Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 28, 1910, Zweiter Theil, Image 17

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- - ---—.-.--.-.·
Noveltette von Z o e v. R e u ß.
«So leer iit es hier immer Ende
August. Der here Medizinaleath
sollten es wissen, denn der Herr Me
dizinalrath stimmen doch tets um
diese Zeit. Mag sein, dasz die letzten
Regengüsse« · . ..
.Maa sein!« bestätigte der Medi
zinalrath und gab durch einen Wink
zu verstehen daß die Audienz been
det sei. Schlecht gelaunt, wie er war,
ärgerte ihn das Kellnerqeschwäsi. Daß
er das Zimmer nicht betont-um« das
er seit zehn Jahren bewohnte, nannte
er eine grobe Tattlcsiateit. Der Wirth
hatte sich mit RenovirunasArbeiten
entschuldigt. Natürlich . . . . aber Ge
wohnheit ist ein Tyrann, und daß es
seit seiner Ankunft still und feierlich
regnete, so das; der Strand einem nas
sen Oandtnch glich, verbesserte seine
Laune nicht.
Um seinen Unmutb aus eine Weise
los zu werden, begann er mit Selbst:
versislage: »Du liebst doch die Ein
samleit, alter Freund, Du liebst doch
dag Unwetter! Wenn Alle Reißaus
nehmen, wandelst Du im Lodemape
als sliegendcr Hollander durch die
Dünen Dein Spleen! Warum gehst
Du jedes Jahr in dieses Nest? War
::in nicht im fröhlichen. heißen Som
mer, sondern zu einer Zeit, da schon
wette Blätter wirbeln? Das ist doch
Dein erprobtes System, mein Lie
ber. Und Jeder muss nach seinem
System glücklich werden«
Nachdem er aus diese Weise sei
nem Aeraer Lust gemacht, ziindete er
sich eine gute csigarre an und stu
dirte die Frühstüetslarte Jn der
Nachsaison wird man materiell.
Ein Zeitung-blau sloq an ibm
vorüber. gerade auf die See hinaus-.
Da iani ein zweites Blatt anqu
weht, das entschieden auch iiber’r
Meer wollte. Aber es tlemmte sich
argendwo sest nnd blieb zu Füßen des
Herrn Metsizinalraths lieaen. Der
sah es verächtlich nn, bis ihm der Ge
danke inm« Woher stammen denn die
tosen Blätter?
Eine tleine Wendung nach listig,
nnd er gewahrte staunend, daik der
letzte Plan der Veranda besetzt war.
Eine Dame, die ihm den Rücken
wandte.
»Ur ruciie mechanisch um deni ein
zigen Gast aus der nebelareuen Jnsel
nicht den Riicken in drehen. Immer
hin tvar die Situation nicht mehr so
unbebaglich. War es das schwere,
blonde Chianon, das seine Nerven be
ruhig-sie's Er machte sich sonst nichts
aus blonden (s.hianong; er hatte das
Weib überwunden
Silber es belustigte ihn, daß sie sich
wie zwei seindliche Pole gegeniiber
saßen· Dem Wuchs und der Haar
stirbe nach zieliiirte sie in die Hoch
saisou litt-sag mußte die schone Un
bekannte also aus dem sterbholz ha
ben (7r issiis durch die Zähne und
wünschte sieh iisi Stillen Gliiit, daß
er nie ein Weib nenommen Denn
sie haben alle ihre Geheininisse und
ihre Ilsiiirem lisin tlein wenig neit
gierig, mie alle Männer-, pendelte der
Nordnol zum Sudnol hinüber untl
legte dass eiitsloaene Zeitunggblatt inits
einer gewissen Wichtiakeit aiis den
Tisch. «
Ein Paar umschattete Augen blick
ten ihn an.
»Ich-suche keine Abenteuer. meine
Gnädiae, sondern Menschen!«
»Diogeiie:i·«
»Nicht q-«iiiz. Niediziniilr«"ith Anaresi
ente- Berlin.«
»Prosessor ltlnaresz, der eine Bro
schiire iiber celbstsuaqestion geichrie
ben hat«-« Ihr « liel bellte sich aus
und iil«erslog ihn.
