Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 30, 1910, Zweiter Theil, Image 11

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    Jahrgan 31
Nebraska
Staats— Anzetger und II set-old
- ZW t(Th Is)
krauen alt toten-.
Die mannigfachen Prozesse und
Berhaftungen von Spionen, die sich in
leyter Zeit ereignet haben, scheinen auf
eine vermehrte Spionage - Thäti.lleit
hinzndeuten. falls nicht etwa nur die
Furcht davor gewachsen ist nnd sich in
diesen Verhaftungen äußerl. Gewiß ist
für ein kühnes Vordringen in verbo
tene Positionen. für eiserne Selbstbe
herrschung, die teinen Muskel im Ge
sicht zucken läßt« ein männlicher Wille
unentbehrlich. So werden denn fiir die
iuhnste Art der SuionageiThötigteit
immer nur Männer-brauchbar sein. Je
höher die Gefahr ist, desto mehr wächst
für die Verwegenen, die sich ihr nur
aus idealsten Interessen und Liebe zu
ihrem Vaterlande ohne Rücksicht aus
klingenden Gewinn hingeben, der Reiz,
der Gefahr zu troden.
Dineben aber werden häufig auch
Frauen als Spione verwendet. Jhnen
fällt eine wesentlich andere Aufgabe
" zu. Sie besuchen nicht direkt die Be
festigungen zu denen der Zutritt ver
boten ist, sie suchen sich nicht in Wert
stiitten und Großgießereien einzu
schleichen, schon weil ihnen die nöthigen
Fachienntnifse fehlen, well sie weder
ein Croauis zeichnen können, noch
Wissen von der Zusammensetzung von
Shrnvnells undGranaten hoben. Den
noch ignn ibreThiitigleit ebenfalls- au
ßerordentlich wichtig werden. Denn
durch den Reiz, den manche Frauen auf
die Mannerwelt ausüben. lann eg ils
nen gelingen, Soldaten. Offiziere oder
Beamten einer seindlichen Macht Ge
beimnisse zu entreißen die sie einein
Manne niemals preis-geben würden
Edel ist eine solche Tbätigteit aewifk
nicht, wir werdeni sie in tiefster Seele
veraldscheuen müssen. Dennoch werden
Frauen zu diesem Zwerl von Dei-. Re
gierunaen nach ioie vor benutzt. »
Uvrtgens nicht nur von den Milch
ten der Gegenwart. Die Frau ist als -
Spionin tbiitig gewesen, so lange esi
überhaupt eine-Geschichte gibt. Die Ge
heimnisse, die ein Mann dem anderen
auch durch die größte List nicht zu ent
reißen wußte, sind oft genug verrathen
worden, weil ein Jranenrnund darum
schmeichelte. Schon in der Frühzeit
der Menschenaeschichte finden wir ein
solches Vortommnisr Simson und
Delikt Der Fälle gar, in denen man
durch die Leidenschaft zu einer schönen
Frau die Energie eines Staatgmannes
oder Fürsten zu brechen versuchte, sind
Legion.
»- Am häufigsten kommen Frauen alH
Spioninnen wohl in Rußlxmd vor.
Dort werden von der Polizei gern
Frauen entsendet. um über die gehei
men Organisationen der Revolutio
niire näheres zu erfahren. Einer der
belanntesten weiblichen Spihel war
die Jutschenlo, die sich als Anbiingerin
ver Terroriften gebärdete und solches
Vertrauen zu erringen wußte, daß sie
in die tiefsten Geheimnisse ihrer Orga
nisation eingeweiht wurde. Nachdem
sie sich iiber alle « töne, die in der näch
sten Zeit ausge ührt werden sollten,
iiber die in Betracht kommenden Per
sonen usw. genaue Kenntnisse ver
schafft hatte, war ibr erster großer
Schlag gegen die Revolutionäre die
Ausdeckung des Komplottes gegen den
Zaren im Jahre 1895. Dutzende von
Terroristen, die ihr vertraut hatten,
wanderten nach Sibirien in die Ver
bannung Sie selbst wurde, nrn den
Verdacht, der sonst aufsie gefallen wä
re. abzuwenden. ebenfalls nach SM
rien geschickt aber man ermdglichte ihr,
zu entfliehen. "Sie schloß sich daraus
abermals den Repolutionliren an, um
noch rne r von deren Plänen zuerst-h
reie. N t nur Männer waren ihre
Opfer-, auch in das Vertrauen ver
stauen bustk sie· Keinsuschleichem
n
Eines ihrer Horch pser war
Frania Frumtim die einen Anschlag i
aui den Polizeipräsetten von Moskau
versuchte, aber verhastei wurde. Hun
derte von Terrpristen, Männer und !
