Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 20, 1910, Zweiter Theil, Image 16

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    seien-ins mis- Sekt
Essiue m L. G. Moder-n
G lag ins- Staub m zahm-ums
Die Jenes-. die. urn einein in Lumpen
Wüten Bettler auszuweichen mit
einer Gefte des Abscheus vorn Bürger
Zeig herantertrat, sah es dort liegen
—- ein winziges Schuhchen.- —
Stoctend ging ihr Art-em. als sie es
erblickte. und doch trat sie hinzu, um
es genauer anzusehen
Sie war nicht mehr jung diese
sattliche Frau mit den hochmüthiqen
Zügen der man es ansah daß sie es
nicht über sich gewinnen tannte einen
zerlnnrspken Bettler mit ihrem Kleide
zu sireifen aber sie war schön, sehr aut
gekleidet und sehr auffaklend Von
den Flechten ihres sorgfältig trisirten
Kopfes bis herab zu den Spiyen ih
rer eleganten Schuhe war sie der Iyp
der vornehmen Dame von Welt, der
die Gesellschaft und ihre Gesehe alles
bedentenz was außerhalb lau, eriftirte
nicht für sie Und diese eleganke Dirne
zögerte und blieb stehen« um anf das
kleine weihe Etwas, das da im Staub
der Londoner Straße lag. herabzuse
hety und sie holte tief Athe:!s, alsZ sie
es erkannte.
Es war nur so ein kleines Ding
ein Bobvschsbchen aus weißem Leder.
- das von dem winzigen Fäßchen in den
Staub des Julitagees geglitten sein
mochte und nun aerade dort tag, wo
stvendolvn Marchmont vorn Trottoir
heruntertrat Und als der Blick ihrer
Augen s— ihrer schönen, kalten Auaen
— darauf fiel, überlief sie ein leises
Zittern. Einen Blick zuriiaroerfenrx
als oh sie sich ihres The-ne- schä- te
bückte sie sich, nahm den kleinen Schuh
auf und wischte mit dem Spitze-ita
sckyentuch das sie in der Hand hielt,
darüber, als oh sie es von dem Stra
ßkuichmutz reinigen wollte. Niemand
von den hastig vorübereilenden Pai
lanten hatte sie hernertk, alle waren
von ihren eigenen Geschäften und Un
ternehmungen zu sehr in Anspruch ge
nannten. als daß sie aus die einzelne
Dame gerichtet hätten· Niemand be—
merkte auch, wie sie rnit schnellen
Schritten weiter-ging einen kleinen
Gegenstand fest, fast stolz in der Hand
haltend, als ob es eine qanz besondere
Kostbarkeit wäre, die sie im Staub zu
ihren Füßen gefunden hatte. Und
während dieses ganzen Wege-«- batte sie
nur den einen Gedanken, io schnell wie
möglich nach hause zu aelangenx erst
als sie den erstaunten Blick ibkss Stu
benmädchens, das ihr auf its-r Lauten
die Thiir öffnete. bemerkte, erinnerte
sie sich daran, daß sie vor einer bakben
Stunde ausgegangen war, um den
ganzen Nachmittag fortzubleiben
»Ich« — sie sah das Mädchen an und
zögerte einen Augenblick —-—— »ich gehe
seht nicht aus, bin aber auch für nie
mand zu Hause«, murmelte sie unzu
ssammenhiinaensd. Schnell schkiipfte sie
an dem erstaunten Mädchen vorbei in
ein kleinei Zimmerchen neben den:
Spukesaah das von jeher ihr Sant
tnntium war; hier fant sie in einen
Stnhl am offenen Ienftet, als ob
ein stundenbanger Weg sie ermüdet
hätte.
