Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 15, 1910, Zweiter Theil, Image 11

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    I I
Ofen-r Schreibebrief non
Tizztk sank-ungel.
l
No. 528. Wenn ich mich auch ost
iwwer unsere Kids ärgern mu,sz, so»
muß ich sdieselwe Zeit doch sage, daß;
es arig schmarte Kinner sin un daß
die schuhr ihren Weg in die Lumpe
welt mache wer’n. Was die nit fertig
dringe, das is nit werth, das-, mer es
täckele dicht. Immer mache se sich edbes
zu schaffe, un wenn es auch mehrschs
tentheils Sache sin, wo von keinem
Juhs sin, so kann mer doch sehn, daß
se denle un daß se ihren Gohst mit
ebbes ackjupeie un das is bei so Kids
viel werth.
Den annere Dag hen lch ausgefun
ne, daß se sich e Luftschiss baue, so
was mer ans deitsch en Edroplan ruse
duht. Wie ich ausgesunne hen, da hen
ich gesagt: »Ihr Lande« so ebbes könnt
ler nit duhn, da stn Schlill un
Ecksspierienz un was all nöthig.«
«Well, hat der Bennie gesagt, ou
werscht es ja aussinnr. Schlill un
Eckspierienz duhn zu nattingo ernann
te, wenn mer nit weiß, wie mer es
mache muß un du kannst dein alte
Winterbtinnet dran bette. daß mir
wisse wie.« Was sage Se zu so en
Gahl, Mister Odithori Jch ben se
dann auch ganz ruhig gehn lasse un
ich muß sage, das Ding hat en gute
Prohgreß genomme. Se den annver
auch jede Minnit dran geschafft; se
den jetzt Zettel-schen un da hen se ofs
staats plentie Zeit gehabt. Ich hen
se e ganze Latt Geld gern-we müsse sor
alle mögliche Stoff zu laufe, awroer
was tann mer da dagege duth Es
is mich ennihau viel liewer gewese,
daß se sich in die Jahr-d mit ebbes be
schästigt nen, als daß sein die Stritte
erum gelause stn un die Piebels ge
luttert hen. Se hen keins von die
Aids an die Stritt erlaubt in die
Jahr-d zu lomme, bilahs se hen nit
dawwe wolle, daß die gesehn hen, was
se duhn. Nit emal ihren Pa hen se
ilfsr Lastschiff sehn wolle lasse. Jch
allein sin in den Silret geweic un das
hat mich von die Buwe recht gut ge
s.111e. So soll es- auch sein, die Mut
ter soll immer von alle-«- unnerrichtet
sein.
Uss en schöne Dag is Der Bennie
tomme un hat gesaat, se wäre jetzt ser
tin« un weil ich immer so gut zu se
arme-se wär un hätt se in en seinen
scbiel Weg suppohrtet, wollte se auch
hatowe, daß ich den Bennesitt davon
hen sollt: Jch derst die erschte Reit in
den Ehroplan mache. Da hen ich ge
sagt: Dennih hen ich gesagt, ich ep
prieschiehte das ehrenvolle von eiere
Jmoitehschen awtver ich sin sarrie zu
sage, daß ich nit eckzepte kann. So e
Ding wie Jhr eins gebilt habt is nit
sitt sor en Mensch zu terrie un in die
erschte Lein nit so e staute Person wie
ich eine sin. Laßt eiern Balluhn
erfcht emal mitaus jemand aussteige.«
Du hischt sonnie, hat der Bub gesagt,
das wär mich auch e schönes Luftschiss,
wenn mer nit drin reite lönnt. Well,
hen ich gesagt, ich rvill emal sehn,
mehbie daß ich noch mein Meind
tschehnschr. Weil hat der Bennie ge
sagt, heut Nachmitag ukn 2 Uhr gehts
los-z; ich iahle sor sdich un dann mußt
du lomme. Jch hen mei Dinner ge
tocht, mer hen Dinner gehabt un rann
den ich, wie mei Disches gewasche
ware, mich mein Nacker in en duntle
Platz gestellt un hen e tleine Rest ge
nomme. Aus einmal sin die Buwe
lomme. Se hen mich so lang getiehst
lis ich mit se in die Jahrd gange sin.