Frauen, Jünglinge und junge Miit-: l
chen, sind aus ihre Spionngeberichte i
hin nach Sihirien geschicit worden-!
Sie hatte ihr Gewerbe schen im Alter
von 23 Jahren begonnen und sich in- s
solge ihrer natürlichen Verschlagenheit s
bald zu der geübteiien Spionin ent- i
wickelt, die es vielleicht ir. den letzten s
dreißig Jahren in Rußland gegebeni
at.
Jn Deutschland wurde vor einiger
Zeit ein Fräulein Petersen verhastet,
dem mnn zum Vorwurf machte, daß es
in Kiel zu spionieren versucht habe. 25 s
Jahre alt, von großer Eleganz und
dem nndesinierbaren Reiz, dem viele
Männer rettungslos erliegen, machte
sie die Bekanntschaft von Beamten und
Ossizieren und brachte sie unter ihren
Einfluss Einem Angestellten vers
Sprengstossabtheilung in Mel soll sie
das Geheimniß is Fahriiation des
rinchlosen Pulvers nwie die Kenntniß
der Lage der Minen im sen von
W entloitt haben. Jnde en war die
i
: ,
Polizei aufmerksam geworden, obwohl
die Spionin ihreThatiqleit unter dem
Mantel derThätigleit als Sprachlehre
tin zu verbergen suchte. Indessen trat
sie dazu viel zu elegani anf. Ebenso
erhöhte es den Verdacht, daß sie ihre
Wohnung allzu oft wechfelte.
Diese gefährlicheThatigleit, die diese
Frauen ausüben, und das große Gei
schicl, das sie besitzen müssen, läßt eine
lmhe Bezahlung als selbstverständlich
erscheinen. So erhielt z. B. auch die
Jutichenlo ein sebr hohes Gehalt
Daß infolgedessen auch Don-ren, die
nie ans Spionieren gedacht haben, die «
aber eine gewisse Freude darüberj
empfinden, sich mit einflußreicheni
Männern über wichtige politisches
Dinge unterhalten zu können, leicht
in Verdacht kommen können, Spio
nage zu treiben, hat vor wenigen
Monaten ein interessantes Beispiel in
Jtalien ergeben. Die verwitwete
Frau von Siemens, die in Rom in
;der Gesellschaft eine Rolle spielte und
»die, eine gebotene Schweizerin, spä
ter mit einem persischen Staats
manne verheirathet, mit italienischen
Staatsmännern lebhafte Beziehungen
unterhielt, ilt von einemTheil Der ita
lienischen Presse und selbst im italie
nischen Abgeordnetenhause offen der
Spionage im Interesse einer fremden
Macht beschuldigt worden. Mehrere
Duelle sind die Folge gewesen.
sen franzoscschen Zeitungen konnte
man kürzlich lesen, daß auch der deut
sche Generalstab sich der Hilfe von
Spioninnen bediene. Die französische
Regierung wies nämlich eine Anzahl
von deutschen Mädchen aus, die in
den französischen Garnifonen der Ost
grenze als Bat-Maids thätig waren,
weil man sie im Verdacht hatte, im
»Sollte des deutschen Generalstabes zu
stehen und männlichen Mittelsperso
nen, mit denen sie unter einer Decke
steclen sollten, alles das zu berichten,
was sie aus der Unterhaltung betrun
kener Soldaten und Offiziere heraus
hiirten. Des weiteren wurden in
Reime sieben Männer und drei
Frauen unter der Beschuldigung ver
haftet, Spione oes deutschen General
stabes zu sein. Den Frauen warf
man vor, daß sie die Bekanntschaft
von Soldaten und Osfizieren zu ma
chen suchen, um aus ihnen militiiri-«
fche Geheimnisse herauszuholen und
diese an ihre männlichen Mitschuldis:
gen weiterzugeben. Belastender Brief:
wechsel soll in den Wohnungen der
Mädchen gefunden worden sein. Es
soll sich daraus ergeben haben, daß in
Frankreich eine weitverzweigte Spio
nage-Organisation im deutschen Jn
teresse vorhanden sei. Man wird wohl
von dieser Angabe weitgehende Ab
striche machen müssen, um das tleine
Körnchen Wahrheit, das ihr vielleicht
zu Grunde liegen könnte, heraus-iu
schälen. Die Schuld an den übertrie
benen Spionage- Nachrichten die zu
weilen in Frankreich und singlmd
verbreitet werden, ist offenbar der
Nervosität zuzuschreiben die man
dort gegenüber den angeblichen triege
rifchen Geheimabsichten Deutschlands
an den Tag legt.
