Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 02, 1910, Zweiter Theil, Image 13

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    Ja, die Sonne!
Slizze von Leise Schulde
Brüch
Banne Röttig feste sich schwerfällig
in ihrem Großvaterstuhl zurecht.
Nee, es war doch nichts Rechtes
mehr mit ihr. Sie spürte das Alter
alle Tage mehr. Alter ist ein schweres
Matten und wenn man so Zeit seines
Lebens vom Spnnenquf sag bis in
die Nacht hinein geschaf t hat, dann
wexdlen die Knochen doch allmählich
mai e.
Der ostor in der Kirche hatte ost
genug- ·ber den Psalmistenspruch ge
predigt: »Das Leben des Menschen
wahret siebzig hre, und wenn es
hoch kommt, a tzig, und wenn es
töstlich ist, ist es Mühe und Arbeit
gewesen« Nun, sie war vierundsieb
zig, und ihr Leben war wahrhaft löst
lich gewesen, wenn Miihe und Arbeit
tostlich ist. Aber jetzt, wo sie zurück
sah dar-aus« schien es ihr, als ob es
eine einzige lange Arbeitsstunrse ge
wesen sei und eine einzige lange Sor
genstunde von da an, wo sie denken
konnte. Denn ihr Vater war friih ges
storben, und als sie sieben Jahre alt
war, hatte sie schon ihrer Mutter
tiichtig helsen müssen. hatte erst die
Ziegen der Tagelöhner aus die Weide
getrieben, und dann die Kühe der rei
chen Bauern, hatte Kinder gehütet
und war mit zur Feldarbeit gegangen,
sobald sie start genug dau war.
Dann hatte sie geheirathet, tte hel
fen müssen, das tägliche Brot g ver
Yigzensiir die vieLen Mäuler-, ie gar
bald zü stopfen waren, und hatte
dann, als auch ihr Mann starb, ihre
Kinder ausgezogen in Zucht und
Ehren und mit vielen Nothen und
Sorgen. Und waren sie grvsz und be
gannen etwas zu verdienen, kann
heiratheten «sie, die Töchter und die
Söhne.
Und nun hatten auch sie schon alle
wieder Kinder und sorgten und quäl
ten sich dafür, wie Hanne Röttig es
gethan hatte.
Und Hanne Nöttig sorgte und
quälte sich mit, so daß sie es eigentlich
jetzt viel schlimmer hatte als früher.
Sie zählte an den Fingern nach. Sie
benundzwanzig Enkel warens-, ohne
die« die draußen aus dem Friedhof
in ihren kleinen Gräbern schliefen und
auch schon viel Noth und Kummer ge
macht hatten, bis sie da draußen ge
bettet waren. Und nun lamen schon
die Urenkel, drei waren bereits da.
unv eins lag schon da draußen.
Wie Hanne Röttig jeht so dasaß
und in ten Regen hinaussah der
sachte niedersiel und die Wiese vor
ihrem Häuschen .mit dem großen Nuß
baum daraus in trübseliges Grau
gleichsam einhüllte, da schien es ihr,
als oh es am allerbesten sei, sie läge
auch da draußen bei ihren Kindern
und Enteln und hätte Ruhe. brauche
nichts mehr zu sorgen, nichts siir die
anderen und nichts siir sich selber.
Was hatte sie» denn noch groß vom
Lebens Alt und morsch war sie. und
alles um sie herum war mit ihr alt
und morsch geworden. Jlsr Blick ging
von der wackligen Bettsielle zu der al
tersschwachen Kammode und dem
großen Aleiderschrant. lind die kleine
Stube war so unfreundlich und trüb,
der Putz von den Wänden war hier
und da abgefallen. der Regen kam
durch das iindichte Fenster, daß von
der Fensterbank ein kleines Bächlein
in die Stube rann.
Ach Gott, nee, wenn-« nu doch ichon·
nml vorbei ware. Sie iehnte sich or
dentlich danach. Litee, due mußte wirt
lich schön fein, wenn man nun alles
hinter sich hatte, ordentlich gewaschen
und schön zurechtgernacht im Same
les-g, nehen dein zwei Kerzen brann
ten, wenn die Leute tarnen und gingen
und vor lauter Ehrfurcht nur zu fliis
stern wagten. Wenn’s doch nur schon
io weit wäret
Die Welt wurde auch ohnehin alle
Tage schlechter. Was das nun jetzt
iiir ein Regen war. Hanne Röttig
horchte aus das Platschen da draußen.
