Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 20, 1910, Zweiter Theil, Image 14

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    Roman von
Reinhold Ortmann «
(17. FortsehungJ
20. Kapitel.
Mit schmerzendem Kopf und heftig
packean Schläfen war Tuima an
dielent Morgen aus kurzem, unruhi
sen Schlummer erwacht. Es war noch
Mit-, aber ihr Gatte hatte trohdenr
sein Lager bereits verlassen. Und ils
die junge Frau, die, ihres llnwohl
Heini ungeachtet,s rasch ihre Morgen
toilette beendet hatte, das Wohnzim
rner betrat, fand sie auch seinen Platz
um Iriihstiickstisch leer. Er hatte ihr
durch das Mädchen Hinterlassen daß
er wegen einer dringenden aeschäitli·
then Angelegenheit schon sehr zeitig
habe ausbrechen müssen, und daß sie
sich nicht beunruhigen möge, wenn er
vielleicht auch die Essensstunde nicht
würde einholten können.
Tuirng versuchte, ihren kleinen
häuslichen Verrichtungen nachzuge
hen; aber die sonderbaren Blicke des
Mädchen-D scheuchten sie bald wieder
aus der Küche fort. llnd da sie sich
wieder von jener unerträglichen flie
genden Vise gepeinigt fühlte, die sich
sonst inrnter erst in den Abendstun
»den eingestellt hatte, trieb sie es wie
unter einein unwiderstehlichen Zwange
ins Freie hinaus.
Eislalt blies ihr der schneidende,
Mige Wind entgegen, so daß sie nur
rniihsarn und unter Schmerzen zu
Iihnren vermochte. Aber sie wählte
trosdern den Weg längs des Fluß
users, wo der Sturm, durch lein Hin
dernis gebrochen, rnit besonderer Hef
tigkeit tobte. Denn hier hatte sie teine
Maus mit irgend einein Bekann
ten ihres Mannes zu fürchten, und
keinem der unverschämt net-gierigen
Miete, die ihr schon so oft ieit ihrer
Ankunft in Deutschland die Gluth der
Mchiimung in die Wangen getrieben
hatten.
Dkk psllmlcl wclk bestal. uns me
weite Schneelandfchafi urn sie her fah
so ieostloö öde aus« als müßte unter
diesem ungeheuren weißen Leichentuche
auch die letzte Regung warmen Lebens
für immer erstorben fein. Die Eis
decke des Flusses zeigte ein mißt-irdi
geö, fchenutziges Grau, und die Krä
hen, die hier nnd da schwerfällig un
ter heiserem Geträchz darüber hinflo
sen. machten das trühfelige Bild nur
noch melancholifcher, statt es tröstlich
In beleben.
Auch ein heiteres und sorglofes Ge
niiith hätte sich inmitten dieser Szene
rie unheimlich berührt fühlen können,
wie von den Schauer-n des Tode-; für
eine Stimmung aber, wie es die des
armen jungen Weibes war, mußte sie
geradezu verhängnißvdll werden. Denn
Tanne empfand diese bis-her unge
iannie winterliche Starrheit, dieses
völlige Erstorbensein der Name-, dieses
lhinschminden aller fröhlichen Farbe
in ein häßliches, leichenhaftes Grau
rveiß ganz anders wie aue die, denen
es eine oft aesehene, vertraute und
selbstverständliche Erscheinung war.
Für sie hatte eH von vornherein etwas
Veängftigendes, fast Unhegreiflisfseg
gehabt. Und lange, bevor sie sich ih
. res Unglücks bewußt geworden mar,
hatte sie nur mit Bangen daran den
ken können, daß dieser Zustand noch
»so viele, viele Wochen andakiern sollte.
Jetzt aber starrte ihr aus dieser
fremdartigen Umgebung mit ihrem
Eis und ihrem Schnee dieselbe er
barmungslose Kälte, dieselbe unerbitt
liche hörte entgegen, die sie bei den
Menschen des fremden Landes gefun
den. Was sie hier um sich her erblickte,
war ihr nur wie ein Spiegel ihres ei
genen Lebens, wie ein Symbol ihrer
troftlofen Zukunft. Und nichts hätte
sie ihre Berlaffenheit grausamer nnd
. herzbetlenrrnender empfinden machen
können, als die vom emsigen Sturm
Iind wie vom Hauch des Todes durch
wehte nordische Winterlandschaft,
dnrQ die sie fest mit poehendem Her
sen ten-d fiebernden Schlöer dahin
schritt.
