Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 09, 1910, Zweiter Theil, Image 16

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    us:
Dir kamimie eines
entschwundkncnGrdiitytnillkg
Unter einer Wolke
Z von. H. wisset
vavvvvvvvvsv
1. Kap itel.
CinZwischenfallaushober
See.
Die Lust war so still und klar, das-«
man die Linie· wo Dimmel und Meer
sich zu kreisen schienen. mit bloßem
Auge wahrnehmen konnte. Tausend
bat Sternen bedeckten »das» tiesblaue
Fermament und suntelten m solcher
Klarheit, daß der Beobachter unwill
tin-Ae an die Frostnächte der Polter
gegenden erinnert wurde, wenngleich
der warme Hauch des tropischen Win
des diesem Gedanken von vornherein
widersproch. Die duntlen Wasser wog
ten geräuschlofs auf und ab die gleich
mäßige Brechung der Wellen am Bug
des Schiffes war das einzige Geräusch
in der tiefen Stille. Es war ein gro
bes Vollschiss, das in der Dämmerung
dieser Aeauatorial-Nacht majestiitisch
die Wogen durchschnitt und in dem
ungewissen Lichte mit seinen hochra
genden Masten und geschwellten Se
geln bon ungeheurem Umsange schien.
An«-Bord bewegten sich mehrere Per
sonen hin und her, während andere
wieder so bewegungslos wie Statuen
ihre Posten innehatten. Unten im
hellerleuchteten Salon hatte sich eine
zahlreiche Gesellschaft von Passagie
ren versammelt, deren Stimmen und
fröhliches Gelächter in die laue Nacht
hinauszogen Sie hatten diesen
Raum, der durch die beiden Windm
setten fast zu lustig gehalten war. der
schwülen Atmosphäre ihrer lleinen
Kajliie vorgezogen. Der Kommandeur
des Schiffes-, Kapitän Sturgeß, saß,
von einer kleinen Gruppe herren und
Damen umgeben, vor einer Karte des
sudatlantischen Ozeans und erklärte
seinem wißbegietigen Auditorium die
genaue Stellung des »Strathnairn«
zur Mittagszeit des heutigen Tages
«Sehen Sie. Miß Marston'«, sagte
er, mit dem Bleiftift auf einen Punkt
ter Karte deutend, während er dabei
ein elegantes Mädchen ansah, dessen
große. graue Augen nachdenklich auf
die qKarte gerichtet waren, »21 Grad
35 Minuten südlicher Breite »und 13
Ger 20 Minuten westlicher Bange. oa
sparen wir heute Minan —— »Und
was bedeutet der kleine Punkt dort
dicht neben Jbrem Stift? fragte fie.
ihre anmuthige Gestalt tiefer herab
neigend — »Das ist St. Helena; es
macht allerdings hier nur einen unbe
deutenden Eindruck, aber es ist mit
Ahension diesem anderen Pünttchen
das einzige Land im Umtteise von
tausend französischen Meilen. Ein
änazbeures Meer, nicht wahr, Mrs.
. n «
(
«Wa?- mich immer besonders beuns
ruhigt, ist nicht die Ausdehnung, son
dern die furchtbare Tiefe des Mee
res«, beannn Mis; Maråton wieder.
«wie tief ist es- an dieser Stelle, Fia
pitiin Stirrgestz?«
· Der alte Schiffs-ben- sah nachdenk
lich zur Decle empor. «
»Ich kann fiir die Genauigkeit inei
ner Anqabe nicht garantiren, aber ich
müßte mich febr irren. wenn der
Grund an dieser Stelle nicht fünf
Meilen unter unserem Kiel liegt-«
Es folgten mehrere Aus-rufe des
Erstaunens, die aber durch den leifen
Ruf des wachtbnbenden Osfiziers, der
am Hochlichtfenster erschien, unterbro
chen wurde. Alle Augen richteten lich
nach-oben»
«.-- — «- -I« s,,«.
»Was ql LOlL Lucr. muuct migic
Stnrgeß nnd liess den Stist sinken.
»Bitte, kommen Sie einen Augen
blick aus Deck Sir«. entgegnete der an
dere und verschwand wieder.
Ein derartiger Ruf ist aus der See
selbst in der ruhigsten Nacht von Be
krummg- Der Kapitän gkiss nach sei
ner Miiye und eilte, der Aufsorde
rung Folge zu leisten, wobei er von der
versammelten Gesellschaft begleitet
wurde, so daß das bis vor kurzem nocb
Yo einsame Achterdeck des Schiffes wie
urch magische Kraft mit bin und her
gleitenden, schattenbasten Gestalten
belebt war.
