Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 18, 1910, Zweiter Theil, Image 16

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    Die Versetzung.
Z- Qtchichee aus dem Schutt-den
- vonErnstGeotgy
» - Artha Lohn-Tun saß unschltissig
List dem alten Schreibtische, einein
IT Erbstück ihres Vaters, um die Cen
fttrrn sitt ihre Klasse zu schreiben.
; Junker wieder bliitterte sie untermi
sg in ihren Notizen, in den vor ihr
aussestapelten Heften und am Klas;
- senbuch.
.Du grübelst und stöhnst ja, als
eh es sieh nicht um Schultensurem
sondern um Todesurtheile handle«,
schalt Frau Loh-mann, die Wittwe
eines Regierungsrathes, nachdem sie
die Tochter schon längere Zeit beob
achtet hatte.
»Es handelt sich um die Versetz
ung.«
- »Was will das beißen? Bei fünf
zehujiihrigen Backsischen hat das doch
nicht viel zu bedeuten!«
»Dort-. Mutter.« Martha drehte
H ein wenig um. »Das lehre Schul
juhr liegt seht vor ihnen. Wenn wir
eine zurückbehalten verliert sie ein
suan Lebensjahr-. Das- ist teine
Kleinigkeit für Mädchen, die später
ihr Brod verdienen müsse-U
»Wer soll denn sitzen bleiben?"
, Frau Lehmann unterbrach ihre Stri
Iserei nicht während der Unterhal-:
kling.
»Jrida Sturm und Agathe von
sendheim.«
»Nun. Marthchen, die beiden has
. Heu dir tat verflossenen Jahre oft
genug die Hölle heiß gemacht Du
kam-P manchmal ganz tranl vor Aer !
Her heim. Sie büßen eben nur ihre
Faulheit und ihre dummen Streiche« «l
«Jch habe aber gerade diese beiden
lehr gernch widersprach die jung-e
fLehrerin und seufzte tief aus »Frida
- ist hoc-begabt und diese Agathe —
ach, was habe ich um die Liebe dieses
MIMUH gckllllgcllk Ulr llIUH sung
gewesen sein, daß sie es nie bemerkt
hat. Sieh, Mutter, als Frida Sturm
var einigen Monaten so lange fehlte.
da habe ich versucht, Agathe für mich
in erobern. Aeußerlich blieb sie zwar
spröde und mißtrauisch. Aber biet
«—— nimin einmal ihre Heite» und
sblättere sie durch. Du wirst zweifel
Lvs einen Fortschritt finden. Alle
Heiligen gaben mir zu, dass sie sich
in ben letzten Wochen gebessert hat.
« Ich habe himmelhoch gebeten, daß
tvir sie versuchsweise versehen. Jch
I habe betont, daß es ihre Rettung
wäre; aber ich bin leider überstimmt
worden —- leider!«
Frau Lehmann entgegnete nichts.
Sk steckte die Achseln, schaute aus
de- Fenßer hinaus und strickte dabei
? weiter.
iif Iartha wendete sich wieder ihrer
Arbeit zu und schrieb zögernd, un
ruhig· erregt zuerst die Censur und
»dann mit tlopsendern Herzen die
Bemeriung: »Nach einstimmigem Be
schluß des Lehrertollegiums tonnte
das Reisezeugniß fiir die erste Schut
stasse nicht ertheilt werden«
Die Regulatoruhr schlug die sie
bente Stunde. Die alte Dame erhob
Ich. um die Vorbereitungen für has
Abendessen zu treffen, und verließ
das Zimmer. Martha blickte nach
Erledigung ihrer Arbeit nachdenklich
in die Luft.
Da hörte sie die Korridorglocke,
das Dessnen der Thür und eine ju
gendliche Stimme. die nach ihr
fragte. Gleich daraus ließ das Dienst
mädchen vie Besucherin eintreten.
Erstaunt erkannte die Lehrerin in»
dem eleganten, hübschen Mädchen ihres
Schälerin Frida Sturm, die leicht
wiegen, aber doch etwas- von oben
herab gkutztr.