Auch in England hat sich kiirzlich
eine Spionagegeschichte abgespielt, in
der eine Frau die führende Rolle über:
nommen haben foll. Der erste Lord
der Admiralität, McKenna, entdeckte,
das-, mehrere werthvolle Pläne aus der
Admiralität verschwunden waren.
Wie der Diebstahl, um den es sich of
fenbar handelte, möglich war» darüber
herrscht tiefsteg Geheimnis. Nähere
Untersuchungen ergaben Grund zu der
Annahme, daß eine internationale
Spionin die Hund im Spiele hatte —
eine Frau, die fieys beieit ist, ihre
Dienste an -den Ochstbietendemzu .-ver
laufen, gleichgültig obees sich nun die
sranzösische oder die rstssische, um die
deutse oder eine andere Regierung
handel. Die Spionin htdlt sich gerade
damals, mehrere Wochend par der Ent
wendnng der Pläne, in England auf
Wahrscheinlich hat sie während dieser
Zeit den Plan ausgearbeitet, dur den
schließlich die Entwendung der läne
möglich wurde « Mentor
-.
Mantmeultlnebem das sächsi
iehe cnemone.
Steigt man von den Höhen des
sächsischen Vogtlandes südwäkts nach
Bdhmen in der Richtung aus Egek
hinab, so erreicht man hart an der
Grenze die Stadt Markneultrchen
Dem Auge bietet diese Stadt, die im
»Ist-eigen Jahrhundert nach einem:
»Bkande völlig neu ausgebaut wurde,
yleinetlei Merkwürdigkeit, desto mehr
bedeutet sie dem Ohr. Denn Mari
neulikchen ist in Deutschland der
größte Fabrtlort süc Orchester-instru
mente, in erster Reihe für die Königin
des Orchestets, die Geige-und kein
Land der Tede, roh-nicht Matlneus
Itirckiener Musikinstrumente zu finden
wären.
Jhre Bedeutung macht die Stadt
dem Ankömmling schon in ten hiigeli
lesen Straßen durch die Hausschilder
ice-merklich Da liest man von Vase-,
Becken-, Beschläge-, Bogen-, Klarinet:
tcnblätter-, Frosch-, Geigen-, Guttat
ren-, Hatmonila-, Holzblasinstrumeni
te-, Kinnhnlter-, Mandolin-, Zither
nmebekei. von Attordion-, Etui-,
Grissbeett-, Mundstiick:. Steg-, Sai
tensadritanten, von Kolophoniumgie
sxereiem Därmehandlnngen, Beinchen
drchern und was es sonst noch sitt
Zweige gibt, die mit der Instrumen
tenmacherei zusammenhängen wie zum
Beispiel Kartonnagensabriten, Futte
rat- und Kistentischlereiem Stickereien
siir Geigendeexen u. s. w. Nicht nur
in Martneutitchen selbst, sondern
auch weit in der Umgegend herum, so
besonders in der Nachbarstadt Klin
genthal, ist diese Industrie zu Hause.
Martneutirchen aber ist der große
Mittelpuntt und Stapelplny dafür.
Martneutirchen erfreut sich in der
Umgebung eines großen Holzreichtums z
und namentlich wachsen hier Fichten«
aus denen die Decke der Geige gemacht
wird, und Ahornbiiume s— siir den
Boden der Geige — in reicher Fülle.?
