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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Aug. 19, 1910)
Nebraska Staats« Anzeiger und If set-old. Jahkgang 30. Grund Island Revr..19.August l .)I0. zweiter (Tl)cil.) Nummer 52. Ver Sichel Sang . . . Der Sickel Snn ist nun verklungen, Die Schnitter rüsten sich zur Ruh Und schreiten durch die Dämme-ringen Dem abendstillen Dorfe zu. Jndeß der Tag nus leisen Schwingen Empor zu fernen Erden schwebt, Jndesz die Vesperglocken klingen Und stumm die Nachtbihr Traumnetz we t. Die letzten ismmermiiden Lieder Der Waldesstiinmen schlnsen ein, Und aus die Wiesen stutdet nieder Des Mondes bleicher Silberichein . . .. Ernil Schulde-Maltowstv. — Memoiren eian Sonnen schrr1n5. Nein, thörichter Mensch! Nicht will ich unter dieser Aufschrift Dinge aus dem Leben meiner Dame erzählen! Eine solche Judiskretion würde mir durchaus derwerfkich erscheinen, be sonders darum, weil sie anstatt des wirklich Jnteressanten ganz gleich gültige L.ingiveiliqkeiten erqeben wür den. Denn was kann Bedeutendes sich ereigven in dem Leben eines We seng, das nieman umgekehrt wird, wie es doch einem Sonnenschirm täglich zu unendlichen Malen geschlevrk Wai tann ein Mensch Großes erleben, der sich einbildet, immer den Boden unter den Füßen zu behalten, und so immer die Welt vom gleichen Standpunkt ans « sieht! Was sind auch die gewaltigsten menschlichsten Erlebnisse im Vergleich mit der umiviilzenden Revolution, die ein Sonnenschirm an sich erfährt,wenn er, umgekehrt über dem Kopf gehalten, i plötzlich sieht, daß alle Menschen den Boden über den Füßen haben, daß die Bäume über sich wurzeln. das die Ber ge in den gähnenden Abgrund ihre Gipfel hängen lassen. Nie, behaupte ich, würde ein Mensch auch nur den er-— sien Schwindel überstehen, der einen da erfaßt; er wäre auf der Stelle todt — netn, verrückt wäre er. Denn laufen sie nicht herum, diese Schwächlinge, bei ganz geringen, ja oft gänzlich nichtigen nnd mit dem ausgebildetsten Gefühls milrofkop laum zu erkennenden An- » lässen, laufen sie nicht herum, halten . sich die rauchenden Köpfe und schreien: » »Ist die ganze Welt verriirlc geworden, E oder bin ich eg?« Lächerliche Zwerge! Nie würden sie diese stete athemraubende Aufeinander: folge der entgegengesetzteften Weltau- ’ sicht überdauern, nie, wären sieaufges spannt, würden sie den einzig richtigen Standpunkt finden, nie sich aufrassen - zu der heroischen Einsicht, daß alle an dern aus dem Kopfe stehen und allein man selber das normale, ausrechte We sen geblielen. Nein. diesen Glauben an sich selbst, allem Augenschein zum s Trotz, diese Fesiigkeit derWeltanschaui ung, die nicht ivanlt, auch wenn alles andere durcheinander fällt die tann nur ein Sonnenschirm gewinnen. Bedenken wir weiter unsere große Spannungssähigkeill Bedenken wir den beständigen Wechsel zwischen An- ; und Abspannung — diesen Polen aller Ereguna alles Erlebensl Wie wenige unserer kostbaren Qualitäten genügen doch, um unsere vollkommene Ueber-le genheit iiber den Menschen zu erweisen. Deshalb. nichts von ihm! ——- Erzählen will ich, wie ich den Sitz meiner Seele. mein wahres Selbst, mein Jcb entdeck te: Als ich even bei Herrneoundto zum : Verkauf aufgestellt war von diesem - thtaenblick datiert aus Gründen, die mir verborgen geblieben,mein Bewußt- ; sein —, kamen zwei junqe Damen, von denen die eine lange und aufmerksam i die roße Zchaar der Schirtne prüfteJ bis te mit einem Blin, als ertenne sie J einen alten Bekannten, nach mir griff nnd sagte: »Der ist doch wenigstens einfach nnd natiirlich.