Das verwöhnte Kind reicher El
tern schaute sich hastig in dem ein
fachen Gemach um« Jhte Blicke trafen
auch den Schreibtisch. Dabei wurde
sie dunkelkoth. Unvetlennbar malte
sich Schrecken auf ihrem Gesicht.
«Betzeihen Sie«, stieß sie hervor-, »aber
ich sehe da -— — Sind unsere Cen
smen schon geschrieben?«
»Ich bin soeben damit fertig ge
worden. Kind-«
, «Fkäuleins Lehmann. werden Aga
the und ich sitzen bleiben? Jst die
duieeenz schon gewesen?«
. »Ja, Jtida. Aber ich bin nicht
» Wi, über die Resultate zu sprechen.
"Oiefe werben Sie übermorgen er
M-«
« Die kleine Sturm war bleich ge
storben. Ihre Hand packte die der
»s- sft verfpotteten Lehrerin »Von
sie will »ich ja gar nichts- wissen!
Ist Ugothe darf nicht seien bleiben
ki- Isiedingt nicht!« sagte sie ein
M. »An Sie mich meinet
wsin die dritte Klasse zutiickx
» Wen Sie, bitte, meine Freun
" ""-is die erste kommen, liebes, gn
« i- "- Lohns-usw
anfgeixft Jch habe sie vorn Arbeiten
abgehalten und auigelacht, wenn sie
lernen wollte. Nur ich bin schuldig.'«
»Warum haben Sie da- gethan«
Irida? Sie wußten doch wohl ge
nau. daß Sie Jbre Freundin damit
schädigtenk
inda blickte in das müde Antlitz,
die traurigen Augen ihrer Lehrerin
und brach plüglich in Tbränen aus.
.Jch habe es eben nicht bedacht-,
sagte sie, »ich wußte ja auch nicht«
wie arm Wendheims sind."
»Das hat doch mit Fleiß und
Aufmerksamkeit nichts zu tbunl« wi
dersprach Martlsa Lehmann sanft.
Ihr Herz begann zu klopfen.
»Ddch!« Das junge Ding war
mit einem Male ganz wilde Erre
gung. »Agathe darf eben nicht sisen
bleiben. Frau o. Wendheim lebt von
einer kleinen Pension und stickt Tag
und Nacht, um für den Leutnant und
den frechen Kadetten einen kleine
Zuschuß zu verdienen. Für Agathe
und Traute zahlt der Onkel Major
das Schulgeld. Vorhin war er bei
Frau v. Wendheini, und bat geschrieen
und getobt und geschworen, daß
Agathe, wenn sie sitzen bleibt, sofort
aus der Schule genommen wird!«
,,Jst dies so fchreclkichZ« Fräulein
Lobmann lächelte ein wenig
»Natiirlich, dann tann sie doch
nicht Malerin werden. Jbr Onkel
will sie aufs Land geben« und dort
:foll sie zur Wirthfchaftsmamsell aus
sgebildet werden« —-— Agathe darf also
nicht sitzen bleiben, Fräulein! Wirt
lich nicht! Jhre Mutter würde vers
zweifeln über die Schande. Jbre
Brüder würden sie verspotten, ihre
Schwestern sie verachten. Jch kenne
meine Freundin. Sie halb was sie
sagt, und sie at mir soeben geschwo
ren, daß sie ch das Leben nimmt.
wenn sie sihen bleibt. Sie hat doch
zuletzt so eifrig gearbeitet! helfen Sie
ilsr doch!«
Frida Sturm war längft fort, da
fühlte ihre Lehrerin noch die Eises
tiilte das lahmende Entseßen das sie»
gepackt hatte, als sie die leßten WorteJ
gehört Vergebens bot Frau Loh-;
mann ihre ganze Beredtsamkeit auf
und versuchte die Tochter zu über- ·
zeugen. daß zwischen derartigen übers
spannte-i Redensarten und der Aus
führung solcher That ein großer Un
terschied wäre, daß gerade Backfische
so oft mit Todeigedanlen um sich zu
werfen pflegten.