Ein kleiner sbunter Gegenstand an
den sie fast schon mit dem Fuße ge
stoßen hätte, nahm flir einen-Augen
blick ihre Aufmerksamkeit in An
x sM Sie bückte sich und fah, daß
es ein wunderhiibsch gefiedertes tod
tei Milde-I war, ein armes Opfer
der Alte oder des hungert Sie
M M Thierchen, das hier auf dem
Is- W Draus set-treten werden
Jst-Oh sorgsam auf und bettete et
IMI in den Schneehcufem der sich
» ek- stse einst Leide nufgethiirmt
W sing et seit einem Ge
j W Mut durch thr
Zsii sit et Wer ist, der Keines
« " sit-Its sit-Mittels- fo sit se
sp Fest-n z- eieåein —- nichts
" - inw- eme z
· sxis Hefe-r stattsam zehen
Mkich Mr akt- Itb «
iind ieineni niebr iin Wege!"
Sie blieb unter dein Bau-i sieben,
der seine tablen Zweige gleich bun
dert in Verzweiflung emporgeworfe
nen Armen gen himmel streckte,
und blickte auf den starren Spiegel
des biet fast seeartig verbreiteten
Flusses hinaus. Ein paar schwarze
Flecken auf der weiblich grauen Flä
che bezeichneten die Stellen, wo inan
der Fische wegen oder aus irgend ei
neni andern Grunde große Löcher in
die Eisdecke geschlagen hatte. Auf
langen Stangen waren Sirobbiindel
als Warnungszeichen siir unvorsich-.
tige Schlittschiibläiifer aus-gesteckt
Tuinia kannte ihre Bedeutung; denn
das Dienstmädchen hatte sie neulich
ajif ibre Frage darüber aufgetliirt
Und wie sie jetzt auf die unheimli
chen schwarzen Oeffnungen binbliclte,
tain ihr der Gedanke, daß es nur ei
nes einzigen iniitliigen Schrittes, nur
eines absichtlichen Ausgleiteno bedürfe.
uin dadrunten unter der snßbielen Eis
decke zu verschwinden und in ben iiibi
len Fluiben, die ihr Opfer sicherlich
nicht wieder heraus-gaben, die Ruhe zu
finden, die ibr trantes Herz so in
brünstig erselinte. Eine gebeininiß
oolle magische Gewalt wollte sie bin
iiberloiten auf das Eis, von dessen
Rande sie nur um wenige Schritte ent
fernt war. Und mit energischeni Ent
schluß mußte sie sich freiinachen von
den diifieren und bei ihre-n gegenwars
tigen Gemütbszuftand doch so bei-füh
retischen Vorstellungen. die niit einein
Male ihre Einbildung erfüllten.
»Nein —- daj nicht!« sagte sie bei
sich selbst. »Es wäre eine Feigheit
nnd eine abscheuliche Sünde."
Und sie ging nicht weiter, sondern
schlug den Rückweg nach der Billa ein,
erst jest bemerleiid, um ein wie be
trachtliches Stück sie sich bereits von
ibr entfernt hatte.
Als sie daheim anlangte. sagte idr
das Mädchen, daß der Herr inzwi
schen nach Hause gekommen sei und
sich auf sein Zimmer begeben habe
unter dem ausdrücklichen Verbot, ihn
zum Essen zu rufen. Diese sonder
bare Auskunft erfüllte Tuima mit
banger Besorgnißz denn sie hatte da
siir teine andere Erfüllung, als daß
sich Rolf traut fühlen müsse oder daß
ihm sonst etwas Schlimmes zugesto
ßen sei. Und nach einem kleinen Zö
gern entschloß sie sich, un die Thiir
seines Zimmers zu klopfen.
