Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 04, 1910, Zweiter Theil, Image 9

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    Uebraika
Staats-Anzeiger und Esset-old
Jahrgang 31. Grund Island. Nebr. 4. November l910. Zweiter (Tlicjl.) Nummer II.
Das Glück.
Von Paul Wilhelm.
Du gingst, dir das Glück zu erjagen
Hinaus in die weite Welt - -«
Nun telnft mit den fintenden Tagen
Du wieder zum heimischen Belt!...·
Du eilteft durch Städte und Felder
Und zogft über Berge und Thal,
Du teänmteft im Frieden der Wälder,
Im brechenden Abendstrahl
Du grüßeft nach Kummer nnd Sorgen
Den zitternden Feiihlichtfcheirn
Als träte das Glück mit dem Morgen
Zu die in die Stube hinein!
Du fchsiuteft in alle Kakoffen
Ob lie nislit entführten dein Gliick
Und fnlqtclt den fchäumenden Rot en
Noch keuchend am Wege ein Stint
Du floheft in Weiten und Fernen
Und zogft iibek Lande und Meer
Tocks fttebteft du bis zu den Sternen
Tit fändest es nimmertneht....
Denn als du nach fernen Landen
Jluszonlt mit Welle und Wink
Also lächelnd nm Ufer gestanden
Ein diauännig Betteltind...!
Eines Lebens Arbeit.
Erzählung von Reinhold Ort
mann
Mit einem tiefen Athemzug der Er
leichtetung legt Professor Martus
Friedlåinder die Feder iius des Hand.
Bis zu diesem Augenblick hat er vie
Jertjlre seines Geistes uuse Ltletiszerste
anspannen müssen und es ist ihm fast,
cls habe er sich allzuviel zugemuthei.
staunt noch hat die Rechte, die die
Schwäche des Alters leicht zittern
macht, den Namen unter die letzten
Besten der Arbeit setzen können. und
ietzt. da seine Gedanken sich mählich
von dein Gegenstande lösen, der sie
durch Stunden so ganz gefesselt hielt.
wird er erst inne, wie miide er ge
worden ist.
Sie hat ihn ost überfallen in der
letzten Zeit, diese lähmende, schaffen-I
seindliche Mattigkeit Heute aber eing
stigt sie ihn nich: mehr, wie sie ihn
sonst wohl geänkgstigt haben mag.
Seines Lebens Zweck ist ja erfüllt.
das Ziel. dac- er isd einst gesteckt er
hat es erreicht. Sie ist seines Leben-«
Jnhalt gewesen, die Arbeit, die nun
vollendet vor ihm 'iegt, der Inhalt ei
nes langen Lebens dem es an Mühe
und Sorge, an lKummer und Leid so
wenig gesehlt hat wie an kleinen und
en großen Sorgen. Nur dasz ihm das
Schicksal den Becher desi- Leide-. viel
leicht ein wenig öfter gereicht hat als
den Kelch der Freude.
Um Jahrzehnte tragt ihn die Ur
innernna »iuriict. Bis in ienen Ta
aen, da er sein Glück audi in Binde
rein qesnau hat als in der Arbeit nn.i
im Wahnsinn lind er Drnlt der
sihtveriten Stunde seine-J Lebens-.
Die Liede des junan Arztes-. dessen
schmärtnetische illielttenntnisz sieh kiihn
iiber alte Vor-urtheile, üder alle Ueber
liesetung hintveaselite, hatte sich einein
Mädhen Zuaeuiendet, das nach llianz
rsnd Geburt weit über ihm stand. E-.
war ihm gelunaen ihre Runeiquna zu
erwerben, und ihrer Familie zum
Trotz hatte sie sich dein unlJriannten
und unbemittelten Arzte anqeldbi. Der
ersten Entrüstunq ihrer Vlnaehöriaen
liielt sie muthiq Stand; den ständigen
Quälereien aber, denen man sie aus
setzte, ivar sie nicht gewachsen. Man
führte sie in das Pfandleihgesitiiift,
das die Eltern des Arztes inne hat
ten: man hielt ihr vor, dasr sie alles
Familie, Freundschaft und Gesell
schaft aufgeben müßte, wollte sie ihm
in die Ehe solqen. Geflissentlicli trug
inan zusammen, was tadelnstverth sein
mochte an ihm und nm märe de
Mensch der aanz srei von Fehlern ist!