Der Ehroplän hat in die Jahrd ge
stanne un ich muss sage, es hat ziem
lich sallid geauett, blos hen ich nit
alauloe tönne. dass so e Ding wert
lich en Mensche in die Lust nenme
tönnt. Se hen mich getiest toie allez,
ich sollt mich enei sehe, ich hen ress
iuhst un wie mer immer so einsellig
is, hen ich schliesslich doch nachgemwe
un hen mich enei gesetzt Der Bennie
hat sich vorne hingesth sor zu stiere.
Er hat sich sor die längste Zeit an die
Meschienerie zu schasse gemacht, bis
usf einmal die Meschien en Tschert
kriegt hat un die Mehli hen ge
muhst. Zuerscht ganz langsam un
dann immer schneller sin mer in die
hsh aange un ich muß sage. ich hen
so praut gefühlt, als oh ich en Preis
sor das beste hohm mehd Brot ge
stiest hätt. Bald sin mer istoroer die
Nusss von die Hasser geiveie un mer;
sin immer weiter lomme un immer
höher und schließlich hen die-Bildings
geguckt wie Pienoits. Es ismich ganz
difsie geworde un ich hen gar nii
mehr oaunftehrs gucke könne. Well,
Ma, hat der Bennie gesagt, ehni ichie
e Bord? Jch kann nii annerfchie lei
gele, es is ehbes großartigez gewese«
Da hat es auf einmal en Krach gew
wr. Die Mäschien hat gestoppi un der
Bennie hat gesagt: Ma, jetzt sin mer
de Katze. Die Jnschein is an mich
daun gebroche, du besser ischumpii.
Bifchi du lrehsig hen ich gesagi, wie
rann ich als e Lehdie da enunnes
ischumpr. Well, hat er gest-gi, mehbie
du fällst auf ebhes sahfiesx ich weiß
iein annere Weg. Da hen ich mich an
die Seit erunnergelasse un mich errin
ner bamble lasse. Mer sm geiunle un
ich kann Jhne sage, ich hen gegucki, wie
en Monster Balluhn. Jch fm efchehmi
gesroese irvie alles, bilahs was solle die
Piebels denke, wenn se mich in so e
Siijuehfchen sehn! Da hat der Ben
nie gehallerh »Ma, tichump, die Mos
ichienrie geht in Pieses!« Da sin ich
geiichumpi un e Seelend später hen ich
an den Graund gelege. Dann lann ich
mich nicks mehr erinnere bis ich nach
die längste Zeit wieder zu mich komme
sin. Wie ich die Auge ausmache, hen
Iich in mei Sittenruhm an den Flohr
Egelegr. sJch sin bei mein Rest einge
» schlofe gewese un war von den Nacker
gefalle un die ganze Storie von die
Ehroplän Reii hen ich nur gedriemt
gehabt. Mii beiie Riegardö
Yours
) Lizziehanfstengki
Dir-Orest
Richter: »Wenn Sie keine böse Ab
sicht hatten, warum hielten Sie danr
das Automodil im Walde an?«
Stroich: »O, ick wollte nur ’n bis
ten Benin, um meine Krawatte zu
puyen!«
Durchschnnt.
« Er: »Liebfte Dota, ich habe mich
entschlossen, Dir den Pelzmnntel zu
tausen!«
Sie: »So —- was fiir eine Dumm
heit willst Du da wieder bemänte!n?«
Stirn-at nicht.
»Ach, ja — erinnere mich —- sehr
gute Familie —- haben noch Brüder,
lieber Leutnant?«
»Mir einen, Herr Baron!«
»K11rios, sprach neulich mit Ihrer
Schwester, sagte mir doch, daß sie zwei
Brüder hätte!«
Miser- Gedanke.
Nonnen Sie sich vorstellen, Herr
Müller, wie einer sden Schmerz vers
beißt, dem alle Zähne eingeschlagen
sind?«
Unansenrhme Demütig-«
»Hm das Publikum gestern auch
wieder mitgetpielt?"
»Zogar »iibel«; der Mephisto ist
bettlägerig!«
Bessernnth
Bei-scheut »Ach — ist der »Sei-r Lend
nant noch heifek?'«
Bursche: »Me, is wieder ianz jut —
konnte heute Morgen jchon janz deutlich
«Honwchfe« zu nur Ingeni«
- Gewiss-.