Er ries nicht «herein«, sondern
fragte, wer da Einlaß begehre; denn
er hatte sich eingeschlossen. Als Tuitna
ihren Namen nannte, turn er, um zu
öffnen. Sein Gesicht sah verstört aus,
und sein lockiges haar war zerzaust,
wie wenn er mit den händen darin
gewählt hätte.
»Enttchuldige mich!« sagte er ohne
Unsreundlichteit, doch mit einer hast«
die deutlich genug oerrietd. wie nn
dequem ihm ihr Erscheinen war. »Ich
bin da mit einer sehr eiligen Ange
legenheit beschäftigt die mich ganz
und gar in Anspruch nimmt. Und
ich möchte nicht gern gestört werden«
»Ich will Dich nicht stören, Rolst
Aber wenn Du nicht zum Essen din
unter tommen willst, darf ich .Dir
doch wohl hier in Deinem Zimmer
ein Gedect auflegen lassen?«
Als wenn es gar nichts Wichtige
res auf der Welt gäbe wie Essen und
Trinka wehrte er ungeduldig ab.
»Du hörst doch, daß ich keine fremden
Gesichter um mich sehen mag. Und
ich habe es auch dem Mädchen schon
mit aller nur möglichen Deutlichkeit
Jgesagtf
o-« -
»Ole Vmucyl Ia man qerrtn z
kommen. Jch will Dich gern selbst
bebienen.«
»Ach, das ist in diesem Falle ganz
dasselbe. Laß Dich doch davon liber
zeugen, daß ich allein sein muß —
ganz allein. Jst es Dir denn wirt
lich so unverständlich, baß man nicht
immer zun-. Plaudern ausgelegt sein
tann?«
·-D nein! Und es isi mir nicht da
rum zu thun, mit Dir zu plaudern.
Aber ich sehe, baß Dir etwas Uebeli
widerfahren ist, Rats — baß Du
ernste Sorgen hast. Und ls Deine
Frau halte ich mich berechtigt, meine
Hälfte davon zu sordern.«
Er war sichtlich überrascht, und siir
einen Augenblick schien er unschliissig,
was er ihr erwidern solle. Aber als
sein Blick über das Altenbiindel hin
glitt, das essen ans dein Tisch lag
surchte sich seine Stirn aufs neue
.Du bist iyv Inn-um« Januar
sagte er. »Die Sache, die mich be
schäftigt, ist viel mehr die Angelegen
- beit anderer Leute als die Ineinigr.
Und ich kann deshalb nicht darüber
reden, mich nicht rnie Dir. Die ein
zige Mattigkeit, die Du mir erweisen
MI, besteht darin, das Du nilr
szflie eine Welle ase Störungen seen
hätts. auch —- er zauderte eine Se
tunde lang —- «auch wenn ei etwa
Inein Bruder sein sollte, der tnich zu
sprechen vertangt.«
»Ich werde ibrn sagen. daß Du
ibm nicht empfangen kannst Aber
Hetntann pflegt ja niemals utn diese
seit zu totntnen.'
»Es tönnte doch sein. dasz er davon
beute eine Ausnahme macht. Und Du
darfst ibn natürlich nicht merken lassen,
daß ich zu Haufe bin.«
Tuima sah ihn mit großen Augen
nn.
»Ich soll Dich verleuanem Reif?
—- Vor Deinem Bruder?«
»Nun ja —- was ist denn so Un
geheuerliches dabei? Besser noch itni
mer« daß Du mich vor ihm verleug
nest, als daß ich ihm ins Gesicht sa
gen muß, seine Gesellschaft sei mir un
erträglich.«
»Aber das tann doch auch Dein
Ernst nicht fein. Du bast ganz gen-iß
keinen besseren Freund auf der Welt
als ihn-" «
«Ruch Deiner Auffassung vielleicht.
Aber Du wirst mir gestatten müssen,
darüber anderer Meinung zu fein.
Seitdem sich hermann —- rnit oder
ohne Deine Ermächtigung — berufen
sämt. Deinen Ritter zu machen,
schlägt er tnir gegenüber einen Tons
an, der rnir nicht gefällt und den ich’
nicht länger dulden werde. Jch brau-(
che so toenig einen Vormund, als Dul
eines Beschühers bedarfst außer mir.a
.So bin ich es, die Euch entfrein
det? Urn meinetwillen...'