Martha lag die ganze Nacht schlaf
los. Fieberhaft erregt erhob sie sich
am Morgen und begab sich in die«
Schule. Jhre Augen suchten sofort
angstvoll die beiden widerspenstigen
Freundinnen. an deren Bank —- es
war die leßte —- sie trat.
Zum ersten Male fiel der Lehrerin
die Dürftigkeit des Anzuges aus die
sie über dem interessanten Gesicht
chen ihrer widerwilligsten Schülerin
stets unbeachtet gelassen hatte. Was;
mochte da- Kind schon an Roth undl
Bitterkeit erlebt haben? Was für
ein Dornenweg lag vor ihr im gün- s
stigsken Falle und welche Völle, wenns
die hätte des Onlels sie wirklich zn
solcher Erniedrigung zwang? s
Martha Lohmann beniißte die
große Pause, ließ sich bei dem Direk
tor melden und trug ihm noch einmal
die Angelegenheit vor für die sie sein
besonderes Wohlwollen erbat. Nach
dem er ihr versprochen hatte, die Ver
setzung noch einmal reiflich zu erwä
gen und mit ihren anderen Lehrern zu
besprechen, verließ sie ihn erleichtert.
Sie wußte, der gerechte und gütige
Mann würde sein Möglichftes thun.
Arn folgenden Tage fand der Se
mesterschluß mit Censurenvertheis
lung und Versetzung statt. Martha
Lohmann im schwarzseidenen Kleide
stand neben dem Podiurn, von dem
iaus- der Direktor seine Ansprache zu
halten pflegte. Sorgenvoll behielt sie
Agathe im Auge, die steis und stumm
dasasz und aus Frida Sturm’s leises
Geschmätz lauschte. Wie bleich und
unvortheilhast das Mädchen in dem
spärlichen grauen hänger aussah!
Welche Gedanken mochten durch ihren
Kopf Schell- MIOLYULFLQ herz et
süllenl Martha hatte noch keinen Be
scheid von dem Direktor erhalten, kei
nen Austrag, die verhängnisvolle Cen
sur noch einmal zu schreiben.
Sie zuckte schreckhast zusammen.
»Fräulein Lehmann, bitte, eine Mi
nute,« sagte eine Stimme. Der An
staltsleiter stand vor ihr und führte
sie in das anstoßende Zimmer. »Ich
habe mit allen Lehrtriisten der zwei
ten Klasse nach einmal Rücksprache ge
nommen,« fuhr er fort, »und ich bin
warm für die kleine Wendheim einge
treten. Jch bersichere ei Ihnen. Lei
der hat die Majorität gegen sie ent
schieden.«
»Die arme Mutterl« sliisterte
Martin
»Es ist bitter traurig, daß wir so
oft die Eltern schwerer strafen als die
Kinder selbst,« sagte er ernst. nstetig
M Sie sich iibrtsent nicht, ich habe
ieteitt an Frau m setde ge
W ist die Suche wies-anbet
M III-O sti- W sei st- Im
Vormund ein gutes Wart eingelegt
Trosdem ich an solche Kinderphrafen
absolut nicht glaube, habe ich sogar
gebeten, das Mädchen heute abzuholen
und im Auge zu behalten.«
.Jch danke Ihnen, Derr Direltor.«
Martha schlich mit zitternden
Knieen in den Saal zurück. Unwis
tiirlich schaute sie nach Agathe. Jhre
Augen begegneten sich in stumrner
Frage und Antwort. Die Lehrerin
erbleichte noch mehr. Die Schülerin
senkte tief den Kopf.
Sie liesz sich die Hand drücken und
schritt dann neben Frida die Treppe
hinab und dem Ausgang zu
Als Martha Lohmann ihre Klasse
entlassen, schaute sie Agathe noch aus
dem Fenster angstvoll nach, athmete
befreit auf, als sie vor dem Hausthor
eine schlanke, dunkelgelleidete Dame
stehen fah, die dem Mädchen entgegen
ging und Agathe hastig in die Arme
schloß.