Heute ist freilich dieser Holzreichtumi
längst erschöpft, und der Ahorn wird
von Martneutirchen aus Ungarn, Ru- s
mänien, Galizien bezogen, besonders;
aus den strittigen Gegenden, wo er ern s
langsames Wachstum hat, weil er da: s
durch eine schön geflammte Maserung’
belommt, denn bei teinem anderen!
Instrument spielt ja neben dem Ton s
gerade die Schönheit eine so großes
Rolle wie bei der Geige. i
Wir befinden uns im Mustersaal ei- »
ner großen Saiten-Jnstrumenten-Fa-l
bril, und zu vielen Hunderten siehti
man hier an aufgereihten Schnüren.!
auf den darunter stehenden Gestellens
oder in den Glasschränten an der
Wand die in allen Lacksarben glänzen
den schlanten Biolinen, die Celli, Bässe
und Gitarren, Zithern, Mandolinen,
Banjos, Lauten und Harfen hängenJ
stehen, liegen. Wie in jeder Fabrika
tion, so hat auch im Geigenbau
und der übrigen Jnstrumentenmacherei
das Prinzip der Teilarbeit Platz ge
griffen. Vom Steg big zum Wirbel
—-— alles ist zur Spezialität geworden,
die meist als Hausarbeit betrieben
wird. So konstruiert eine große Al
tienfabril in Marlneutirchen nur den
»Korpus« oder die »Schachtel« der
Geige, das heißt den aus Boden, Decke
und Zarge bestehenden Rumpf. Sache
des Geigenmachers ist es, die einzelnen
Teile, die ihm von den Spezialarbei
tern geliefert werden, nachzuarbeiien,
wenn nötig zu verbessern, sie richtig
zusamntenzusetzen und den Lael auszu
tragen. Je sorgfältiger diese Arbeit,
desto wertvoller die Geige, nur die
ganz billige Stapelware wandert ohne
Nacharbeit aus den Markt. Besonders
bezieht sich die Nacharbeit aus den Bo
den und dieDecte der Geige « die Tei
le, die in erster Reihe den Ton bestim
men. Mit Messer und Meißel wird
an ihnen so lange herumgeschabt, ge
schnitzt und geglättet, bis sie die rich
tige Stätte bekommen. Zu den un
zähligen Versuchen, dem Ton der alten
Meister aus die Spur zu kommen, ge
hört in neuester Zeit auch der, die
Decke möglichst diinn zu gestalten. An
scheinend wurde die beabsichtigte Wir
kung auch damit erreicht, schon nach
«einem Jahre verschlechterte sich der
Ton dieser Jnstruniente aber derart,
daß man von dieser Methode wieder
abgelommen ist. Betannt ist, welchen
Einfluß auf den Ton manche Leute
auch dem Lact zuschreiben insofern das
Holz von ihm durchtriinkt wird. Jn
Markueulirchen glaubt man an diese
und noch so viel andere dunkle Theo:
rien von der Beinflussung des Tones
herzlich wenig. Noch weniger glaubt
man daran, daß die berühmten alten
Geigennmcher bei ihrer Kunst irgend
welches Geheimnis oder System ange
wendet hätten, dem die Neuzeit noch
nicht aus die Spur gekommen wäre.
Ein nach bekannter Norm gut gemach
ter und gut zusammengestellter Kors
vus und dazu gut getrockneteg Holz - -—
anverePrinzipien haben Amati, Guar
neri, Stradivari. Steiner, Klotz, auch
nicht anwenden können. Ja, die Fa
brikanten hier sind fest davon durch
drungen, daß eine gut gemachte Mark
neukirchener Geige, wenn sie erst das
nötige Alter bat, im Tone von jenen
berühmten Meisterwerken nicht zu un
terscheiden ist« nur daß bei den letzte
ren eben das Nenommee und der An
tlauitiitenwert ihre Rolle mitspielen.