»Was ist denn los, Mr. Roger-«
sragte Kapitön Sturgeß ausss neue
und trat zu dem Obersteuermann. der
in lauschender Stellung an den Befan
mast gelehnt stand.
»Es klingt wie das Bellen esnek
Hundes ans dem Wasser. Die Wache
vorne meldete das Geräusch zuerst
und ich habe es seitdem selbst mehr
malö gehört; es ist ganz merkwürdig!
Wo es nur herkommen mag; in dieser
klaren Nacht könnte uns doch im Um
kreis von zwei Meilen kein Schiff ent
geben«
Sie standen einige Minuten lin
sehend, dann wurde das beisere Bellen
eines hundes hörbar. Es war un
möglich, zu sagen aus welcher Nich
tung die Tbne kamen, aber sie ogen
satt sonderbar unbeimlichem Klang
Hier die einsame Mssersläche hin.
»Seht ouderbar« , ries der Kapitän
,.e0 ttt nckits zu sehen, trotzdem di
Nacht so klar ist«
Mr Mond muß gleich aus eben
M Sie zart-Mr hellen S in?«
t.R
J - während er Æsvrachh wurde bei
sue send des Mondes am horion
Mann warne Scheibe au tte
te er bald in lench
Häher Wi- rerklang das
, — Its UM Zöåteägtål lau-tre
" M. u vers
, san-la scharfe Aufs bei
M der stät Ost-W
.WUW
sfffffffffffvafvaIIIIIIIII
»Ein tleiner schwarze-r Gegenstand
von hier aus zu sehen-«
Die beiden Of iziere eilten. beglei
tet bon den Bassagieren, nach vorn, un1
den Gegenstand in Augenschein u
nehmen. Einige Minuten start-ten il
vergeblich in die Dämmerung hinaus
dann rief der Kapitön Sturgeß«
»Ich sehe ihn. gerade unter dem
südlichen Kreuz; Mr. Roger, bitte ge
hen Sie in meine Kaiiite und holen
Sie mein Nachtfernrohr.«
Während der Offizier das Ge
wünschte holte, gab der Kapitän Be
fehl. das Ruder umzulegen, damit der
fragliche Gegenstand in eine Linie mit
der Bugsvriet gebracht wurde, wobei
bei der vollkommenen Windstille iein
Umstellen der Segel nöthig war. Als
Mr. Roger mit dem Glas zuriickkehr
te. betrachtete der Kapitän von einem
erhöhten Standpunkte aus lange den
kleinen. auf dem Meer treibenden Ge
genstand, der jetzt vielleicht noch eine
halbe Meile vom Schiff entfernt war.
Der Mond beschien ihn in voller Klar
heit. Während das Schiff sich nä
verte, ertönte wiederholt das scharfe
HundegebelL und es klang den Dörern
an Bord so hohl und unheimlich wie
eine Grabesstimmr.
, »Es scheint ein treibendes Seiten
voot zu sein«. bemerlte der Kapitän
endlich. »sehen Sie es sich auch einmal
an, Mr. Roger.«
Nach kurzer Besichtigung sagte der
Obersteuermann, daß er derselben An
sicht sei. »Das Gebell kommt unzwei
felhaft aus dem Boot«. fuhr der alte
Seemann fort, »aber es scheint lein
menschliches Wesen darin zu sein. ch
denke, wir können die Sache unter u
chen, ohne anzuhalten. Geben Sie Be
fehl, daß sich Jemand mit einem Tau
m die Steuerbordgroßriisten stell-t, da
mit er hinuntersoringen tann, wenn
wir das Boot streifen.«
»Ja Befehl, Sir«. ent egnete der
Obersteuermann und ging ort, um die
nöthigen Befehle zu ertheilen.
Bald daraus lag das Boot an der
Seite des Schiffes. und das Bellen
des-Hundes Lang-deutlich aus der
Eiche yctullf. Mk Alllltvke mannsdic«
daß es ihm durchaus tein Vergnügen;
mache, mit dieser heiser bellendeni
Kreatur in Berührung zu kommenH
aber die Disziplin auf dem Schiff isti
so streng, daß er im geeigneten Augen
tlicl ohne weiteres über Bord spraan
Der bund stieß ein langgezogenes Ge- »
heul aus, und dann war alles still. —
,,2llles fest!« rief der Matroie.