Tae dauerte nun schon heute den ann:
zen Tag. Jn allen Dachtraufen klu
elerte das Wasser, in allen Rinnen
itrudelte es, aus allen Röhren rauschte
ee heraus-.
Hanne Röttig wußte. sie würde aar
teinen irohen Taa mle erleben auf
dieser schlechten Erde, und darum
märe es auch schon besser, wenn Der
Herraott ein Ende machte und sie
gnädig nufnähme in sein Reich. Ja,
das würde —- ichon das — beste sein
—- iiir sie —————————
Ihre Gedanten wurden lanqiamer
und undeutlicher. Vor ihren Augen«
die leise iusielen verschwamm der
hol mit seinen Pfützen und in ihren
Ohren rauschte der Regen leiser und
leiser. hanne Röttig smachte ein
Rickerchem Das passirte ihr jetzt öf
ters. und sie war es ganz zufrieden
Was konnte ein alter Mensch Besseres
thun, als ein bißchen lchlasen, und da
bei alles reraeiserh was trauria war.
Als sie sich nach einer Weile die
Augen rieb. hörte der Regen eben aus«
Die Walten schaben lich auseinander.
Ein Stückchen blauer Himmel wurde
sichtbar, verschwand erschien wieder
nnd wurde ausgedehnter. Eine blat
se ersierionne zeigte sich auf ei
nen Augenblick. wie zwischen Schlei
ern, die ihr Antliy gleich wieder ver
hüllten. dann aber doch dünner und
dünner wurden. Und nun tam wie
der ein Sonnenstrahl. Er that Wun
der. Er trocknete schleunigst die nas
len großen Steine des cholhrigen
Untier-, er streute auf die Blätter
des doluriderbulchei Millionen Dia
i
manten, er vergoldete flink den alten
Wetterhahn drüben auf dem Kirch
thurm und ließ das hohe Schieferdach
der Kirche blank und blau schimmern.
Und nun kam er herein durch nne
Röttias Fenfter. Diteit in anne
Röttigs Augen larn er, fo daß sie
blinzeln und niesen und sich die Au
gen kräftig reiben mußte.
Herr-je, das war doch sonderbar auf
einmal! Banne Rötti rieb sich noch
mals die uaen und sah sich um, fah
sich ihre alten Sachen genauer an.
Wenn’s fo hell in der Stube war,
dann kriegte man doch eigentlich erft
den rechten Begriff davon, wie sie aus
sahen. Nee, fo schlimm wars doch
eigentlich gar nicht. Das Bett lonnte
sich wahrhaftig noch sehen lassen das
hatte Pitter Kla aien selig vor nun —
hanne Röttig mußte erft an den Fin
gern abzählen — vor zweiundiiinfzig
Jahren hatte Pilter Klaasen dis ge
tiichlert. Zweiundfiinfzig adre ist
ja auch eigentlich keine Zeit ür fo ein
Stück wenn es wirklich gut und däfs
tig gemacht ift.
Gerade hatte der Sonnensirahl die
Kommode erreicht, aus der schön auf
gereiht all die Photographien standen,
die Töchter und Söhne der Großmut
ter nach und nach gestiftet hatten·
Die Gläser blisten in der Sonne
Heinne«!siöttig mußte blinzein, wenn
sie dahin schaute. Asber sie wußte ja
doch, was jedes Bild vorstellte. All
thrc Kinder und Enkel im Sonntags
staat. Sehr feierlich und eigentlich
garstig, aber sehr schön siir Hanne
Rottigs Augen und köstlich für ihr
Herz. «
Und die Sonne tanzte auf der
blanten Platte der Kommodez sie
huschte weiter und übergoldete die
schadhafte Tiinche an der Wand. Sie
machte alles bliß und blant. Die gute,
warme, glänzende Sonnet Wenn sie
so ein paar Stunden schien, so recht
träftig uno hell, dann trocknete das
Korn draußen schnell. Dann tonnte
man es morgen einfahren. Dann gab
es Brotfrucht genug fiir den Winter.
Hanne Nöttig athmete tief auf. Und
jetzt rief etwas draußen vor dem Fen
ster nach ihr. »Großmutter. Groß
mutter, kucte doch emal eraus!« Das
Kläschen spektakelte draußen Es
hatte in der Pfiiße arriihrt und sich«
sein dickeb, rundes Gesichtchen ganz
und gar beschmiert. Eine Glasscherbe
hatte es gefunden, die hielt es trium
phirend in die Höhe, daß die Sonne
sich darin blitzend spiegelte.