Da Markneutirchen nach aller Welt
exportiert, so muß dabei auch bei den
verschiedenen Nationen aus deren Ge
schmack betreffs der Färbung der Gei
gen Rücksicht genommen werden — so
liebt Ruszland das helle tlternsteingelb,K
. -
Frankreich ein feuriges Rot, Amerika
ein tiefes Braun. Kaum glaublich
scheint es, daß in dieser Fabrik allein
iiber zweihundert verschieden geforknte
Schablonen fiir die FsLöcher zur An
wendung aelangens Formen die fast
alle den Geigten der oben erwähnten
walten Meister entlehnt sind
I Ein großes- Kavitel siir sich bilden
die Saitenfalsriten in Markneuiirchen.
Tritt man in die Betriebsräume einer
solchen ein« so schläat einem zunächst
iiberall ein vestilenzialischerGeruch ent
gegen, so daf; man nicht begreift, wie
es Menschen dauernd in dieser Atmo
sphäre aushalten können. Da ist zu
nächst das Lager mit dem ausgewei-v
cherten Rohmaterial —— getrockneten
und ausgeputzten Schafdärmen. Bis
islnsana des voriaenJahrhunderts wur
den diese Därme aufs Sachsen selbst,
aus Bayern, Böhmen und der Pfalz,
wo arosze Schafherden gehalten wur
den, bezogen. Aber schon damals
reichte dieser Artikel an Menge für die
Martnenkirchener Fabrikation so we
nia bin, das; die sächsische Regierung
den Dresdener Fleischern ausdrücklich
befeblen mußte, Schafdärme nur an
He hiesigen Saitenmacher zu verkaufen.
Seit etwa fünfzig Jahren ist es Eng
lknd und hauptsächlich Rußland mit
seinen ungeheuren Herden, woher
Marineukirchen seine Därme bezieht,
während die ebenfalls schafreichen Län
der Frankreich und Jtalien die Darm
Produltion fiir die eiqene Saitenberei
tung verbrauchen. Bedingung für ein
gutes Darmmaterial ist, daß dicSchafe
fein fettes Futter erhalten. Den lang
wieriaen Gang hier darzustellen, wie
das Verdauunasinstrument des Scha
fes sich zu jenem Ding verwandelt, das
in die Menschenherzen Trost und
Wonne bringt, würde hier zu weit füh
ren. Die Zahl der in Markneukirchen
alljährlich verarbeiteten Därmc beläuft
uch auf über fiinf Millionen Stück,
sms denen annähernd 25 Millionen
Stück Saiten verfertigt werden, dar
unter auch die, die noch mit Metall
»und Seidenfäden übersponnen werden.
Mechnet man noch die für manche Sai
teninstrumente notwendigen Stahlsai
ten hinzu, so werden in Markneutir--.
chen über 200 verschiedene Sorten da
oon fabriziert. Eine weitverbreitete.
wohl jedem Geiger bekannte Meinung
ift die, daß die hellen Saiten besser als
Sie dunklen sein sollen, weshalb die er
steren auch höher bezahlt und in Ame
rika die dunklen Saiten künstlich ge
bleicht werden, was aber ihre Zerreiß
barleit vermehrt. Jn Wahrheit ver
hält es sich damit ebenso wie mit den
hellen und dunklen Zigarren oder Bie
nen, über die ja auch nur, und zwar
im eigentlichiten Sinne ,,Anaesichts«
unterschiede herrschen. Ebenfalls aus
dem Auslande wird das Material für
die Violinbögen bezogen, die, da fast
alle Teile nur niit der Hand hergestellt
werden können, ganz Sache des Klein
arwerbes und der Hausindustrie sind.
Nur für die ganz billigen Bögen wirdl
einheimisches Buchenholz benutzt —
sonst wegen der besseren Spannkraft
Blariholz, ferner das aus Guyana
stammende, neuerdings auch für Lu
rusmöbel viel verwendete, nach sener
Farbe so genannte Pferdefleischholz,
und siir die teuersten Bögen das röt
Liche Pernambucoholz, das aus Lima
und Ostindien kommt. Der jährliche
Gesamtverbrauch an diesen fremden
Hölzern für Violinbögen beträgt in
Martneutirchen über 3000 Zentner,
dcr an Pferdehaaren, die aus China
und Serhien kommen, 700 Zentner.
Dazu kommen noch fitr den Frosch des
Bogens überseeisches Ebenholz, Perl
mutter, Elfenbetn, Goldfischmuschel
und Schildkrot.