fügte es zu einein niedriaes1 nnd ab
stoszenden Charaiterbilde zusammen
nnd mahte sie an dem aelikbten
Manne selbst irre. Eine Handlung
ron ihm, die sie mißt-erstand nnd iu
seinen Unannsien deutete, lief-, ihn ihr
vollends sür bahsiirhtiq und unedel
gelten. und ohne ihm die Beweaariinde
zu verbergen, löste sie die Verlobung
aui.s
Damals hatte er gemeint, ihren
Verlust nicht ertragen, nicht ohne sie
weiterleben zu können. Nur die rüh
rende Liebe seiner Eltern, nur die
Angst« die beiden Alten durch eine
Verzweislnnasthat unglücklich zu ina
chen, hatte ihn von einem verhäng
nisvollen Schritt zurückgehalten Als
aber der erste vernichtende Schmerz
tich qeleqt, hatte er sich mit glühen
deen Eiter in die Arbeit gestürzt und
seiner eisernen Energie war es nehm
ueu, in ihr Vergessenheit und Befrie
Tsicuug zu studen. Nicht daß er ganz
aufgehört hätte, die Verlorene zu lie
l·.en ceine Liebe aber fpornte ihn
an ihr zu zeigen, wie Unrecht sie ihm
gethan -- und seine heleidigten Ge
fühle ließen das Edle nnd Gute, das
in ihm war, wachsen und erstatten.
Etwas Großes wollte er vollbringen,
ver Menschheit wahrhaft dienen
nnd keine unbestimmte, nebelhafte
Idee war es, der er sich damit hinqab,
sondern ein festes Ziel stand schon
vor seinen Blicken. Er arbeitete an
der Zusammensetzung eines Mittels,
das wirksamer und ungesährlicher
als alle bisher vorhandenen den ge
fiirchtetsten Feind der Menschen, den
Schmerz, aufheben - eines Mittels-,
das Millionen armer Kranker als
eine himmlische Segnnng zutheil wer
! den sollte.
« Nicht über Nacht freilich hatte ek
sein großes Vorhaben bewältigen tön
nen. Ein Menschenleben hatte er da
mit ausfüllen miissen, und mehr als
einmal war er an dem Gelinan schier
itserzweifelt Aus dein Assistenzarzl
war im Laufe der Jahre der leitende
Llrit des Kranlenhauses geworden, die
schwarzen Haare hatten sich länqst ae
bleicht, da er es endlich vollbracht
hatte
Nnn aber liegt es hinter ihm die
enabeschriebenen Bogen ans der-Schreib:
tischvlatte enthalten die Abhandlung
nbcr fein neues Mittel, die -er einem
Aerztessionareß zugeben lassen will.
Der Rnf seines Namens wird weithin
erklingen als ein Wohlthöter der
Menschheit wird er aenannt werden - «
fund anch sie wird ihn hören!
i Die Schliiae einer Uhr inahnen ihn
san seine Pflicht. vaiel schon seiner
Isieit hat er dem Werke geopfert, wenn
er sich anf seine Assistenten verlassen
; lann. lFr macht einen Nnndgana durch
»die Säle, nnd wie er erwartet hat.
findet er aueg in heitern Hutte-no. tut-J
ihn fein Weg ein der Thiir des Labo
ratoriums vorüber führt« hört er drin
nen das leite Klinan von Gläsern
ils-r tritt iiber die Schwelle, und einen
feiner Afiittenziirzte findet er Tiber
Behälter nnd Apparate gebeugt.
Doktor Ludwixr Herrnann ift wohl
der tiirgfte und auch der gewissen
lnftefte unter seinen Gehilfen. Mar
itan Friedldnder iit ilun von Herzen
innethanI und er fühlt ein tiefes
Mitleid mit ihm, da er den ner spann
lien hoffnunaglofen Ausdruck auf sei
uem Gesicht tvnbrnimmt So bot auch
er oft dreinaeseben, wenn er dem er
Eiehnten Ziele nahe, doch nicht bis zu
ihm dordrinaen konnte
»Dorf inon wissen, was Sie da
machen..51err Kollene?'« fraat er
freundlich. Der iunae Arlt aber wirft
mit einer unmutbigen Bewertung den
Löffel bei Seite, den er in der Hund
gehalten bat.
