Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 22, 1910, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats— Anzeiger und J set-old
Jahrgang 30. Grund Island Nebr» 22. April t.)10. Zweiter (Thcil) Ucusmer 34.
Friihliiigss Botschaft
cchon enthaucht des Windes Streichen
Dunklen Zulunftsiniirchenlaut,
Der von Wonnen ohne Gleichen
Flüchfge Botschaft uns vertraut!
Werdeluft und lnolpend Ahnen
Taut hernieder, schwillt shinan,
Und dem lebenslzeit’ren Mannen
Sind die herzen aufgethan.
Wie am Abend vor oem Feste
Bebt in Hoffnung froh das All,
Naht, ils-r holden Lenzesgäfte:
Veilchen, Rose, Nachtigall!
Kann lein Frühling auch erfüllen,
Was das Herz so mächtig wschwellt —
Selig, wer da träumt im stillen
Eine ewig blüh’nde Welt!
Marihahellmutlz
---«-.
Der Fund.
W—
Von Michel This-seh
Ein halb zwei Uhr nachts. Wer spa
ziert da in ver von einigen Gaslaters
nen spärlich erleuchteten Vorstadt
straßeZ
Es sind M. und Mine. Paule, zwei
friedliebende Eheleutchen aus Bangi
rard. Er dick, klein, wie eine Kugel,
sie lang und mager wie ein in diehdhe
geschossener SpargeL Jhre beiden
Schatten zeichnen auf dein Trottoir
zwei drollige Silhouetten.
M. und Mine. Paule kommen aus
dem Konzert. Ein Freibillet tann man
doch nicht gut zurückweisenl Sie h.i.
ben ein lange-, sehr langes Konzert
gehört.
Nichtsdestoweniger freuen sie sich auf
ihr Zuhause, sie, die so gewöhnt sind.
rechtzeitig schlafen zu gehen, sind nicht
gern in so später Stunde unterwegs.
Und was für eine Straße-! Lein
Licht hinter den Fenstern, teine Pas
fanten. Alte user, denen die Nacht
ein gespenstige Aussehen verleiht, we
nigstens scheint es Mine. Poule so.
«hier ist es so unheimlich«
Nestor zuckt statt jeder Antwort mit
den Achseln. Ein Mann läßt sich nicht
durch so tindifches Gefchwätz beeinflus
sen, das vielleicht das Hirn einer
schwachen Frau beschäftigen könnte.
Nichtsdestoweniger findet er, dafzez
recht kühl ist, und daß er es richtig
fände, etwas schneller zu gehe-s Man
tunn sich so leicht eine Ertällung ho
len!
Mine. Poule verlangt nichts besse
re-:«. Die beiden Ehegatten beschleuni
gen ihre Schritte. Nach Verlauf von
fiinf Minuten hält die Kugel atemlos
inne.
»Uss! Zu sehr erhitzen darf ich ntich
auch nicht! Ich hole mir noch etwa-HE«
Er zieht sein Taschentuch herauf-,
um sich den Schweiß von der Ztirn zu
trocknen. Mme. Ponle stolzicrt un
ruhig einher. Ihr langer Hals- dreht
sich geängftigt nach rechts und nach
lints. während ihre Augen wie zwei
Bohrer dns Dunkel der Straße zn
durchdringen versuchen.
Plötzlich greift sie erschreckt nach M.
Poules Arm.
»Nestor! ein Mann! flüstert
sit mit eritickter Stimme.
»Wo denn?« fragt M Panie, der
sehr turzfichtig ist.
»Ein Mann verfolgt uns lkr
drückt sich an die Mauer Sirt-U ist
« das ein Räubers«
Aberwan zuckt Nestor mit des Ach
srln.
»Du bist närrisch, Entskemict
TieStraße ist doch nicht siir mg allein
do . · .«
an fröstelt ein wenig, ten braven
M. Poule, zweifellos wird es ihm wies -
der tühlerl
Die beiden Ebeleutchen haften vor
wärts.
Alle Augenblicke d-.:k:t sich Mute«
Poule um
,,Jst er immer noch hat« fragj M.
Ponle leite.
»Im-net nor-; .. er ist nur noch ein
paar Schritte hinter tin-. .. jetzt
bleibt er stehen, biickt sich . bleibt
wieder stehen Ach, Nest-W . .
Verzweifelt trinkt«-. »ert t!.mt)eniin
ihres Mannes Arm.