Er hatte die unbequeine lfnmiiiii
duna dsist sie sich den Autor viel
leicht interessanter aedaeht hatte. »Sie
hoben das- Vuih gelesen, meine Gria
diae? Zwar ist es teine Leltiire siir
schöne, junge Damen«
»Ich besand mich damal- in einerl
schweren, moralischen Depression Ihr
Buch hat mich aus eriebtet und geistig
geklärt. Ich begrif , daß der Wille
der Wille allein! alle unsere Schmä
chen lief-rat »Ich will« sind die Pseii
ler, aiii denen unser störper und
Nervensystem ruht. Unser Wille ist
ein allmiiilitiaer Gebieteri«
,,J.b bin überrascht, soviel Ver-i
ständniß bei Jhnen zu finden, gnäss
diae Frau. Wenn aber Jbre Nerven»
derartig devrii:·.irt sind, hatten Sie
nicht in die Einsamkeit geben dürfen
Flirt, Musik, lustige Abende und«
Reunions find die beste Medizin ge
gen Melanchi)!ie.«
»Ich brauche Nube«, iagte sie leise
»Ich halte viel Unangenehmees erlebt
in den letzten Wochen. Mir zvar ei»
gleich, wohin. Nur von Berlin s»ort«s
Meinen streiten entrückt ..... leinen;
Menschen sehen!« . ;
»Der Arzt ist ja ein Neutruni.« z
»Ich bin mit mir selbst im Unseie-H
den. Das isi der schwerste Krieg«, rieii
sie sost leidenschastlich, »und darum
brauche ich Ruhe. Fragen Sie mich
nicht, woher, wohin.« eDie nächsten
Tage werden iiber meine Zukunft ent
scheiden.« Als habe sie an eine ossene
Wunde getippt, so hastig sprang sie
aus« schob schross den Stuhl zuruct und
legte beide Hände an den schmerzenden
Kons. Er gab obne ein Wort den
Weg srei. denn die matten Auan un
ter den nerviis eniporgezo enen Brauen
verriethen dem Arzt, da sie wirklich
litt. Solche Kranken muß inan gewah
Cd lassen- «
Die Folge davon war, daß Nord
nnd Sitdtsol sich nicht mebr berührten.
»sehr fliegen die Depeschen man so
bin und her«, fliisterte der Ober eines
Tage-, ais er dem Professor den Kof
fee servirtr. Dabei blinzelte er bedeu
tiingsvoll »in-n Südpol binikber. »Je
den Tag ein Telegramml Jch lasse
mich bangen, wenn da alles richtig ist!"
Der Professor fragte ohnehin: »Un
ter welchem Namen hat sie sich in's
Fremdenbuch eingetragen?«
»Er-nun Jürsz, tlingt das nicht or
deutlich tomödiantisch? Und solche fei
nen Lederstiefel wie der Gnädigen ihre,
(sagt das Stubenmädeli bat sie über
haupt noch nicht in Händen gehabt.
Gestern mußte sie ein Kleid biigeln, da»
waren an fiånfzig Meter Spitze dran."s
»Hm, bin«, machte der Mediziiialsi
rath. der dergleichen nur vom Hören-?
sagen kannte. Seit seinen Sttidieniah-s
ren und die lagen weit! hatte ers
sich mit Spitzenkleidern iisw. nur aber-— i
its-innen beschäftigt Gleich nach ist-us
Ptpniitnm hatte er eine ernste Liebschaft
gehabt lsin Mädchen. das er wie eines
Göttin verehrte, oas ihn betrogen und
zugleich blamirt hatte ein Durch-i
ziehet, der vom linlen Ohr bis ;um
Fiinn sprang war die einziae Erinne
rung daran.
,,(Tonnn Jiirf3«, dachte er kopfschüt
kind
Wäbrend dessen schwebte der Süd
pol mit langsamen Schritten sum
Wordnol hinüber. »Auf die Geahr
tin, zu stören, .f)err«Medizinalrath,
haben Sie das Buch hier« von deml
wie neulich sprachen? Jch möchte darin
btattern.«
,.Vl"attern Sie doch in dem Autor
meine Gandige«. beeilte er sich zu ent
gegnen. »Meine ungedruckten Rath
ichläge stehen Jhnen zur Verfii ung.
Sie kennen die Macht des Wi eng!