t »Es inar ein untinniaes köeaiiincn
Herr Professor-! - Zu Ihnen aber
s taiin ich fii davon sprechen nun, dir
f ist« doch die ilniiiöalichleit meines Vor
s haben-«- eiiiacsehen habe! Seit ein paar
Jahren auiile ich niich damit, ein
; neue-« Mittel in schaffen. das Chlorai
; for-in und Aether bei der Operatinii er«
lsetzen foll. SFI soll bestimmte Körper-—
»tl)eile, in die eg einaefvrth wird, ae
’aen den Schiiieri unempfindlich ma
chen. Und ich habe nun aliictlich er
reicht, daf-, ich wieder dastehe, von wo
ich aiieaeaanaen hin«
Der ruhig aiitiae Ausdruck bleibt
unverändert auf den Zügen des grei
fen Arztes.
»Ein neues Mittel! --- Ein kühnes
Vorhaben, mein Freund. Sie haben
sich da Jhr Ziel recht hoch gesteckt.
»Freilich, ich hätte mir mit der
nleichen Aussicht auf lkrfolii vorneh
iiieii können, den Mond herunter zu
holen! Und ich habe das Wahn
witzieie meiner Absicht ja auch fchon
eingesehen noch ehe ich an die Aug
fiihrung ging.«
Martug Friedliinder fordert ihn
nicht auf, ihm das zu erklären. Er
blickt eine gute Weile sinnend vor sich
nieder und dann faat er langsam:
»Wie ift iiiir doch fnraits inmi
niir nicht davon, daß Sie sich zu ver
heirathen aediichten, Kolleae?«
Das Antlitz des jungen Arztes dectt
eine fliegende Röthr.
»Man hat Sie recht unterrichtet
Herr Professor!« iaqte er, mühsam
nach Faffiiua ringend. Aber ich
muß diese Absicht nun wohl wieder
aufgeben-«
»Ich will mich nicht in Ihr Ver-·
trauen dranaen Aber wenn Jhneii
eiiie offeue Aussprache Erleichteruna
schaffen tonn »s«
Da bricht es wie ein Strom lei
denfchafttichen Schiner-ers aus der
Brust des iunaen Mannes:
»Was verfchlöat es mir auch, olts
ein jeder meifi oder nicht weiß. ioie
es um mich bestellt iftl - Man wird
fich fa ohnedies genug über den armen
Teufel luttiei machen, der feine Wlins
fche bis znr Tochter eines leibhaftigen
Grafen zu erheben gewagt hat. —
Das Mädchen, bei-Z- ich liebe, liebt mich
wieder. Aber sie steht zu sehr unter
dein Einfluß ihrer Eltern. Und mit
dürren Worten hat es mir der hochge
borene Vater in’s Gesicht gesagt: wenn
er seine Tszschter schon einem Bürger
lichen gäbe einem, der nichts ist und
der nichts aeleisset hat, ließe er sie
nimmer! llnd das Mädel wagt es
nicht. ihm Trotz zu bieten. — Der
Versuch, dies Heilmittel zu finden, war
meine letzte Hoffnung. Nun iuerd’ ich
mir wohl einen anderen Ausiveq suchen
müsse-fu«
Man siebt’s ihm unschmer an, wo
rin dieser Aug-wen bestehen soll. Mar
tug Friedliinder aber sagt lein Wort,
ihn in seinem Vorhaben ivcinlend zu
machen. lkr geht nur lanasam an den
Tisch, daraus die Glaser und Büchsen
imit den Pulvern stehen, und während
fei- ininutenlana still zwischen ihnen ist,
priift er ncit Nase und Zunge diese
’9·ltis"chung, die sein junger Kollege be
Lreitet hat.
i Es ist etwas Feier-liebes in der Ari.
xivie er sich dann erhebt - etwa-Z, das
stkhrsurcht gebietet. Dem Manne, der
sihin erstaunt und befremdet zuaesehen
hat« legt er beide Hände auf die
Schultern.
» »Ich aratislire Ihnen, Herr stol
jlcae!« sagt er ernst und langsam.