Wie lange, o io sehr lange mnr es
her, so überlegte sie, das-, sie ium letz
tenmnl solch ein kleines iveiszeg Ding
wie dies in der Hand gehsbt thte
Sie steckte zwei ihrer Finger hinein,
und ihr Herz zog sich zusammen, als
sie in Gedanken das tleine Fäßchen
vor sich sah, das zuletzt von Dem knei
chen Leder umspannt wurde LE- es
wohl auch so zart und rosig war wie
— wie das kleine Fäßchen, aus du«
sich ihre Lippen so ost in linge ver
goagenen Tagen gepreßt Hatten-.- Hat
ten lachende, schelmische Kinderaugen
sich zu den-. Gesicht ihrer Mutter erho
lben, als dieser kleine Schuh heimlich
von selbst gefallen, wie es wohl manch
mal geschieht, wenn das dazu gehörige
Fäßchen gar so märchenbaft klein ist?
Ein Nebel stieg vor den Augen Jus,
die noch vor einer lleinen Weile so
stolz ins Leben gesehen hatten, und
durch den Nebel sah sie Bild aus Bild
aus vergl-eigenen Zeiten vorüberschwe
ben, und immer spielte sie wie im
Traum mit zarten Fingern mit dem
kleinen Schuh. Und zuerst sah sie durch
den Nebel das Kinderzimnier, den
Raum, der während Rosis ganzer
Kindheit den Mittelpunkt ihres Du
seius gebildet heite. Rpsi war das rei
zenbsie Zahn nie-f Erden gewesen —
" ,- mit feste-, hartem Griffe umspannte
Rost Mutter plsslich den kleinen
f " M in ihrer dont-, und es stieg et
Ife I ihm We bemi- dsiz sie
. ,M, zu Mitten Das Kinderzims
m Ist M seis gehalten, denn in
« » M der ersten jungen Mut
W M sit Mk Ums-tild
Ost-; est-, me ihr THE-schu- IM
«"Ii-M lei- Imb dshet steck
sys- ,-,wesnfeeauf den
"I s « Unweansdee
» M stammen-u
III
W Im
, jqe fsc straseasieul
M hatte kein andere-s Zahn legt-he
tiefen blaues Busen. solche goldenen
Laien, solch ein entziiaendei Gesicht.
und Her gab ei kein Muh, das mit
io freundlichem Wesen und lo gutem
Herzen zur Welt gekommen war wie
Resi. »Muttis Dir-sel', der alte Ra
me. den das Kind sich beigelegt hatte,
trni der Mutter wieder in den Sinn.
«Muttis kleine Basel« — und wieder
schlossen sich ihre Hände icfter um den
kleinen Schuh. zvS sich ihr Hkkö heilig
und schmerzhaft zufammen. Wie in ei
arm Traum iah sie vie Kindergeftalt
unsicher durch das Zimmer auf sich zu
tcnnnem die kleinen speisen Fäßchen
trappelten auf dem Poeten-Fußboden,
das Sonnenlicht fiel auf ihre goldenen
haare und auf ihr vom Nachmittage
fchlaf warm und rosig überdauchles
Gesichtchem Wie in einein Traum auch
hörte sie das herzige Lachen« das ihr
lieber war als die schönste Musil, und
wieder holte sie tief Athem
Rosi. das Bahn, hatte sich so fest im
Mutterherzen eingeniftet, daß nichts
und niemand auf der Welt fiir Geden
dolyn Interesse hatte. Jshr Gatte hat
te ihr niemals viel im Leben bedeutet
-—- sie hatte ihn aus Vernunftgriinden
geheirathet —- aber Hinsi. ihr Kind.
war ihr alles, und diese kleinen Kin
derhände konnten hie Mutter führen,
wohin sie wollten.
Als Rosi älter wurde. trug sie wie
als Bat-h nur Weiß; zarte Masseline
im Sommer-. weiche. dicke Gewebe im
»Winter, aber immer weis-» und das
; hatte gut mit der rosigen Frische ihrer
Haut, dem Blau ihrer Augen und
»dem goldenen Schein ihrer hellen
Haare barmonirt. Und wenn auch die
Schuhe größer wurden. je mehr sie
vom Kind zum Mädchenheranreiitr. so
war es hoch nur weißes Leder, das
ihre zarten Fuge tin-spannte
Resi, das Mädchens Iler March
mont beroeate sich unbehaglich und
ihre Augen wandten sich zum Fenster.