«Jemund darin?" fragte der Kapi- »
tiin von oben her. ;
»Jawohl, Sir, zwei Männer. aber
Sie scheinen beide todt zu sein« und der .
und sieht aus, alö wenn er ieden, der;
ich nahte, angeben würde.« H
»Bitte Laterne«, befahl Kapitiini
Sturgef-,.
Nach wenigen Minuten wurde eine
hellleuchtende, mit Draht umfponnene
Kugellaterne in das Boot hinabgelasti
sen. bei deren Schein sich dein Makro
sen ein erichiitiernder Anblick darbot:
auf dem Boden des kleinen Fahrzeuges
lagen dicht aneinandergedrangt, zwei
Männer mit dem Gesicht nach unten.
Der eine trug die Kleidung eines Ma
trosen. während der andere wie ein
Mann der höheren Gesellschaftstreise
getleidet war, und auf ihrn lag ein
Hund ausgestreckt
»Ist der Arzt zur Stelles« fragte
der Kapititm .
Ein stattlicher Mann trat aus deml
Kreis der Umstehenden hervor. !
»Wollen Sie die beiden Verunqliicts z
en untersuchen? Es hat keinen Zweck,
sie an Bord zu bringen« wenn sie schon
todt sind.««
Der junge Mann stieg in’-«- Boot
hinab und neiate sich zu den beiden
klltiinnern Der Hund stieß ein heise
res Gebell aus, aber er schien instint
tiv zu siihlen, daß den beiden Gestal
ten, die er bewachte, von dieser Seite
tein Leid drobe, nnd er gestattete dem
Arzte, ihre Körper zu berühren. Der
junge Mann streifte das Thier mit ei
nem flüchtigen Blicke, der ihn zu einem
Ausruse des tiefsten Mitleids veran
lnsitex denn die Augen des treuen
Thiere- waren eingesunten und eigen
thiimlich oerglast. die Zunge hing
schlaff uber den Unterkiefer hinab, und
das Maul war mit Schaum bedeckt.
»Hunger und Durst! Schicten Sie
um Gottes Willen sofort Wassers« rief
er dem Kavitän zu.
Dann begann er die beiden Män
ner zu untersuchen. Er sah aus den
ersten Blick, daß der Matrose todt
war, aber der andere athmete noch,
wenngleich so schwach, daß es des ge
übten Ohres des Mediziners bedurfte,
um die Athernziige iiberhaupt zu ver
nehmen.
Einer lebt, Sir«, rief der Ar t hin
auf, »e: muß gleich an Bord ge chafst
werden«
n diesem Augenblicke wurde ein
S ifsseimer mitssris m Wasser her
untergelassen und der atrose bot ihn
sofort dein hunde dar. Das arm-e
Thier erhob nur mit Anstrengumägden
Kot-R schluckte aber gierig das ass
er F aus den letten Tropfen; dann
ttesz er ein rasendei Gebell aus, seine
’ Glieder zuckten wie im Krampfe und
ex fiel todt aus die Seite. Ma
trosen entfiel der Eimer, und einen
Lippen entfuhr ein Ausruf des echte
« Ansatz-nd deånMglxide « hä
» r wo m einer «nge
» matte berausioinden«, sagte der Kapi
titn und euhetlte sofort die nöthigen
dane.
wenigen Minuten wurde der
ffffffffffffffffffffffvsffl
Bewußtlofe von dem Arzte und den
Matrofen vorsichtig in eine hernieder
aelaffene Hän ematte gehoben. wobe
beide mit tie ern Mitleid das feder
leichte Gewicht des Berungliickten be
merkten. Die Hängematte wurde hin
aufgezogen. nnd der Arzt folgte, un
fofort Belebungsverfuche vorzuneh
men, fowie der Aermfte in einer Ka
Iiite nntergebracht wäre Blei?e unt
stumm standen die Passagiere rum
bis die Mntrofen mit ihrer Mitleid er
regenden Bürde die Kajiitstreppe hin
abgestiegen waren.
»Ist tein Name an dem Boots«
fragte der Kavitön den Matrofen, del
unten noch auf Befehle wartete.
Der Mann beleuchtete das Hinter
theil des Fahrzeuges mit der Laterne
und nachdem er den Namen einig(
Male für sich buchftabirt hatte,-ant
wartete er:
»Ja Befehl, Herr Kapitiim »Ladr·
Godioa, London , fteht barnn.«
»Das genügt«, ent egnet der Kapi
tän, den Namen in ein Buch eintra
gend, »Du tannft es jetzt schwimmen
lassen.«
Der Matrofe führte diefen Befehl
nur zu gern aus; er löfte das Tau«
mit dem das tleine Fahrzeug befestigt
war, und kam eilig wieder an Bord.