’,.Mit der Bleibt des Grundstosses
sind Sie durchaus auf dem rechten
iWear. Jch habe mich früher ein
final selbst mit derartigen Versu
chen beschastiat Und wag mir da
’::ials verschlossen geblieben ist ietzt,
da ich Jhre Mischung gesehen, glaube
ich, es gesunden zu haben. Meiner
YJleinung nach fehlen nur einige Klei
nigteiten, um Jhre Erfindung wirt
sain zu machen. Darf ich sie Ihnen
siir einen Versuch notiren?«
Ver Andere ne io taniingsios, day
et lein Wort über die Lippen bringt.
Marias Friedländer aelit aber von
Neuem zum Tisch, um einige Zahlen
und chemische Buchstabenzeichen auf
das Papier zu werfen.
»«-’5assen Sie Hoffnung, lieber
Freund s es muß Jlmen gelingen-IT
-— Wollen Sie mir verspreche-L no
einen letzten Versuch zu machen und
sich an mich um Rath zu wenden,
wenn er nicht soaleich nach Ihrer Er
wartuna ausfallen sollte?«
»Ich Verspreche es Jhneni«
Kaum ist der junae Mann im
Stande aemefen, die Worte hervor
zubringen. lind noch elie er eine
itleußeeuna bei-, Dankes hat thun töu
»nen, l) t der Professor das um«-er
reklassen
;,n dem gleichen Gernastu darin er
sie vor wenig Viertelstundcn vol
lendet, liest der Arzt die Dentsdsrift
isber sein neues fchmerzstillendesj Mit
tel noch einmal vom ersten bis zum
letzten Wort. Und dann aelit er Ums
Ofen, um iie Blatt für Blatt Zu ver
brennen. Mit leichtem Herzen ver
zichtct et a-tf Ruhm und Elimi, rsic
iluu seines- Lebens Arbeit aehncnt
hätte. Jetzt. wo Der Abend seines
Lebencs zu hämmern beainut, thut er
ek- freudia und gern. Wac- laun ian
tsag Leben noch bieten.'! Seinem jun
Den Fiotleaen aber macht er disk Balns
feei zu dein ionniaen Gluti. das iluu
selbst das ..-chickfal mit rauher Hand
keutrissen und versagt hatte«
Af-—
Belgisclse Spitzenarbeit
.
Tic Briisfeler Spitze bat schon durch
ihren Namen eine sast tnaanetisirenvss
Wirkung aus einen arosren Theil
der Damentnelt Und doch hats-Irr
viele von« denen, die sieb mit eas.
ten Spitzen schmücken können, nur
eine undentlirtse Vorstellung von der
Beschaffenheit der soaenannten Brust-.
ler Spitze, die sie ans Treu und Man
ben von einem ebenfalls in antezn
Glauben handelnden Kaufmann er
standen haben, nnd der echten Briisieler
Spitze. Auch aar mancer der in
Brüste-l selbst einaelaust bat, bält statt
der seinen Handarbeit eine durcti die
Maschine heraestellte Spitze in Händen
ganz abgesehen davon, dass es weder
ver Art noch dein Ursprung nach Brin«
seter Spitze ist. Wenn man in Brut
sel nicht zufällia oder due-it tfmpfelt
luna in eineg der wenigen soliden Ge
schäfte kommt, deren Jnhaberinnen ae
schästrslnndig sinb nnd die Fremden
ehrlich austliiren n-olten, sann man
tnerthlose Clsiaare tbeuer bezahlen. Be
tvuszt nnd unbewußt wird man betro
nen.
Allerdinng betrnnmt man einen Blick
siir die Mannigfallialeiten nnd Eigen
art der belaischen Spitzen, wenn man
vie verschiedenen Spitzenqebilde, die im
Lande verfertigt werden, nebeneinan:
der siebt. Jn das Geheimnis ihrer
Entstehung dringt man aber erst in den
kleinern, stillen Städten ein, sobald
man sich die Miihe nimmt, den abscitJ
stihxenden Wegen zu folgen, welche die
Arbeit gewöhnlich geht. Dann kommt
man in die bescheidenen, hiiusig arm-·
lichen und elenden Stadtviertel Denn
leider zeigen Lage und Schicksal der
Spitzenarheiterinnen keineswegs die
reiche und wechselnde Mannigfaltigkeit
ihrer kunstvollen Gebilde anf. Wir
schauen im Gegentheil ost in ein trost
losesEinerlei, aus dem selbst Nothund
Sorge nicht verbannt sind. Wer in
Briigge die langen ärmlichen Straßen
der Arbeiterviertel entlang wandert,
die in ihren Namen noch an die Gewer
ke der vor sechs Jahrhunderten blühen
den Tucherei erinnern lWalker-, Fa
den-, TätberstraßeL der kann in den
warmen Jahreszeiten ganze Reihen
Von Frauen jeden Alters, von der
Ureisin bis zum schulpflichtigen Lin
de, am lsilöppellissen sitzen sehen, um
aus schmale Einkommen des Familien
raters vernichten zu helfen.
