Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 11, 1910, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
0Staats« Anzetger und II cerold
Jahrgang-sr;i910.«swkvcitcr(Thci-.) mmmmm fcr 23. —
«
Ein· Sonnenstrahl.
Ein Sonnenstrahl bricht durch die
Wollen
Des Wintertags mit sanftem Eintei
nen.
So voller Liebe ist sein Leuchten,
Und doch, — ich muß darüber weinen.
Ein Sonnenstrahl -— Wie qriisztest
innig
Du dieses Licht: mit welcher Wonne
Hauchtest selig du aus den Kissen:
»O, sieh« den warmen Strahl der
Sonne«
Und heut'? In Zärtlichkeit ge
taucht,
Als dächt’ er deiner Erdenqual,
Schmieat sich an deinen Hügel weich
Der erste siisze Sonnenstrahl«
Margarete Wadehn
Ohne Hut
Von Max Deutung
Der Lehrer Rucksiictel war ein gro
ßer Anhänger der naturgemäßen Le
bensweise. Er befaßte sich viel mit
Wasseranwendungen, trug weitmcts
schige Wäsche und ging in Haus und
Hof am liebsten barfuß. ·
Aber für einen Lehrer, der doch der
Jugend in jeder Beziehung ein Vor
bild sein soll, fchictt sich manches nicht,
was ein anderer ungerügt thun tann.
So zum Beispiel liebte es Rucksäckel
besonders, barhäuptig im Freien zu
lustwandeln. Denn der Hut war für
ihn auch so ein Ding, das zum über
flüssigen Ballast in der Welt gehörte.
Die Natur hat dem Menschen ja zum
Schutze des Kopfes das Haar wachsen
lassen; wozu also der Hut? "
Der Schulinspettor Linnemann war
allerdings anderer Meinung. Er
nahm sich den naturwiichsigen Lehrer
bei Gelegenheit einmal beiseite und be
deutete ihm, daß ein rechter Schul
mann schon des schuldigen Grußeö we
gen bei Begegnungen mit Vorgesetzten
unbedingt einer Kopsbedeckung be
dürfe.
Aber was waren alle noch so wohl
gemeinten Ermahnungen gegen Ge
wohnheit und innerstes Bedürfnisz?
Wenn die liebe Sonne einmal ganz
ungewöhnlich heiß berniederbrannte,
tonnte der Lehrer Rucksäctel nicht wi
derstehen und verließ das Haus —
ohne Kopfbedeetung »
So auch heute. Borsichtig die be
lebteren Gassen vermeidend, hatte er
einen erfrischenden Spaziergang über
die Felder gemacht und war zum
Schluß in einem wohlbekannten Gast
hause eingekehrt.
Aber er hatte noch nicht lange ge
sessen, da erschien — er traute seinen
Augen taum — der Herr Schulinspet
tor Linnemann in der Thüre.
Als dieser Rucksäctel gewahrte, tam
er leutselig aus ihn zu und ließ sich
an seinem Tifche nieder. s
Der gewaltige Schulmann war au
ßerordentlich freundlich. Er unter
hielt sich wohlwollend mit dem Lehrer
über allerlei Schulfragen und ermun
terte diesen, auch feine Ansichten frei
heraus-zusagen.
Rucksäclel saß wie aus Kohlen undt
gab nur turze, verworrene Antworten;
- Daß er auch gerade heute seinen Hut«
zu Hause lassen mußte! s
»Ich habe«, hub Lineniann an»
»Jhnen neulich im Interesse der gutenj
Sitte eine kleine Ermahnung zutheils
werden lassen — es ging nicht anders. s
Denn, nicht wahr, mein lieber herr
RudsäcteL der but gehört nun einmal
sozusagen zum eisernen Bestand des
gebildeten äußeren Menschen! Aber ich
sehe mit Befriedigung, daß Sie sich
meiner Anschauung willig gefügt ha
ben· Und das ist recht sol«
Dem Lehrer war es plötzlich ganz
schlecht geworden, und nachdem er einei
Weile gedrückt und in sich gelehrt da
gesessen hatte, ersaßte er die erste sich
darbietende Gelegenheit. ininol hin
auszuschliipsen. !
Draußen nahm er den Wirth aus
die Seite.
,,Lieber here Schweighoser«, sagte
er vertrauenövolL »Sie könnten mir
einen großen Gesallen thun. Man hat
doch nicht immer bei der Wärme gern
einen Hut aus dein Kapsel Nicht
wahr? Sie verstehen mich's«
»Gewiß!« entgegnete der andere.
»Aber der Herr Schulinspeltor ver
langt einen huil Beauftragen Sie
doch, bitte, schnell Jhren Jungen, daß
er ihn holt!«
»Staat« erwiderte Schweighoser.