Aber er ließ sie nicht unstet-en Mit .
trbtvebrend erhabenen händen hinderte
er sie, zu vollenden. l
»Mir teine weiteren Art-einander
sehungen und teine eheliche Szene.
Ei sind nachgerade der Widerwärtig
teiten genun, mit denen ich mich dn
herumschlngen muß. Ueber das alles
tönnen wir später reden. An Zeit
dazu wird es nun ja nicht sehten.·' ,
Er trat wieder an den Tisch und«
neigte sich iiber seine Papierr. Tuima
stand noch eine kleine Weile neben der
Thür, als schiene es ihr unmöglich
daß er sie so sollte von sich geben las
sen. Aber er sprach nichts mle und
gönnte ihr keinen Blick. Da aina lie
geräuschlos hinaus und zog leise, ganz
leise die Thür hinter sich zu·
D f .
»Ich werde niemals meine Einwili
ligung dazu geben daß Dir nach Sa
moa zurückkehrst!« hatte Rois ihr ge
stern zugerusen und sie wußte daß
es ihm Ernst damit war Aber sie
wußte auch, daß sie hier nicht bleiben
dürfe« wenn sie ihm nicht fein Leben
ganz und gar verderben sollte. Was
sie schon vorher mit herzbeklernmen
der Bangigkeit dunkel gefühlt hatte,
seht, während der lesten Minuten
war es ihr zur unzweifelhaiten Ge
wißheit geworden. Er hatte tein
Vertrauen zu ihr; er hielt sie nicht
würdig, seine Sorgen nnd Kümmer
nisse zu theilen Und wie sie bis-her
schon als ein storendes Hindernis
zwischen ihm und der Gesellschaft ge
standen batte, aus die seine Erzie
hung, seine Gewohnheiten nnd Nei
gungen ihn verwiesen so war sie jeht
sogar die Ursache geworden dasz das
herzliche Verhältnis der beiden Brii
der in eine seindliche Stimmung um
zuschlagen drohte.
Diesen Gedanken vor allem ver
l mochte sie nicht zu ertragen. cte war
sein Weib geworden, weil sie ihn heiß
und aufrichtig liebte. Und ilfre Liebe
war nur tiefer und inniger geworden
mit jedem Tag ihrer Ehe. Jhre Ein
bildungstraft reichte nicht aus iiir
vie Vorstellung, wie sie die Trennung
von ilfrn ertragen sollte und ein Leben
ohne ihn. Und doch war es ihr un
urnstiißliche Ueberzeugung, daß sie ject
um seinetwillen diese Trennung her
beiführen müsse, auch gegen seinen
Wunsch und leinen ausdrücklichen
Befehl. Er sollte sie nicht geheiratlset
haben, um dadurch für den ganzen
Rest seines Lebens unglüetlich zu mer
den. Er sollte nicht jahre- und jahr
zehntelang ein unbedeutendes, un
ebenbiirtiges Geschöpf nn unzerreiß
Eurer Kette rnit sich herumschleppen
müsset-. auch wenn er ritterlich genug
war, unt des einmal til-gelegten Ge
löbnissei willen dies Mariyrium ge
duldig aus sich zu nehmen.
Jhr angeblichee heimisch war
nichts anderes gewesen als die Trauer
urn die verlorene Liebe ihres Gat
ten. I wußte, daß sie in den Tod
gin n sie ohne ihn nach Samen
zuruettehrtr. Aber sie me nichtjdes
fis-weniger jest unwiderruftlich ent
schlossen, ei zu thun. Denn wenn sie
nicht met-e leben tonnte, um ihn glück
lich zu tauchen, so bedeutete es wahr
lich kein übermenschliches Opfer mehr
file sie, seinem Glück zuliebe zu stie
den.