» durch das der Wohlgeruch der Reseden
nnd Levtoien vom Garten hereintvehtr.
JNosi, da- Mädchen! Gwendolnno Züge
»orrsinsterten sich. its-r Blick verlor alles
jVerträurnte und zeigte einen stähler
nen Glanz. Sie und Rosie konnten.
Tals das Mädchen zum Weibe heran
» reiste, nicht mehr iitzer alles einer Mei
nung fein. Die kleine weißgekleidete
Tochter schien immer so ianst und
sügsarnx Gwendolnn hatte daraus ge:
Irechnet, daß sie sie leiten konnte, wie
:sie wollte, aber mit des Mädchen rei
ner Seele hatte sie nicht gerechnet
Dieser Gedanke kam ihr gleich einem
Blitz. während ihre Finaer immer
noch mit dem kleinen Schuh spielten,
der unschuldigen Ursache dieser langen,
langen Gedankenlettr. «Jhre kleine
weiße Seele«, roie tam ihr nur der
Gedanke nach all den Jahren? Wa
rum erinnerte sie sich gerade an diese
Worte, die ihr jemand in oeraangenen,
so bitteren Zeiten zugerusen hatte!
»Sie können sich wol-l an dem lieb
lichen Gesicht Ihrer Tochter freuen
nnd sich ausopsern siir ihre seinen
weißen Kleider, aber haben Sie je
mals an das viel Wichtigere gedacht,
an ihr eigentliches Selbst. an ihre
kleine weisse Seele?
Die Worte ertönten vor ihren Eli
ren, als hörte sie sie wieder aus Den!
Munde jenes starten Mannes-, dessen
Stimme vor Zorn und Verachtung
zitterte und gegen ihren Willen fa» sie
wieder den Mann vor sich stehen« Sie
sah die schlante, aufrechte Gestalt, die
vor Zorn sprühenden grauen Augen in
dem regelmäßigen Gesicht, das durch
den gerechten Zorn aus seiner Ruhe
gebracht war.
»Sie verbieten Jhrer Tochter mich
zu heirathen nicht, weil Sie etwas
gegen mich haben, nicht weil ich Böses
gethan over einen schlechten Ruf habe,
nicht einmal, weil ich nicht ganz so
hoch geboren hin wie Sie. Nein Sie
sagen, fie soll mich nicht heirathen
weil ich arm bin, und Sie wollen Sie
dasiir an einen reichen Lumpen ver-—
tausen, dessen Vergangenheit man nicht
nachsorschen dars. Sie wollen ihre
tleine weiße Seele in die hände eines
Mannes legen, der schwarz ist wie die
Nacht, wie der Teufel selbst. Gott
möge Ihnen vergehen.«
Guh Delameres laute, zornbebende
Stimme schien sie aus ihren Gedanken
zu reißen, und obwohl seine Worte
nicht wahr geworden waren, ließ die
Erinnerung daran sie erheben.
»Ich tann ihn nicht heirathen,
Muttel«. hat-te Rost gesagt, als
Wndolhu sie hatte zwingen wollen,
den cllntraci des Millionäri anzuneh
men, der all den ehrgeizigen Wünschen«
die sie in ihrem Msutterherzen hegte.