»Auch doch, Großmutter, das
schent’ ich dir.«
Und er waciekte eifrig auf seinen
noch nicht ganz sicheren dreijährigen
Beinchen herein und stand in der
Stubentbiir, ganz von dier Sonne be
schienen und vergoldet, nnd legte
Hanne Nöttig vorsichtig, wie einen
kostbaren Schoß, das Glasstiick aus
den Schooß Und die Großmutter
wischte ihm sorglich sein Gesichtchen
ab und gab ihm dann einen kräftigen
Schmaß.
H »Magst du Großmutter gern haben·
»Kläschen?«
sSeine dicken Aermeken schlangen sich
um sie und driiekten ihren alten Kotef
. fest an ficht »Huch, wo aern!«
)
Ner. Hanne Nottig mochte noch
nicht sterben und von zwei Kerlen be
ichienen im Same lieIen. Das- batte
doch noch ein bißchen Zeit. Ihre Leute
Idrauchten sie doch noch. Und sie wollte
Eboch auch nott- sehen, wie ihre Enlel
iiruchsen und gediehen. Es saß sich gut
s in der geniüthlichen Stube in der war
jmen Sonne, und das Leben war doch
snoch nicht so schlimm. Ner. gar nicht
; schlimm war es. iss war schön, in der
sSonne zu sitzen und sich von ihr be
sicheinen zu lassen und den dicken
lJungen auf dem Schoon zu haben
kund ihn zu bätscheln.
I Das Alöpchen hob die Scheibe in
»die Höhe. Die Sonne spiegelte sich
sdarin, daß es blitzte und funkelte,
während er fie mit seinen ungeschickten
;.f)öndchen drehte. Wie lauter Edelge
stein funtelte es, wie ein Stiiet eines
i köstlich-n Mörchenschaßes.
; Und hanne Nöttig niktte lanasam
smit dem Kopfe. Ja, die Sonne!
- -·---—
Its einer .leinen Residenz.
Jn eine kleinen Residenzstadt hatte
jüngst Die wohithätiae Gräsin B. ei
I nen Vatar zum Besten eines Kranken
Hhauses veranstaltet und dabei auch
Jselbst einen Verkauf-stand übernom
»wen. An diesen trat mit mehreren
sgerren auch der Bantier L» der als
eizhass ersten Nanges allgemein be
stannt war, heran. (5r schien aber
nicht die geringste Absicht zu haben,
»etwas zu tausen. Die Gräsin glaub
Ite daher, ihn ausmuntern zu sollen,
s unsd fragte in siebenåwiirdiastem Tone:
s»J«st nicht vielleicht ein hübsches No
tizbuch gefällig?«
»Dante, brauche teins.«
»Vielleslicht ein Bleististhalter?«
»Dann, schreibe nicht·
»Ob« hier eine appetitliche Bonboni
s niere2«
»Dante, nasche nicht«
Die Gräsin stuhte, löchette dann
;aber den Bankier, an dem ihre bitten
; den Augen nanz wirtungssos abpratli
sten, etwas book-oft an nnd bemerkte
sschliesisiche »Ich würde Ihnen, mein
then-, gern nech dieses Stück Seife
sanbietem aber ich siirchte, die Ant
wort zu erhalten: Dante, wasche mich
nicht«
—
sitt
Müller: »Du könntest mich doch
aber Deinem Freunde vorstellen.«
Leb-nann- «Nicht tu machen, lieber
pump ich Dir süns Markt« ,
-
Pf I f Its-« f «
Wie Sie mir, so ich Ihnen . . .
humoreste ron E. Nolfs.
»So, mit ibr bist »du einig? Das
ist ja ganz schön, aber deshalb kriegst
du die Käte Bärner doch noch lange
nicht!"
»Wiesc? Das tannst du ja gar nicht
wissen! Es ist doch schließlich nichts
gegen mich einzuwenden. Jchbin -——«
»Du bist Assessor, Reserveoffizier,
aus guter Familie — alles ganz schön.
aber irgendwo haperts schließlich doch.