»Was ist denn?««
»Jn seiner Hand bäkt er etwas
Glänzendes ein Messer
»Ein Mei ...'· stornmelt M. Ponle.
»s. .. ser, ja! ...'· vollendet Mnie.
Ponle ähnetlappernd. »Und was fiir
ein Ge icht der hatt . . . Jch fürchte
mich zu Todes ..."
M. Poule bat keine Angst. Wirklich
nichts Er hat gar keine Angttl Aber
nniiberlegterMuth ist kein Muth mehr,
er ist Tollkiihndeit . . . Und M. Ponle
will nicht tollliibn sein!
,,Laß uns ganz schnell gehen!« ent
schied er männlich. »Aber so, daß er
es nicht merkt, sonst denkt er noch, wir
liaben Angst ·. .«
Die beiden Gatten beschleunigen ihre
Schritte. Eine —Querstrasze, da woh
nen sie . . . Endlich! Sie biegen schnell
ern ob sie der schreckliche Räuber
noch immer verfolgt? .
Mine. Poule macht immer längere
Schritte ohne den dicken lleinen
Beute, der auf seinen kurzen Beinen
so gut er kann, schwitzend und schnau
fend trippelt, wäre sie doppelt so tchnell
vorwärts gekommen.
Plötzlich flüstert Mine. Paul-, angst
voll: »Da ist eri«
M. Poule klammert sich, sei ez nun
aus Gattenliebe oder aus einem an
deren Grunde, feft an seine Frau . ..
Da tönt hinter ihnen eine Stimme:
»Pst, hören Sie dochl Warten Sie
doch mal!"
f Der tltiiuber läuft hinter ihnen
her
; Jhre Schnelligkeit verwandelt sich in
Jeine tlägliche Flucht. Keuchend athems
3 los machen sie vor ihrer Haustür Halt
und drucken aus die KlinqeL
Doch, o Schrecken! Die Tür bleibt
geschlossen Der Portier hat einen
festen Schlaf
Und der Kerl hat sie bald einge
holt .
Und das Messer schon an der Kehle «
fühlend, schreien die beiden Ehegatten
aus Leibestriiftem
»Hilfe! hilfe Mörder! .
Diebes . . .«
il.
Ein halb zwei Uhr nachts. Jn der
entlegenen, nur von einigen Gaolater
nen spärlich erleuchteten Vorstadt
strasze spazierte Beuredebir.
Die nackten Füße in durchlöcherten
Stiefeln, den Kragen seines alten schä
sbigen Rocke-i hoc-geschlagen aus dem
TKopf eine jämmerlich abgetragene
jMiitzm wandert der arme Kerl stie
rend einher. Seit dem Vorabend hat
er nichts gegessen, und et hat wenig
Aussicht, wieder etwas in den Magen
’zu bekommen.
Seit zwei Monaten ist Beuredebic
ohne Arbeit.
Vor ihm aus dem Trottoir zeichnen
sich die Silouetten von M. und Mme.
Poule ab. Beuredebir läßt seinen
prüfenden Blick über das Paar gleiten.
«Wohlhabende Bürgersleute, die sich
satt essen tönnen,'« murmelte er vor
sich hin. »Die Glücklichen essen alle
Tage . . . Vielleicht tann ich’g morgen
auch wieder. wenn ich Arbeit sinde.«
Mit dieser Hoffnung setzte Beut-ede
bic seinen Weg nach den Festungsweri
ten zu sokt, um sein Nachtlager, einen
alten verlassenen Steinhaufen, den er
entdeckt hat, auszusuchen
Plötzlich stößt sein durchlöcherter
Stiefel an etwas aus dem Boden.
Beuredebic biictt sich, hebt den Ge
genstand aus und geht unter eine La
terne, um seinen Fund zu priisen.
Sein Mund und seine Augen ver
größerten sich zusehend5.
»Ein Armband . . . Ein Armband
aus echtem Gold! . . . Das Ding muß
großen Werth hat«-ent«
Sein erster Gedanke war, »Das
Ding« in die Tasche zu stecken. Was
sür eine Schlemmerei morgen sriih
trenn er es vertaust haben würdet«
Aber schon erhob, sich eine Stimme
in ihm und verspottete ihn: »Es ver
tausen! . . . mit deinen Kleidern, dei
nem ruppizen Vlugsehens ..... x Das
alaubst du selbst nicht« Beuredebic! . . .