l
Da sie mit Rolfs Cinwilligung
nicht würde reifen können, wollte sie
fliehen. Und out der Stelle wollte
sie mit den dazu erforderlichen Vor
bereitungen beginnen. Troß ihrer ge
ringen Erfahrungen und ihrer naiven
Untenntniß des praktischen Lebens
war sie sich doch dariiher ilar, daß fiir
eine io weite Reife erheblich größere
Geldmittel nöthig sein würden, als
sie besaß. Aber sie hatte Sehn-urth
ck,en. die sich verlaufen ließen, und sie
hoffte, daß der Erlös wenigstens für
einen Platz im Zwischendea ausrei
chen würde. Vor allem mußte sie sich
über die Abgzngszeit des Schiffes
unterrichten und über die Schritte,
die sie zu thun hatte, um sich wenig
stens einen- Zwischendectsrlah zu
sichern. Deshalb machte sie sich fo
fort zum Ausgehen fertig. ertheilte
dem Dienstmädchen strengen Befehl.
ihren Gatten durch keinen Besuchee
Hftören zu lassen, und verließ das
Hart-.
» Solange sie noch in den vier Wän
den ihrer Wohnung aeweilt, war ihr
die Ausführung ihres Vorhabens gar
nicht so schwierig erschienen. Jeht
aber, da sie mutterseetenallein in das
Ungewisse hinausging, fiel ihr das
Bewußtsein ihrer llnerfahrenheit und
hilflosigteit zentnerfchwer auf die
Seele. Sie wußte weder, wohin sie
sich rnit ihren Anfragen wenden noch
wie sie es anfangen sollte, ihre weni
gen, hastig zusammengerafften Klein
odien zu veräußem Und sie hatte
hier auf der fremden Erde ieinen, an
den sie sich hätte um Rath und Bei
stand wenden tiinnen. Jn jeder an
deren Angelegenheit würde sie die
Unterstützung ihres Schwagert in
Anspruch genommen haben; denn ihr
Vertrauen zu ihm war unbegrenzt.
Von ihrem jehigen Vorhaben durfte
er nichts erfahren, da er selbstver
ständlich alles daran gefeht hoben
würde, es zu hintertreiben. Und sie
tonnte doch nicht den ersten beften
Vorübergehenden um Anstunft erin
chen. wie man es anfanaen müsse,
schnell und heimlich nach Samoa zu
gelangen.
Da tam ihr mitten in ihre Rath
losigleit plötzlich wie eine Erleuch
tung der Gedante an Eliriede Lern
ien. Sie war außer dem Bruder ih-I
res G:tten« das einziae Wesen, zu dem
sie sich hingezogen gefühlt unhdas sie
aufrichtig liebgewonnen hatte. Auf
ihren Beistand glaubte sie sicher zäh
len zu drüfen, und von ihr fürchtete
sie leinen Verrath. Sie tannte den
Weg zu der Wohnung der Schwe
stern. und sie zögerte nicht. ihn einzu- »
schlagen. Aber am Ziel wartete ihr"
eine schmerzliche Enttäuschung; denn
sie fand nur Hertha daheim und er
fuhr von ihr, das; ea gerade heute
ganz unbestimmt fei. wann Elftiede
lonimen wurde.
So tapfer auch immer Tuima sich
sonst zu beherrschen wußte, in dieser
letzten Zeit war doch so viel auf sie
eingestürmt, daß es nur noch eines
venhöltnifzmäßig geringfügigen Miß
geschiels bedurfte, um ihre Wider
siandslrast zusammenhreehen zu las
fen. Die Hindernisse, die sieh der
Ausführung ihres Verhaltens entge
genftellten. erschienen ihr mit einem
Male ganz uniihenvindlich. Und das
Bewußtsein ihrer Verlassenheit über
wsltigte sie fiir einen Augenblick fo
vollständig· daß sie wie gebrochen auf
einen Stuhl niedersank und in hefti
,-ges Weinen ausbrach.
s hertha war auf daj äußerste er
kfehroclem und da sie der jungen Frau,
»von der sie und ihre Schwester nur
iGutes und Freundliches erfahren.
i von setzen zugethan war, gab sie sieh
» in ihrer halb kindlichen Weifemlle er
’ deutliche M sie zu trösten und dte
Ursache ihres Kummers zu ergrün
den. Aber Tuirna konnte dies junge.