Mir ist's, als ob du den Referendar
erst aus zweiten Anhieb —«
»Na ja, freilich. Aber erstens weiß
sdas hier sonst keiner, nnd es ist doch
auch gerade nichts Eizrenriibriges.« «
»Du iennst den alten Dickion ebenj
nicht« den du zu deinem Schwiegerva-;
ter ertoren basi. Jch weiß aus sicher-«
ster Quelle, daß er schon drei Anträge
abgewiesen hat. Der Schlauberger
zieht jedes Mal erst Ertundigungen
bei einem Austunstsbureau ein; und
wenn dann nicht alles stimmt, lehnt er
den »ehrenden Antrag« glatt ab.«
»Donnerwetter! Also deshalb ist
meine tleine Käte so zaghaft und
forscht so angelegentlich nach meiner
Vergangenheit! Aber trotzdem — ich
wilxzs on txjigeig ifann ich auch
’inal mi iramen gerasselt bin und ein
paar Tausend Mark Schulden habe,
die zu bezahlen dem alten Börner doch
eine Kleinigkeit ist. Den möcht' ich se
hen, der in meiner Lage teine Schul
den hättet Mein Vater hat außer mir
noch vier Spröszlinae und tein Vermö
gen. Vom »boben Titel« und der »be
oorznaten gesellschaftlichen Stellung«
lebt man eben nicht. Also, mein lieber
Freund und Genosse meiner Kinder
spiele, ich werde alles aufbieten.
sämmtliche Widerstände des vorsichti
gen Herrn Börner zu besiegen.«
»Ein gespannt, wie du das anfan
gen wirst. Sehr gespannt!«
»Ich auch. Vorläufig ist mir·s noch
gänzlich schleierbast. Aber guter Natb
tommt bekanntlich über Nacht. Und
damit Servus, alter Junge! Es bat
schon vor zehn Minuten neun geschla
gen und mein Chef hält sehr auf
Pünttlichteit.« . ·
,,Wiederseben, Alfred! Jch bdr’ auch!
leben die Schulglocke läuten —- die
Pause ist zu Ende.'« Damit eilte ders
Oberlehrer dem Realschulgebäude zu.s
und der Assessor begab sich eilendens
Schrittes zum Amtsaericht. f— z— s
Vierzehn Tage nach dieser Unter
redttng« an einein Sonntag Womit-s
tgg zur üblichen Visitenstunde, steuerte?
Assesscr Türtheim im Galaanzug aus»
die Billa des Großkausmanns Börners
zu, schellte und reichte dem Mädchen
seine Karte« mit sder Bitte« ihn dem(
herrn des Hauses zu melden. s
Das Mädchen kam sosort zurück und
ließ den Assessor in den Solon ein-»
treten mit der Bemerkung, Herr Bör
ner wiirde gleich erscheinen, er müss
nur erst einen dringenden Brief been
den. Kaum war die dienende Fee ver
schwanden« als sich die Tbür nusthat,
und ein allerliebstes junges Mädchen
eintrat. «,Ki1te" —- ,«Fred« —- nur ge
dtimpst ertlnngen die Namen, und
dann lasen sich die zwei in den Ar
men und sliisterten eilig mit einander.
»Er tdut’s nicht« Fred — O, er ist so
bedenklich — Jn« wenn Muttckfen zu
entscheiden hätte —«
»Dumm» Zeug, Mite. Er must
einfach. Jch werd’ ihn schon dazu
bringen!«
»Ach du weißt nicht« Fred, wie
Papa ist. Wenn du irgend etwas aus
dem Kerbliolz hast« dann ist’g ang.
Papa ersälirt alles. Jch tann gar nicht
begreifen, wie er’5 anfängt. Bis jetzt
war rnir’5 ja einerlei« denn siir die
drei« die mich wollten« half ich mich
wohl ein bischen interessirt, aber du
bist doch meine erste wirtliche Liebes
illnd wenn Papa wieder »nein« sagt,
dann weis-. ich nicht« was ich thue!"
. »Er sagt nicht nein, Aäte —- ich
sverstchere es dir —- ich ——«
l »O Gott« da kommt er« das war
lseine Thür, die eben aus- und zuging.
I— Ach Fred« ich sterbe vor Angst!«
»Mit diesen letzten hastig herauf-gespru
ldelten Worten verschwand Fräulein
sKäte so schnell, wie sie gekommen
und Herr Friedrich Leberecht Biirnef
trat ein« mit der ganzen Würde, die
ihm eigen war.