Der erste Juwelier, dem du eH anbieten
wirst, wird dich sestnehmen lassen!«
»Holla!« sagte er sich, »vielleicht hat
die lange Frau mit dem dicken Männ
chen das Armband verloren. Jch
bringe es ihr, und da können sie nicht
anders-, sie müssen mir eine Belohnung
geben!«
Gesagt, gethan. Beiiredebit ver
suchte, das Paar einzuholen, deren
Dank und hundert Sangstücke ihm
Ticher schienen.
M. und Mine. Poule wünschten,
wie man weiß, nichts weniger, als von
ihm eingeholt zu werden. Sie gingen,
so schnell sie ihre Füße tragen konn
ten.
Beitredebic ging schneller.
M. und Mme. Poule liefen.
Beuredebic auch.
M. und Mme. Poule rannten.
Beuredebic rief verdutzt: »Pf« Hö
ren Sie doch mal!«
Er wollte doch seine Belohnung ha
ben! Die hatte er doch redlich ver
dient! Und so rannte er auch, was er
rennen konnte.
Aber als er ihr Zetetgeschreit ,,Hilse
Mörder!« hörte, dachte er sich: »Die«
sind verrinnt-· i
Glücklichektoeise wachte das Auges
des Gesetzes. Jn Gestalt zweier
Schutzleute stürzte es auf Beuredebiei
los, packte ihn am Kragen, während
Mate. Poule verzweifelt-- heulte und
M Poule mit seinem Regenschirm in
der Luft herumfuchtelte.
Jm Nu wurde Beuredebic abge
führt.
»Ach, du Schurke, dir hilft kein
Leugnen!« triumphierte der Schutz
ntann, ihm das Armband aus der
iHand reißend.
l »Ich hab-e es gefunden,« sagte Beu-»
redebic tliiglich, »und wollte esJ abge
ben!«
Er tonnte nicht weiter faaen, da dies
Gefänqnifzthiir sich hinter ihm schloß«
Ill. «
Heute gefällt sich M. Poule in der.
Rolle eines Helden. Jn dem kleinen
.Ccife, in dem er jeden Nachmittag von
fünf bis sieben Uhr sitzt, um Stat zu
»fpiclen, erzählte er feinen gespannt
jlauschenden Zuhärern von einem bis
an die Zähne betvnffneten Meuchels
;tuöeder, rer ihm eine-«- Nacht5, als er
Tmit seiner Frau nach Haufe ging, in
Iden Weg getreten war. Er verfehlte
1auch nicht, feinen Mut und feine Kalt
bliitigteit beiläufig zu erwähnen, und
jedes-mal vermehrte sich seine Erzäh
lung um eine HeldentaL .
Und Beuredebics
Beuredebic ist Vernttl;eilt worden!
Mit dem Artnband in der Hand fefti
genommen, was konnte da sein lächer
liches Leugnen helfen?
Doch da er noch niemals vorbeftraft
nun-, wurde Nachsicht mit ihm geübt,
und er kam mit vier Monaten Gefäng
nis davon.
Der Beweis, daß es immer gut ist,
ein gutes Vorleben zu haben. « « i
Die rathe Markowa
Erzählung von E r n st G e o r g y.
Zinaide Martotv, im Ort schlecht-T
hin die »rothe Martoiva« genanntJ
schaute von der kleinen Treppe, die zu;
ihrem Geschäft emporfiihrte, nach ein-z
mal über den stillen, schlecht beleuch-;
teten Platz. Hinter der tleinen Dama,
dem Stadt-Verivaltungshaus, ver-s
schwand eine Kosalenpatrouillr. Sonst
war niemand zu erspähen. Nicht ein
mal hatte heute die grelle Magazin
glocle ans-geschlagen, nicht ein Käufer
Len Laden betreten. Keine Kopete in
der blasse; aber der Termin vor der
Thür, wo die Wechsel und Rechnun
gen zu bezahlen waren. Wenn der
Gatte, der als Reisender fiir eine
Warschauer Firma reiste, nicht die
nöthigen Summen sandte, dann tiin
diate der Hauswirih und Die Liefe
ranten ließen pfänden, wie sie seit
Jahresfrist drohten. Die Martotva
stierte triihe vor sich hin, dann strich
sie über ihre rothen Haare und berei
tete unter Seufzen alle-H für die Nacht
Die Holzliiden wurden vorgelegt, Die
Schranke verschlossen, vie offenen
Waaren mit Tüchern bedeckt, nur Dir
leere BlechfchachteL die Rasse,slies-, ins
stehen. Die stahl heute niemand! Eis
trat in Dass angreniende Zimmer, d.i-:
als Wohnranm diente. Ihre Kinder
hatten die mit Wasser qelochte Griitze
verzehrt und safzen arbeitend nnd arti
relnd hinter ihren Büchern. Mast
sprach ivenia bei Den Mariain
»Nun, Mutter, bist niiide".2« fraale
Peter-, ihre Gestalt mit dem Blick sei
ner dunklen Augen hastig usnsanach
Sie nickte tummervoll, erstaunt und
erfreut zugleich. Die Markowa lonnte
kaum lesen und schreiben, litt baruu
ter und siihlte tiese Ehrsurcht vor
ihren gebildeten Kindern. Ihr ljiaun
und sie hatten elend aedarht, damit
die Kinder lernten.