Alior Jch toill mich nicht vom Schick
sal besiegen lassen ich will den Kon
hoch, die Augen offen halten ich
its-ill, daß mein neuertoorbener Freund
mich ein Stündchen in’s Meer hinaus
rudert. Da Sie zweifellos sturinsicheri
und seeiest sind wie alle modernen
Frauen« ein Lächeln glitt iiber
die nerisdfen Zuge.
- Könnte ich Sie dieser Lethargie
entreifiem es wäre für mich ein
größerer lkriolg als die vierte Atti
lage meines Bitcheg.«
»Riidern wir ein Stündchen«,
sagte die sanfte Altftimme, nnd er
nahm die treuhertig gebotene Hand
und führte sie an seine Lippen, od
wohl er sich von vier Kelleraugen
beobachtet fühlte· s
Als sie die Brücke hinter sich hatten
iog er die Ruder ein und ließ das
Boot gleiten. Er treuzte die Armes
nnd wartete. Doch als sie bebarrlichi
schwieg. fragte er vorwurfgvoll: »Hu-i
ben Sie so geringes Vertrauen zu
nur?«
»,,Wäre es- noch arniisant oder
ware es wenigstens neu, was ich Ihnen
erzählen kann« Die Misere einer un
glücklichen lihek Man miiht sich- gräß
lich. die Delioro zu wahren. Wenn die
Liebe bankerott ist, hält man sich an
der Achtung irie der Siniende am
Strohmhn Wenn auch diese sehkvin
iet, ist’5 mit einein Schlage aus«-· Die
Gerichte machten uns keine Schwierig
leiten. Eilig ich aber dass Spiel schon
gewonnen glaubte-, spielte mein Geg
ner den letzten Trumps aug: das
Kindl« «
Sie hist den Athein an, unt sest
zu bleiben
»Er wollte meinen Stolz brechen,
mich als Bettlerin vor seine Ihiu
zwingen. Oh, er ist ein tluger In
rist und kennt alle Paragraphen Doc
ers giebt noch mehr gute Juristen.«
»Wie steht Jhre Sache jetzt?" fragte
der ’«lliedi·»s,inalratl).
«Jit wage .-,u hassen. Nestern er
hielt icli zwei beruhigende Meldun
gen. Altaran früh« ..... das feine
Getiiht bedeckte sich mit einein nervösen
Roth.
»Wie eH auch ausgehen tnöae«, sagte
der Professur innig· »Sie wissen, da«
sie an dieser öden Wassertante einet
Ftennd aeiunden haben. der treu z:
Ihnen ltsilk.«
«- iis si
Er sah noch lange Licht in ihren
Zimmer, während er planlog en
schen den Dünen wandelte . ·. ih-«
packte eine Stimmung die in Its-fig
natinn anstlang Ein Narr ist 1
der sich iiber den Dingen wabnt, wiih
rend das Blut noch treist. Ein Phili
ster, der sich nicht in’s Tresien wagt!
Warum hatte er nicht eine schöne, ele
gante Frau, mit der er znr Hat-hieri
son in ein sashionableg Bad fuhr? «
Der Gedanke wirbelte wie ein
Schmetterling in seinem Kopf her
um« Er flatterte so keck, daß der Pro
setlor lich am nächsten Morgen dabei
ertappte, wie er seinen weißen Leinw
anzng auspaettr. Vor dem Spiegel
unterzog er sich einer scharsen Brii
sung: ballt-, wer wird schon abriisten?
Der hält Dich noch zehn Jahre aus der
höbel
Fröhliche Gedanken» durchsummten
ihn, und als diese Gedanken gerade an
einem sehr netten Punkt angelangt
waren, stand eine hellgelleidete Ge
stalt vor i m. Die Augen leuchteten in
to tiesem lau, aus den Wangen lag
ein so ldttliches Noth, daß er entzückt
und verwirrt die Mütze schwenkte,
ohne ein Wort der Begriiszung zu sin
den.
Um so eisri er sprudelte es von ib
’ken Lippen: » er Wagen steht bereit.
Begleiten Sie mich zur Bahn « Eva
holen! Kommen Sie?«
i »Ich würde einen Becher aus den
Fluthem das Blaue vom Himmel ho
len'·, versicherte er galant.