»Er-ten Tag, mein lieber here As
sessor. Nun, so seierlich2 Doch tein
Abschiedsbesuch2 Die Herren wechseln
ja immer so schnell.«
»Nein. Herr Börner« es ist tein Alb
schiedsbesuch Jch hosse im Getreu
theil, noch recht lange hier zu bleiben.
Es gefällt mir ausgezeichnet, und
wenn sich unser Aussickstesiilsrender
demnächst pensioniren läßt —- eg ist
lenen sicher bekannt« daß er’s dort-it
—- denke ich als Amtsrichter einzu
riicken. Jch bin nämlich gerade an
ver Neid« f J « · « «
»So. so, also kein Abschiedsbeiuch
Dann does ich mit wohl die Frage er
lauben. was sonst idie Veranlassung-— «
»Gewiß, Heer Mienen Sie sind der
Nächste dazu. Ich gestatte mit hier
mit« um die and Jst-es Fräulein
Tochter zu bitten. Daß Käte mir qui
ist, weiß ich. Jch liebe sie von ganzem
Herzen und —« »
»Da muß der Alte wohl oder iibel
»ja« sagen. So ist wohl Ihre Mei
nung, mein Heer Assessoe. Aber da
kennen Sie mich schlecht. Jch werde
meine Einwilligung unt zu einer
Vetbinduna neben, die mir volle Ga
rantien für Rätes Glück bietet. Des
halb musz ich mir zunächst eine län
gere Bedenkzeit —- vielleicht 14 Tage
Z-— ausbitten.«
»Um inzwischen Erlundigungen
über mich einzuziehen. Das hab’ ich
mir beinabe gedacht, Herr Börner, und
ich tann Ebnen die Sache erleichtern
und die edentzeit überflüssig ma
chen. Ich habe durch einen Freund Be
richt iiber mich selbst bei einem renam
mitten Anskunftsbureau einfordern
lassen. Kosiet mich zehn Mark. Wenn
Sie Einsicht nehmen wollen —«
Der Llssessor zog ein Schriftsiiickx
aus seiner Brustkasche und reichte es
dem gänzlich oerbliissten Kaufmann.
Langfam entfaltete PMB Und las
balblautz »Jn der Untersetunda sitzen
geblieben — durch den Referendar ge
fallen —- ein paar Tausend- Mart
Schulden ——«
Als er feine Letiiire beendigt hatte,
fuhr er auf: »Und Sie glauben, Herr,
daß ich Ihnen, nachdem ich das alles
erfahren, meine Tochter —«
»Ich glaube noch gar nichts, Herr
Bot-net Jch bitte Sie, auch dieses
zweite Schriftstiick hier zu lesen. Na
türlich wollte ich doch auch die nöthige
Sicherheit über meinen Schwiegerva
ter haben. Ich gestattete mit, auch über
s Sie Erlundigungen einzuziehen, eben-—
HCUH bei einein gutrenoinmirten Aus
IkunftssDureatn tKosiet mich nochmals
Lzehn Mart, die Sie mir vielleicht er
setzen. Es sind da auch einige Punkte,
sdie mich stutzig machen könnten, wenn
sich eben Käthe nicht so lieb hätte. Vor
Lfiinfzehn Jahren standen Sie infolge
unglücklicher Speiulationen nahe am
’·Banterott. Eine unverhofite Erbschaft
Ists Ihnen aus der Klemme. Aver
das war doch nicht Ihr Verdienst,
nicht wahr? Sie leben jetzt — wie
heißt der Passus? —- ach hier! —
Sie leben jetzt in ausgezeichneten Ver
Mpgens-Verl,ältnissen. Also brauchen
Sie sich an meinen paar Tausend
Mart Schulden keineswegs zu stoßen·
Weiter: Jhr ältester Sohn ist als
Unterfelundaner wegen Theilnahme
an einer verbotenen Verbindung vom
Ghinnasium entfernt worden. Er hat
dann auf einer Presse »die Berechtigung
lem Einjährigen erreicht, hat ge
dient. ohne befördert zu werden. Für
mich als Reserve-Offizier immerhin
nicht gerade angenehm» Aber, da ich
Ihre Tochter innig liebe, fo werde ich
dnH eben überwinden. Jch dente, wir
haben uns gegenseitig nichts vorzu
werfen, mein verehrter Herr Börner.