Qiqven »Vater, laß« uns auch einmal
mitttmtenl«
Vater: »Sie t»nicht, Kinder —- es faqu
so schon eene liege mitl«
vie wikihscxxsniche Entwiro
lung Italiens.
lContincntal-.llor1·esvondcm.)
Während alle anderen europäischen
Großstaaten im letzten Jahre neuer
Steuern oder Anleihen bedurften, um
das Gleichgewicht der Einnahmen mit
den Ausgaben herzustellen, hat Italien
zum erstenmal seit seiner Begründung
vor 50 Jahren einen Ueberschuß aufzu- »
weisen, obwohl die Folgen des großen;
Erdbebens von Weihnachten 1908 au-»
nerordentliche Aufwendungen zur Un
terstiihung der heimgesuchten Gegensi
den nothwendig machten. SeineStaiitS
anleihen stehen« obwohl sie auf 82 th. »
lonventiert worden sind,ijber Pari unos
sind fast vollständig im Jnlande unter
gebracht. Das Land ist in den lehten
Jahren wirthschaftlich erstarlt und ist
mit Recht stolz auf den glänzenden Er
folg der von »dem früheren Manier
minister Gioletti und dem jetzigen
Luzatti durchgeführten Konversiom
i Auch der Außenhandel hat sich von
;dem Rückschlag des Jahres 1908 wie
der erholt und mit einer Gesammtfum
itne svon 4912 Mill. Lire die frühere
i Höchstziffer wieder etwas übertroffen
:Davon entfallen allerdings nur 18351
iMillionen auf die Ausfuhr Und nicht
! weniger als 8079 Millionen auf die
» Einsicht-. Dennoch ist die Zählunqsbii
H lanz Italiens sehr günstig geblieben,
. denn die Bevölkerung hat zwei Einnah
i mequellen, die allein beinahe hinrei
s chen, um die Differenz auszugleichen
l Das sind die ungeheuren Summen, die
der Fremdenverlehr ins Land bringt«
und die Geldsendungen im Auslande
arbeitender Jtaliener an ihre Familien
in der Heimat. Das Geld, das die
fremden Neifenden ins Land bringen
wird nach Abzug der Ausgaben, die
Jtauener aus vierten in anoeren Lan
dern machen, aus 600 Millionen Lire
aeschötzt. Die italienischen Arbeiten
die aus einige Jahre ins Ausland ge
hen, senden etwa 400 Millionen Lire
an ihre Familien. Dazu lommen noch
die Erträgnisse der Küstensischerei und
die Vetproviantiekung der ans italie
nischen Häsen auslaufenden Schiffe
Rechnen wir dazu, daß bei den impor«
tirtenWaaren die Transportto ten mit
angerechnet sind, bei den exportierten
aber nicht, so erscheint Italiens Han:
delshilanz in günstigem Lichte.
Jn seht gewaltigem Ausschwungiist
die italienische Industrie begriffen. Die
Nationalökonomen haben es zwar alg
ein uniiberwindliches Hindernis der
Jndustriealiiietung der Appeninischen
albinsel hingestellt,daß die Natur ihr
«teinlohlen- und Eisenerzlager ver
sagt hat« In der Tat spielen bei der
Einsuhr Steintohlen und Eisen eine
große Rolle. Aber mehr und mehr
findet Italien in seinen Wassetlkästen
durch elettrische Kraftanlagen einenEr
saß siir die Steintohlen als Kraft
quelle. Außerdem hat sich die Eisen
ptodultion und Stahlerzeugung seit
1904 verdoppelt Man hat also wohl
» diesen Nachtheil der natürlichen Ver
Hordnuna als wirthschaftlichen Faktor
überschätzL
! YCOM ckycollcycl als Dck Usylclllllls
port ist die Getreideeinsuhr, der Ita
lien bedarf. Jn der Kammer tani es
» im April 1909 zu sehr lebhaften De
f batten darüber, ob es nicht im Inter
esse der industriellen Arbeiter wun
Ischen-zwertk) sei, dieGetreidezölle aufzu
f beben und dadurch den Brotpreiss her
I anzusetzen Dem hat sich aber der da
malige Ministerpräsident Giolitti leb
hast widersetzt. Er will vielmehr durch
einen Schußzoll und eine systematische
Förderung derLandwirtbschatt allmäh
l lich eine Umwandlung vorbereiten. Es
wird in Italien zu viel Weinbau und
zu wenig Rörnerbau betrieben, weil in
ssriiheren Jahren, als Frankreich von
s der Reblaus heimgesucht war. siir den
» Wein eine dringendeNachsrage bestand.