Die Mutter hatte ihr Kind selbst
in Empfang genommen. Etwas de
ruhigter begann die abgebetzte Leh
rerin ihre Ferien Aber noch am
Abend im Bett beschäftigten sich
Marthsas Gedanken mit der Schüle
rin· die heute sicher die versäumten
Pflichten und thörichten Streiche mit
beißen Reuethriinen büßtr. Sie hatte
sie ihr, trotz aller Verstehens, nicht er
sparen können und hoffte, daß Agathe
verständig genug war, die Strafe als
gerechtes Besserungsmittel hinzuneh
men.
Spät am Morgen erwachte Mar
tha erst. als die Mutter kam und fie
anrief.
»Guten Morgen, Marthchen Jsch
mußte dich leider wetten. Der Schul
diener bringt dir einen ile eiligen
IBkief vom Dikeuoy dek- um foppt
Jtige Antwort bitten läßt«
Marthe riß den Umschlag auf
und über-flog die Seiten. Dann
sagte fie: »Der Direktor schreibt
« --Si.
L s M—--— « m--I7--:— -
lll!l, UIII Oel-III U- Wenn-uns sue-,
gestern Abend spät sein Mündel
Agathe abgemeldet habe, da er sie
aufs Land in Pension zu geben
wünsche. Der Direktor bittet mich,
selbst noch einmal zu den Wendheirni
zu gehen und zu versuchen: dieses
Geschick von der Meinen abzuwen
den. —- Bitte, Mutter. sage dem
Schuldiener« ich ließe mich empfehlen
und würde den betreffenden Besuch
sogleich machen.« —
Zwei Stunden später befand sich
Martha bereits auf dem Wege. Sie
hatte sieh eindringliche, zu Versen
gehende Worte fiir den strengen alten
Ofiizier zurechtgelegt und sah er
staunt, daß sie dem Ziele bereits
nahe war· Das große Miethshauo
auf der anderen Straßenseite mußte
die ihr bezeichnete Nummer tragen.
Vor dem Thorwea hielt ein Wagen,
und viele Menschen, besonders Frauen
und Kinder, standen aufgeregt sckkwas
hendu nd gestilulirend umher.
Etwas beunruhigt überschritt die
Lehrerin hastig den Fahrdamnn
- »Der Arzt selbst hat das arme
Mädel ins Krankenhaus gebracht
und ist nun oben bei der Mutter.
Die soll ja von einer Ohnmacht in
die andere fallen«, sagte jemand.
- »Was ist denn geschehen?« fragte
Martha erblassend. Jhre Knie be
jganr zu wanken.
»s-,
» Ums ;Ftall, froh, sog mcuorrr iu(i:»
’teraeben zu können, ries: ,.Oben bei
der Frau Hauptmann Wendheini hat
sich die Agathe, was die zweite Toch
ter ist, heute gegen Morgen mit ihre
Vaters Pistole erschießen ·oollen.«
»heiliger Gott! — Jst sie iodt?«
»Noch nicht ganz. Eine schreck
liche Wunde im Kopf hat sie aber,
und blaß sah sie aus wie der Tod«
»Warum nur?« entsuljr ei Mar
tha in wilder Pein, trotzdem sie den
Grund gut genug wußte.
»Die Tochter oon dem reichen
Sturm hat es ja laut Trausgeschrieem
daß nur die Schule dar-in schuld ist«
daß eH eine abscheuliche Ungerechtig
leit wäre! Siyen lassen haben sie
das Mädel, trosdern sie die Klügste
in der Klasse war!«
Mariha hörte nichts mehr. Jn
ihren Ohren sauste und brauste es
Mit weit ausgerissenen Augen blickte
sie von einem zum anderen. Aber
sie sah nichts als haß, Zorn, Unzu
stiedenheit gegen ihren Stank-, also
gegen sie selbst. ,Alle, alle waren ge
gen sie. Die Zeitungen würden sich
der Sache hemachtigen eine Stan
dalgelchiehte daraus machen. und ihr
Name wurde gebraut-music Nie
manv wilrde ihr glauben, niemand
ihr mehr ein Kind anvertrauent Sie
aber hatte alle geliebt, alle zu verste
hen und gerecht zu behandeln versucht.