« Jch muß geste hen, daß mir das nicht gefiel, ich fühl te mich kunstvoll, kostbar und einzig, meine Farbe war are-u, innen dunkler ais aussen, eine volle, schöne, aezackte Nüsche umschlon tokett meinen kräfti gen Hals, mein sion rundete sich nnd neiate sich mit vornehmer Grazir. Das alles schien mir nicht »natiirlich«. Obwohl ich vernommen hatte, daß ich in die Kategorie »Naturstoit« aeltellt worden« hielt ich das iiir ein Kunst tvort, und es hatte mein Selbstgesiihl nicht verletzt. Wie aber diese junge Dame das Wort »natiirlich« aus-« sprach, das konnte mir nicht gefallen, und ich bemerkte mit schadensroher Ge nugthuuna, wie das kleine Fräulein ilber meinen Preis erschrak: ich selbst fand ihn nur zu gering in Anbetracht meiner großen Vollkommenheit und meiner ferngewachsenen Geburt, über die ich leider den schriftlichen Nachweis nicht habe, den die Menschen iiber diese sichtbare Thatsache verlanjxem Schon wollte ich mich wieder aus hren hän den zurückziehen, als sie mich noch ein mal fester faßte, meine Stärke priiite und sagte: »Aber er aesiillt mir nun mal. nnd dann kann ich ilm mein Le ben lana haben.« Damit war mein Schicksal entschie den. Dunkel nnd schwer war es zu nächst. Zu Hause angekommen, trenn te meine lleine Dame sofort die volle, schöne Seidenriische von meinem Hal se, unter dem Vorm-inde, daß die mei ne Linie störe. Jch fühlte deutlich, dass ein wichtiaer Bestandteil meines We sens mir abhanden lornme. nur wußte ich nicht welcher: es sollte sich zeigen. »Wie kommen Sie nur zu diesem männlichen Schirm ?« sraate irgend ein Herr, dem einmal das Amt zusieL mich zu tragen. lks gab mir einen Stich ins Herz! Nun wußte ich es. mit absoluter Klarheit stand es vor mirs mit der Rüsche war mir die Weiblichleit ver-— loren gegangen! Jch seufzte tief. Nur ein kleiner Trost war es mir, daß mei ne Herrin sich auch iiber diese Frage ärgerte. Zu meinem Unalücl und ihrem Aerger wurde sie ost genug wiederholt Ein anderer Jammer meines Lebens-1 mar, das; sie jedesmal, wenn jemand, wie natürlich, mich schön sand, sagte: »Ja, er iit schön, aber er müßte ei jaentlich aeiin sein, nnd das nächste Mal lasse ich ihn ariin iibereiehen.« Wie soll ich ietzt noch beschreiben. wer ich damals fühlte, ietzt. tro ich den Jrrthum ineineÆchreckens einsehe: da mals aber enthielt dieser Ausspruch mein TodesurtheiL Was grau an mir war, das toar doch mein »Jch" nach meiner mangelhaften Einsicht, und nie ses barbarische Wesen, dem ich täglich meine Dienfte lieh, fiir das ich gelernt hatte, den ungeheuren Schwindel des Ausgespanntwerdens zu überwinden, dies undankbare Geschöpf sprach so iiber meinen Tod hin. Tiefe Melan cholie befiel mich, denn ich mußte mich fragen, wozu der unendliche Aufwand von Selbstbehauptung gegenüber der »mit den Köpfen herabhängenden : Menschheit, wenn ich ein anderes Jahr nicht mehr erleben sollte? Wahrscheinlich infolge dieser selbst zerstiirenden Grübeleien fing ich vor zeitig