Jetzt leidet dasLand an einerUeberpro
dukticn an Wein: es wäre also volks
s wirthschastlich richtiger, wieder zu stär
lerem Getreidebau zurückzukehren da
man in den-Industriezentren einen loh
nenden Markt sinden könne. Die Kam
» mer erkannte die Notwendigkeit, den
! beimischen Getreidebau zu schützen,
i durch eine Resolution an.
« Eine andere Frage ist, ob die Aus
wandererpolitit der italienischenRegie
rung berechtigt ist. Augenblicklich sor
dert die Regierung die Auswanderung
mit allerlei Maßnahmen. Werden aber
dadurch nicht der emporkommenden
Industrie die nothwendigen Arbeits
träste entzogen? Die Regierung ist der
Ueberzeugung, daß das augenblicklich
noch nicht der Fall ist und daß die jun
ae Industrie noch nicht in der Lage sei,
ldie Maschinen und Baulichtciten zu
beschaffen, die zur Beschäftigung der
Hunderttausende, die im Ausland Ar
beit suchen, nothwendig wären. Aller
tiings regt sich auch bereits im Aus
lande die Opposition der einbeimischen
) Arbeiter gegen die Konkurrenz der ita
s lienischen Wanderarbeiter, die keine
j Steuern bezahlen und einen niedri e
s ten stund-tret ot· lifis haben. zu
Frankreich geht man mit dem Plane
einem Zoll zu belegen, wie es in Nord
amerika gegenüber den Chinesen ge
» schiebt. Auch haben die unruhigen Ele
;mente unter den italienischen Arbei
t tern im Auslande zu vielen Klagen
! Veranlassung ge eben. Jn einzelnen
s deutschenBundes taaten hat man es nö
sthig gesunden. die italienischen Arbei
I ter ebenso wie die russischen und ganzt
ischen durch Ausweistarten zu le iti
; mieren, um Störensriede durch poli ei
sliche Benachrtchtigung zum Verlassen
des betreffenden Staates aufzufordern
Ganz zweifellos hat die augenblicklich-.
Förderung der Auswanderung durch
dLe italienische Regierung auch eine
Kehrseitr. Es ist aber zu erwarten, daß
mit der Ausdehnung der- Getreides
» baues und der fortgeschrittenen Jn
;dufirialisierung Italiens bald der
jetzige Standpunkt überwunden wird,
auf dem die Auswanderung von Ar
beitern als ein Segen fiir dasHeimath
land betrachtet wird. Diese Frage
muß früher oder später an Italien
ebenso herantreten wie an Japan.
Ein Begräbnis ohne Sang und
Klang.
thraßburgcr Post)
Die preußifche Wahlrechtsvorlage
ist gefallen — abgethan —, begraben
ohne Sang und Klang. Des freuen
»wir uns von Herzen, und doppelt
freuen wir uns, weil sie gefallen ist
nach völliger Klärung der Lage —- ge
scheitert an dem hartnäckigen Wider
stand der Konservativen gegen jede
wirkliche Verbesserung des preußischen
Wahlrechts, gefcheitert an der Unehr
lichteit und pharifäischen Heuchelei des
Zentrums-, dessen Mund trieft von fal
lsungsvollen Honigsworten für das di
rette und geheime Wahlrecht und das
dennoch mit denKonfervativen am glei
chen Strange zog, — gescheitert aber
auch an dem mannhaften Widerstande
der Nationalliberalen, die bis zum letz
ten Augenblicle bemüht waren, der
Vorlage ein freiheitlicheres und der so
zialen Vollsschichtung in gerechterer
Weise Rechnung tragendes Gepräge zu
geben. Wie ein Alb hatte es auf der
Seele aller wahrhaft liberalen Männer
gelegen: Werden die Nationalliberalen
fest bleiben? Werden sre sich der zwei
ten Hälfte ihres Namens erinnern und
als liberale Männer einem Entwurf
ihre Zustimmung versagen, der aus
realtionärem Geiste geboren war und,
wo er Konzessionen machte, mit der ei
nen Hand zurücknahm was er mit der
anderen gab? Jn einem Gefühl der
Erlösung atmete man aus, als man
die Erklärung des Abgeordneten Dr.