entsprochen hätte. »Ich heirathe nur
Guy, denn ich liebe ihn, er ist mein
alle- aus der Welt.«
«Jch heirathe nur Gut-X Diese-r un
zählige Male wiederholte Sas hatt·
« Mes. March-sont hi- an die Grenze
- des WORK-Ins gewesen« und knei
E sit-then hstm sich til-er des vZeche-It
- dont-tu ers-lim- vw des es ihr ge
lungen war, Ies- Btsen zu brechen
III M W III Mathet usl
Fuss- ne f ki
hindurch holte sie Rosi kein W
zeichen non sich gegeben. denn ße M
te ihm einzigen Tochter ihren Use
horsom«und, tote sie ei immee mian
ihren Eigensinn nicht verzeihen. Ader
seht, old sie den kleinen Schuh soe ih
ren in Thriinen ichwimntenden siegen
sah, tatn ihr die Erkennt-riß: »Ich ol
lein bin die Schuldiqr. ich hohe meine
Tochter verloren, weil lie ihrer lleinen
reinen Seele folgen mußte« Und Hi
geschah etwas Merkmiirdigeo. Etten
dolhn Marcham-L die harte stche
Weltdonte. fiel vor dem Sessel in ih
rem Boudoir auf die Knie, legte ihr
Haupt auf einen lleinen weißen Schuh
und brach in einen Strom von Ihriis
nen one —
«Jn dem Gärtchen eines Sandhaufe
oußerhalb der Stadt spielte ein kleines
Mädchen. Man sah durch das Gitter
einen glatt geschorenen Rusenploh init
Rolenstiieten. an denen hoch-rothe, gelhe
und weiße Rosen blühten, deren Blät
ter auf den mit Gäniedliitncken besti
ien Rosen fielen. Am Zaune entlang
stunden Lilien in farbiger Pracht.
Zwischen den Gänsebliimchen und den
Rolenhlättern spielte dao lleine Mäd
chen im duitigen weißen Kleidchen.
mit weißen Schuhen on seinen lleinen
Füßen; deo Kindes trauieo Boot
aliinzte goldig im Sonnenschein feine
Augen mitten dlmi wie Veilchen und
iein Gesicht rostq til-erwacht Und
die Frau. die am Zaun lehnte. fah
nxichdentlich zu ihm hinüber, mit bren
nen-der Sehnsucht im Herzen. »Kleine«,
krief sie plötzlich, als sie das leise vor
Iiich hinsingende Kind wieder zwilchen
Iden Blumen hin und herspringen fah,
»Meine. lass mir doch. wer Du dist.«
Das Kind wandte sich um und lom
auf dem Wette. der sum Zaun führte.
lächelnd auf sie zu. »Ich bin Muttie
Roiel«, lallte fie, »und Mutti ist dort
drin« — sie zeistte nnch dern Haus«
«lomm doch mit zu Multi. Ich bin
Muttiå lleine Nolel". Ein ieltiomer
Ausdruck flog über das Gesicht der
Irrtu, ein Ausdruck oon Schiner-; und
Reue und zugleich von Freude. und
mit zitternden Fingern öffnete sie das
Gitter
»Nimm mich mit zn Mutti', sagte
sie, das zarte Kindekhöndchen festhal
tend. »Ich will Mutti singen, daß —«
sie zögerte, als ob sie nicht weiter spie-s
chea könnte, »daß ich meine Apfel wie
der haben will. daß ich hierher-atem
men bin, um Deine Mutter wiederzu
finden, meine Ueine RoseU
Venedig.
Von Karl Eugen Schmidt, Paris-.
I
Bei meinem biegmaligen Besuch
der Laaunenstadt hin ich von einem
kleinen Irrtbume befreit worden.
Bisher glaubte ich« die deutschen
Reisebiicher seien die besten in ver
Welt« und wenn man Bödeter,
Meyer. Giellszeli mitlJoanne und
sogar mit Murray vetgleicht, muß
man allerdings zu dieser Ueber
zeugung kommen. Aber auch in
Deutschland wird mit Wasser gekocht,
auch in Deutschland giebt es Reisende,
die wie kleine Kinder behandelt wer
den müssen. Um nicht den Böheler
oder ein anderes umfangreiches
Buch mitschleppen zu müssen, hatte
ich mir ein kleines Bärbelchen tomrnen
lassen, das allein Venedig behandelt.
hätte ich es gesehen, elf-e ich es be
stellte, so wäre ich so tböricht nicht
gewesen. Ali erste und oberste Regel
kann ich meinen Lesern salgendei em
pfehlen: taust niemals einen Reise
slibrer, dem nicht aus der ersten Seite
die Jahreszahl seines Erscheinens vor
gedruekt ists Jeder Berleger. der sei
nen Reisefiibrern das Jahr des Er
scheinenö nicht ausdrutkt, will den
Käuser hinteri Licht führen, will ihm
ein zwanzig oder dreißig Jahre altes
Buch aushängen, das selbstverständlich
nicht den geringsten praktischen Werth
siir den Reise-eben hat, sintemalen sich
in der langen Zeit nicht nur hatels
und Uestaueanti. sondern auch vie
Vesiirderungintitteh die- Musen-,
kurz allei, was der Reisen-be wissen
will, gelindert bat.