Jn Belgien ist ein sehr wichtiger
Zweig der Heimarbeit die Spitzenindui
strie, soweit es sich um echte handwe
machte Spitzen handelt. Die Gesammt
zahl der Spitzenarbeiterinnen belaust
sit-h aus RO——-40,000. Jhr Tagesoeri
dienst ist im einzelnen sehr verschieden,
im ganzen aber doch sehr gering. Jn
oierzehnstiindigerArbeitszeit erzielt die
Arbeiter-in selten einen höhern Erwerb
als 75is bis 1t"r. Die Filöpplerin holt
sich bei der Verlegerin s— so kann man
die Jnhaberinnen der kleinen Spitzen
liideik die sieh in oder nahe bei denArs
lseitervierteln finden, wohl nennen —
cder bei den Faktoren großer Spitzen
l,iinser ihre Austrage nnd liefert ihnen
die fertige Arbeit ab Tiefe kleinen
Laden sind äußerlich unansehnliche Ge
schäfte Aber wenn man in den beschei
denenNaum kommt -- es findet Klein
vertanf ftntt —, merkt man bald, daß
ein Kapital in kostbaren Spitzen aufge
häuft ift. Wie weit es del-J Kapital
der Ladeninhaberinift, ob hinter ihr
eine fremde Ziapitaltraft steht und fie
nur die Mittelsperson ift, läßt sich in
den einzelnen Fällen für den flüchtigen
Befucher, oft aueh fiir den ortgtundis
aen Kenner schwer feststellen. Es
kommt wohl beides vor. Jn mehreren
Fällen hatten wir es zweifetlos niit der
lapitallräftigen Befitzern zu thun, die
die Arbeiterinnen in der Hand hat nnd
einen schönen Gewinn in die eigene
Tasche steckt. Man beaeanet Gefiehs
tern, denen ein ftrupellnser Handels
ceift nur zu klar auf der Stirn ge
schrieben ist.
Jn dem Hausflur vor der kleinen
Ladenftutze steht gewöhnlich eine tleine
Bank, anf der die ahliefernden Heinri
nrbeiterinnen zu warten hohem wenn
Fiäufer da find. Eis sind nicht immer
freundliche Blicke, die dem Glückliehen
folan, der ihre toftbnre und fo schlecht
gelohnte Arbeit antnufen kann, dies-.
Arbeit, die nlg der treuefte Lebensbe
aleiter das Kinn Von frühen Jahren an
in dass hohe Alter geleitet nnd doch nur
den diirftiaften Lohn fiir die meisten
abwirft. Und es ertvectt nicht nur in
der geplanten und abgearheiteten
Filiipplerin, fontern anth in dem den
lendetl lmD slltnezldeli :-«,uicluiuel" ein
zwiespältigeg Geiiilit zu selten, wie die
tsrnsuaer dieser toitliaren Luriissartitel
sieh tiimmerlirh durch das Leben selila
gen iniiisen Tie liiasiein siluniiilnigen
Gestalten in den ärmlichen Kleidern
vor den niindschiesen, Vorn Alter ge
schiuiirsten Haussaum die, fast alle ein
strittig. dnxti immer den tlipisrii vliiiui
setzen Vatistil in der tretspeiisöriiiia ad
gesiusten Front zeigen, taun man nirtit
so leicht wieder verkressen In Gassen.
sieht man sast nie ein Haue-, das- ein
neuere-? oder freundliche-:- Aussehen
hat. Die Häuser slsrertien einen an,al«5
elJ jahrhitridertelang nur graue-:- Elend
iiber sie hinweiaegauaen locire.