Jch wiederhole meine Bitte um die
Hand Ihrer Tochter und Wise ——«
·,,.ftäthe — Käthe!« Herr Börner
riefg mit Stentorstimme, und Fräu
lein stäthe mußte sich trohl sehr in
der Nähe der Thiir aufgehalten ha—
ben, denn diese flog im Nu auf und
die junge Dame stand mit glühenden
Wangen oor den beiden Herren. »Du
wünschest, Papa?«
»Hier dieser Schwerenöther will
dich haben, und da er noch vorsichtiger
ist« als dein Vater, soll er dich trie
gen. Wenn du ihn nämlich magst."
»Pnpa!« — »Herr Börner!«
»Also, dann gebt euch ’n Kuß, ihr
»zwei, und ich will insdessen Mutter
: rufen.«
»Mutter, Mutter!« Wieder flog eine
Thiir auf, diesmal die entgegengesetz«
.te, die ins Wohnzimmer führte, und
Frau Börner erschien, ebenfalls mit
sehr rothem Kopf. nnd sie that unge
heuer erstaunt. alr- sie hörte, um wag
es sich handelte. —
»Nun sag’ mir nur, wie hast du
das angefangen, du Gliictsrilz?« So
forschte der Ober-lehren als er dem
Freund gratulirtr.
»Das- ist mein Geheimnifi, Alter.
Guter Rath tommt eben iiber Nachtl«
Noch nicht.
«Jhre Frau Gemahlin ist trank?
Gefährlich?«
,,Nee, mein Lieber, gefährlich ist die
nur, wenn sie gesund ist.«
Unerwartete Antwort.
Sie: ,,:lliiinnchen, wie findest Du
mein neue-s- Balltlede«
Er: »Offen gestanden — nur mit
Miihe.«
(Illeichnisi.
»Mit der Frau iit es wie mit einer
strawatte —- erst wenn man ne am
Heils hat« weiß man, ob sie einein
paßt.«
Irolliqk Meschichtcheik
Es passiren doch noch sehr drrlline
Geschichten in unserer so ernst gewor
denen, buckligen Welt. Dieser Tage
wird ein junger Wiener Arzt zu ei
nem Patienten nach Salzburg geru
sen. Aus resn Westbahnhos sont er
zum Kondulteur, ihm ein nnsedniickseg
Trinkgeld in die Hand Brüdern »Bi:
te, lieber Freund, wetten Sie mich be
stimmt in Salzbiirg. Aber ich schlose
ungemein fest. Sie müssen mich ganz
gehörig beuteln — im schlimmsten
Fall sogar zum Csoupe hinauswersen2«
Der Konduiteur verspricht alles,
und der junge Arzt steigt ruhig in den
Nachtschnellzua —— um am andern
Morgen in Wörgl bei Jnnsbruck zu
erwachen.
Nun macht der Arzt dem Schassner
einen Höllenspettatel, schimpft wie ein
Nohrspntz und sd,leudert mit den Ver
bälmjurien nur so umher, bis der
Stationeoorstand lomrnt und tadean
meint: .
»Aber· Konduiteur, tosie können Sie
sich das nur gefallen lassen, tlagen Sie
doch auf Ek,renbeleidiqunsn.« Woraus
der Konduiteur mit resignirtem
Lächeln sagt: »Das ist ja noch gar
nichts, Herr Vorstand-Sie hätten den
andern Herrn hören sollen — den ich
in Salzburg hinnusgeworsen hab!«
Ostse- Jesus
Weltabaeschieden im Nordmeere er
hebt sich ein Eiland, gegen dessen Ba
saltllipven unablässig die Brandung
tast. Schwer-mittij über die harten
Felsschultern den braunen Mantel der
Heide gebreitet, kauert es in der un
ermeßlichen Oedr. Vor dem rauhen
Athem der See gedeiht tein Baum,
kein Vöglein singt sein Lied, einzig
Miiwem und Sturmvoaelgeschrei
schrillt aus treibenden Waltenmassen
tlaaend durch das trostlose Schweigen.
Ein paar Fischer nur hausten dort,
died es Lebens Notbdurft der Wage
iniiheselig abrangen; robe und finstere
Leute« von denen teiner je den bei-s
matblichen Herst länger als aus«-Stun
den verlassen hatte. —
Eines Tages trieb die Strömung
eine große Erdscholle gegen den
Strand —- iraendwo von einem g. ita
licheren Gestade losaerissen und von
derbem Wurzelaeslechte zusammenge
halten, und es wuchs auf ibr zauber:
hast schön, voll rosiger Knospen ein
Apfelbiiumchen.