an, zu brechen, was meine Dame mit der kühlen Bemerkung hinnahm, es vorausgesehen zu haben. Noch fri stete ich einen dunklen Winter lang mein Dasein in der Ecke einer Garbe robe, bis ich im Frühjahr hervorgezoi gen wurde und an dem energischen Ausspruch: »Jetzt wird er griln" merkte, daß ich meinen Todeggang an zutreten habe. Jch fiel in Ohnmacht und erwachte daraus erst, als ich mich in den Händen einer alten Mamsell befand, die mich eben augeinanderzus reißen begann, mit roher Gewalt — und einer Schere. Jch glaubte zu ver lutenl Jch erwartete, daß die Schnitte ihrer tleinenScheere mich töd ten wurden — statt dessen mußte ich zu meinem Staunen bemerken, daß et was Kälte und einige Scham iiber meine Blöße die einzigen unangeneh men Gefühle waren, die ich an mir konstatieren konnte. Uebrigens war das stolze Bewußtsein meines Selbst ganz unangetastet auf der gleichen Höhe überzeugter Vortrefflichkeit. Jch schloß daraus-, daß der Sitz meines wahren Selbst in dem sei, wag nun noch von mir übrig, nachdem die Seide «- also nur mein Kleid — mir abge zogen sei. Nun spürte ich auch, wie ich eigent lich viel von meinem Bewußtsein ver schwendet, indem ich mein Gewand sür mich selbst gehalten, und beschloß, den großen Nangunterschied zwischen mir und dem neuen Kleide gleich von An sang an zu betonen. Sowie es mir übergezogen wurde, sagte ich denn auch zu der grünen Seide: »Wenn Sie sich nicht ein wenig strecken, reichen Sie nicht über meine schlanten Glieder.« Das erschreckte sie, mit leisem Krachen dehnte sie sich, strengte sich an, ließ sich ziehen und strecken, bis sie an allen Stangen und Spitzen ordnungsmäßig sestgeniiht war. Prall und glänzend, suntelnd in ihrer Farbe umspannte sie mich, aber ihren Hochmut zu dampfen, sagte ich schnell: ,,3ieren Sie sich nicht« wir wollen erst sehen, ob Sie mich wirklich so gut tleiden, wie meine Dame wünschte, sonst müssen Sie wie der herunter.« An der Demuth, mit der sie, als ich zugellappt worden, ihre Falten weich um mich schmiegte, sich ganz eng und schmal machte, so daß, all- eine Kappe von gleichem Stoss über sie gezogen, sie an Bolumen weni ger hatte. als mein voller runder Hals, an dieser Demuth sitt-Ue ich, daß ich gesiegt, und mein Selbstgesühl wuchs. Jch ließ mich nach hause tra gen. Dort erregte ich wahres Entzüt ten. »Seht-Ihr, seht Jhr, so erst ist er hübsch! Dies ist seine Farbe! Nun erst ist er richtig!« rief meine tletne Dame ihren Schwestern zu. lStetz hatte sie Schwestern, ich weiß nicht, wo sie sie hernahm; ein Schirm hat nie ; male Schwestern, ist ein viel einzigeres TWesen und steht auch deshalb höher-) iAber sie hatte recht. Jch war schön. i Jch trug nun ein kräftig grünes Kleid, fo recht eine freudige, starte Farbe dort iMetall und Glanz, ich erlannte, daß Jmein früheres Grau nur unscheinbar ! gewesen, und fühlte mich gehoben. Da imalg wußte ich noch nicht, daß auch ’jenes prächtige Kleid verblassen würde »gegenüber der wahrhaft distinguierten HSchönheit meines jetzigen, das von sel ; tenem Graugriin ist, dein niemand an lsieht, trelche funkelnden Farbenblitze, welch goldgriines Dämmer allein die I Sonne darin erweckt. « Jch wufite das damals nicht und er lebte eine Zeit relativen Glückes —- bis neues Unheil drohte: ich brach