Die Wogen trugen das Boot von dan
nen und bald war es wieder nichts
weiter, als ein kleiner duntler Punkt
auf der jetzt mondbefchienenen Wasser:
fläche; aber die Gedanken der iich an
Bord befindenden Menschen, die fein
Verfchioinden beobachteten, beschäf
tigten tich noch lange mit der unheim
lichen Last, die es trug.
Ohne Gedächtnisx
»Wer bin ich? Wo bin ich? Wie
Ibin ich hierher gekommen? Was ist
imit mir geschehen?« Das waren die
Fragen. die das Hirn eines jungen
Mannes von un efii r achtundzwanzig
Jahren unable g beschäftigten Er
hatte ein bleiches, abgezehrtes Gesicht,
das an Stirn und Schlöfen mit einer
Fiille wirren haares bedeckt war. dem
nmn es aber nichtsdestoweniger ansah
daß es ein ungewöhnlich schönes Ant
litz oeweien war, ehe die Wangen sahl
und die Augen durch die überstande
nen Leiden trübe wurden. Er war sich
bewußt, soeben aus einem langen. tie
fen Schlummer — -— wie lange, konnte
er nicht sagen — — erwacht zu sein. Jn
wirrem Durcheinander flogen untlare
Vorstellungen an seinem geistigen
Auge voruber, aber er vermochte sie
ebenso wenig festzuhalten, wie der Fie-«
bertranie im Stande ist, seine Phan:
tasien zu beherrschen. Das einzige.
worüber er sich tlar werden tonnte.
war, daxz er aus dem Rücken in einem
tleinen argartigen Behältnisi lag, du«-?
sich in gleichmäßiger, einschläfernder
Bewegung unter ihm bewegte, geradi
uber seinem Kon befand sich ein tlei
nes, rundes Fenster, durch das ein
Sonnenstrahl hereinfiel, und an der
weißen Decke, die lauen aus Armes
liinge von ihm entfernt war, bewegten
sich unzählige« ihn sehr beunruhigende
Lichter hin und her, als wenn eine un
sichtbare. Person mit Hilfe eines Re
slettors Sonnenstrahlen daraus tanzen
ließ. Dies war ihm tlar weiter
nichts. Dann und wann flog ein hel
lerer Gedanke durch sein Hirn, aber
wenn er sich bemühte ihn festzuhalten
s 2. napitki
f
oerichivano er wieoer nrw exc- er ir
csend eine bestimmte Form angenan
men hatte, und sein Auge starrte dann
wieder seltsam ausdruiislrs ins Leere.
Plötzlich bemertte er den Schatten
einer Gestalt, die neben ihm stehen
mußte, und als er den Kopf ein wenig
wandte, sah er ein siincieg Mädchen
das sich über ihn beugte und ihn auf
mertsam und nachdentlich beobachtete
Die-H schien er mit vollem Bewußt sei.
wahrzunehmen denn iiber seine Ziige
glitt ein leichtes Lächeln
»So iind Sie endlich ausgewacht?«
sagte das Mädchen mit sanfter Stirn
ine, die ihm aber sehr sonderbar und
T unwirtliih ertlang
»We) bin ich denn?« fragte der junge
TManm dessen Verwirrung und Ver
irunderiing mit dein wiederkehrenden
Bewusstsein immer mehr zunahmen.
»Sie befinden sich in einer Aal-ins
an Bord des ,,Strathnairn«, ertlörts
sie ,ihn mitleidig betrachtend, da der
Ausdruct seines Ge ickitö ihr zeigte,
dasz er s ch teine Vor eklung von ihren
Worten machen tonnte.
«Besinnen Sie sich nicht darauf, dasz
Sie vorgestern aus einem Boote geret
tet worden sind?"
Er sah sie mehrere Augenblicke un
verwandt an. dann schüttelte er lang
sam den Kons.
»Was ist das siir ein seitscimesi
Licht danben?« fragte er plös lich und
starrte wieder aus ie beweglichen Re
slexe ein der Decl
Das ist der Wiederschein des wei
szen Dann-fes der vorbeizieht« er
klärte sie »Wir fahren jett ziemli
schnell. denn es weht seit heute frii
ein frischer Wind. Stsrt Sie der
Lärm der Maschine sehr?«
Er antwortete nicht: entweder hatte
er sie nicht gehört, oder was wahr
sseheiiilicher war, n tverstanden.