Und als Reisemarschall sasz er an
der Seite der graziiisen, jungen Frau,
deren matte Parsiims ihn uinsiichelten,
deren blondes Haar vor seinen Augen
slirrte. Er sand, daß er verliebt war
wie ein Jungm aber er sand nichts
Enttoiirdigendeg in diesem Zustand.
»Ja spät zu spöt!« lreischte das
Hinterrad, das der Kutscher nicht geölt
hatte: jedoch die anderen drei Rider
quielten vergnügt: ,,Greif zu greis
zul« Und er griff zu und nahm die
schmale, weiße Hand liebevoll in die
seine.
»Wenn ich in die Stadt zuriicklehre,
will ich einen Beruf ergreifen. Herr
Professor, denn mein Vermöaen ist nur
gering. Sie sprachen von Ihrem Nani
aenLalsoratorium Konnte-n Sie mich
nicht dort anstellen? Oder bin ich zu
alt zum Lernen?«
»Ich miisjte noch einen besseren Be
rus vornizaesetjt« eine lange
Pause entstand. während das Wägeli
then munter dahin jagte und manchmal
so iibermüthig hopste, das; die Jnsas
sen aneinander prallten. Dann hielt
er sie fest, ohne sie gleich los zu lassen.
Der Berliner Zug fuhr gerade ein
Ein Herr im langen Illster hob ein
kleines Madel heraus, das- sich er
staunt umsah und dann mit ausge
breiteten Armen auf Frau Connh
zulies.
Die Herren begrüßten sich formell:
»Rechtsanwalt Helbig« »Medizi
nalrath Angresz.«
»Wie ich sehe, befindet sich meine
Filientin in Jhrem Schutz Herr Pro
fessor. Ich muss Jhre Ritterdienste
auch jetzt in Anspruch nehmen« denn in
zehn Minuten lommt ein Zug, den ich
zur Niiasabrt benutzen lann.«
Er packte das zierliche Ding zur
Mania in den Fond, set-te sich rück
wärts und blies seinen Rauch vor
sichtig zur Seite. Fär etwas Liebes
sorgen danach hatte er sich immer
gesehntl «Zu spät zu spät!" heisch
te das- verdammte vierte Rad, doch die
anderen drei quielten vergniiat: ,.Greis
zu greif zul«
Tief ausatlnnend bog er sich zu
til-It und mark die Cigarrette itn wei
ten Bogen fort.
»Ob .oir uns wohl im nächsten Au
gust hier wiedersehen werden?« klang
es in seine Neslexionen. »Glauben
Sie, Herr Professor?«
»Nein, theuerste Freundin, ganz ge
wis; niclstl« rief er fröhlich in den
Wind hinein. »denn im nächsten
Jahr« - hier bog er sich flüsternd
zu ihr und nahme ihre beiden Hände
»sahre ich mit meiner jungen
Frau und mit meinem Töchterchen
zur Hochsaison in ein Weltbadl«
Ksklchens Ierienlsriei.
Schon seit etwa zwei Wochen weilt
Karlchen bei Tante Frieda in der
Sommerfrische, ließ jedoch seine Mut
ter ohne jegliche achricht. Endlich lam
der heis; ersehnte Brief an, der fol
gendermasken lautete:
Ciiße tbeure Multi!
Hier gebt es mir ausgezeichnet
Tante Frieda ist auch sehr brav. Ins
amiisire mich köstlich mit dem Sohn
des Dorsschullehrerg. Jn eknem gro
ssen Eimer aingen wir auf demSchilf
see rudern, der Eimer tippte um und
«:ch trant viel Wasser und erwachte in
den Armen eines Onkel5, der mich ani
bem Wasser herangsischte Wenn man
den anderen Knaben sindet, wird snan
ibn schön l:egraden, woraus ieb mich
sebr srene. Seine Mutter weint im
:ner. Nestern fiel ich vorn Pferd bin
unter, und Jante Frieda machte mir
die gsmqe Nacht talte llmschliige, mai
ich nicht leiden tann. Die liebe Tante
hat dem Herrn Doktor viel Geldiae
neben, meil in meinem Kopf ein-as
taput war, und der Herr Doktor heilte
eit- wiedek zusammen. Wenn ich nur
meine lslsiine goldene Uhr nicht verlo
ren hatte! Heute steclen wir den Dach
iiuhl des Stalleo in Brand, da viel
Heu drinnen ist« Wenn ich wieder nach
Haufe saht-c, bringe ich dir eine sei-Eine
lebendige Schlange mit, weil ich dich
so iebr lie!-e·
lEsIH tiiszt dich dein dankbarer Sohn
Karlcben
Das ,.Svinmom«.