Mein lleiner Reifefiihrer aber hatte
nach ganz andere Fehler: es war
eigentlich gar lein Führen sondern
ganz einfach ein Feuilleion über M-1
nedig. Was ich von einem Reiiefiih·-.
rer verlange, ist« daß er mir fast,
wesche Sehnewürdigleiten in einer
Stadt zu finden find, wie ich an die
oerfchiedenen Orte gelange, um
welche Stunde fie zu sehen find, obs
ich dafiir etwas bezahlen maß, wo
man wohnt unsd ißt, lnrz alle- pral
lifche und lhaifiichliche. Dagegen yet
lange ich durchaus nicht, daß man
mir erzählt, diefeö oder jenes Bild,
diefe oder jene Aussicht sei wunderbar
. schön, und daß man mir eine Satze
um die Brocken herum machi. Das
) mache ich nämlich felber, wie ei jeder
s vernünftige Reifende thut Das Reisk
bnch soll mir fagen, wo und wie ich
meine Brocken finde, die Brühe fa
briin ich fele. Gedanken suche
ich nicht im Ieifelmchq nur That
W. die Miste- denle ich mir
asi- at. Da- bei-e neu-such in
axso tin-, wege- nilr sur Brocken
und-gar teine de. nur Thatiachen
und gar ieine Sedanlen bringt« vsss
fehle-steh das mir gar leine Thai
iachen und nur Gedanken vorträgt.
besonders solche Gedanken. wie ich sie
in diesem Büchlein. dessen Berleger
ich nicht nennen will, gefunden lude
Da ver nämliche Verleaer Führer
durch fast alle deutschen und durch feist
viele ausländiiche Städte herausgege
ben hat, muß ich also anneinnen, daß
es wirklich eine Unmenge Deutsche
giebt. die im Neisebuche nicht Initia
chen, sondern Gedanken, nicht Brocken,
sondern Briihe suchen, und das schnei
chelt meinem Nationalgefiihl nicht im
mindesten.
Aber gefreut hat mich mein Isiis
chelchen doch. denn ibrn war ein Zettel
beigegeben, der in die Mentalitiit vie
ier deutschen Reisenden noch einen be
sonders hellen Schein wirf. Der
Kriegsrath Reichard, der vor achtzig
Jahren ein in alle Sprachen überseh
ies und seht häufig anfgelegtec Reise
buch durch Mitteleuropa schrieb, giebt
in ider Einleitung eine lange List-e von
Dingen, die man auf der Reise rnit
nehmen müsse. Diese Liste, die dop
pelläufige Pistolen, eine doppelte
Hitschhaut, Sicherheitöriegel zum An
ichrauden an die Wirthsthiiren im
Gaithause und ähnliches enthält,
loinrnt uns heute lotniich vor, aber
sie war ganz gewiß feiner Zeit sehr
praktisch und gut. Mein neuer Reise
iiilirer aber behandelt seine Kunden
wie Wickeltinder oder vielmehr wie
Dorfjunaen, die zum ersten Male ir
die Stadt gehen und denen die ängst
liche Groß-trailer die letzt-en Rath
ichliige auf den Weg mitgiebt. Eine
ungeheuer lange Liste stellt dieser
Reiseiiilirer auf von Dinaen die man
ja nicht vergessen solle. Darin finden
sich neben Rock, hofe. Weite. Hut, Un
terhosen. Hemd, Strümpfen und an
dern, die wohl ver vergeßlichste Proi
fessor der »Iliegenden Blätter« nicht
Daheim lassen würde, auch folche. an
deren Mitnehmen man allerdings
erinnert werden muß, als da sind:
Kompaß, Fernrohr« Gebetbuch, Ins