thiidlictjeririeife gibt egs auch freund
lichere Viloer,die unsJ die Spitzenarlseis
ldrin bei der Arbeit zeigen, und man
tsertirft sich nur zu gern in sie. Tas
stliippeln und Nähen ist heute der
Hauptbetus der Veghinen, wie es vor
langen Jahrhunderten das Spinnen
war. Jin is. und ist« Jahrhundert,
in der Blüiliezeit der vläinischen Tuch
iudustrie« waret die Beghinentlöster
gegründet morden, um unvermögenden
Jungfrauen ein-e sichere Existenz zu
bieten. Wie kleine Städte innerhalb
der grossen Stadtgemeinden schlossen
sich diese Klöster durch eine Elltauer von
der Aufsenioett ab. Diese Anlage uno
Verfassung haben sich bis heute be
wahrt. Sobald man durch das unvers
schlossene, nur von einer Pförtnerin be
obachtete Thor eintritt, ist man abge
schnitten von dem hasteuden, rauschen
den Leben draußen. Ein ungemein
loohlthucnder Friede umfängt uns-.
Durch das kleine Eingangsgäßchen
schauen tvir aus einen großen Rasen
pl.«.n mit schattigen Bäumen, in dessen
Mitte die Kirche steht. Rings um die
sen Platz und in den aus ihn einmün
dcnden Straßen reiht sich Haus an
Haus-, in den neueren Anlagen stets
hinter Mauern versteckt. Jedes Haus
hat sein Gärtchen und sein Höfchem
Jn dem alten Beghinenhof in
Brügge sind es ganz kleine Häuschen,
in den neueren Anlagen Gents zum
Theil größere Häuser Gewöhnlich
wohnen drei bis vier Schwestern in
einem Haufe zusammen. Aber es find
auch kleinere Wohnung-en da und grö
szere Häuser mit zehn bis zwanzig
Scrtvestern. Jede hat ihren eigenen
Kochtopf, worin sie sich zubereiten kann.
was- sie will, auf dem Ofen im ge
meinsamen Wohnraum stehen. Sie
fiihrt sich also ihren eigenen kleinen
Haushalt trotz des Gemeinschaftsle-·
beng. Nur wenn sie krank und ar
beitsunfähig wird, kommt sie in das
vorhandene Krankenhaus-, um den Se
gen der Gemeinschaft auch in körper
licher Pflege und Fürsorge zu empfin
den. Sie hat ihr Eigenleben, darf Be
such von ihren Verwandten undFrenn
den annehmen, selbst ausgehen und
ihre Beziehungen zur Welt aufrecht
halten.
Wenn man Sonntags zur Kirch
stnnde in den Beghinenhof kommt,
glaubt man sich in längst vergangene
Zeiten zurückversetzt Ueberall öffnen
sich die Türen, und von allen Seiten
strimen die Schwestern Zusammen ein
zeln, paartreise oder i«« Zügen. Runde,
rosige, oft noch sehr junge Gesichter un
ter den weit hernnterhängenden weißen
Kopftüchern, auf denen zum Kirchgang
ein viereckig iusammengeleateg weißes
Tuch befestigt ist Eigenthümlich ist es
auch, dafz zum Kirchgang der dunkel
blaue Oberrock hochgeschijrzt ist, so
das-, ein glatter schwarzer Rock bis zu
halber Höhe sichtbar wird.
An der Spitze eines Begymenhosez
steht alsOberin die sogenannte Grande
Dame. Männer leben nur einige we
ncge Darin, wie der Bruder Pfarrer
und der Bruder Arzt. Die Schwestern
sind alle Arbeitsschwestern, die sich um
eine bestimmte Summe zwar einge
kauft haben, aber sich doch ihren Le
bens-unterhält selbst erwerben, solange
sie arbeitsfähig sind. Sie nähen und
siiclen Augstattungem aber ihreHaupt
arbeif ist doch das Spitzenklöppeln
und snähen. Jn den beiden Beghinen
liijfen Von Gent ernähren sich naher
two Frauen --- 600 im großen und
III-« Schwestern im kleinen Beginnen
iJof auf diese Weise. Alle möglichen
Gebilde entstehen hier, so die Valen
cieuuer Spitze, die Von Mecheln, vor
allein auch die Brüsseler Spitze, die
sllijppelei nnd Näharbeii verbindet
usw. Die Brijgger Spitze wird weni
ger hergestellt, da die Klosterarbeit vor
31tgs1reise feine Arbeit ist.