Unser Zuasiihrer instrnirte vor dein
Aus-morsch zur Garnisoniibung ijbeh
vie Anzeichen u. s. w. bei Hitzschlag: es
inbrte dabei aus, das; man abwrchfelnd
Hitkei nnd Rälteqesiihle habe, des
Blick ltier nnd blöde werde und man
zi« schwanlrn beginne; auch werde e—
dem Betresienden schwarz vor den Au
gen.
,,Woran mertst du nun zum Bei
spiel, wenn dein Nebenmann in di
:Kolonne in Gefahr ist, vom Hitzschla
befallen zu werden« Karcymaezet?«
sinate er daraus das Gnie unseres
TKorooralschaft
i« »Wann es meinem Nebenmams
schwarz vor die Augen wird«, sagte
Karcymaczet.
Im Nestern-eint
A.: »Wie halten Sie es mit dein
Trinkgeld?«
B.: »Ich gebe immer 10 Prozent
von der Zeche!« » ·
A.: »Auch wenn Sie nur ein Gla«
Bier trinken?«
V.: ;,Das tot-unt nicht vorl«
Im Segel-un
»Er-na. der Sturm hat sich gelegt
lassen Sie mich Ihnen sagen - -«
»Ich alaube gar, jeyt werden Sie
stürniisch!«
Das sainose Heilmittel-. ff
Novellette von ErnstSeissert.
Lida Bohler lebnte mit müder Be
wegung den Kopf zurück. Jhr feines
weißes Gesichtchen hob sich marmorn
von dem satten oth der Sammtpok
ster des tsisenbahncoupeg erster Klasse
ab. Die beinah durchsichtia zarte
Hand strich über die weiße Stirn mit
so energisch nervkisem Nachdruck, als
wollte sie die durcheinander putzt-lu
den Gedanken, die in dem kleinen
Köpfchen ihren Spuk trieben, beruhi
aen, festhalten! Diese schreckliche Ner
vosität! Nur Ruhe. Sie schloß die
Augen nnd lauschte trampshast an
dachtig dem ewig gleichen rattatta:
rattatta-ratiatta - das der da
tiinrasende Schnellzug ihr vorsang.
lind mit dein gedänmft runipelnden
Takte gingen ihre Sinne zuriicl und
durchspraihen mit sich die Erlebnisse
der letzten Tage.
Wie war es doch nur gekommen?
Ja, richtig! Der Vater hatte sie hyste
risch genannt, weil sie sich energisch,
sehr energisch geweigert hatte, den vie
len vorgeschlagenen »alänzenden Be
-werbern" näher zu treten. Dann«
sale- sie infolge der ungewohnten seeli
schen Aufregungen in einen veritablen
Weintramps verfiel, da hatte man
schnell den Hausarzt gerufen. Densel
lsen, der sie schon als dreijähriges
Mädchen behandelt hatte und auch
jetzt noch, wo sie schon 20 Jahre alt
war, »sein kleines Fräulein« nannte.
Der hatte, wie immer, erst ihren Puls
"ueias3t, die üblichen untersuchenden
Fragen gestellt und sie ansehend dann
nur den Kopf geschüttelt Aber nicht,
so mißbilligend, wie damals dor 8;
Jahren, wo sie die Medizin nicht neh-:
men wollte, sondern bedächtig. Ja,
beinahe freundlich schaute er aus, als
er sich dann oufrichtete, aus sie herab
jsah und sagte: »Dein kleinen Fräulein
fehlt nicht-:- als ein bissel Verände
rung«. Und fiir die Vorschläge der
besorgten Eltern hatte er wieder nur
ein Kopfsehiitteln gehabt. das diesmal
aber sehr, sehr niifzbilliaend aussah
»Sie irren sich«, waren die entgegnen
den Worte, während seine rechte Hand
unablässig durch den langen, schon
sJark graumclirten Bart fuhr. »Den
kleinen Fräulein fehlt tein großer
Einrort mit Quellenbrunnen, Ren
nions und Kurschneidern ich fiirchte,
ierartiges hat sie hier nur gu viel ge
habt sie braucht Landlsrodstullen
und morgens Hiihnergegacker, recht
isiel Milch, na, u. s. w.! Dann hatte
man Berathung gehalten und stel
skhlieszlih einer alten, eigentlich ja
nicht ganz standeggemäßen Tante er
innert, die mit ihrem Mann, einem
Förster. da unten kurz vor der böhs
mischen Grenze hauste.