Die Jnselleute liefen zusammen
und betrachteten staunend das Wun
der: nie hatte einer von ibnen derarti
aes geschaut nie batte der unwirtb
liche Schovß des Eilands solch’ lieb
lich Gebilde aeboren und getragen.
Andachtia schier hoben die groben
Männer Schalle und Bäumchen ans
Land; und sorasam pflanzten siek
dort, wo die Strahlen der Sonne
wenn sie die breitenden Nebel einmal
durchbrach am wärmsten auftraten
und am länasten verweilen.
Und der Bjum erschloß seine Blü
then und stand trie ein Märchen, dris
tend und schimmernd.
Und die Männer gedachten der al
ten Saaen, der laum aeglaubtem ae
beimnißvoll von Geschlecht zu Ge
chlecht überlommenen, der alten --Sa
aen von blauen Inseln wo ewia
Sonnenalanz iiber Schlösser-i und
Gärten liegt
Und sie nannten das Bäumchen
dessen Art sie nicht lannten, »Gliickes
Iraum«.
T
Ein paar Tasse rollten dahin: da
war die lichte Schönheit zerstorbem
das letzte dustende Blatt verloren
zwischen den dunklen Büschen der
Heide.
Doch in den ersten Auaen der Män
ner war ein Leuchten zuriielqeblielsem
unstillbare Sehnsucht, aber ein Hoser
aztch und die unerschiitterliche Gewins
lieit: »Wir werden sie finden. trir
werden sie finden, wir werden sie
schauen, die blauen Inseln. wo ewia
Sonnenglanz über Schslössern und
Gärten liegt, wir werden sie schauen,
ja, und erobern —- dereinst, dereinst!«
Reinbard Wolken
Dreischntövslqe Jan-tue
Unter den Zwischendectpasfaqieren
des kürzlich im New Yorler Hasen
gelandeten Passagierdamvfers »Not
terdnm" besann sich auch eine aus
Appeldoorn, Provinz Gelderlnnd
stammende, ans 13 Personen bestehen
de Einwanderersamiliet Mynlieer
Kendrit tun Knoten, seine Frau nnd
els Kinder, deren ältestes im 18· Le
bensjahre steht. Was Papa Dem Koo
ten dazu beivoaen het, mit seinen
Sprößlinaen dem Lande Wilhelmint
jes den Rücken zu kehren, ist nicht be
tannt geworden, wohl aber, daß er
bereits Grundbesitzer im Lande der
Sterne und Streifen ist. Er hat siel;
bei Alton, Iowa, eine Farm tax-sen
lassen und- roird, srbalD er Ellig IS
land Passirt bat, sich dorthin noch der
neuen Heimatb auf den Weg mark-en
Taß er dreizehn Tage unterweag sein»
wird, macht ihm teine Sorge —- er ii i
nicht aberalönbiscbU und selbst das da T
mit dreimalige Auftreten der Un .
aliictszai,l läßt ihn so tiitsl, wie nurH
irrend etioag in der Welt einen fisch-»
blütigen Holländer lassen kann.
Die Farbe-der Hafer-mein
Gelegentlich der Hoftr.iuer für den
verstorbenen König von England,
wurde von dein «Gauloi5-« daran
erinnert, daf; die Trauer —- Farbe
fin getriinte Häupter keineswegs- im
mer daZ heutige übliche Schwarz :var;
speziell in Frankreich, dem jahrhnn
dertelang touangebenden Linde,
herrschten in dieser Hinsicht wechselnde
Sitten So ordnete noch Ludirna Kl.
bei seinem Regierungsantritt an, daf;
die Farbe der Trauer um seinen Va
ter Karl X"ll. scharlnchroth fein sollt-.
Ludwia XV» der im Jahre 1726 zu«
erft ein offizielles Tranerregleinent
nufstellte, bestimmte Violett ali
Trauerfarle Für die Verivittiveten
Königinnen non Franlreieh irmchhr
hunderte hindurch weiße Kleidung die
Trauerrsortchrift: fie hatten überdies
früher die Verpflichtung nach dein
Tode ihre-Z königlichen Gemablg erft
sechs Wochen auf dem Paradebett des
Verstorbenen, dann fechg Wochen ver
dein Bett zu sitzen und ein volles Jahr
lang ihre Gemächer nicht zu verlas
sen, ein barbarifcher Brauch, den erst
die Beurbonen abfchafften. Nach
Napoleon l., der übrigens die Hof
trauer für den Fall feines Todes auf
drei Monate einaeselzriintt wissen woll
te, erneuerte die Bestinimnna, das: als
Trauerfnrbe Violett zu tragen fei.