Befnchen wir nun eine Messing
inftrunientenfabril. Dn die ersten
Blaginftrumente, welche Martneutir
chen ungefähr um die Mitte des acht
zehnten Jahrhunderts gemacht wurden.
Waldhörner waren, so heißt noch heute
dieser ganze Zweiq die Waldhornma
eherei. Das Messina dazu kommt auex
dem Erzgebirne und ans Auasburg.
Soll das Instrument einen schönen
weichen Klang erhalten, so wird das
Messing stark mit Kupfer vermischt
und heißt dann nach seiner goldigen
Farbe Goldmessina. Von dem schön
oussehenden Neusilber ist man abge
lomtnen, weil es einen zu hnrtenKlang
gibt.
Wir begeben uns weiter in eine
Holzblasinstrutnentenfnbrit, wo nach
ebenfalls zahllosen Systemen die Kla
rinetten, Oboen, Snxophons, Flöten,
Pieolos, Faqrtts gemacht werden. Als
Hölzer dienen dazu Ahorn, Buchs
bnum, Polisander, Kolus, Ebenholz
und Grenndille, letzteres aus den oft
afritanischen Kolonten. Jhee Fär
bung ist durchweg dunkelbraun oder
schwarz. Ein Orchestermitglied, das
sich heute noch mit einer gelben Klari
nette sehen lassen wollte, würde wahr
scheinlich von seinen Kollegen in die
nächste Maison de Sant6 abgefiihrt
werden. Unsere besondere Aufmerk
samkeit erregt das in Deutschland noch
nsenig bekannte Saxophon. Aehnlich
der Baßklarinette hat es genau die Ge
sialt einer mit sehr vielen Ventilen be
setrten langen Tabakspfeife Merk
spiirdig ist dies Instrument, das in
Bclgien und in Frankreich schon in
mehreren Fabriken, dagegen in
Deutschland erst hier in dieser einen
hergestellt wird, dadurch, daß es vor
kurzem zum ersten Male in einer deut
schen Militärkapelle, bei den » ran
zcrn« in Berlin, zur Verwendung ge
kommen ist, und zwar aus direkten
iAnlaß des Kaisers, nachdem ihm aus
- der ,,. Hobenzollern« ein Quartett damit
voraespielt wurde« Namentlich soll
es sich als Ersatz siir das Cello und bei
Wagnerausfiihrungen bewähren. Das
teuerste der in Markneukirchen herge
tellten Blasinstrumente, dem ich be
gegnet bin, ist ein Courtois-Solo-B
Kornett aus massiv Silber zum Preise
Von sjsfl
Dieselben Instrumente wie inMark
neukirchen werden, wenn auch in weit
geringerer Menge, in der Nachbar
stadt Klingenthal fabriziert. Jn sei
ner äußeren Gestalt hat Klingenthal
nicht mehr Reize aufzuweisen als
shltarkneulirchem Zu erwähnen ist der
Kupferwerlbau, der seit Beginn dieses
Jahrhunderts nach langem Todes
schlafe in Klingenthal wieder wachge
worden ist — der einzige Fall im
Vogtlande und Erzgebirge, daß der
hier einst so blühende Bergbau keine
Wiederbelebung erfährt. Weit vor
aus aber der Nachbarstadt ist Klingen
thal in der Herstellung von Mund
und Ziehsharmonikas. Die Entstehung
dieses Zweiges fällt in das erste Drit
tel des vorigen Jahrhunderts, wo ein
Frlingenthaler Kaufmann von einer
Reise eine Mundharmonika, die er als
eine damalige Neuheit in Frankfurt
am Main zum Geschenk erhalten hatte
mit nach Hause brachte· Obwohl auch
noch in Gera, Leipzig, Altenburg,
Magdeburg, Berlin und in Württem
berg diese Industrie ihre Vertretung
findet, so beherrscht damit doch Klin
genthal mit seiner Jahresproduktion
non einer Million Ziehharmonikas und
zwanzig Millionen Mundharmonikas
den Weltmarkt und trägt seinen klin
genden Namen also mit vollem Recht.