Sie hatte immer nur unter eigenen
Qualen gestraft. —
Mit schweren Gliedern schleppte
sie sieh wie im Fieber heinnvärti Die;
Mutter und das Dienstmädchen brach-i
ten sie sit Bett Als alle Beruhig
qutel der Haus-spukte nicht
halten« made der Itzt gerate-. TO
wird-etc Muse-h ver-schrieb ein;
M sollst wichtig llinqethen Re
W as seist-c emi- w
Die sitze- serlea versinkt le
Vierzehn Tage verbrechte Marthe
varnann im Bett in wildem Fieber
oder in stumpfe-r Art-thie. Dann
ging ej mit ihrem Definden langsam
und stetig besser. Jhre beste Medizin
waren nicht bie Tropfen und Pulver,
sondern die Liebeibeweise aus dem
Schülerinnentreise und dem Lehrer
tollegium. Ihr Zimmer duftete von
Blumen. Auf ihrem Tische hiiusten
sich Briete und Posttarten. Der Di
rektor kam mit seiner Gattin per
sönlich nnd brachte ihr das Zeitungbs
blatt, in derss er eine energische Pro
testerlliirung mit den Unterichrtsten
alter Lehrer der Anstalt veröffentlicht
und dadurch alle weiteren Preßfebven
vermied-n hatte.
»Wie geht es Agathe v. Wend
heirn. und was wird aus ihr?« fragte
Martha zögernd.
»Sie ist nach Magdeburg zu einer
Tante gebracht worden. Dort wird
fee vorerst ihr Zeichenlebrerinnen- Erdj
amen machen Neicht ihr Talent aus,
so soll sie in Berlin in der Maler-ei(
weiter ausgebildet werden«, antworte-s
te der Direttvr.
Die Lehrerin legte eine Minute die
hand über die Augen. alind Frida
Sturm?« sagte sie taurn hörbar. l
»Mit Frida habe ich in Gegenwarts
ibrer Eltern mich eine Stnnbe sehr!
ernst nnterhalten«, erzii lte der Di (
rettor. »Ob ich sie überzeugt hab-H
weiß ich nicht. Jn jedem Falle werdens
Sie in ihr tiinftig eine williaere und
bescheidener-e Sectilerin finden, lieber-s
Fräulein Lohm.1nn."
Martha blickte sinnend var sic
hin. »Wie schwer wird es uns ge
macht, in einem Jahre eine Vriicte
zu den herzen so vieler Kinder zu
schlagen! Ich bin ganz verzagt, Herr
Dumer
uKopf hoch!« ermunterte er. »Liebe
zum Berufe und Pflichttreue habes-i
Sie genug. Mit dem Bewußtsein«l
richtig gehandelt zu haben, müssen
wir uns trösten«
Dankbar drückte sie dem Direktor
die hand. Muthele trat sie beim
Schulansung vor ihre neue Klasse.
Mein Geburtstag.
huinoresie von H e r m a n n D r e L
ler - Chemnitz.
Gott sei Dant! Für diesen Tasi
bin ich nicht verantwortlich zu machen.
Auch nicht fiir die alljährliche Wieder
telsr desselben. Jch könnte mir sonst die
bittersten Vorwürfe nicht ersparen,
denn seit einer Reihe von Jahren der
unaliickl dieser Tag stets-.
Eigentlich soll er doch ein Freuden
tag fein. schon in Anbstracht dessen,
daß sich das «Geburtstapåtind« wieder
365 Tage durch alle Scullen unt-Cha
kihdm des Daseins Was-stählin
durchgeschlagen hat. Mir gelingt es "
nie, ihm diesen Stempel auszudrücken
Jrn vorigen Jahre feierte ich meinen
Geburtstag irn Kreise einiaer lieben
Freunde. Wir begossen uns die Nase
diesmal kräftig« denn es war mein
fünfundzwanzigster. Doch als ich ge
gen Morgen mit dem Zuge noch meiner l
Vorstadt hinausfahren will. steige ich?
aus Versetzen in den Ausbau-Geni
Expreß nnd merie diesen Jrrtlium erst,
wie ich io bei Sonnenaufgang in Hof
erwache.