Schnell wurde hintelearaphirt, und
als die bezahlte Rückantivort des-« welt
veraefsenen Tantchens ein einfach
schlichteci ,,i«iitte loiiimen« enthielt, da
war ein Warten loggegangen das-, die
dienstbaren Geister den ganzen Tag
schivitzend Durcheinander liefen und ain
nächsten Moran hatte man sie zur
Babn gebracht.
Vater und Mutter und die treue
thnette, die herzierbrechend schluckxite
das-, sie niit ,,il)rem« Fräulein niclit
mitfuhren durfte. Aber aegen den
Willen des alten Doktor Barth liesi
sich nun einmal nicht-J inaiien, nnd
der hatte bestimmt: gani allein soll sie
fahren, auch nicht besucht werden uns
R Wochen dadleiben, damit sie dag«
Köpfchen voll neuer Gedanken, dir
Lungen frei von der Groszstadtluf
und zwei lnallrotlie Backen nach Hause
bringt.
Wie dann der Zna gerade anructi
nnd Mutter eben nas- dritte Taschen
tnch »diirchgeiveiiit« hatte, da ioar der
alte Doktor auai noch auf den Vani
stcig aeiriirit nnd hatte nocli einmal
mit seinem driihnenden Bas-, ,,rotbe
Backen« naelkaeschrien
Ja, und nun ,,rattatti rat
tattairattnta« machte der «J,na. Lida
sehan die Augen aus. Gräleich lang
weilig, so allein im Gonpe zu sitzen!
Mensaniscki ariss sie nach dein Buch:
Reiselettiire, die Mutter mitgegeben
hatte. Sie gähnte·
Aus einmal zog der Zug die Vrenise
an ein itreisslicn der Räder da,
ein Paar Lichter ein turzer Psifs
Herrie()! da-: ioar ia ihre StatioN
Eilig setzte sie das kleine, schicke
Reisehiitslien orts, band den Autoino
bilschleier vor nnd stand nach wenigen
Minuten auf der nicht sehr großen
Zivischenstotion
»Verzeiht-rig, meine Consine Lidia
Böhler"?« Erschreckt unidrehend schaut(
sie dem blonden Hünen iii das Ge
sicht. »Ja, die bin ich«, sagte sie, seine
aus-gestreckte Hand ergreifend. Sie
fühlte sirli sehr befangen, denn zi
Hause war ihr gar nicht gesagt ivorss
den, daß die Tante noch einen Soh:
hatte. Zögernd folgte sie dem Vor
anschreitenden, der ihr leichtes Hand
gepiicl genommen hatte, mit Riesen
schritten auf einen Jaadivagen zueilte
und die Gevädstiicke hineinwarf un
ihr dann ans den zweisitzigen «Boet zi
helsen· »Wir fahren ietzt zwei Stun
den bis zu Hause, sagte er, die beiden
Rappen zu schärferem Trabe auswan
ternd. Lida nicktr. Jhr war dieses
treuherzige Entgegenkommen zu unge
wohnt, um unbefangen sprechen zii
können. Beinahe verletzt fühlte si
sieh, daß er sich nicht einmal vorgestellt
hattet Der schien es aber gar nicht
zu merken« plauderte erst langsam
dann immer schneller von seinem Da
heini — - ihrer Soinmersrische. Passe
Lcsiktnantx »Wie acfallt Ihnen denn mcmc Braut, Johann?« »
· Bynmcz »L, Herr Umwand als ich fjc zum erstenmal geschen, da 1)ab’ Ich
nnrgchch acmxuz Tic oder keinc1«
nur aus, du wirft deine Freud-e has
ven«, sagte er und seine blauen Aug
strahlten. «,!U.’orgeus reiten wir
tannst du reiten?« Lida nickte Daß
er sie schlankweg dutzte, tvar ihr un
faßbar. »Dann können wir auf dem
See rudern, oder am Abend zusam
men spazieren gehen oh es wird
herrlich werden« Glaubst du mir. daf;
ich immer eine Schwester sehr vermißt
habes« fragte er naiv und tnallte lu
stig mit der Peitsche, um seine fröh
liche Stimmung auszudrücken
Der Friihtiaagioind pfiff den Bei
ten recht hart um die Ohren, aber
Lida fühlte eZ warm aus ihrem Her
zen emporquellen und sie lauschte mit
kindlich frohem Lächeln dem plätsch
ernden Redestrom ihres Vetters. Aus
»den Erzählungen die er zum Besten
»und hatte sie schon gehört, daß er
jHanss hiess und die emsig trabenden
JGiiule, das- immer reizvoll wechselnde
ILndschaftHliild belebten ihre Sinne.