eine sRippr. Zwar hatte ich dabei keinen ISchmerz empfunden, doch hielt ich das Efür ein Zeichen meiner heroifchen Nas s tur und zweifelte nicht, daß mein Ende snun doch geloinmen, als meine Herrin sinit ärgerlichem Bedauern von einem neuen Gestell sprach. Das war mein Tod. Wieder hatte ich Zeit, mich dat auf vorzubereiten, denn meine Rina len, ein rotber und ein weißer Schirm, wurden nun in Gebrauch genommen, während ich —- wie lange, weiß ich nicht — wieder in einer dunklen Ecke’ stand. Endlich hervorgeholt, nahm ich diesmal in wachem Zustande an» denVerhandlungen über mich theil. Der? Mann hinter einem Ladentisch öffnetei mich prüfend. erklärte das Gestell für-I tlapprig, Reparatur unnütz, rieth zu! einem neuen, leichteren, eleganterenxi lauch der Stock schien ihm verdächtig,f Iauch der sollte erneuert werden: »Es; lehnt sich um den schönen Griff,"s sagte er anerlennend, nachdem er alles s an mir herabgesetzt. Der Griff! E Schon dämmerte mir etwas; er reichte freilich, fürstlich genug, bei mir bis zu. den Stäben hinab! Der Griffh Sollte er?! J Und wirklich, ich erlebte das Wun-? der: Nachdem alles an mir erneuert war, fühlte ich, wie all’ mein Selbst bewußtsein nicht nur ungeschwiicht dasselbe geblieben« nein, nun erst war es wirklich erstarlt, ganz konzentriert, Vollkommen mächtig, wahrhaft fode-» räu! Es lag in meinem Griff — ich war mein Griff, —- dieser mein losts bares Selbst, mein wahres Jch. Einmy v. Egid-tm Weimar und Jena. » Wanderer, kommst Du nach Jena. so hiitle Dich in einen Looenmmitel Und Weltanschauung. Wenn Du aber nach Weimar tomnist, so laß Deinen Ciilinderhut aiifbiigeln und geivöhne Dir Stil an. Jiinast erzählte niir ein Franzose, daß ihn in Deutschland nichts so ieiir berirundert hätte. als die Ermahnunq uber Den Briestästen: Llufictirift iind Vriesiiicirle nicht vergessen! Wenn aber die preußische Postbehörde sich in oii tcrlicher Weise der Zerstreuten an nimmt, der Maniitrat der Universi tätestadt Jena aeht noch weiter, indem er, ioo immer nur möglich, Bilduiii tind Wissen auch in den xoeniaer er leuchteten stopfen seiner Mitbiiraer ;ii verbreiten trachtet, und mein sraniosi scher Freund hätte sich aeivisi noch nietir verwundert, wenn er bei einer Wande rung durch die alte Saalestadt etwa aus folqeiide Straßeninschrift aesto fien iriiret Veethobenstrasie. lLiidioizi voii Beethoven, bedeutender Tondich ter. Geboten 16. Dezember l77« iii Bonn, aestorben 26· März 1827 in Wien.) Und daß man an solcher Be reicherunq seines Wissen-z nicht leicht sinnig vorübergeht, dazu verhilft Ei nem das nachdenklich stimmcnde Stra: ßenpflaster. Jn Jena herrscht der Professor, und jeder, der nicht gerade Student ist, iit dort ein wenig Professor. Jch wohnte vor Jahren bei einem Schneider, »der bei jeder Gelegenheit von seinem Tisch herunter-hüpfte und mir gelehrte Vor träge hielt, am liebsten über die Min derioerthigleit der kFrauen, sur die er die schnurriqsten Beispiele anzusuhren wußte, bis-z das Erscheinen seiner eige nen ihn vertrieb, die ihn mit dem ech! sihiikingischen Schimptwsttt Alte s Brunimochset in seineWertstatt zuructi s jagte. . ! Diese Schneideråsrau stand eigent llich ziemlich einzig da mit ihrer Ber ;achtuna der Gelehrsamkeit Denn sonst lhabe ich