M,,k- t,—t«t.«i
chcl Dcllklillllltlk AltkllIUJ lutes-,
bei einem Mißgeschick den Ursachen
nach und zieht sich daraus Bei-ten So
auch ich: erga: Jn diesem Jahre feiere
ich meinen Geburtstag zu Haufe
Jch gebe meiner Wirtbfchaftetin bie
Weisung, fiir diesen Abend den Salon
anzuheizen, da ich um 7 Uhr bereits
zurückzukehren gedenke. sAlS Mann
von Energie gelingt mir das auch.
Punkt 7 Uhr bin ich zu haufe, rechts
und links mit Dlikatessen und eini
gen Flaschen Wein beladen, die ich
mir zum Geburtstage schenke
Meine Wirtbtchafterin ist noch da,
obgleich sie in einer Nachbarstraße
wohnt. Sie empfängt mich mit qanz
eigentbiimlich verklärtem Gesicht an
der Voriaaltbiire.
»Na, Frau Reintiegel, wag ist denn
loji haben Sie nach nicht Feier
abend gemalt-ts«
«Gebne Se mal ers rein!« tSie
stammt ans Köan Sie reißt die
Tbiire auf. Ein blendender Lichter
glanz strahlt mir entgegen. Jch bin
überrascht, sprachlos. «Un ich thun
ane gratulie, baß Se weitertch lebe
. . . weiterich lebe.'« . . ..
Weiter tomrnt sie nicht. Mein Ge
sicht hat wo« l keinen allzu freundlichen
Ausdruck. Und ich habe Ursache, böte
zu lein.
Meine biedere Wirthschafterin bat
26 Lichter, lbie Zahl meiner vollende
ten Lebensjahre) aufgestellt Damit
diese Lebenskerzen aber nicht umfals
Her-, bat sie die Iiichdeae weggebaben
und jedes einzelne Licht recht lolib und
chnhaft auf der polirten Platte
Ide- Stegttkchec mit Stearin festge
litten
Rein guter, the-net Tisch!
In der Mitte liegt, aus Teig geba
det-. deutet-Ob W -26«. Die
r tot-d an der Unterseite in die
Jst-»Im wis- lelid see wer ts
anfing pas, tote ich ais endet-en
Tage bemerkte Jch erkenne jedoch
den guten Willen an und unterdrätke
meinen Zorn.
»Ich danke Ihnen für diese Anf
mertsamteit, Frau steintiegeii (Jch
habe noch nie eine größere Liige ge
sagty Indessen fest räumen Sie mal
Ivas Zeug ab! Jch bin sehr hungrig,
und überdies habe ich hier einen Roth
Ispon mitgebracht von dem sollen Sie
Imal ein Glas auf mein Wohl trin
ten."
i »Da is nischt zu mache, Herr! Die
ILichter miisse brenne bleibe.« ·
l »Nimm Warum?«
: »Das sin Jhre Lebenslichter. Wenn
’Se se austitsche, miisse Se sterbe!«
« »Unsinn! Weg damit!"
»Da is nischt ze machet«
Sie weigert sich standhaft also muß
ich nachgeben um sie nicht zu ver- (
lesen.
»Ja unserer heimath is das to
Sitte!« erklärt sie mir, während ich
entiept tonitatire daß meine Lebend- ’
lichter von der Größe kleiner Altar- !
terzen sind, so daß jedes seine drei bis
vier Stunden brennt
»Aber das geht wirklich nicht Franz
Reintiege!. Jch möchte heute Abendi
bei Zeiten schlafen gehen und kann dach!
der Lichter wegen unmöglich bis Mit- 4
ternacht aufbleiben
«Gehne Se nur schlafe. ich wer fchoj
auspasse!«
Jch verlege mich nun aufs Han
dein. !