Friedberg las, die eine volle Absage
bedeutete u. noch einmal die Nothwen
digteit der diretten Wahl unterstrich.
Nein, die Nationalliberalen Jwiirden
fest bleiben bei der entscheidenden Ab
stimmung!
Zu dieser Abstimmung ist es nicht
gekommen. Nicht einmal ein Begräb
nis in allen Ehren hat man dieser
Vorlage gegönnt. Nachdem die Par
teien ihre Erklärungen abgegeben und
trotz dringender Ermahnung des Mi
nisterpriisidenten an ihren Abände
rungsanträgen festzuhalten ercllärt
hatten, erhob sich Herr Dr. v. Beth
mnnn-Hollweg, um festzustellen, daß
die preußische Regierung unter diesen
Umständen keinen Werth mehr auf die
Weiterbeuthung derVorlage lege. Das
mit war der Gespßentwurs in allen sei- s
nen Formen — Regierungsvorlages
Abgeordnetenhausentwurs, Abändel
rungen des Herrenhauses —- erledigts
und mit ihm alle Anträge der Par-!
leien. Ohne Abstimmung, sang: und
klnnglos ist die preußische Wahlrechtss
lvorlage in der Versenkung verschwun
den.
Wir begrüßen diesen Ausgang mit
aufrichtiger Freude. Wir haben dem
Entwurfe einer Wahlrechtsreform in
Preußen gleich von vornherein keiner
lei Geschmack abgewinnen können.
Weder die Regierungsvorlage, die
zwar die direkte Wahl bringen, aber
die öffentliche Stimmabgabe beibehal
ten wollte und mit ihrer Privilegie
riing der Unteroffiziergdienstzeit ent
schieden schlimm daneben griff, noch
auch der tonfervativiklerikal verschlech
ierte Abgeordnetenhausentwurf boten
eine auch nur einigermaßen erträgliche
Grundlage fiir eine wirkliche Wahlre
form. Aber auch die fchwächlichenJ
Verbesserungen, die das Hurenhaus in
die Vorlage hineinbrachte, änderten an
deren Grundcharakter nichts und
machten sie für liberal denkende Men
schen nicht genießbarer. Wir selbft
haben uns stets als Anhänger eines
volksthümlichen allgemeinen. direkten
und geheimenWahlverfahrens bekannt,
wenn wir auch — im Gegensatz zum
unverbrüchlich festzuhaltenden Reichs
tagswahlrecht —- für die Einzelstaaten
ein abgestiiftes, der sozialen und Bil
dungsschichtung des Volkes entspre
chendes Wahlrecht dem schablonenmä
siig gleichen verziehen. Für ein pluto
kratisches Rlassenwahlrecht mit not
dürftig aufgepfropften ,,Kulturtr«ciger
Privilegien« haben wir dagegen nie
etwas übrig gehabt. Und so können
wir in diesem Augenblick nur lebhafte
Freude empfinden, da die am falschen
Ende begonnene und von Konservati
ven und Zentruin in seltsamer Brit
dergenossenschaft betreute Wahlrechtss
reform in Preußen das reichlich ver
diente Schicksal ruhmlosen Scheiterns
gefunden hat. »
Für die nationalliberale Partei?
wäre es ein Unglück gewesen, wenn sie!
den Versuchungen gegenüber, die wer
bend von allen Seiten an sie herange
treten sind, nicht feft geblieben wäre.
Und mehr als einmal haben wir mit
tiefer Sorge gefürchtet, daß zum min
desten ein Theil der Nationalliberalen
sich schließlich mit den Herrenhausvor
schlägen abfinden und ihnen zur An
nahme verhelfen könnte. Die Starr
köpfigleit der Konservativen hat das
verhindert; hoffentlich aber auch das
zuletzt doch laut fchlagende liberale Ge
wissen derjenigen Nationalliberalen.