gesunden, dasz die Jenenser fDamen es in Bezug daraus mit ihren Männern wohl ausnehmen können. Mehr als eine habe ich kennen gelernt, die ihres Gatten treue Mitarbeiterin und ihm kongenial war wie Madame Curie dem ihrigen. Andererseits ist dort freilich auch die Gattung der Blaustriimpse häufig vertreten. Diese Frauen erkennt man an ihren Loben capes, für die sie eine Vorliebe haben, und die ihnen Aehnlichkeit mit wan delnden Schulbüchern geben. Solch ein Zivitterwesen war es, das sich mir ge genüber einst für eine große Goethe rerehrerin erklärte. ,,Nur schade,« fügte es hinzu, »daß Goethes Werte deutsch geschrieben sind. Denken Sie an, welch ein Genuß es wäre, ihn zu lesen, tvenn er in der Sprache Homers gedichtet hätte. Uebrigens nimmt dieser gelehrte Grundton der Stadt nichts von ihrem fröhlichen Aspekt. Und es gibt kaum ein vergnügteres und hübscheres Bild Jst-«- an einem schönen Sommermorgen der Anblick des Marktplatzes. Ring-« nm das Denkmal des gemiithlichen al ten Fürsten Johann Friedrich, den die Studenten Hanfried getauft haben, hocken unter bunten Schirmen die Landweiber, verschwinpr feist, sonn dnrchglüht und ftrotzend, den Knollen nnd Früchten der Erde ähnlich, die sie feilbieten. Weit hinaus stehen vor den tueipen lange Tische, an denen bunt bemützte Studenten ihre Seidei schwingen und Konnnerglieder singen. Andere wieder schlendern in dichten Truva am Platz entlang und werfen nntthige Blicke nach rechts und links-. Auf der einen Straßenseite sieht man mehr niedliche Damen schüchternitect fianieren, aus der anderen leuchten rotherrschend die weißen Schürzen der drallen Dienstmädchen Und wie nun mir erzählte, ist das kein Zufall, son fern ein Brauch, der die Straße ein tlxeilt in die Seite der höheren und die der niederen Minne. Aug den Dach l1:ten des alten Rathauses aber stecken Musikanten ihre hellglänzenden Trom peten, und während man unten feilscht und flirtet, singt und trinkt, blasen die olen Choröle oder lustige Weisen. Ein hübscher Brauch, der seinen Grund in der Stiftung eines vor vielen Jahren reistorbenen Bürgers hat. Aber der Markt mit seinen duangen Häuserm die wie vergnügte alte Männlein aus das Treiben herunter blicken, mit seinem Hansried seinen Studenten und niedlichen Mädchen «:,eigte vor hundert Jahren kaum ern anderes Gesicht als heute. Das alles ist Alt-Jena· Das moderne Jena ist «hauptsächlich durch zwei Professoren-· namen charakterisiert, durch Abbe und Haeckei. Ernst Abbe, der große Weise, der seinen Kindern gerade so viel hin terließ, um sie vor des Lebens Not zu schützen, die Millionen aber, die sein Erfindergeist hervorbrachte, der Allge meinheit zugute kommen ließ, ist ein Typus, wie ihn kein anderes Land in solcher Reinheit hervorgebracht har. Es ist charakteristisch und erfreulich, daß sich gerade in diesen Tagen aus seinen Namen eine Kulturgesellschaft in Berlin gegründet hat, die seine Be strebungen weitertragen will. Was den anderen grossen Jenenser betrifft, so gab es eine Zeit, wo er iiberall anderswo mehr Anhänger be sas-, als gerade an dem Ort seines Wirkens Das hat sich freilich längst geändert. Aber noch heute halten seine Anhänger und Gegner sich in Jena die Wage. Und als dort vor el nigen Jahren der Monistenbund ge gründet