iBald tbaute sie auf, ioarf Fragen in
die Schilf-erringen des großen Jungen
fund ihr silbernes Lachen tlang so of;
und herrlich durch die aufbliihende
Natur, dafi der blonde Bursche ganz
rothe Ohren bekam und in sprudeln
der Laune immer lustigere Sachen er
zählte· so das; beide stillschweigend
aber um so tiefer eg bedauerten, als sie
schon ror dem idyllisch gelegenen
Forsthause anlangten, wo Lida schlicht
aber sehr liebevoll empfangen wurde.
Hang hatte wirklich nicht zu viel
versprochen es war herrlich! So
herrlich, daf- Lida eine lleine Schwär
nterin wurde und Brief an zu Hause
schrieb, welche die Grofzstadtmimia
manchmal aar nicht so recht verstehen
—»-- .. . k--«
llluuuc Eil-re cincv spuken-, sur-, »-«
dem die 8 Wochen abgelauer waren.
da tam die Austliirnnal Lida schrieb
nennlieh ganz ernsthaft. in dem ent
,iiickendeii Vlltenrade ibr Leben lana
bleiben zu wollen. Sie tiime zwar mit
dem bestimmten Zug in Berlin an,
aber aneh niii dem noch bestimmter-en
Begleiter, den sie aus Lebenszeit enga
girt hatte.
»Er snrderte von mir als Honorar
dentt einmal wie billig! weiter
nichts, als- mein Herz. Die Ham«
habe ich ihm von selbst gegeben.« So
schrieb sie in dein letzten Brief, der bon
sonni.1er Laune geradezu strahlte.
Wieder ioaen die diesmal noch be
sorgteren Eltern den alten Doktor
Barth »in Rathe. Der aber schien
seine Wiirde ganz vergessen zu haben
und benalun sich gegen alles- Tecorutn
auggelaisen nsie ein Kind. Als er
dann »das-, höchste Mißfallen« der El
tern bemerkte da nahm er Beide bei
den Händen, drückte sie sanft und be
stimmt aus das Sofa nieder Und
sprach lange, bald sanft, bald ernst
und grollend und zum Schluß gab er
dem herbeiaellingelten Mädchen den
Beseht, Mein heranszuschasfen.
Am niiibsten Tage standen die El
tcrn und Dettor Barth nebeneinander
aus dein Bahnhossterron Die An
nette tridnelte vor Ungeduld hinter ih
nen unabliitsig ans nnd ab, hatte sie
doch ersahren, das-, dag ,,gniidige Frau
lein« Braut aeworden mar.
Da brauste der Zug in die Halle!
Noch ein naar schioersällige tlindre
hungen der Wagenrkimr und ans- der
ausgerissenen coupethiir slog es den
Dreien an den Hals-. Erst der Mut
ter, dann Vater und zuletzt Dottor
Barth, der seinem kleinen Fräulein
die erregt glühenden Wangen tntsf.
»Na, roth sind sie ja«, sagte er la
cheud dabei. Sie hat aber auch eii
samoses Vorbild!« Mit den Worten
streckte er dem bescheiden dastehender
puterrothen Hans die andere Hand
entgegen. »So, Kinder! Das nenne
ich eine Karl Jst das Mädel in de
paar Wochen ausgebliibt!« Lachend
sah et den gliickliehen Bräutigam an.
»Menschenlind, Sie sind doch ein sa
ismses Heilmittel! Schade, jammer
schade, daß ich Sie nicht mehrerer
jungen Patienten empfehlen tannl«
Alt- dort-!