Tie Schwesternschast als Genossen
schaft taust das Material ein und gibt
cg den einzelnen Schwestern zum
Selbsttostenpreiiz ab. Und die Genos
seusrt-aft Verkausi die fertige Arbeit
zumTheil dirett im Handel, Juni Theil
setzt sie sie auch an Fabrikanten und
Geschäfte ali. Die Schlbesternschaft ist
ctfp Berleaerin der Schwestern. Der
lfrläszs kommt nach Abzug der Kosten
isen einzelnen Schwestern selbst Zu. lch
ist eine ProdnltiongqeineinMast, die
entschieden fiir dieVetheiligten von gro
fkiin Winzer-i ift,soiveit sie den Zwischen
lwndei«-ii15:setmltet und den Gewinn den
Arteiterinnen felliit zugute tonnnen
li·lf;t.
lind ein Blick in die freundlicken
ttlrlieitkrijuine der beiden großcheqlsis
neittxi.ife tijentss zeigt sofort, dan sie
ixiilst von der qrnnen Stimmung einer
von der Illoth diltirtenArlieit beherrscht
find.
this ist selbstverständlich das-; der
Freude her die Kolonie besucht und
liier eintnuft, nicht weniger bezahlt, nls
er in einen-. soliden weltlichen Geschäft
denkt-ten wiirde. Wie von Ungefähr
nesrllt fiel: dein fremden Besucher ein
freundlitvess Schwesterlein zu nnd
frnnt, ol) er ein Hang von innen zu fe
lien iviinsttte Und dann führt sie ihn
in ein Haus«-, in dein der Verkauf statt
findet, und eine etiong Englier spre
ctiende Schwester auch tanländern nnd
Blineritnnern gerecht werden tunli. Da
werten alle möglichen schönen und kost
lsnreir Spitzen nezeiqt, und wenn mnn
niif diese nicht renniert, werden kleine
Andenken an die Benhinenhöfe vorge
le-·-J. Dir-:- ift zu verlockend, und innn
miser-strebt nur selten, zuan die ein
fucrcn und verhältnismäßig groben
Briigqer Spitzen die Muster viel schö
ner nnd klarer zum Ausdruck bringen
nlgs die feinen, alter sehr komplizierten
Briiffeler Spitzengebilde. So oft man
später das kleine, von Spitzen uni
rsrlnnte Tafchentuch in die Hand
nimmt, denlt innn gern der Hunderte
von Beginnen die in Belqien um die
Kliippellisfen sitzen.
In der Ssomnicrtriichr.
Fremder: »Ich vacht’, man darf hier
nicht baden, und nun sehe ich, wie der
Polizeidiener selbst badet.«
Einheimifchert »O, der badet nicht,
der schaut nur, ob einer nicht unterge
taucht ist.«
Der größte Bahuhof der Welt.
Eines der gewaltigsienBauwerte der
Jetztzeit ist der neue Leipziger Haupt
bahnhof, der auf dem Areal des jetzi
gen Dresdener, Magdeburger und
Thüringer Bahnhofs errichtet wird
und im Jahre 1918 dem Verkehr über
geben werden soll. Jetzt ist die Bau
leitung mit den Vorarbeiten für die
Eisenbeton errichtet werden. Drei rie
sige briickeniihnliche Bogen, denen sich
noch später weitere drei Riescnbogen
nach Osten angliedern werden, bilden
inggesa«:1mi die Grenze des 900 Fuß
langen Qiterbiihnsteigg, von dein die
Perrons zu den Zügen ausgehen. Vor
den sechs Bogen erhebt sich das Haupt
gebäude des Bahnhos5, dasj- durchSo
fittenbogen nnd Gewölbe mit ihnen in
Verbindung steht. Die nordwärts sich
anschließenden Hallen für die Züge
werden in Eisen Und Glas ausgeführt.
Der neue Zentralbahnhof soll alle Zü
ge in einer gewaltigen Kopfstation ver
einen. Aus 26 Geleisen werden alle
Thüringer-, preußischen und sächsischen
Linien einmiinden, so daß selbst der
Dtirchganggvertehr nachHof usw. rasch
mittels Ein- und Ausfahrt möglich
wird. Je dreizehn Geleisc der sächsi
schen und der preußischen Hälfte wer
den getrennt gehalten, dennoch wird
das rollende Material oon allen Glei
sen nach allen geleitet werden können.