die gern zu einem »positiven« Ergebnis
»an.31, mynn du din: weiter so dumm anstellst. dann bist du in zwanzig Jah
mi mitt) noch em Pcccnlo!«
mitgeholfen hätten. Jetzt, da die
Gefahr vorüber ist, darf man es laut
beraussagem die Annahme dieser
Wahlrechtsreform mit nationallibera
ler Hilfe wäre die Katastrophe ge-·
wesen, —- die Katastrophe für die na
tionalliberale Partei selbst. Selbst
wenn es gelungen wäre, durch die
Drittelung in den Wahlkreisen anstatt
in den Urwahlbezirten eine Anzahl
nationcklliberaler Landtagsmandate in
Rheinland und Westfalen zu retten
und einige neue zu gewinnen, — die
Resonanz in dem preußischen Volke
träte der Partei bis auf den letzten
Nest verloren gewesen« Und schlim
mer als das: im Reich würde der
Umfall der Nationalliberalen einfach
vernichtend gewirkt haben. Nicht
etwa nur die Jungliberalen, nein,
Tausende und Abertausende besonne
ner, ruhiger nationalliberaler Männer
würden einer Partei den Rücken ge
lehrt haben, die ihre Hand zu einer
solchen Wahlreform geliehen hätteJ
Bei den nächsten Reichstagswahlen
würden die Wähler die Quittung er
theilt haben. Sie hätte gelautet: völlige
Aufreibung der nationalliberalen Par-«
tei.
Diese Gefahr ist überwunden. Die
nationale Partei hat teinen Zweifel
darüber gelassen, daß sie bereit gewesen
wäre ,an einer wirklichen Wahlrechtg
resorm mitzuwirken, daf; sie aber die
sen Wechselbalg, den man dem preußi
schen Volke unterschieben wollte, ihre
Zustimmung versagen müsse. Diese
Haltung wird man in allen gut natio
nal und liberal fühlenden und denken
ten Kreisen unseres Volkes billigen
und init Genugthuung begrüßen. Die
nationalliberale Partei hat wie bei der
Reichöfinanzreform dethith gefunden.
bis zuletzt Oppositiongpartei im besten
Sinne --— nicht in dem der bloßen, lee
ren Verneinung -—— zu bleiben. Sie hat !
anerkannt, dasz in den großen Fragens
der Weltanschauung, um die es sich«
hier handelt, ihr Platz nicht rechts ist,
sondern links-, wo der gesammte bür-.
gerliche Liberalismus in geschlossenen
Phalanr steht. Das wird man der nass
,tionalliberalen Partei angesichts der’
Schwierigkeit ihrer Lage doppelt hoch
anrechnen müssen.
Die preuszische Wahlrechtgvorlage ist
erledigt. Ter ltamps um die preuszische
Wahlrechtgresorm darf keinen Augen
blict ruhen« Er tritt erst jetzt in sein
wirklich entscheidendes Stadium. Auch
hier werden in Zukunft Kompromisse
nöthig sein. Aber die nationalliberale
Partei wird sich, so hoffen wir, jetzt
fester als je auf den Boden ihrer Mag
deburaer Beschlüsse stellen und mit al
ler Klarheit vor allem die Forderung
der direkten und geheimen Wahl aus«
ihr Banner schreiben, die unter allen
Umständen die Grundlage siir eine
wirkliche Wahlresorm bilden muß. Jn»
diesem Kampfe wird die national-i
liberale Partei an ihrer Seite die fort-«
schrittliehe Volkspartei als treue Ver
biindete finden. Und hinter ihr wird
die Mehrheit des preußischen Volkes
und die moralische Unterstützung aller
Liberalen im Deutschen Reiche stehen.
Der Kampf wird nicht leicht werden;
er wird Opfer und Selbstverleugnung
verlangen. Aber er wird und muß zum
Ziel führen. Das ist unsere feste Zu- i
versteht.
Unterirdische Gänge in Sachsen.
Aus Glauchau wird berichtet: Jn
der Nacht zum Pfingstsamgtag ver
sank hier plötzlich ein Theil des Stra
ßendamrnes an der Einmündung der
Marktstrasze auf den Marltplatz,was
den Bruch der Schleuse, Gas- und
Wasserleitung, sowie die sofortige
Räumung eines dreistöekigen Eckhauses
zur Folge hatte. Zweifellos ist wieder
einmal einer der vielen unterirdischen
Gänge eingestürzt, mit denen mehrere
Städte unserer Gegend, vor allem
Lichtenstein, fast völlig unterminiert
sind und von denen sich manche viele
Meilen weit verborgen durch das Land
hinziehen. Denn von vielen ist die
Ausdehnung und die Richtung ebenso
unbekannt wie der Zweck, dem sie frü
her dienten.