settenpnloer, Kölnisches Wasser, Brau
iepulver, Salmiat, KarboL Musika
lien. Photographie und Empfehlungs
schreiben. Thermometer. Trinlbecher,
Theelösiei. Ich habe die Reise um die
Welt gemacht, bin außerdem viermal
hin und zuritet iiber den Atlantisrhen
Ozean gefahren und habe alle oder
doch die meisten europäischen und
Mittelmeerländer ziemlich griindlich
bereist. Und doch hatte ich niemals
»diese fo nothwendigen Gegenstände bei
mir. obschon ich anerlennen musi, daß
manche davon mir mittenter gute
Dienste hätten leisten tönnen. Jeden
falls mus-, ver Mensch, der alle die in
dieser Liste verzeichneten Dinge mit
auf Reisen nehmen will. mehr als eine
Dandtaiche, ja sogar mehr als nur
einen Koffer zusammenpacken Jeden
falls: ich will feinem Menschen das
Geschäft verderben und nenne teinen
Namen. aber ich sage dem Leier: tanse
tein Reifebmh dem die Jahreszahl des
Erfcheinens nicht auf-gedruckt ist.
Besser als ein solches Reisebuch ist
gar kein-, und ich habe mich denn auch
ganz gut bebe-tieri, ohne jemals Rath
in diesem Büchlein zu suchen· Aller
dinas war ich nicht sum ersten Male
in Venedig. Damals hatte ich meine
Ankunft schlecht eingerichtet: am
Bahnhose hatte ich einem Jungen
inein Kosserchen gegeben und mich
von ihm an ein Gasthaus führen
lassen, das mir die Freunde in Rom
genannt hatten. Das ist ein ganz
guter Weg in irgend einer andern
Stadt. in Venedig aber muss man sich,
sowie snan aus dem Bahnhote tritt.
in eine Gondet sehen. Ja. noch besser
wäre es, und wenn ich met-r Zeit ges
habt hätte, würde ich das diesmal ge
than haben, schon in Padua den tlei
nen Dampfer zu besteiaeu der nach
Venedig fährt. Es ist schon ein Feh
ter. mit rer Eisenbahn biz nach Ve
nedig zu fahren, man müßte durchaus
zu Wasser ankommen um die über
raschende und einenartige Wirtung
der Laqunenstadt ganz zu empfinden.
Wer aber mit der Bahn ankommt«
rer gehe sI nicht zu Fuß nach dem
Gnsthause, sondern setze sich fosort in
eine Gondei. Noch möchte ich rathen«
daß er sich nicht in die Hotelgondeln
seie, die sich von der sonstigen Gou
del genau ebenso unterscheiden wie ein
-hotelomnibui von - einer offenen
IDroschtr. Man darf nicht in eines
bedecken Goudel fahren. denn da sieht
man natürlich nichts. Die bedecktt
Sondeb die übrigens eine-n Sarg(
sehr ähnlich sieht, mag gut sein sitt
die reichen Uenetianer, die sich etr
solches Privatfshrzeug halten: dis
kennen ihre Stadt ohnehin und habet
nicht nöthig, sich all die bekannten Pa
läste und saniile jeden Tag auft
Reue aufmerksam anzusehen. Dei
Fremdling aber sollte nie eine ge
schroffe-te Gen-del nehmen« es se
denn-das ver sie-en die ossene Gen
del verböte. »Und da die ceadeln deV
Mk zuweist bedeckt sind, rathe is
zur Dies-sentenle tot-lesen
Run ins-en sie aber nicht statt
DI- UIMIIIIIIIIOPDIIP
Benedigs etwa untnterelsant M.
Mit Richten und im Wut-heil!