,unfchuidige Geschöpf natürlich nicht
szur Vertrauten ihrer herzeleids und
zur Mitwisserin ihrer folgenichweren
Entlchiiisse machen. Sie schämte sich
vielmehr, daß sie sich vor ihren Augen
so weit hatte hinreisen lassen, und
nahm sich energisch zufammen. use
ihre Fassung wieder zu gewinnen.
"" »Es ist gar nichts Besonderes, mein
liebes Fräulein«. sagte sie, mühsam.
unter Thriinen iiichelnd. »Ich fühte
mich nur ieit einigen Tagen nicht ganz
wohl —- und ich hatte io seit voraus
gerechnet, Jhre Schwester anzutreffen.
Die tieine Enttiiuichung hat niich im
ersten Moment so iehr betrübt. Das
ist recht kindisch, nicht wahr? Aber Sie
sehen, es ift ja auch nun schon vor
über.«
Sie verabschiedete sich eilig, da sie
ihrer schwer ertiirnpiten Feftigteit
noch recht wenig vertraute, und kehrte
von der Zweckiosigtett aller out eigene
Dant- unternommenen Bemithungen
til-erzeugt, in tiefster Nuthlosigteit
Iund Riedergefchlagenheit nach hauf
zuriich Je mehr sie auf dem langer
Wege Zeit hatte, iiber ihren aben
teuerlichen Plan nachzudenlen, defit
deutlicher trat ihr die Unmöglichtei
vor Augen« ihn zur That werden zt
lassen. Und das Ende ihrer quälen
den Grübeleien war die Erlenntniß
daß es troh alledem feine ander
Hoffnung fiir sie gab als die, durck
flehentliche Bitten vielleicht doch nvck
Ralfs Einwilligung zu ihrer heim
tehr zu erlangen.
Gleich auf der Stelle wollte sie ei
versuchen. denn mit dieser zermalmeni
den Laft auf der Seele hätte sie ihm
gegenüber ja doch teine heitere Unbe
fangenheit mehr erheucheln —tiinnen.
Und es war nach ihrer Meinung bef
fer. wenn es noch in diefer Stunde
völlig klar zwifchen ihnen würde
Geradewegv wandte sie sich. sobald
sie die Van wieder erreicht hatte, dem
Zimmer ihres Gatten zu. Denn sc
wichtig tonnte seine Beschäftigung mit
den Angelegenheiten anderer Leute
doch unmöglich fein, daß eine Aus-ein
anderietzuna, die über ihre ganze Zu
tunft entfcheiden follte, nicht hätte den
Vorrang behaupten follen. Aber wie
sie das neben feinem Arbeitszirnmer
arlegene Gemach betrat, wurde sie zu
ihrer Ueberrafchung inne, daß er troh
feines flrengen Befehls, teinen Be
luchek porzulaffen, nicht mehr allein
war. Sie hörte, daß er in gediirnpf
iem Tone zu jemand sprach. Und dann
vernahm sie den Klana einer andern.
leidenfchcftlich erregten Stimme, die
ihr feines Ohr fofort als die Stimme
Elfe Ilemmings erkannte. Sie mußte
erstaunt sein,«die junge Dame bei ih
rem Manne zu finden ;aber sie wäre
trohdem sicherlich feinen Augenblick in
Versuchung gewesen« zu laufchen, wenn
nicht in dem Moment. da sie sich leife
wieder zurückziehen wollte« ein Wort
an ihr Ohr geschlagen wäre, das ge
radezu lähmend auf sie wirtte und fiir
eine Selunde den Schlag ihres her
sens ftacken machte. Jeht erst gewahr
te sie, daß die Verbindungsthür nicht
lszsefchldffen war, fondern umsmehr als
eine Handdreite offen stand. Und als
isie die erfte, furchtbare Befliirzung
!iiderwunden, fiihlte sie sich von einer
Gewalt, die ftiirter war als·ihr wi
dersirebender Wille, unwiderstehlich zu
jenem Thürfpalt hingezogen. durch
den fie mit einem einzigen Blick das
ganze Zimemr mußte iideriehen tön
nen. ,
Gortiehung folgt.)