Außer den genannten Instrumenten
werden in den beiden Orten noch
Schellenbiiume, Glockenspiele, Tum
bourmajorstöcke Taktstöcke, Kinder
Jnstruinente, Akkordeons, Orchestri
one, Grammophone, Musikwerke, No
tenpulte und alles-, was dazu gehört,
fabriziert· Eine historische Samm
lung alter Instrumente, eine Fach- und
Musikschule dienen der Industrie zur
wertvollen Unterstützung Der Jah
res-wert der Markneulirckxner Pro
niiktion belaust sich auf ungefähr 2333
Millionen Doktors-. Zum Schluß
sehen wir uns noch in einer Fabrik für
Signalinstrumente um, wo uns als
zeitgemäfzestes Erzeugnis die Automoi
bilhupe begegnet. Ein löbliches Be
streben dieser Fabrik ift es, den nett-en
zerreißendem schreckenerregenden Klang
der Loupe nach Möglichkeit zu mildern
itnd diesen dem sogenannten Orgelton
zu nähern. Die modernste Form der
Hupe besteht in einem vergoldeten
Echlangenlopf mit einem dazu gehöri
gen Ringkettesnstrang Bis nach China
ist diese Form schon verkauft worden,
ssur hat man dort dem Knopf, wohl
um das-« Entsetzen für das fürchterliche
Fahrzeug noch zu vermehren, noch
grüne Glasaugen und dem Rachen eine
Gliihbirne eingesetzt.
H-.-—·—
Schweden- Fteienknaftqueb
en.
Jn der Geschichte der Tienstbarmas
ehung der Eliiesentoasferkräfte Schwe
dens ist der 29. Oktober ein bedeu
tunqsrioller MerktAg. An diesem Tas
ge wurde nämlich der erste arofzeThcil
der mächtigen Traftanlage der Trol!
hättawasserfälle einaemeihL Die
Kraftanlage kann in ihrer heute ferti
gen Gestalt 4(«-I,00() Pferdekräfte lie
fern; hierzu kommen aber im Jahre
1911, nach Fertigstellunq des Aus
baues der Trollhättafälle noch weitere
4(),000 Pferdekräfte. Dic vom näch
ften Jahre an im ganzen zur Verfü
gung stehenden 8st,0s)t) Pferdekräfte
bedeuten eine ausgenutzte Wassermenge
von 250 Kubikmetet in der Sekundet
Dieser Wassermenge entsprechen die
Dimensionen des kolossalen Kraftkm
nals und der dazu gehörigen Wdssers
bauten. Es tvird indessen auch bei den
vom nächsten Jahre an augzunutzendcn
250 Kubikmetern Wasser per Sekunde
noch nicht in der Entwicklung halt ge
macht werden. Der fchwedische Staat
disponirt nämlich iiber eineGesammt
wassermenge,die zwischen 320 und 900
IKubikmeter in der Sekunde wechselt,
W
und wenn die Fälle nicht nur Bis
Trollhättan, sondern auch Borgoenl
und Lilla Edets voll ausgebaut stup,
und der große Binnensee Wänern re
guliert sein wird. werden 180,000
Pferdekräfte durch die 5Itinnengewässek
dem schwedischen Staate zur Verfü
gung stehen.
Den größten Theil der Kraft gibt
die gewaltige Wassermenge des Götas
slrisses. Es eröffnen sich infolge der
Dienstbarmacbnng der mächtigen
Wasserlriiste siir Schweden nngenhnte
Zukunftsmöglichteiten. Jetzt schon hat
das Vertheilungsnetz der elect-is n
Krastonlage der Trollhättaftille erne
tstesamtntliinge von 80 Meilen! Sekun
därstationen befinden sich in Hahn
storp, Stam, Stoefde, Lilla Edet,
Alingsns nnd Gotenburg Ein sehr
bedeutender Theil von Schweden wird
also die eminenten Vortheile der Was
serkräfte des Trollhlittnn mitgenieszen;
eine große Zahl mittel- nnd südschwe
disclper Städte wird vom Trollhiitnn
ihr elektrischesLicht nnd ihre elektrische
Kraft beziehen; ja, wenn der zweite
Theil der Anlage nächste-s Jahr fertig
gestellt sein wird, ist es nicht unwahr
scbeinlich, daß ein Theil des eventuellen
Kraftüberschusses der Wassermassen
des Götaflusfes nach Kopenhagen ,,ex
portiert« werden wird! Ein solcher
weittragender Plan ist wenigstens al
s len Ernstes vom jetzigen Chef der
i Trollhättatraftnnlage, dem Ober
ingenienr Holmgren, entworfen
worden. —- Ein Zukunftsplan, der
ebenfalls- ernstieb erwogen wird.