Auch in den Gassen. wo cnan terra
tieina unter den Füßen hat, lsi dene
dig überaus Ineetsiiedig und in
teressant. Indessen findet man ein
ähnliches Gassengeniirr auch anderswo
in den Stadien am Mittelmeer, auf
der europäilchen ioie auf der asrilani
schen und auf der asiatischen Küste,
und sehr oft sind in diesen Mittel
meersiiidten die Gassen wie in Venedig
krumm, winlkig und eng, also dasz
man da beinahe ebensowenig Thiere
siebt wie in der Lagunenliadt. Von
Wagen ist in Alt-Genua nicht sitt-it
zu sehen als in Venedig. und höch
stens erblickt rnan einmal einen klei
nen Packelel Jn Venedig aber giebt
es überhaupt teine Thiere. lelbsi die
Hunde sind außerordentlich selten,
und wären die Katzen und die be
rühmten Tauben nicht. io gäbe ei in
den Gassen und Pliihen außer Men
schen teine lebende Wesen zu sehen
Dirses gänzliche Fehlen ber Vier
siißer und der Wagen macht das
Straßenleben von Venedig mertwiiv
via still und ruhig. Man glaubt sich
iiberbaupt nicht aus der Straße zu be
sinden. eher in einem Haut-sang etwa.
Man eilt· endlich aus diesen engen
Gängen hinaus in die ivirllichen
Straßen zu lomrnen, und die einzige
wirtliche Straße ist der Martusplah.
dem man immer wieder zusirebi. to
cit man nach iraend einer Richtung
bin einen Spaziergang unternommen
bat. Dieses Zurückiinden ilt aber lo
ziemlich das schwierigste. was eix
nein Städtereiienden begegnen kann.
Selbst der alte Lederiikumzf hätte sich
aus vielem Gen-irr nicht herausge
funden, und von den vielen Stadien
die ich gesehen und durchevandert
beibe, bietet nicht eine die Schwierig
leiten Venedigs-. Selbst in Tetuan
llllll Ill UIIMLIUL sII austrat-nassen
und in den alten andalusisckxn Städ
ten findet man sich bedeutend leichf
ter zurecht als in Venedig, denn nir
gends iit das Gen-irr der Gäßchen
ladtirinthischer als hier. Wenn man
zum ersten Male auszieht sucht man
sich in der fremden Stadt ieittr Weg
tveiier und merkt sich als solt-be die
Dinge, die besonders ausfallend schei
nen. So zum Beispiel prägte ich
mir in Tetuan als guten Wegtveiser
einen todten Bund ein. der an der
Ecke des Marttplaszes nnd mein-r
Straße lag. Ali ich aber zurückkam.
fand ich tnit Entfehery dass so ziem
lich an jeder Straßenecke ein todter
hund oder eine todte Katz-, manch
mal auch zwei oder drei, lagen· Man
darf sich also nicht Dinge ·.netten, die
in unserer Heimath, sondern die in
der Stadt. wo wir weilen, aufiallrnd
und selten sind. Jn Venedig möchte
man sich beim ersten Aus-zehen die
Brücken merken, weil auch dieie in
anderen Städten tressliche Wegweiser
sind. Jn Venedig oder merkt man
bald, daß es hier ungefähr ebenso
viele Brücken wie häuser giebt, nnd
daß man eines anderen Wegweikersl
her-act Eime- Aoeads fand ich michl
nur mit hilse meines hoffnungs
vollen Sprößlings zum Gasthause
zurück. Der Kleine hatte sich einen
Famncehund in einem Ladenfenster
gemerkt. der einen Regenschirtn im
Maule hielt. Dank diesem Ist-denke
dund bogen wir in die richtige Gasse
ern.
Einentlich müßte es set-r Ieicht sein,
sich in Venedig zurechtguiindem denni
man müsste sich doch immer leicht ent Z
»weder an den großen Kanal oder an
den Martustanat oder arti der an
dern Seite an die Manne retten tön
tten. Der Laut-streifen iit garnicht
H
z
sehr breit. und nie-n es Herade Gira
ßen gsbe. rniiste nean stets in ph
eder fünfbe Minuten ins, freie
und an ein größeres Wasser tonenren
können. Aber es ist einfach untg
tich, in dein Gen-irr von krummen
Wirthen ieine Risung zu behalte-.
und auch der von dem erwähnten
Reiieiiibrer gepriesene Kompaiz mitt
de hier nicht viei helfen.