Das Cis-ruhen used seine ser
wenden-.
Jm Verein mit der Nationalen
Masern-Gesellschaft --— so Ivas gibt es
wirklich in den Vereinigten Staaten —
hat dasLandwirthschnstsamt eine Aus
stellung iiber die vornehmsten Ge
brauchsarten des Hickarybolzes ge
macht. Jn den letzten Jahren haben
sich nämlich die Klagen iiber das
Schwinden des Bestandes besagten
holzes immer vernehmlicher geltend
gemacht. Die Ursache dieses Schwin
dens und die Schwierigleit« ihm zu
steuern, wird zum Teil daraus zurück
gesiihrt, das; eine ganze Anzahl kleine
rer Wandersägemiihlen die Wälder
durchzieht und überall, wohin sie kom
men. die Bäume in einem limlreis von
zwei bis-acht Meilen austilgt Aus
diese Weise ist schon eine bedeutende
Menge holz zu allerhand Zwecken der
arbeitet und seiner besseren Bestim
mung entzogen worden. Das ist auch
der Grund, weshalb eine annähernd
richtige Schätzung des hieloryholzver
tsrauchä nicht gemacht werden kann
Doch läszt sich aus« den erhältlichen
Zahlen immerhin ein Be riss davon
bilden, in welchem Um ange dieses
holz in der Industrie zurVerwendung
kommt. hielorv ist vorzugsweise ge
sucht siir bestimmte Wagentbeile und
Wettze e, bei denen es aus große
Dauerha tigteit und Zähigteit in Ver
bindung mit mäßiger Schwere an
kommt. Fiir bessere Arbeiten werden
da jährlich mehr als 130,000,000
Brettsusz verbraucht, während noch siir
minder wichtige Gegenstände an 200,
im,000 Brettsusz sur Verwendung
-tommen., Allei- in allem werden in
den Vereint ten Staaten gering gerech
net an dre M,000,000 Brettfuß
hickorvholz verarbeitet. Ausweidlich
der Berichte des Zenlusamtej beliiaft
sich der durchschnittliche Werth des
Hickoryhotzes in der Sägmühle aul
830 das Tausend. während olz desse
7er Sorte, wie ei für belon ·rs feine
Arbeiten benöthigt wird, sich out trin
dettens 860 dasTaulend stellt. Dianas
beliete sich also der Gefatnmtwerth des
jährlichen hickoryousdeute in terSiige
millile auf nicht weniger als 812,
000,000.
Dickory gehdrt zu den werthvollftet
Holzarten unferee Winden aber auch
zn den leltenltenz es stellt nur etwa
zfvet die litnf Prozent des Gesammt
- bestandes in unsern hartholzsorsiem
: Einst bildete es den Stolz der Wälder «
- des Ostens und eine schier unerschöpf
liche Quelle der Fabrikation in Ohio
: und Indiana, aber das sind vergan
; gene Zeiten. Es ist fürchterlich dori
. gehou worden und nur die strengste
» Aussicht kann die vollständige Ausru
. tung des Baumes verhindern, der sich
außerdem noch in Kentucky und vor
zugsweise in Arkansas siudet, von wo
denn auch der größte Teil des schönsten
Stolzes kommt, das zu den besserenX
Werten verarbeitet wird.
Der hdiieutsche seen der strik.
Während viele iibernervöse Leute
behaupten, daß sie selbst und unzählige
Menschen durch die Ausübung der
Musik in ihrem Gesundheitszustand
geschädigt werden, sehlt es auch heute
nicht an Stimmen. die dieser edlen
Kunst im Gegenteil eine gesundheit
fördernde Wirkung zusprechen. Die
Aerzte sind, vom alten Hippokrates,
dem Vater der Medizin, an gerechnet,
davon iiberzeugt gewesen« daß die Mu
iik als Heilsattor in Betracht kommen
kann. Sowohl der Rhythmus wie die
harmonie —— natiirlich ist dabei nur
von einigermaßen guter Musit die Rei
de, wo diese Eigenschasten beide vor
handen sind-— sollen einen wohlthiitis
gen Einfluß aus den menschlichen Or
ganismus haben. und zwar sowohl in
tör rlicher wie in geistiger Beziehung.