»Mir e ich chhier n einein Sarg-W
skag te er ploti i,ch während ein angst
licher Ausdruck in seine eingesunteneii
I
Ænw Sie— sind in einer Schigds
tasitte« , ent egnete sie Trinken
dies« hr nach kurzer use fort
und lt i ein Glas IIY
wiiW sie ein haupt iiiit ihrem r
M
"""""""""""’fffIIII
i
Der junae Mann schlärste das Ge
- tränk und sani dann wieder zurück.
»Nun müssen Sie still liegen und
- diirsen nicht mehr sprechen; versuche-:
- Sie zu schlafen, Sie werden sich da
nach kräftiger fühlen.«
Sie trat ein wenig zuriick, um ihn
ungesehen weiter beobachten zu tön
- nen; er schloß ehorsam die Augen.
und bald verriet n die regelmäßi en
, Atxmziigh daß er eingeschlafen ar.
r. Collins, der Arzt des .Strath
n»airn«, war auf Drei beschäfti t, mit
einein Passagiere nach der Wut scheibe
« zu werfen, als er seinen Namen rufen
« dorte.
»Ab. Mis-. Marstom was macht Ihr
Patient?« fragte er, seinen Ring as
send und ihr mit dem Hute in der
Hand entge engehend.
»Er isi e n aufgewacht.«
«Yann will ich gleich zu ihm ge
n.
Er schliift aber schon wieder.«
»Dann ist es besser, wie stören ihn
nicht.« »
Er firirte sie scharf. ;
»Sie sexn so bleich aus, Mis
Marston, ie müssen von dem langen
Wachen auch sehr abgespannt sein.
Es ist sehr ut von Ihnen. dafz Si
den atmen ursFen sa ausdpiernd
nfle en. Sie mii en ith aber auch
an ich selbst denken, und es wäre am
besten, Sie gingen in Jhre Kajiite
und versuchten, zu schlafen. Jch tur
de selbst ab und zu nach dem Kran
ten fehen.«
Das junge Mädchen ging, den
wohlgemeinten Rath zu befolgen, und
der Ar t nahm sein Spiel wieder auf.
«Mig Marston ist ein außeror
dentli hübsches- Mädchen«. begann
sein esiihrte, ein Kaufmann ans
Endnen, dem man nachfagte, das-, er
. mehrfacher Millionär sei.
i »Sie ist ebenso gut, wie schon«
entgegnete der Arzt, seinem letzten.
gut ärzielten Ring wohlgefallig mit
den uaen folgend. »Drei Tage und
drei Nächte hindurch hat sie den ar
men Burfchen jetzt unaufhörlich ge
pflegt oder vielmehr beobachtet« Wenn
et ihr Verlobter wäre, tönnte sie ihm
nicht mehr Hingebuna erwiesen ha
ben. Sie war von allen Damen die
einzige. die sogleich bereit war, die
Pflege zu übernehmen, und sie iibt sie
auch mit seltener Treue und Zuver
lässigkeit aus«
»Sie verwendet ihre Zeit wenig
stens nützlich damit, was man nicht
von allen Damen hier sagen tann«,
bemerkte der andere. »Warum mag
sie nach Australien geben«-»
.Sie geht zu ihrer Tante nnd
Sydney. Kavitän Sturgefz, der seit
Jahren mit ihrer Familie befreundet
iit, hat mir ihre Geschichte erzählt
Jhr Vater war Seemann und aina
vor vielen Jahren bei einem Schiff
bruch bei den Goodwing unter. Ihre
Mutter ist vor einigen Monaten ge
storben. Misz Margton war das ein
zige Kind und hat teine Verwandten
tn England, darum geht sie zu ihrer
Iante, die, wenn ich nicht irre, als
Wittwe in Durlinghorft lebt.«
»Wenn sie sich nicht verheirrthet
oder wenigstens verlobt, ehe wir
Sydnen erreichen«, bemerkte der
Kaufmann.
«Daran ist wohl taum u denken«.
entgegnete Dr. Collins, »i habe mich
allerdings schon oft ewunbert, daß
die Inngen Herren ist nicht mehr
Au mertfamteit erwei en, da sie doch
ent· teden die hübscheste Dame auf
« dem ganzen Schiff ist.«
«ch glaube, die ungen Leute vers «
missen eine Eigenschaft an ihr. wo:
durch sie iiir mich allerdings nur an
ziebender wird, nämlich, dass ihr jede
Kotetterie stemd ist« Er sah sich
vorsichtig um, ob Niemand in hör
weite war, und als er sich dessen ver
gewissert hatte, fuhr er sort: »Mit;
Marzien ist das reizendste Mädchen,
das ich je esehen habe. siir wie alt
halten Sie ie?«
Der Arzt sah ihn überrascht an und
lachte ein wenig.
