiselle
bei Ferra ist auch nicht stärter als ich
nnd ist es ebenfalls ils Stande. Hier
lasen ich nicht bleiben, es drückt mich
todt. --— So eint auch Gerhaedt ist« ich
isoiiolli sein Mitleid nicht, ich brauche es
n .«
Mit dor Aufregung behenden Hän
den zündete ich Licht an und Hing in
Tantetz Zimmer hinüber, fch ug die
Zeitung auseinander und suchte unter
den Annoncen Ein finsterer Trotz
war iiber mich geiommen; ohne eine
Thriine überflog mein Auge die Spal
ten. Meistens waren es Damen, welche
eine Stelle su ten. -
«Eine allein ehende, gebildete Danke
sucht Stellun als Repräsentantin;«
,,Eine christli Jungfrau wiinscht sich
der Krantenp lege zu widmen;« »Ein
älteres, erfahrenes Mädchen als-Stills
der Hausfrau;« —--— so ging es weiter.
Welclf eine Ueber iille von Solchen,
die hinaus mußten, um sich im täali
chen Kampf ihr Brod zu erwerben!
Muthlos wollte ich das Blatt zu
riickschiebem da fiel mein Blick auf die
letzte der Annoncen:
«Gesucht wird zum l. April tiik
zwei Kinder von fiinf und sechs Jah
ren ein junges Mädchen, das sich gern
init solchen beschäftigt- Es mus; der
französischen Sprache mächtig iein
und so viel musikalische Bildung be·
sitzen, um den er ten Unterricht erthei
len zu können. fferten unter etc-«
Zum l. April! Das paßte; und
ohne mich zu besinnen, holte ich Feder
und Tinte und schrieb. Die Buchstav
ben waren schlecht und lrackel , in der
Aufre ung derschrieb ich m ch öfter
und Frich aus, es war lein empfeh:
lengwerther Brief, der da vor mir lag.
Aber trotzdem schloß ich ihn, schrieb die
Chiffre auf das Couvert nnd data
ihn in meiner Korn-now denn drau
fzen rauschte jetzt ein machti er Reaen
hernieder und machte den ang zur
Post in der Dunlellseit unnioqlich;
und Jette durfte den Brief nicht sehen.
In bitterer, trostger Stimmunq
ging ich zu Bett, aedehmiithiat in tie,f
ltem erzen. Schliislog, mit glichen
dem opse lag ich unter dein alten
Bettiiinimel und schaute in die Dun
kelheit; stürmisch tlovste das Blut in
meinen Adern und die hönde falteten
sich sest ineinander.
Jch dachte darein, wie ich herni
totnsnen, wie ich zum ersten Male i
dieiem Bette gelegen, und wie sich ein
liebes-, altes Frauengesicht so ost zu
mir niedergebeiigt hatte, um mir den
Gutenachtkusz zu geden. —
Allec zog vor meinen Auaen vor
über: Eharlotte«s siisze Freundlichkeit
und seine Gute, der liebe, einsame
Kloster-zarten - und nun sollte die
Zeit nicht seen sein, wo ich dies Alles
verlassen mu te!
O. ich nsu te, Takte siditls wurde
traurig sein, wenn ich soetginae; und
Charlotte würde weinen. und Ger
lnrdt -: Ach meinte leine Stimme
zu hören: »Die lind eine lleine This
ein« Lena, Sie vleibeu.« Aber dann
wiirde mein Her-, schreien: »Ich will
leiu Mitleid. wo ich an etwas Ande
res-J glaubte: ich tann hier nicht blei
Lsen, weil ich dachte, Du habest mich
lieb, Gerhaedtt Jch lann Dich nicht
sehen neben ihr, neben jener Melanie.
die ja tausendmal besser und würdiger
ist als ich! Jch miiszte sterben, wolltest
Du das verlangen.«
Ader mein Mund musz schweiam
und ich würde dinausaehen aus die
sem Hause, ein störrisches, trotzigeg
undantlnres Gelchiips nicht werth,
oasi eine band sich ausstreät. es zu
halten. Rein, es war besser, ich aina,
ehe er wiederkaut und ehe ich Char
lotte gesehen·
O, jetzt verstand ich sie Alle, Tante
Editb und lsdarlotte und da droben
jene tranke, fiebernde Frau, sie Alle
lkatten zu leiden gehabt in ihrer Liebe;
ietzt verstand ich die jahrelange Bittre
leit von Gerbardt’z Mutter, begriff,
daß sie die Frau nicht sehen mochte,
die aliietlicher liebte als sie. War nicht
Cäharlolte im Vergleich mit mir tnu
sendmal zu beneiden?
iFortsehung folgt.)
Welches Unglück sitt viele: Was sie
lange suchten —- sanden fee endlich!
II I I
Nachdem die Konservativen ihn an
geödet und die Susseagetten ihn ange
elelt haben, hat nun auch noch jemand
den englischen Peecnieentinistee As
quith angedichtet. So geht es immer
das Unglück tonnnt allemal in Gesell:
lchOfL . . .
Die Nochtommen des Batan
Miinchhausen sollen mit De. Cool be
reits in Unterhandlungen getreten sein,
damit dieser eine neue Auslqge dee
Schttsten ihres illusteen Ahnherrn mit
einer passenden Einleitung versteht.
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