Brig-enden wo es sich um die völlige
Genesung oon Kranken handelt, die
über die Krisis hinaus sind, kann man
sich von der Musik Ersol versprechen.
Es ist eine geschichtliche gatsachn daß
der große Rapoleon, der doch sonst
nicht in besoner enger Beziehung
zur Musik gestanden hat, den Besehl
gab, daß unter den-Fenstern der Kran
kenhäuser Musik gemacht werden soll
te. und noch jeßt ist von den Militiirs
behörden in Frankreich die Anord
nung getrossen worden, daß in den
Provinzstiidten ein- oder zweimal in
der Woche den Invaliden der Garnii
ion von den RegimeMmusikern aus
gespielt wird. Dr. Stodate nennt in
der «Medirina Jtaliana« eine Reihe
von ganz hervorragenden, iirztlichen
Fachleuten, die siir die Wirksamkeit
der Musik in vielen Fällen von Gei
steskrankheit·,· namentlich Melancholie
und hypochondrie, eingetreten sind.
Daß auch die eigene Ausübung na
mentlich des Gesanges iiber viele Be
schwerden hinweg hilst, braucht kaum
gesagt zu werden.
Das dte stiehlt-uns thut.
Einen amiisanten Beweis fiir die
Macht der Einbildung iiber die Ge
sundheit berichtet ein amerikanischer
Arzt, Dr. Charleg K. Mille aus Phi
ladelphia, in einer englischen Wochen
schrift. Ein junger Bantbeamter, der
sich iiberanftrengt hatte und unter der
Sommerhihe litt, wandte lich an einen
Arzt. Der Mediziner untersuchte ihn,
prüfte die Lungen und fagte dann
ernst: »Ich werde Ihnen morgen schrei
ben·« Am nächsten Tage erhielt er
einenBrief, in dem der Arzt ihm rieth·
seine irdischen Geschäfte in Ordnung
zu bringen« er habe teine Zeit mehr zu
verlieren. »Natürlich törtiien Sie viel
leicht noch wochenlang leben, aber Sie
thun gut, wenn Sie JhreAngelegenheit
ordnen." Die rechte Lunge sei verloren
und das Vers von einem schweren Lei
den befallen. Der junge Patient war
iiber diesen Brief« der sozusagen schon
ein Todtenfchein war, aqu tieffte be
ftiirzt. Er ging nicht in feine Offire,
schon am Mittag hatte er Athen-be
fchwerden und herzschmerzem Er hiii
tete das Bett und um Mitternacht
mußte eiligst nach dem Arzt geschickt
werden« Der Dottor war aufs höchste
erstaunt. Er wußte nichts von einem
herzleidein Der Patient zeigte dem
Arzt den empfangenen Brief und nun
tliirte fich alles auf; der Brief hatte
einem anderen Patienten egolten, die
Seireiiirin hatte die Adresen verwech
selt. Der Patient lachte und war bald
wieder lerngefund. Aber was geschah
mit dein sterbenden Schwindsiichtigen,
der den Brief eigentlich erhalten sollte?
Der hatte einen triistlichen Bri betont
men —- vier Wochen an die und
alles ist in Ordn —, er war fröh
lich abgerei und Mrt ins Seel-ad ge
gangen. I sind sehn Jahre her;
der Todestandidat lebt noch heute in
jbester Gesundheit. . . .
l Jn Montclnir, N. Y» lassen sie die
Schaffender darüber adstimmen, ob
der vierte Juli rntt oder ohne Spek
tiitel«gefeieet werden soll. Unter soc
chen Umständen können dort die
Feuerwerthändler auf ein besonders
’ utes Geschäft rechnen, und sich die
glpotheter getrost einen Extravocrat
von Verbondzeug zulegen.»
i ·- e
Die Bundesregterung bereitet sich
von neuem darauf vor, dein Zacker
truft den Tode-Maß zu ver-seyen
Das itt bitter.