»Man könnte deuten, daß Sie sel
ber Absichten haben, Mr. Brynier.«
Der Fiauiinann zuctte nachlässsq die
Achseln und widmete sich wieder ganz
dem Spiele.
»Nun, nun, ich wiirde mich durch
aus nicht dariiber wundern'«, subr der
Arzt fort, »zusiillig bin ich durch den
Kapitiin Sturgesz iiber ibr Alter un
terrichtet, aber es muß unter uns blei
ben, denn es ist un alant, das Alter
einer Dame in die lt zu posaunen,
Misz Marzien ist zweiundzwanzig
Jahre.«
,,Richt wahr?« ries Mr. Brnmer
überrascht und so interessirt, date ei
ein gut Theil einer wabren Gefühle
dadurch verriet .
«8aben Sie sie siir älter gebaltenisp
« s ist ungalant, über das Alter
einer Dame zu verbandeln'«, gab der
Kaufmann anziiglich zurück. »Aber
um die Wahrheit zu agen, ich bade
sie mindestens fiir echzundzwanzigl
gehalten, sie hat in ihrem Wesen et
was so —«
" «Gewonnen!« unterbrach ibn Dr.
Gallins triumpbirend, »und nun wills
ich erst schnell zu meinem Patientean
Er durchschritt den Salon undI
öffnete leise die Tbiir zur Kabine des!
Kranken. Lange betrachtete er das
bleiche, m ere Gesicht des Schlafen
« den, ehe er ssen Handaelent erariss,
um den Puls zu untersuchen. Der jun
ge Mann erwachte dur die Berüh
« runasund starrte den rzt mit ro
ßen, glanzlalen Augen an. Dr. ol
77777IfffvfffffffffffffffI ·
lins strich ihm leise das Haar aus
der Stirn.
»Nun, wie geht es Jhnen jetzt?«
fragte er sreundlich v
er Kranke blieb die Antwort lan
åe schuldig, dann fragte er mit matter
cstimme:
.Bin ich kranl gewesen? Wo bin
ich denn überhaupt-R «
Können Sie sich denn aus nichts
besinnen?«
Der arme Kerl sah nachdenklich zur
Decke empor, dann schüttelte er lang
sam den Kopf.
»Es wird bald besser werden«. trö
stete der Ar t, »Sie haben eine böse
Zeit hinter ch, eine sehr böse Zeit.
Aber die ist nun voriiber, und es wird
Jhnen bald besser gehen."
»Das Zimmer scheint hin und her
zu schwanken«, bemertte der Kranke,
während seine weiße Hand unruhig
»uber die Decke fuhr.
»Allerdinas. Sie sind aber in kei
nem sZimmer, sondern in einer Kaiiite
an ZordBeines SchiiseSSckgh ss
» n ord eines i es, eines
Schiffes?"
Die Worte schienen eine verwandte
Seite seines Gedächtnisses zu berüh
ren, denn er wiederholte sie mehrere
Male und sah den Arzt ängstlich und
fragend an.
»Wer hat mich denn hierher ge
bracht?'«
,, ören Sie mal zu«, sagte Dr.
Collins, die Hand des Kranken er
greifend, »vor drei Nächten trafen
wir aus unserer Fahrt ein Boot mit
dem Namen »Ladn Godiva, London«.
in dem Sie mit einem Matrosen und
einem Hunde waren; Sie wurden be-i
wußtlos an Bord gebracht und bei-i
ben in demselben Zustande bis heute
Nachmittag hier ge egen. Können
Sie lieh nicht entsinnen, wie Sie in
das Boot gekommen sind?«
Er murmelte «Rein."
Der Arzt hielt es siir gerathen. ihn
vorläufig noch nicht anzustrengen
»le ist vielleicht fest schon zu viel
verlangt«. sagte er beruhi end, »Ihr
Gedächtnis- wird wiedertesrem wenn
Sie erst ein wenig essen. Sind Sie
hungrig?«
,- UT
»Das ist aut, auch durstig?·
«Durstig?«
Er fing plöhli an zu phantasi
ren nnd fragte im z lüstettone. wieviel
Uhr es sei, wann das Mitta· essen fet
tiq sei nim. Der Arzt verlie ihn mit
den Worten, daß er schicken wiirdr.
trag ihm eint sei, und ging, den Stem
urd aufznsnchen·
Jm Solon traf er den Kapitiin
Stutgeß, der mit dem Sextanten in
der Hand ans feiner Kabine kam, um
auf Deck Messungen vorzunehmen,
und sich theilnehinend nach dem Kran
ten ertundintr.