Erst dac- 19. Jahrhundert hat dann
allmählich auch an den Höfen allge
mein das Schwarz eingeführt.
Patient: ,,Glnuben Sie, Herr Dot
toe, daß mitunter Leute lebendig be
graben werden?«
Doktor: »Bei meinen Patienten
lann das nicht vorkommen!«
»Du bist doch ciII schrecklicher Don
Inan, Mucki. wieviel »1ammcn hast Im
denn eigeIItlIch?'
Weiß nicht —- muß nächstens wieder
,,Sd1rccklir11, daß der Mensch durchaus
einmal JIIchItIIr worden«
Förster tznm Treiben der am Kopfe
einen Etrciisitmß beiommcn): »Und
citat-' nns so a fandumme Stell« muß er
dich treff’nl«
Erziehung zur Kunst.
Hang-from »Wenn ich mit shnen
zufrieden bin, dann schente ich hnen
alle vierzehn Tage ein Theaterbillet!«
Aug-IM: »Ach ja —- Madiam —
dns tnär’ fein-, auf meine vorichte
Stelle war ich auch mal in’s Theater
—- dci juben se Reaumur und Julius«
Aussatz- Stilblüthc.
»Vor der Schlucht bei Austerlitz war
Napleon eigenhändig umhergeritten,
um das Schlachtfeld zu erkunden.«
Faialer Trost.
»Denlen Sie sich-, der Herr Föester
hat mich einea lie Schachtel geheißen!«".
»Macht nichats — dem darf man ja
nur die Hälfte glauben.«
Glas-titsch
Arzh »Bereitet Ihnen das Schlu
cken Schmerzens«
Manier Trinler: »Nein —- das
Schlucken hat mir immer nur Freude,
niemals Schmerzen verursacht.«
Geteilt-ich
Das siiße Fränzchen —- 4 Jahre
alt —- geht mit seiner Mutter spazie
ren. — Plötzlich rnit er laut: »Ma
mn, ist dirs ein Offizier?«
»Aber Franz, dng sciqt man doch
nicht so, daß cis nlle liören!« Sie kom
men un den Bahnhoi - Fränzchen
lsLilt die Hand vor den Mund und flü
stert Hans leise: ,«.Uta1nn, ist das eint
Lolonmtine?«
Mal-rennt
Erster Einbrecher: »Die Polizei ist
doch selbst dem Teniel iiber.«
Zweiter Einbrechen ,,Wieso?«
Erster Eint-retten »Na, —- cs beißt
doch, wenn mnn dem Teufel einen
Finger reicht, so nimmt er gleich die
ganze Hand. —- Die Polizei aber,
wenn sie nur einen Finaerabdruet be
kommt, so faßt sie gleich den ganzen
Kerl.«
Bittre-.
Dame sznm Verderber-N »Sie ver
gleichen mich in Ihrem Gedicht mit
einer Taube, das ist zutressend, denn
für Jlire Liebegbethenerungen muß ich
leider stets eine »Taul:e« bleiben.«
Im Eisenbnlinwaqem
»Der Tarni-s ist doch etwa-J groß
artiaes.« "
»Gewiß —— ihm verdanke ich mein
ganzes Vermögen«
»Sie lsind wohl Jiigenieiir?«
»Nein —- nber Tabats.ibritmit.«
Der tleine Verräther.
»Meincm Mann ist gestern im
Wirthshaus der Hut Vertauscht wor
den, und trug selten vorkommt, er hat
einen besseren aetriegt.«
Kerlchen: »Ja, nnd noch einen sei
denen Schirm dazu; nicht wahr, Pa
pai«
Die Sprechstnndr.
»Warum echt denn der Herr Dot
tor immer selten ism Mitternacht? Du
wird ’s doch erst gemiithlich.«
»Er muß. Es ist die Sprechstunde.«
«Mitten in der Nacht wird er doch
leine Sprechstunde lialten?«
»Er nicht. Aber seine Frau!«
p: nicht
Dame: »Haben Sie noch denselben
Thee wie vorige Woche?«
»Ja, Gniidigste, ganz denselben«
»Gut! Dann werde ich also tem
men, wenn Sie einen anderen halten«