,,D-enlen Sie sich: der alte Geheim
tath Bückler hat sich gestern das Rück
grat gebrochen!«
»Also hatte er doch eins-l«
Der Rhein im Volkslied.
Jn einer Schule wird in der Geo
graphiestunde das Flußsystem des
Rhein-, durchgenommen. Der Lehrer
erwähnt in der Einleitung, dasz ge
rade der deutsche Rhein am meisten
von den deutschen Dichtern befangen
ist, und fragt darauf: »Wer iann mir
ein Lied nennen, in den vom Rhein
die Rede ist«
Mehrere melden sich. Der eine sagt:
»Sie sollen ihn nicht haben, den freien
deutschen Rhein« s der andere: »Die
Wacht am Rhein« « der dritte: »Es
.;r)gen drei Burschen wohl iiber den
Elihein« usw Schließlich hebt noch
ein ganz kleiner Junge die Hand und
sagt: ,.Cloniin’ oe ’rein, komm’ Se
’rein, tornm’ Se ’rein, loinm’ Ee ’reiv
in die gute Stube!«
Der bestrafte Spanne-get
fverr kiieserendar von Witzenhausen
ialH Jagdgast bei der Treibjaad zu ei-«
ncm selsr vollbariigen Förster): «Wis
sen Sie, Herr Förster, ich batte aueb
sc einen starlen Bart wie sie. aber ich
habe ibn abgeschnitten nnd ein Nabel
tissen davon niaeben lassen.«
Förstert ,,Wissen’s, i bab’ aa amol
so a schierbes G’sicht’l g’l)abi ivia Sie,
aber damit rna’ net soviel davon sehen
soll, hat« ich mir am or’ntlichen Bari
wachsen lass’n.«
Seheianre Grobheit.
Euch will ich Beine machen«,
sagte der berühmte Cliirurg -— da
kamen zu ilnn zlvei beinlose Männer
ans Iirtirien
Vuchftiiblicli genommen.
Jn der Schule wird das Wesen des
Jlteinieg nnd des Menan erläutert.
Einer der Jlieilnehmer will beweisen,
daf-. er die Sache lapirt habe, und be
ainnt auf seinem Schreibhest zu dich
ten:
»Was sitzt denn auf dem Dache da?
Ein K ranich!«
Der Präzeptor: »Aber, Kransez
Das reimt sich doch aanz nnd gar
nichit inm die zweite Zeile ist doch
lsiel in iurx!«
stranset »3.Wnn muß eö nur richtig
aussprechen:
»Was sitzt denn ans dem Dache da?
tkin si« er a en i re l)a I«
Analog.
Bekanntlich eristirt ein Buch. beiitelt:
»Mehr Goethe«
lisin Mnsilss-l)riststeller, der iiber den
belannten Komponisten Leo Blech
schreiben mill, betitelt sein Werk-.
»Mehr Blechl«
Fabel,
Der Fuchs sal) ein säugendes Reh
iitzchen
»O, ich 11naliicllicher"' rief er.
Warum muß ich verdammt sein, dieses
liebliche Bild zu zerstöreii!'«
Druckfehler-.
Sie srente sich schon riesia, nach Pa
rig zu toinnien, weil sie dort täglich
mit ilirem Mann an der Leine spa
zieren aehen lonnte.
Nicht zu rüliren.
Sie: »Wenn Du mich bener nicht
an die Nordsee läßt, dann springe ich
in die Demant«
tie: »Das mein’ ich auch, Weiberl,
Bad ist Bad!«
Vertröstung.
Dichter: ,,Werden Sie mein Ge
dicht ans den Halleyschen Kometen
verwenden Herr Redaktean
Redakteur: »Ja. Wir können es
aber leider erst zum Abdrncle bringen,
wenn er toiederlommt.«
Schlag-vorn
»Die lsinnst im Leben des Kindes« ist
Ein Schlagwort in allen Gassen.
Wobei man völlig die Kunst vergißt;
Ein itind auch leben zu lassen.
Zwei lisliicklichc
Gut im Leben hat’s der Mann,
Den lein Weib berücken kann;
Doch noch besser ist daran,
Wen ein Weib bealücten kann.
Mk--.- -..—