»Er ist endlich zum Bewußtsein ge
tommen.«
»Dann werden wir ia erfahren,
wer er ist, und uuch näheres über den
Schiffbruch hören-«
.Dessen bin ich noch nicht gen-MS
bemerkte der Arzt mit ernstem Ge
sicht. »Ich kann es noch nicht mit Be
stimmt tt sagen, denn er hat seine
lange hnmacht noch nicht überwun
den, und wenn ich mich nicht sehr irre,
bat der arme Bursche sein Gedächtniß
gänzlich verloren.«
Entsetzung folgt.)
Frauenbewegung in Japan.
Prinzip-tell macht das japanische
bürgerliche Gesetz teinen Unterschied
zwischen Männern und Frauen. Eine
völlige Gleichheit der Rechte beider ist
darin anerkannt, nur daß die Frauen,
so weit sie mit Männern in der Ehe
gemeinschaft leben, siir gewisse Hand
lungen die Genehmigung des Ehegat
ten einholen müssen ,was zur Bewoh
rung der Einheit und des Friedens in
der Familie auch nöthig ist. Bei der
Ehe ist die Monogamie, nicht die Po
lygamie von den bürgerlichen Gesetzen
in Japan anertannt. Früher war es
dem Manne erlaubt, neben der Frau
noch eine oder mehrere Nebensrauen
zu haben. Jetzt werden solche Neben
srauen vom Gesetze nicht mehr aner
tannt und die Polhgamie wird straf
rechtlich versolat. Eine besondere Ei
genthümliehteit im bürgerlichen japani:
schen Recht ist es aber, daß der Ehe
bruch der verheiratheten Frau immer
itrasbar ist, während der verheirathete
Mann, der sich einen Ehebruch zu
schulden kommen läßt, nur dann be
straft wird, wenn er ihn mit verheira
theten Frauen begangen hat. Männer
und Frauen werden n dieser hinsicht
also verschieden behandelt. Gewisse
fortgeschrittene Kreise von Frauen
haben noch niemals bei jeder parla
mentarischen Session versäumt, eine
Petition aus Abänderung dieses Ge
se es einzudringen. ohne aber bisher
be einem der beiden Abgeordneten
häuser Berücksichtigung zu sinden.
Im Mittelpunkt der Frauenbewe
gungin Japan stehtderPatrioti
sche Frauenverein. Rennen
die Frauen auch nicht die eigentliche
spziqte auv vie Wahlrecht-skqu so ist I
ihn-u doch die dem japanischen Von-(
eigene Hingebung und Liebe sum Va
terlande und die unverbrtichliche Treue
gegen die Verrscherfamtlie nicht minder «
sei en. Das sind nämlich nicht die al- ;
ile nigen Tugenden der Männer-, sie "
durchdringen vielmehr alle Schichten
svvvvvffvvvv vvvvvvvvvvvvvvv
des Volkes ohne Unterschied des Ge
schleck-les, und die Frauen kommen
hierbei mindestens neben, wenn nicht
gar vor den Männern zu stehen. Und
diese Frauentugenden schusen den Pa
triotischen Frauenverein.
Seine Entstehung verdankt der
Verein einer alten Irauensperson na
mens woko Okuniura aus der Pra
vinz Hizen in Südjavan. Sie hatte
einen Samurai geheiratet. Als dieser
gestorben wor, entschlosz sie sich, ihr
Leben ganz dem Vaterlande zu wid
men und siir das Wohl der Mitbiirger
sich zu opsem Einmal ging sie nach
Korea, um dort siir die Errichtung
von Lehranstalten siir Gewerbe und
Industrie zu wirken, und hierbei
scheute sie sich nicht. die unwirtbarsten
Landstriche zu durchreisen. Ein an
deres Mal ging sie in die Mandschurei,
um dort die sozialen Verhältnisse aus
eigener Anschauung kennen zu lernen,
aber in ihr eigentliches Element kam
sie erst 1900, als in Nordchina der
Boxerausstand ausbrach. Jn dieser
Zeit, als die Boxer die Missionare er
mordeten. als die srerndenseindliihe
Bewegung völlig überhand zu nehmen
sschiem als die Gesandtschasten über
ssallen wurden und sich die Kriegs
schiffe der vereinigten Mächte zuin
Angriss aus Taku sammelten und ihr
Heer nach Tientsin vardrang, beschloß
Frau Okumura, die schon im japa
nischschinesischen Feldzuge die Schrei-·
ken des Krieges kenne gelernt hatte,
aus irgendeine Weise den japanischen
Kriegern Erleichterung und Hilse zu
bringen. Zuerst wandte sie sich mit
diesem Gedanken an den Viconrte
Ogosawara. der früher Daimno in
hizen war, und durch seine Bestre
bungen unterstützt gelang es ihr auch
endlich, daß die hauptebertirche dek
jadanischen Buddhathums, nämlich die
higashi Hongwanji einige Priester
nach dem Kreigsschauplatz schickte, um
den Kriegern die Triistungen der Re
ligion zu bringen. An dieler Expe
Lition nahm die alte Frau selbst theil
und lernte auch dieser-mal wieder aus
eigener Erfahrung tennen, welch gro
ßen Strapazen und Entbehrungen die
armen Soldaten ausgele t waren.