wurde, entbrannte ein Welt anschauungsstreit, an dem die ganze Stadt sich erhitzte Durch die öffent lichen Bersannnlunaen, durch die Zei tungen hallte das Für und Wider in gewaltigen Tönen. Und es waren nicht nur die Gebildeten, es war das Volk selbst, das in diesem Streit initfocht. Jch sah in einer Versammlung einen mit einem Tablett voller Biergläser schwer beladenen stellner dieses Plötz lich bei Seite stellen, um dem Redner oben Beifall klatschen zu können. Als er dann meinem Nachbarn, der oben noch nach ihm gewinkt hatte. ein ge fülltes Seidel anbot, erklärte dieser miirisch: »Na, ich danke!« und zu mir sich wendend, fügte er hinzu: »Von so’e elenden Dualisten wär’ch doch nischt nähmen!« Solch ein Weitanichauunggnren träte in Weimar unmöglich« Eher noch als wegen der Einrichtung des Weltgebäudes würde man sich hier wegen einer Ziinniereinrichtung erhit zen. wegen der Erhaltung oder Zersto rung einer historischen Mauer, viel leicht auch nur wegen irgendeineg Bucheinbcinde5. Aber leicht wird man sich überhaupt nicht erhitzen. Die Lust in Weimar ist um einige Grade tühler als in Jena. Die Straßen sind breiter, das Pflaster ist erheblich bes ser. Und dennoch herrscht lein ge schästiges Eilen. Sondern dem auf merksamen Blick wird eine gewisse ge haltene Gemessenheit in den Geberden nicht entgehn, und iin Gedränge der hübschen Pensionsmädchen, der Kunst schiiler und Kleinbiirger fällt hier und dort eine Erscheinung von wirt licher Eleaanz ins Auge. Denn man ist in einer Hosstadt. Der Hof gibt dem Leben hier seinen Rhythmus-. Daß die Phantasie der Eingesessencu von allem, was Großherzogs angeht, erfüllt wird, ist nicht zu verwundern. Aber in alle Poren dringt dieser Ein fluß und ist im gesellschaftlichen so wohl wie im Geschäftsleben zu spü ren. Freilich dem oberflächlichen Blick des Fremden wird nur eine gewisse ruhige Würde der öffentlichen Gebäude nnd die Häufigkeit der Hoflieferanten schilder ausfallen. Was sind dem Be sucher von auswärtg die heutigen Weimaraueri Seine Zeitgenossen nicht allzuhoch einzuschätzem ist für viele ja ein Gebot der Selbstachtung. Nun gar, wenn man herkommt, um mit Goethe und Schiller Verkehr zu Pslegen Was gehen einen da die Nachgeborenen an! Aber diese haben den einen Vorzug, noch am Leben zu sein, und sie machen hier wie anderswo den intensivsten Gebrauch davon. Jch möchte zu gunsten des lebenden Wei marg nur eine Tatsache anführen, daß es hier nicht weniger als 193 Schrift teller gibt. Lebende Schriftsteller: Und von diesen 1 3 weiß ich nur von einem einzigen gewiß, daß er sich nicht ssiir ekenso bedeutend wie Schiller und Goethe hält. i Nein, Weimar, die Stadt der gro sßen Toten, ist in Wahrheit eine höchst ilebendige Stadt. Diese kleine Residenz Ton nur zweiunddreißigtausend Ein wohnern besitzt ein schönes großes Theater, eine Kunstschule, die jetzt Professor Madensen leitet als Nach scilger Ade-, an der Ludwig v. Hoff Imanm Hagen, Melchers, Thedh wirren oder bis vor kurzem tätig waren, es besitzt ein Kunstgewerbeinstitut, an dessen Spitze van de Beide steht, und eine Musitschule, deren Direktor Wil helm v. Baußnern ist. Es hat außer dem Goethe-Schiller- auch das Nietz sche -Archiv. Alle diese Namen be deuten ein Programm, drücken ver schiedene und