- ist die allmähliche Elektrisizierung der
sämmtlichen Eisenbahnen Schwedenö
mittels der jetzt zur Vertilgung stehen
den und noch dienstbar zu machenden
WofserträftrL . . .
Mit dem Bau der Trollhättakraft
lage wurde erst vor vier Jahren ange
fangen; die Riesenarbeit ist also in
verhältnismäßig kurzer Zeit vollendet
worden. Der Kraftlanal hat eine
Länge von 4265 Fuß und ist daraus
eingerichtet, 250 Kubikmeter Wasser
pro Selunde durchzuführen. Das Ver
teilunasbassin befindet sich im Berge
Joberhalb Olidehala. Von hier aus
. wird das Wasser durch Tuban, die je
einen Durchmesser von 20 Fuß haben
nach den großen Turbinen geleitet.
Das Maschinenhaus ist aus Beton
grund unmittelbar aus demFelsen auf
geführt. Es ist für acht Turbinen
eingerichtet, wovon die vier jetzt schon
aufgeführt sind. Jede Turbine hat ei
nen Effekt von 1t),000 Pserdekrästen.
Die Spannung ist 10 bis 11,000 Volt.
In einem besonderen Gebäude geschieht
die Trangsormation zunächst auf 50,
Wo Volt· Sodann folgt die Verthei
lung theils mit niedrigerSpannuna an
die niichstliegendenKonsurnenten, theils
mit hoher Spannung an die weit weg
gelegenen Plätze, wo wieder Draus-sor
mationöstationen angelegt sind. Es
mag noch erwähnt werden, daß nach
der Regulierung des Sees Wänern
auch ein großer Kanal ausschließlich
siir den Verkehr errichtet werden wird,
wosiir der Reichstag fiz Millionen
Dollarg veranschlagt hat. Durch ihn
wird das srtnoediscbe ,,Binnenmeer«
Wäneru ausländischen Häer erschlos
sen werden·
———
Das Ende den »Kerl-en Flub«.
Aug stleinlaufenburg wird gemel
det: Die »Rotl)e Fluh«, der als Wahr
zeichen der Laufenbnrger Strom-:
schnelle betannte, wohl 100 Kubikme
ter große Gnaigbloch an dem fichJahr-:
tanfende lang die Wogen des jungen
Rheine-« brachen, ift jetzt den Arbeitern
fiir dass Wassertraftwert zum Opfer
gefallen. Vier Tage lang, Tag und
Nacht, war, wie der ,,Alt«)dote« berich
tet, an dein Kolon niit Drnckluft ge
bohrt worden. Sieben, je vier Meter
tiefe Löcher wurden in das Gestein
getrieben Die Arbeiter mußten ange
giirtet werden. Die« glattgetvafchene
Oberfläche des Felsblockg wurde, da
mit verhängnifzvolles Ausgleiten ver
hütet würde, mit Sand bestreut. Am
Freitag gingen die Bahrarbeiten zu
Ende Freundliche Hände betränzten
»den Todgeweihten mit grünem Laub.
» Eine anfgepflanzte Fahne grüßte vom
j Fels. Ganz Laufenburg war auf den
Beinen, den Untergang des Laufen
burger Wahrzeichens mitanzufehen.
Viele Anstvärtige, darunter von
Landshut der gefammte Stadtrath
mit dem Bürgermeister, waren erschie
nen, unt Augenzeuge des Ereignisses
zu fein· Die Entzündung der Stimm
rnasfe in den tiefen Bohrlöchern er
folgte gemeinsam auf elektri them
Wege. Jn tausend Stücke her-tend.
ftob die gewaltige Felswaer ausein
ander in die hochaufsprtngenden Wild
wasser . . . . Jeht tauschen die Wogen
des Rheine über di Trümmer des
uiö auf den Grund rftörten Kalt-f
ses. Ein prächttgeö atmdenkmaltft
dahin. ’
« .