»Ich diente, zehn geniigen auch, Frau l
Reintiegel!«
»Niicht ze mache. Er müsse allei
brenne." (
Jas tomme ihr entgegen nnd wir
einigen uns auf fünfzehn
»Sie müsse se aberscht selbitens aus
blase. Ich will nicht Schuld habe an
Jhrem Unglück.«
Jch mache mich schleunigst Nun
und versuche, ob ich nicht noch eins un
terfchcaaen kann. Aber meine treue
Lebenshiiterin zälslt mit und iiillt mir
in die Paste: »F is gut. die andern
bleibe!« »s— Na also!
Die berglimmenden Dochte schwelen
und erfüllen das Zimmer mit einem
scheußlich stintenden Nebel. den auch
die seinste hat-onna nicht wirksam zu
bekämpfen vermag·
Darin steht mit übergeichlaqenen
händen und verlliirtem Gesicht meine
Wirthschasterin. aus dem breiten siche
ren Postamente ihrer Persönlichkeit
ruhend.
Ich lege mir verweilen aus einem
bescheidenen Eckchen des Schreibtisches
mein Geburtstags-Abendbrod zurecht,
das ich im Steben einnehme.
Der Qualm wird immer unerträg
licher. Dazu speit mein alter treuer
Berliner heute eine ungeheure Hitze
aus. »Machen Sie mal Fenster und
Thüre aus« Frau Reintiegel, wir er
sticken sonst.« Nach zwei Minuten ist
es hundetalt im Zimmer. Draußenl
herrscht eine Temperatur von minus
12 Grad. Mir schlagen die Zähne ges :
geneinander, und doch ist der Qualm
noch nicht abgezogen.
Jch stelle mich mit dem Rücken un
den Ofen, verbrenne mir dabei den
Ballen der rechten band und stoße ei
nen Topf um« dessen stehende-s Wasser
mir die Beine verbriiht.
»v
Mach-mal ter; tnu nungrtgern Zuca
gen und verbriihten Gliedmaßen in
stinkender Lust 13 Minuten Sang rich
tig durchfroren bin, lasse ich Fenster
»und Thüre wieder schließen.
» Meine Lebens-letzen sind noch nicht
Hlzur Hälfte niedernebrannt. FrauRein
stiegel steht noch immer davor und freut
sich meiner voraussichtlich endlosen Le
s benommen
»Ich habbe noch ene Ueberraschung
vor Jne!«
»Ich dantet Jch habe genug!«
«Ne die müsse Se noch annehme!«
»Aber dann slugsl Jch will endlich
ungestört mein Abendbrod einnehmen«
»3iehne Se mal e Röckchen an, wo
de größten Taschen inne hatt«
,.Wozu dieien llnsinn?" trage ich
etwas barsch
«Js tein Unsinn! Das is ene Sitte
bei uns in Kölle.'·
Sie läßt nicht eher nach, als bis ich
meinen neuen schwarzen Geht-act ange
zogen habe.
»Nun thun ich Jhne de Auge zu
binde, und Se müsse rathe, was ich
Jhne in oe Taschen stritti«
Frau Reintiegel unt-wickelt die Dut
lare meiner Gehirntantera so gewis
senhast daß ich befürchten muß. mein
Augenlicht nie wieder zu erhalten· —
»Nu tönne Se greise!«
Los! Jch ersasse etwas sprödes
Bundes
»Nu?·«
»Das ist ein Lebtuchen.«
«Js richtig. Weiter!« —- —
Jch befördere drei Anselsinem ein
Dutzend Eigarren, eine Eervelattmirst.
eine Flasche Lilin und einige hände
voll Knackrnandeln zu Tage. Zulect
greife ich in einen schwierigen Brei,
in dein etwas terumzappelt
Da kneipt mich etwas furchtbar in
den Finger der rechten hand.
Ieise mit der Linken die Binde von den
Wiesen und sehe tu meinen- W,
das sich an meinem achten set-singe
«eisW fett fees-Use eines pe
«-«s..«. « ..: «-- : .
as.--— .