»Nun hast du uns bald über den
Bergk« erklärte Peter und niate ihr
zu. »Es kommenibessere Zeiten!« lir
schritt an ihr vorüber zur Treppe,
um Ryrill zu folgen. Eine Sekunoe
strich seine Hand tosend über ihre
Wange. Dann verschwand er.
Das war ihr noch nicht pafsirt, der
rothen Martoivat Ein tsrzittern alitt
iiber sie hin. Zärtlichkeiten oder Lie
lesbetveise waren ihr noch nicht tsc
gegnet. Mit vertlärtem Lächien tapute
sie sich langsam hinaus. Eine verpeste
te Lust schlug ihr aus dem Raume,
der nie aeliistet werden tonnte, ent
gegen. Nur halb enttleidet, wars sie
sich aus das harte, schmutziae Bett nie
der. Eine Woge heißester Zärtlichkeit
siir ihren hochheaabten Aeltesten holt
ihr nach außen so kalt scheinende-S
Muttergeiiihl noch höher. Die Mar
iotva lauschte hinaus, sie hörte die
hölzernen Treppen tnarren. Ihr schien
es. als dränge aus einmal dusmvses
Stimtnengemurmel durch die dünnen
Wände zu ihr. — Ein kaltes Entsehen
lähmte ihren Blutstrom, so daß ihr
der Athem eine Sekunde verging. Mii
einem Schlage war ihr klar, was da»
1
in dem fensterlosen Zimmer hinter
dem Laden vorgehen mochte. Es lag
in der Lust. Alle Welt rannte es sich
zu, dafz die Revolutionäre wieder an!
Werte waren, daß geheime Versamm
lungen stattfanden. Das Weib ber
schlang die Hände in wilder Angst.
Wenn ihre Flinder mit den anderen im
Bunde waren, wenn ihre Wohnung
etwa der Schauplatz solch verbotenen
«««),nsam«inentreffen-J » nnd die Po
ilizei erfuhr davon « —
An alten Gliedern bebend erhob sie
siin nnd schlich barfuß durch den lIei
nsen Gang bis zn der Thijr. Licht»
schimmerte durch die Ritzen. Vor
sichtig gedömpftes Sprechen ertönieu
Eine fremde tiefe Stimme ward hör- i
bar. Die Marlowa drückte ihr Ohr»
aeien ein Astloch, das tief im Hotzel
lag und oerharrte in der aebiiclten, i
nnbeanemen Stellung, tvä.,rend ihr
Herz so tvild pochte, daß sie anfangs-T
den Sinn der Rede des Unbetanntenf
tanm verstand· Erst nach nnd nachl
erfaßte sie, was er sagte. f
Er schilderte die unerhörten Grau-·
sitnteitem die in den Gefängnissen
vor sich gingen, die schrecklichen täg
lichen Hinrichtungem die Plündereiem
die mit den Hausfuehungen verbunden
waren. Und alle Greuel schob er dem
Gouverneur zu, der bei Wein nnd;
Spiel mit französischen Weibern seine
Tage verpraßte, während das Gon
rietnement unter seinem Druck litii
nnd der Zustand des verstärkten!
Schutze-S ihm die Rechte eines Selbst ;
herrscherk gab.