oft sich heiß vefehdende Richtungen aus, stehen aber alle in mehr oder weniger engem Zusammen hang zu dein ältesten und modernsten Begriff: Kultur. Was ihr fehlt, ist freilich der fort reißender Strom eines großen Ge schäftslebens, der tosende Hammer schlag industrieller Betriebsamteit. Und ich glaube, von den vielen, die sich hier eine neue Heimat geschaffen haben, möchte nicht einer aus die Dauer jenes fröhliche Meerbransen entbehren, das die Stimme Berlins ist. Darin liegt vielleicht der Grund, warum die Wei maraner so oft verreisen. Mir ist diese Reiselust wenigstens in keiner Stadt so ausgesallen. Aber schließlich Iehren sie stets wieder hierher zurllct nnd lieben die baumbeschattete Parl stadt gerade um ihrer Ruhe willen, die doch nicht die faule Rentnerruhe be deutet, sondern die Stille, die notwen dig ist in jeder Werkstatt, in der künst lerische oder geistige Arbeiter tätig sind. Uebrigens wenn ich von dem stillen iWeimar spreche, so gilt das wahrhaf ILlls ich vor wenigen Tagen nach län:« itig nicht für die augenblickliche Zeit. gprer Abwesenheit hierher zurücktehrte, fand ich die ganze Stadt in einem Zu stand der Aufregung Und Betriersam reit, der eigentlich gar nicht siir sie charakteristisch ist. Es handelte sich um die Vorbereitun gen sijr das Tiefurter Fest, das am achtzehnten zu Ehren der Goethegesell schaft gefeiert wurde. Eine glän zende Gesellschaft, wie sie bunter nicht zu jener Zeit gewesen sein kann, als die Herzogin Anna Amalia ihre fröh lichen Assembleen veranstaltete, wird die Gäste empfangen. Karl Ungarn ter junge Herzog, und Luise, die lieb- » lich sanfte, werden in höchst eigener Person erscheinen, und es werden nicht » fehlen die charakteristischen Gestalten’ ihres Hositaats Und sollte der große i Olympier selbst dem irdischen Getriebe ; sich sernhalten, so ist doch zu hoffen,s daß Goethegeist diesem Fest eine fröh: s liche und schöne Weibe verleihen wird. ; Wilhelm Hegeler. I i Die körperlichen Anstrengunger der Frauen. lfs ist lielannt, das; man den Frauen mit der Bezeichnung »das s ,:oache Geschlecht« unrecht thut, sckon aus dem Grunde, weil sie im Ertragen von Schmerzen, aber auch im Ertra aen von Strapazen und Entbehrunaen mit gerinaen Ausnahmen mehr leisten als die Männer. Schon in der Praxis des qewöhn Tichen Lebens leistet oie Frau körper lich viel mehr als: der Mann. Setzen mir als Beispiel die Verhältnisse in einer Familie des Mittelstandes, in dem der Frau wohl ein Dienstmädchen , zur Leersiiauna steht, wo sie aber doch« das Kochen und die Hauswirttsscksrst selbst besorgen und außerdem natür lich auch noch mit deuKindern s,u thun Raben muß. Nehmen wir an, der Mann sei Beamter. Welches sind nun seine körperlichen Leistunan im Laufe des Tages-? Sie sind in DerTh it außerordentlich ( L——— gering. Da er es ziemlich weit zu seiner Ltfisxe hat, legt er nicht einmal den Mezq dorthin zu Fuß zurück, son dern fährt mit der Eisenbahn oder der Straßenbahn. Jn der Osstce hat er natürlich auch keine körperliche At beit zu leisten, er hat es ja nicht nöthig, Bäume ausszureißen oder Miihlsteine berumzutragen Mit irgendwie nen nenswerth schweren Gegenständen braucht er überhaupt nicht zu manipu lieren. Er kommt dann wieder mit Fahrgeleaenbeit nach Hause zurück