Der längste von allen ist wohl der
sogenannte Sachsenstollen, der (etwa
17Meilen lang) von Freiberg bis nach
Scharfenberg an der Elbe (oberhalb
Meißen) sich hinzieht, so daß er die
einst wichtigen Silberbergtverte an
beiden Endpuntten mit einander ver
bindet. Ebenso mögen auch noch viele
andere solche Gänge im Jnteresse des
Bergbaues angelegt worden sein, mit
dem sie dann wieder versielen. Auch
die Prinzenhöhle bei Stein-Harten
stein an der Zwickauer Mulde ist in
Wirklichkeit gar keine Höhle, sondern
der Ausgang eines solchen Stollens,
durch den vermuthlich die Prinzenriiu
ber Mosen und Schönsels —- die Ge
nossen Kunzens v. Kaufungen —- mit
dem Altenburger Prinzen Ernst dahin
gelangten. Ob aber auch dieser Gang
mit dem Bergbau zusammenhing, ist
fraglich, und bei vielen andern ist es
direkt ausgeschlossen. So führt von
der Albrechtsburg (über Meißen) ein
Stollen erst in dem Berge hinab bis
zur Elbe und dann unter dieser hin
durch weiter.
Auch die unterirdischen Gänge in
Glauchau und in Lichtenstein gehen
von den dortigen Schlössern aus. Auch
in Werdau gibt es solche Gänge. Jn
Lichtenstein nnd Werdau unternahmen
ess vor ein paar Jahren eine Anzahl
Herren, mit sdem nöthigen Handwerks
zeug und geeigneten Hilfsträften aus
gerüstet, den Gang, der diese beiden
Städte verbindet, zu durchforschen.
Die Lichtensteiner stiegen vom dorti
gen Schloßhofe aus über drei Treppen
in einen Gang, von dem sich später ein
Nebengang abzweigte. Jn beiden Gän
gen befanden sich in regelmäßigen Ab
sständen von einander Nischen, und die
ganze Anlage ist in gothischem Stile
ausgemauert Jhr Bau muß infolge
des sehr harten Gesteins eine ganz to
lossale Arbeit gemacht haben und kann
deshalb nur durch Frondienste bewert
stelligt worden sein.
Mit dem Bergbau lann er nichts zu
thun gehabt haben, da hier fiir Berg
leute nichts zu holen war. Umso mehr
überraschte die Höhlenforscher daher,
daß eine lange Treppe, über die sie ta
nien, sehr aus-getreten war, was sie
aus eine sehr häufige Begehung deute
ten. Der eine Gang fiihrte dann zu
nächst bis an einen Thurm (von 50
Fuß Höhe und ti Fusz lichter Weite),
der charakteristischer Weise nicht über
die Erdobersläche hervorragt. Die
Werdauer gelangten ebenfalls bis
auf einen größeren, ganz glatt
bearbeiteten Raum, dessen Wand
slächen jetzt völlig mit Tropfsteinhil
dungen überzogen sind. An diesen bei-«
den vorläufigen Endpnntten gaben
beide Erpeditionen ihre mit ziemlichen
Mühsalen nnd llnbequeinlichteiten
verbundenen Nachforschungen aus, so
daß man also noch nicht alle Geheim
nisse dieses Ganges kennt. Seit 1702
steht am Ausgange der Höhle, in die
die Werdauer eindrangen, eine Mühle,
und die Müller benutzten diese seither
alg Keller, ohne sich weiter darum zu
tiimmern, wie tief diese in den Berg
hinein gehe. Es ist anzunehmen, daß
diese Gänae und ihre einsiige Bestim
mung während der Sturmzeiten dez
Dreißigjährigen Krieges in Vergessen
heit gerathen sind.
W—
Nicht zu haben.
Studio sim Luftscliiffiz ,Wa«3 —-—·
kcip Bier in der Wunder-! Hain-m ich
Iteig sofort wieder ans-l«
Was tut der Rechtsmrwalt oft, um
eine ungefehliche handlung zu recht
fertigen? Er betuft sich auf das Ge
setz.