»Und wag habt Jhr beschlossen?«
hörte sie Awdotja fragen.
i
»Er stirbt durch die Kugel Nur
sein Tod bringt uns Rettung, denn
einer feiner Spiirhunde hat eine Liste
"in Händen, auf der all unsere Na-!
men steten. Wir in der Gouverne
mentsstcdt können morgen schon ver
hastet werden, darum müssen wir
euch die Mission übertragen-E ant
wortete der Fremde.
»Das Loos entscheide!« erklärte
Awdotjeg tiihle helle Stimme. !
»Drei miissen bereit sein, damit
nichts fehlgehe!«
»So loosen wir dreimal!«
Man hörte leises Stühleriicken, dagt
Zerreißen von Papier.
»Min- Martoto zum ersten! —
Jlja Gronento! —- Atvdotja Mar
torvu!« -—- sprach wieder der fremde
Mensch. »Nehmt ihr an?«
»Ich nehme anl« erklärte ihr Llel
tester
»Ich auch, mit Freuden!« ries ihre
Tochter unwillkürlich lauter, worauf
sofort ein «,.id.en als Ermahnutu
folgte.
»So werde ich euch das System er
llären und den Studtplau neben
Wir müssen den Ort vorsichtig mäh
len. Am besten in der Nähe des
Stadtpartg Dort wollen wir unI
sammeln und mit den Arbeitern aus
stellen. Die Vllleeiu die Bäume und
die vielen Menschen erleichtern die
«klucht, die wir dann Decken können!
Seht her — —- — —'«
Die straft der Martoma war er
schöpft. Sie schlich sich in ihren
Altoven zurück, tauerte sich aus den
Boden, lehnte die Stirn aeaen den
Bettrand nnd stierte vor sich hin.
Ihr schien, als hatten sieh Berges
lasten auf sie gewälzt und raubten
ihr die Denttraft, lähcnten jede tlare
Empfindung. s- —-- Das war ja
das Fiirchttsarste von allem! Ein
Attentat auf Den Gouverneurl Und
ihre Kinder, ihre Kinder. —— «
Der Tag kam. Peter und Aivdotja
schienen zwar etwag blas-« waren
sonst aber unverändert Kyrill lernte
eifrig. Die Martoioa wußte nicht,
ob er überhaupt an der Verschwörung
betheiliat mar. Worttarg wie immer
lebte die Familie nebeneinander. Mit
Fiictarbeit beschäftigt hockte die Mut
ter im Laden, in den kein Käufer
tam. Kein Mensch sah dem bleichen
Weibe mit dem von Entbehrung und
Kummer abgestumpsten Gesictit5a115:
drucke die wilden, verzweifelten Pläne
an, die ihr fieberhaft arbeitean
Hirn treuzten — Am nächsten Tage
schickte der Vater aus Warsckiau fiinf
Rahel. Das war aut! Die Vorriithe
waren erschöpft. Der Kaufmann gab
nichts mehr, und Awdotja mußte Le
bensmittel vom andern Ende der!
Stadt holen damit er nicht dass Geld
mit Beschlag belegte. —- Die Stun
den verstrichen. Und zum ersten Male
erschien es der Martow-a, akz ob sie
rasten.
Das beständige: »Was thun? Was
thunW trieb sie auch fast an den
-.-—-W.-—- — ..--- ---——,..
Rand des Wahnsinns-. Endlich schien
ihr eine Erleuchtung zu werden. Eine
stille Energie kam über sie. Jhr
Antlitz erhielt seinen stampfen Aus
druck zurück· Nur scharfe Beobachter
shätten in ihren Blicken etwas ver
ihalten Wildeg finden können. Wer
hatte jetzt aber Gedanken für andere?
»Ich muß zum Kattunlieferanten in
die Stadt«, erklärte die Frau am
Sonnabend Morgen ihren Kindern,
nahm den alten Hut, den schmierigen
Mantel und preßte die Hand auf die
Tasche, die merk-würdig abstand. Sie
lseaegnete teiner Gegenrede. Nur Ky
rill fragte: »Bist du Abends zurück?«
— »Ich dente'«, lautete ihre Antwort.;
Ein seltsames Lächeln usmspielte
ihre blassen Lippen, als sie den Zug.