MMUMM its-W ht. is M
das slut bereits herabtiiust. Und M
Thier ist in einen Psessertnchendrei
eingebüsst der in dicken Thriinen her
atmet-sc
«Jessas! Der Kuche is zerganget«
»Ich erkläre Ihnen. daß Sie inm
plettsnerriickt studi« — —
Jch sehe die verschiedenen Delitatesg
sen und überschlage mir, daß sichFrau
IReintiegel meinen Geburtstag gegen
Hö Mart hat kosten lassen —- Lichter
Hund Gebäcl eingerechnet. »Na. aber
sFrau Reintiegeh so viel Geld hätten
ISie wirklich nicht ausgeben sollen.
Haben Sie denn so viel übrig?« frage
« ich einlentend.
« »Pr, überlee hablsen ich nich. Js
auch nich von mir!«
«Alsog eborgt? Ei. ei! Dann werde
ich es Ihnen wiedergeben."
»Das thun ich nich nehme. Das is
ja schon Jhne2"
»Wieso?«
»Es hat da aus dem Schreibtisch
gelege. Der Briestriiger hat eg heute
zur Friih gebracht-« —- -— --—
Da packte mich der Zorn.
»Ist das vielleicht auch eine Kölnis
sche Sitte, was? Jetzt habe ich Ihre
sittentnse Geburtstagsseier satt. Ma«
chen Sie, daß Sie nach Hause kom
men!«
»Aber Ihre Lebenslichter müsse Se
«Kiimmern Sie sich nicht um meine
Lebens-lichten Sie alberne -««. Mir
laa ein Schimpf-Dort auf der Zunge·
Ich unterdriicte es aber und strich mit
emer einzigen Bewegung den ganzen
Kram vom Tisch aus die Erde. s— --—
Jn Ver Finsternis war sie entwi
chelL «» -..... —
Am andern Morgen mußte ich zu
Bette bleiben. Jch hatte mir einen
furchtbaren Katarrb zugezogen, dessen
Ausbrilung mich 10 Mart für Arzt
und Apotbeler kostete. Jn dieser Si
tuation hatte ich Muße. die Verlust
rechnuna meines Geburtstagee abzu
schließen: 15 Mart sür Lichter. Ge
bäch Hammer u. a.; 12 Mart fiir
Aufpoliren der Tiscbplattex 35 Mart
siir einen neuen Geht-pel; 10 Mart siir
Arzt nnd Apotheterz 72 Mart in
Summa für eine Geburtstag-fein
auf «Köl1e«sche Art.« .
Das war mein Sechsundzwanzig
ster!
W(
IRQIekIIIIuiI.
Kommij loet verschiedene Fachma
itet vorgelegt hai): »Nun, haben Sie
schon gewählt mein FräuleinP
Backfifch lvetichämi)): »Noch uichi,
—- mein Herz ist noch freil«
Dimleioienzesssis.
Amalie Wechsel-nein hat bei mit
am 25 Mai 1909 von 7 Uhr Mot
gens bis 12 Uhr Minan treu, flei
ßig und bkoo gedieni.——Aano Streng.
Sein Standpunkt
»Ich ichsoätme für durchbrockiene
Strümpfe!'
«Jch nicht, qstiiuleith Ich laß« mit
meine immer stopfen!«
Its-Oe tut Viel-IF
. »Warum der Chef heute wohl col
«chea Leach mache?«
»Weil das Geschäft fo still ist.
Rache
—
l
l
»
l
)
l
»Deine Nachmittag haben sie mich aus
dem Vogt-tauseer mit-geschmissen
Gerne-schritt seht get-« ich aber fo
ioct ins nächste Wirtshaus - und Lauf
um eine Kalb-IMan
Ein Uns-ethisch
Professor: »Da habe ich richtig verges
sen, wo t wohn-: macht nichts. ich sann
's ins Rein-staat sehen and dort ist
Ueßbuch ntzchichauen —« wem- mir
nur auch mein Name Moder eins IV
würdet«