und macht nachmittags vielleicht aus sGesundheitsrücksichten noch einen Spa ziergang. Darin besteht seine ganze körperliche Anstrengung. s Nun sehen wir uns einmal an, was die Hausfrau, die Gattin dieses Man nes, an diesem Tage geleistet bat. Sie that vormittags den Weg zwischen den ’verschiedenen Zimmern zahllose Male dnretmessem Dabei hat sie sehr osk »den Wen durch die ganze Wohnung im Laufschritt zurückleitet-. müssen, weil es Plötklich klinaelte und das Mädchen nicht zur Hand war, nn zu öffnen Sie hat in der Küche hantiert und stundenlang mit schweren Lasten gear beitet. Ein aesijllter Wasserkessel, wie er in Den Kuchen tiblich ist, wiegt 12 bis 14 Pfund. Wie ost allein im Laufe dieses- Vormittags muß die jHaugsrau diesen Kessel aufheben und wieder niedersetzen. Es sei hier auch noch kurz daraus hingewiesen, daß ein mit Speisen qeiiillter Schmortops aus gutem Material bis zu 20 Pfund koiegt nnd daß die Frau also allein beim Kuchen mit Gewichten von zehn bis 20 Pfund stundenlang zu arbeiten trat. Die Frau widmet sich aber nicht allein der Küche. sie muß sich auch mit den Kindern beschäftigen. Wie ost nimmt die Mutter nicht das Kind auf den Arm. lind auch ein solches Kind hat ein Gewicht von mindestens 20 Pfund; denn selbst der Säugling in der Wiege, den die Mutter so und so rst bochnimmt und wieder niederlegt, wiegt eine Anzahl von Pfunden, die sich durch die wiederholte Beschäfti gung mit dem Kinde natürlich sum mieren. Die Kinder müssen auch herumgetragen werden, besonders der Säugling —- das- bedeutet wieder das Herumschlevpen von Lasten. Es lag uns nur daran, andeutnngs weise zu zeigen. wieviel körperliche An ; strengung den Haussrauen zugemuthet twird Wie groß diese in Wirklich icit ist, scheint man selbst in den in teressierten Kreisen, nämlich seitens »der Eheaatten, nicht zu wissen; sonst ’miirde man die Arbeit der Frau in Kuche, Haushalt und Kinderstube hö iter bewerthem als dies leider sehr ost geschieht. Wenn aber ein: brave, Pslicltiteisrige Hausfrau abend-H darüber klagt, daß sie zum Sterben miide sei nnd sich nicht mehr aus den Beinen halten könne, hat sie wahrlich Grund genug zu dieser Klage, denn sie hat gewöhnlich körperlich das Zehn- bis Fiinszclkufache von dem geleistet, was found so viele Männer an diesem Tage oor sich gebracht haben. Das: sie dabei auch geistig nicht un thiitig war, ist ganz selbstverständlich. -.-— Sprüche der Lebensweiöheit. Ob gut, ob schlecht das Jahr auch sei, Ein bißchen Frühling ist immer dabei. Wer teinen Willen hat, ist immer rathloei, Und wer kein Ziel hat, ist immer pfad los, Und wer nicht Früchte hat, ist immer saatlos, lind wer kein Streben hat, ist immer thatlos. Schaffen und Streben ist Gottes Ge bot; Arbeit ist Leben — Nichts-thun ist Tod. Der Herr muß selber sein der Knecht, Will et’g iin Hause schassen recht. Wisse, was dich dünkt die Welt zu sein, Das ist der Widerschein von deinem Herzen, Sie ist voll Lust, wenn dieses klar und rem, Wenn trüb der Sinn, so ist sie voller Schmerzen. Weise ist, der nicht traurig ist iiber das, was er nicht hat, vielmehr froh iiber das, was er hat. Unglückselig ist der Mann, Der unterläszt das, was er kann, Und untersängt sich, was er nicht ver steht, Kein Wunder, wenn er zu Grunde geht.