bestieg. Ihre Finger inntlainmertew
den Revolver, den sie mühevoll deri
Tochter aus dem ärmlichen Reifelörb
ckxen entwendet hatte. Aber ihr Herr
schlug ruhig, kein New in ihr zit
terte. -—-- In der Gouvernemsentsftadt
angekommen, gab sie sofort eine De
pesche nach Warschau auf, in der sie
dein Gatten telegraphirte: »Komm
sogleich heim. Kinder holen. Unglück
geschehen« Sie bezahlte mit der let-,
ten Kopele, die ihr von den iibersand
ten fünf Rubeln geblieben war. Nun
hatte sie tein Geld zur Rückfakirtz
Nun mußte es geschehen, l
Ohne zu zittern, stand sie endlich
vor dem hiinenhaften Manne in der
kostbaren aoldgestickten Unisorm, der
sie shoclymiitshig musterte und seinen
Bart mit aepflegter Hand, an der Ju-i
welen blitzten, strich. Erwar in sei-;
nein Sessel vor dem Schreibtisch sitzen;
geblieben. Hinter ihr, an der Thür,l
waren zwei Knsaken postirt.
Der Gouverneur las ihr Nationalc,
das ein anderer aufgeschrieben und
ihm überreicht hatt-e: »Sprich, Weib«,
befahl ei endlich. »Ich habe wenigi
Zeitl« l
,,Morgen am Sonntag
bei der Prozession«, fagte sie lang
sam, ,,will man Euer Erzellenz am
Stadtpart beim Denkmal er
morden.«
Er hob den Kopf. Sein rothes
Antlitz erblaßte-. »Wer?« stieß er
hervor.
Sie zog den Revolver aus der Ta
sche, dessen Bau sie sorglich studirt
hatte, ihre Finger packten den Hahn,
noch von der Schürze verboraen.
,,Zel)n junge Leute sind mit Browil
nings betvaffnet.«
»Kennst Du sie persönlich?« fragte
er erhebend.
»Juk«
»So nenne sie, ante Fran«, flehte
er mit weißen Lippen und zitternoen
Händen.
Die .I.I(’arto:va wandte sicti langsam
nacli Den Soldaten uni· »Juki ich
sie Eurer Erzelleiez leise saaen«,
nseinte sie unentschlcssen, »ich möchte
nicht ....«
Der riesiae Mann war Vor Anasts
fast sinn!o»5. »So tritt heran«, stam
melte er. »Du wirst reich belohnt
werden! Alter waae nicht zu liiaen,
sonst —- --«
Seine Augen hingen an dem
Weibe in seiner ärmlichen Kleidung.
Er glaubte, daß Hunger nnd Elend
sie zu der Verrätherei trieben. »Ich
scheute dir tausend Rubel, wenn
Schon stand sie neben il;m und
beugte sich vor.
Ehe er zur Besinnung lam, hörte
er Schreie, fühlte etwas kalte-z an
seinem Kopfe und vernahm einen
Knall. Dann sank er hinteniiber
und schlug zu Boden.
Sie, die nie eine Waffe in Hän
den gehabt, hatte gut getroffen. Der
Gouverneur war todt. Mit laltem
Lächeln und geheimem Frohlocken
ließ sie sich von den hinzustiirzenden
Männern niederschlagen, treten und
fesseln. Das Regierungs - Gebäude,
dann die ganze Stadt geriethen in
wilde Aufregung, als die Kunde von
dem aegliictten Attentate sich verbrei
tete. Man schleppte die Mörderin ins«
Gefängniß. «
Die rothe Martowsa verweigerte
jede Nahrung· Sie sprach kein Wort
mehr nach ihrer That und ließ sich
mißhandeln und hängen, ohne
Schmerz oder Angst zu verrathen
Peler und Awdotja brauchen nicht zu
Mördern zu werden. »Die Kinder
sind gerettet. Was kommt es aus
niich an?« war ihr letzter Gedanke.
Auch die neuen Schlachtschisse stel
len sich so teuer, als ob sie zum tagtäg
lichen Lebensunterhalt gehörten
W
Futtews ersftes Fahr-selb.
Als Robert Fulton, der Erfinder
des Dampsschiffe5, seine erste Fahrt
auf dem Hudson unternahm, deren
Andenken kürzlich in New York ge
feiert worden ist, ereignete sich ein
’lleiner ZwischenfalL der nicht allge
mein bekannt sein dürfte, den aber
Fulton niemals vergessen hat.