Der Martueplas ist das Herz von
Venedig. und wenn nicht allzuviele
taubenfiitiernsde hochzeitcpiirchen du
sind. bietet er ein sehr anziehendea
Bild. Der vor einiger Zeit einge
stürzte Giaetenthurm iit schen beinahe
ganz wieder aufgebaut. Nur da
Dacb iii noch zu ovtienden Der
Mit anmuthige Unterbau, die tleine
Loggetten toll auch wieder genau in
der alten Form aufgerichtet werden.
Einstrveiten liegen die Bautbeite noch
in Trümmern im Hofe des Degen
palaites. Wer den Merkiiäpias nicht
rnit deni alten Campanile gesehen
bat, findet übrigens, daß auch ebne
den Thurm der Platz iiberauj schön
und charakteristiich ist« und daß es
unnötbig war, ihn wieder aufzurich
ten. Wir andern aber meinen, daß
die Venezsaner iebr Recht daran thun.
das alte Wabrzeichen ibrer Stadt
wieder auszubauen
Am Abend muß man an die Riva
deali Schieneni gehen, uni von hier
aus den Sonnenuntergang Zu ieben.
Wer diese wunderbaren Tinten von
purpur und gold. die in icharien
schwarzen Schattenrisien am leuch
tenden Abendbimmel stehenden Ge
bäude von Zan Giorgio Maggiore
und der Salute. dazu die ichweigiam
und itill vorübergleitenden großen
Mit-ne und ichtanten Goudein ge
ieben bat, begreift nicht nur den un
endlichen materifctssen Zauber der
Lagunenitadt, iondern auch das Ge
heimniß der Farbenniuth der vene
zianiichen Altmeiiter gebt Sinn auf.
Tiziam Tintoretto, Palma und wie
sie alle beißen« brauchten nicht weit
zu Destil, um tslr vernimm-It usw
reichsten Vorbilder siir ihre Palette
zu sinden. Und bis aus den heuti
gen Tat ist Venedia troh Rom und
Paris ein Paradies der Maler ge
blieben. Bietet doch nicht nur der
Abendhirnrnel die wunderbartten Far
ben, sondern jeder Winkel, jeder- Ect,
jedes hat-s ist hier sosort ein Bild.
Die Leute. welche die Ansichtspost
tartrn herstellen. und die an anderen
Orten sich mühsam ihre Motive zu
sammensuchen miissen, haben hier die
schrecklichste Qual der Wahl. Wohin
man blickt, ist ein Bild. alles möchte
n.an festhalten, und wenn ich Ma
ler wäre, täme ich gewiß nicht nach
Venedig, weil ich mich ir. dreißig
Jahren nicht entscheiden törmtr, wo
mit ich den Ansanq machen sollte.
Alles ist schön, alles ist malerisch« al
les ist charakteristisch Nun bin ich
zwar tein Maler, aber ich hätte Ih
nen doch gerne eine Vorstellung von
den Schönheiten der Lag-Inenstadt
vermittelt. Für diesmal ist es zu
spät. aber ich will mich in einer sol
genden Plauderei bemühen, Ihnen
zum mindesten etwas von den Reisen
einer Gondetsahrt durch die aroszen
und lleinen Kaniile zu schildern. Ich
stirchte sreilich, der Versuch wird
nicht besonders gelingen. aber dann
werden die Leser wohl so giitig tein,
den guten Willen tiir die That zu
nehmen.
Eine Iste Wust-.
; .Mit dem Schleier werde ich doch
vor Beläsiigung sicher sein«
Eber ohne denselben noch sicherer.«
r
Der Eis-y.
s UT
Was-: »Frau Vierfa, haben Sie vielleicht einen Fahrplcsn7«
s »Im-h mai mir leid, aber wenn S a Stündekl wart n, dann sammt der dek
I Ei seabwhuiektetät der maß s, wann die Züs seh a.«