Sie sah Berge oon Leiche sich häu
fen, sie sah Soldaten wegen Mangel
der Zufuhr rohe Hirse lauen, fah, wie
sie trotzdem, ohne zu llagen, ihren
Marsch fortsetzten. salz, wie ein Sol
dat, dem der Arm durch eine Kugel
zers mettert war. mit dem andern die
Wafe trug und in Rein und Glied
stand. Sie erkannte. wie wichtig und
nöthig es ist« in Kriegszeiten die Käm
rfer zu unterstützen und wie es- etsenlo
nothwendig ist. den Hinterbliebenen in
der HeirnathTheilnahme zu bezeigen u.
Brot zu spenden. Dazu war es aber
erforderlich, daf-, sich die einzelnen
Personen zu einem Verein zusammen
fchlossen. Deshalb reiste sie im Lande
umher und wies in zahllosen Reden
auf die dringende Nothwendigleit der
Mitwirkung der Frauen bei der heili
gn Sache des Vaterlandes hin, die sie
zum Beitritt in den Verein aussors
derte· Am S. Februar 1901 wurde et
endlich unter dem Namen Patriotis
loher Frauenverein ins Leben gerufen.
und zwar unter der Präsidentschatt
Ler Prinzesiin Kaniw Jhm trat eine
Fkllzuch L’:..c’l’.cl kslfiicll Ullf Uciil
Beamten- nnd Viirgrktreise bei. Te
bedeutende Erweiterung uno lHitar
tunq erfuhr er, alk- 1905 der russischs
japanische Hirn-g onst-roch tin-«- der
Pairiotiste Linn der japanisaxen Na
tion von neuem in roch nie dagewese
nen! Muße erwachte. Bis lsiski zählte
der Verein nur 45,000 Mitglieder,
1905 stieg die Zahl aus 260,000,
1906 aus 460,000, und Ende 1909
sogar aus M,000. Wenn man be
hauptet, daß alle japanischen Frauen,
von den höchsten bis zu den geringsten
Mitglieder des Vereins sind, so ist
damit nicht zu viel gesagt. Gegen
wärtig hat der Verein in jeder Prä
seltur des Landes ein Zweiginstitut.
Dagegen sind in Korea, Schmighai.
Amon, Tienisin, Vancouver San
Fremder Siator Teputierie in Ver
tretung des :,entralbureauä:s tätig. Jm
Frieden beschiistigt sich der Verein mit
llnterstityung der nothleidenden Hin
ierbliebenen, der verarmten Invaliden,
Erziehung der Kinder von Hinterblie
benen und von Invaliden, Zuweisung
von Arbeit, was besonders die Ausga
be der Präsetiurzweiginsiitute ist, die
je nach den Verhältnissen des Ortes
eingerichtet sind, so z. B. liiszi man in
Tolio Tabi. Fußbelleidungen aus
Tuch ansertigen, in Otata Schneider
arbeit, in Tomiyama Strickerei, in
AtitaKorbslechterei. je nachdem sich sol
che Geschäfte siie die Gegend eignen.
Wenn derVerein zur Zeit auch nur iiber
ein Kapital von 700,000 Yen versiig i,
so ift er doch in bester ortenttvicklung
begriffen er verliert eine eigentliche
Ausgabe nie aus den Augen und isi
vorläufigJ die einzige große Frauenbes
wegung n J.apan
Eine Anzahl Psandleiher in New
York sind mittelst unechter Trauringe
betrogen worden, aus die sie Geld lie
hen. Das ist natürlich bedauert
aber sie sind nicht die einzigen, die m
Eheringen angeführt worden sind. ,