Die titiesenfassade wird 1000 Fuß
Breite hauen. Die Tiefe entlang den
Bahnsteigen soll 110 Fuß betragen.
Der Personenbahnhof nimmt ein
Areal von mehr als 100,000Quadrat
nardg ein. doppelt so viel als der Leip
ziger Augustugplatz. Eine wichtige Ein
richtung wird ein besonderer Postbahn
hof werd-en, wo alle Transit- u. Lokal
pulethbfertigung erfolgte. Auf 82
Gleisen, die mit je 180 Fuß Ladelänge
vor diesem Postbabnhofe münden,
tönnen gleichzeitig 132 Bahnpostwas
gen vollgepaekt und abgefertigt werden.
Von gleicher Groszartigkeit wie die
PersonenVerkehrs-Mitwelt ist der tech
nische Apparat der Abstell-, Rangier
und WerkstiittensBahnhöfr. Die Ko
sten des gewaltigen Verlehrsinstituts
beziffern sitt-, auf 82 Millionen Dol
larg. 4 Milionen trägt die Stadt
Leipzig. mehrere Milionen auch die
Neichgvrst
--—---.
Steuerung eines Mororfchisses auf
drantlofcm Wege.
Aug klijrnberg wird den Münchner
Neuesten Nachrichten« unterm 16. Au
gust geschrieben: Vergangene Woche
wurden aus dem Dutzendteiche bei
Nürnberg boebinteressante Versuche un
gestellt. Es handelte sich um die tech
nische Ausprobnng der Erfindung des
Eltijrnberger Lehrers Christ. Wirth, der
seit einigen Jahren mit dem Problem
beschäftigt war, ein Fahrzeug vom
Ufer aus mittels elektrischer Wellen
iibertragung nach Belieben zu lenken.
Tag Lriginelle der Erfindung scheint
indessen darin zu liegen, das-, die elek
trischen Wellen. die Vom Ufer ausge
sandt werden, an Bord dec« Schiffes-«
eine Anruhl unter sirh ganz verschiede
ner Funktionen auszulöfen imstande
sind. Dies aefchieht mittels finureicher
Arborrite, die dem Boote aufmoutiert
sind und gleich den Traugformatoren
unserer elektrischen Strasienbeleuchs
rrna die antommenden elektrischen
Wellen fiir den augenblicklich ge
wiintrhten Zweck umformen Co ge
währt ein hohe-Z ästhetisdiesk Vergniis
gen, mitanzusehen wie bedingungslos
kais immertsin gewithige Motorboot
»Prini Ludwig«, dag- sonst Tutzende
bon ,,Strandaiifteu« zum Vergnügen
über die taffeebrnuneu Fluthen des-H
See- doliiii«;iitr:1geri Pflegt, dem auf
der tleinenVriicle zum Leiiditthurui fte
hcnden ,,Dirigenten« gehorcht. Die Be
riihrung eines- Ftnopseg oder Taster
aeniigL um das verlassen und regungs
lpsI ohne Kapitän und Mannsehoft im
Wasser liegende Schiff mit riitselhaf
teiu Leben zu erfüllen Ein weithin
hollender Seliufi vom Bord weckt
scheinbar fchlummernde Kräfte, eine
elettrisetie stlingel ertönt und driZJoot
beginnt siilt langsam fortzubewegen.
Ei- zieht Bogen und Kreise, steuert
tin-h recht-Z und links, geht vor- und
riirlioijrt5, weicht entgegentommenden
Feiihuen knis, steht wieder still u. s. w.
Tie Versuche hoben allem Anscheine
nach den günstigsten Verlan genom
men und das Interesse von Fachleuten
sind Laien iu hohem Maske erregt. Die
Tragweite der Erfindung für die
Zwecke modernet Küstenvertheidigung
u. cr. m. ist vielleicht von hoher Bedeu
tung. Dafiir spricht schon der Um
stand, das-, sich die Marinebehörden für
die Erfindung lebhaft interessieren
und mit dem Erfinder bereits in Füh
lung getreten sind.
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Wenn es in der Kunst keine Kenner
gäbe, gäbe es auch weniger Könner.