Das kleine Dampffchiff ,,Clermont«'
hatte den Endpuntt der ersten Fahrt,
Albanr), erreicht und wurde eben wie
der in Bereitfchaft gesetzt für die Rück
fahrt nach New Yort. Die ganze Be
völkerung der Stadt hatte sich am
Ufer versammelt, um das merkwürdige
Fahrzeug in Augenschein zu nehmen,
aber nur Wenige waren kühn genug,
das Schiff zu betreten.
Endlich wagte das ein älterer
Mann. Er suchte Fulton selbst in
seiner kleinen Kabine auf nnd fragte:
»Sie sind wohl Herr Fulton, wie ich
annehmen darf?«
»Ja-«
»Kehren Sie mit diesem Schiffe
nach New York zurück?«
»Wir werden den Versuch machen.«
,,Hätten Sie etwas dagegen, wenn
ich die Rückfahrt mit Jhnen machen
wiirde?«
»Wenn Sie es wagen wollen, bin
ich es gern zufrieden.«
»Wie hoch beläuft sich das Fahr
geld?«
Nach kurzer Ueberlegung verlangte
Fulion sechs Dollars, und als thn
die Geldsumrne in die Hand gelegt
wurde, blickte er sie in Gedanken ver
sunken einige Zeit an und zwei dicke
Thränen perlten ihm die Wangen
herab.
Sich zu seinem Passagiek wendend,
sagte er: ,,Entfchuldigen Sie, mein
Herr, dies ist der erste Lohn, den ich
für alle meine Bemühungen erhalten
habe, die ich bei meinen Versuchen, den
Dampf der Schifffahrt dienstbar zu
machen, hatte. Mit Freuden würde
-ich dieses Ereigniß mit einem kleinen
Festessen begehen, aber ich bin dazu
jetzt zu arm. Wenn wir uns wieder
begegnen, hoffe ich in besseren Um
ständen zu sein.«
Wie aus der Geschichte hervorgeht,
endete diese Fahrt aliicllich
Vier Jahre später saß Fulton wie
der in der Kabine seines Dampfers,
der jetzt den Namen »North Niver«
führte, als ein Herr dort eintrat.
Kaum war Fulton seiner ansichtig ge
worden, als er von feinem Stuhle
auffprana und ihm freudig erregt die
Hand schüttelte Es war sein erster
Passagier, und bei dein kleinen darauf
folaenden Festessen erzählte Fulton
dann allen anwesenden Gästen die
Geschichte des ersten Erträgnisseg sei
ner Erfindung.
Die Pfennige des armen Mädchens
In Philaoelpbia erinnert eine
Marmortafel an ein kleines armes
Mädchen, dem man ein arofieg Ho
spital und eine Schule fiir 1400 Schü
ler zu verdanken hat. Sein Name ist
May Viatt.
Dass Feind wollte sich in die Sonn
tagscbule feiner Parochie aufnehmen
lassen, konnte aber nicht mehr zuge
lassen werden weil kein Platz mein
war. Es erfuhr dann, daf; man be
absichtige-, eine größere Schule zu
bauen, aber daf; es am nöthigen Geld
feble. Wag- that nun dass arme kleine
Mädchen? Er faßte ganz allein den
Entschluß, durch Sparsamkeit die
Mittel zu sammeln. Aber nach Ab
lauf von wenian Monaten wurde es
trank und starb. Einige Tage nach-«
her, als man feine Kleider ordnete,
fand man in der Tasche eines Kleides
57 Cents, mit Sorgfalt in ein Papier
gewietelt, auf welches esJ geschrieben
hatte: »Zum Neubau der Schule.«
Man brachte diese 57 lsents einem
Geistlicher welcher die Geschichte da
von am nächsten Sonntag auf der
Kanzel erzählte. Die Herzen wurden
bewegt, und jeder wollte das. Beispiel
des tleinen Mädchens nachahmen.
Nbch Verlauf von 6 Jahren hatte
man ein Kapital von mehr als einer
Million Toll-arg. So konnte man
nicht nur die Schule, sondern auch
das Krankenhaus bauen.
««—-..
Der bestrafte Vackfisch.
Aeltere Schwester: »Denle Dir nur,
Linchem jetzt habe ich dem Assessor
Fadmeyer schon sechs Mal einen Korb
gegeben und immer belästigt er mich
wieder mit seinen Anträqen...«
Jüngere Schwester (Baclfisch): »Er
weiß eben, daß keine Gefahr dabei ist
i— da Du ihm doch von keinem An
dern weggeschnappt wirst.«