»Und hängen Sie ihn, bitte, unaus
siiltig in der Mihe unseres Tischet
aus!« fügte Rucksiickel noch hinzu und
lehrte dann ins Gastzimmer zurück.
Der Hut war bald herbeigeschafst,
und Schweighoser hängte ihn, wie ver-.
abredet, ins Gastzimmen
Der Lehrer, der bisher in banger
Erwartung gesessen hatte, nahm von
diesem Vorgange mit Befriedigung
Notiz. Seine Haltung ward zuver:
sichtlicher, obschon er mit Befremden
wahrnahm, daß der Hut ein neuer
Zylinder war und nicht sein Eigen
thum sein konnte. Denn er besaß tei.
nen solchen. Umsomehr drängte es
ihn daher, das Gastlotal baldmöglicbst
zu verlassen, und so äußerte er bald
darauf in aller Bescheidenheit, daß er
nun doch wohl nach Hause gehen
müsse.
»O, da können wir ja zusammen
gehen!« erwiderte freundlich derSchul
inspettor.
Die beiden Herren griffen nach den
Hüten und traten vor die Thüre.
Rucksäckel wollte den Zylinder auf
setzen, aber dieser war zu weit und
drohte, ihm iiber den ganzen Kopf
binabzurutschem Er mußte also den
Hut mit der Hand hochbalten, daß
dieser ihm nicht die Augen verdeckte.
Schuljnspettor Linnemann sah den
neben ihm schreitenden Lehrer ver
» wundert von der Seite an und sagte
dann: »Was haben Sie denn mit
Ihrem Hute, Herr Rucksiickel?«
« »O nichts, gar nichts«, stotterte die
ser in peinoollster Unbehaglichteit, »ich
halte ihn nur ein wenig, damit er mir
nicht davonsliegt.«
»So, so«, gab in gutmüthiger Iro
nie der Schulinsvettor zurück, »da
steht man es ja deutlich, wie wenig
Sie es noch gewohnt sind, einen Hut
zu tragen. Ja, ja, so rächt sich jede
Verwilderung der guten Sitten! Es
ist schwer, sich wieder zurückzusinden.«
»O, es ist nicht das«, wandte ver
wirrt Herr Rucksiickel ein, »aber der
Hut gehört meiner Frau — das heißt,
meine Frau hat wahrscheinlich « es
ist mir total unbegreiflich — wahr
» icheinlich hat sie teine Ahnung gehabt,
daß ich —— —-"
Rucksiickel lachte hhsterisch und be
mühte sich, so slott und ungezwungen
als möglich auszusehen
»Na, na, lassen Sie es halt gut
sein«, wandte mit würdevollem Tatts
ariiihl der Schulinspettor ein, Er sah,
wie sehr der Lehrer gegen eine ihm
unverständliche Verlegenheit kämpfte ;
wahrscheinlich war der an sich unge
wohnte und unbeaueme Hut bei seiner
Abneigung gegen Kopsbedeckungen
überhaupt die Ursache. Und wahr
scheinlich hatte er sich nur seinetwegen.
das heißt aus Rücksicht aus seine Er
mahnung, diese ceremonielle und steise
Bedeckung zugelegt und siihlte sich
nun unbehaglich in deren lästigem
Zwang. Und in einer plötzlichen Aus
svallung mitleidsvoller Güte streckte er
dem unglücklichen Lehrer beide Hände
entgegen und ries: »Leben Sie wohl,
lieber Rucksäckel, ich biege hier rechts
ab!«
Nucksiickel tropste der dicke Schweiß
von der Stirn. Er sühlte das Heran
nahen einer Katastrophe und gleich
zeitig sühlte er, das; er machtlos war,
sie aufzuhalten Er sah die beiden
Hände-des Schulinspeltors, die sich
ihn entgegenstreckten —- schon in ver
nächsten Setunde mußten sie sich in
tödtlichem Beleidigtsein zurückziehen,
wenn er sie nicht ergriff, und so ließ
er mit einem innerlichen Schrei der
Verzweiflung die Huttrempe sahren
und saßte nach den Händen. Dann
wurde es Nacht vor seinen Augen.
Und zwar buchstäblich Denn der
Unglückshut war ihm iiber die· Nase
aerutscht.
,,Leben Sie wohl, Verr Vatunnsperz
tor«, autaelte und gurrte es dumpf
unter dem Cylinder hervor. »Ich bitte
tausendmal um Entschuldigung, aber
der but ——· der Hut stammt noch aus
meiner Kandidatenzeit » —— datenzeit,
wo ich mich meiner großen Haarsiille
erfreute, und jetzt —- und ieyt —— —!«
Kopfschiittelnd hatte Herr Linne
mann die Metamorphose betrachtet,
und stirnrunzelnd qina er nun mit ha:
stiaenc Schritte von dannen. »Es ist
wirllich schade um den RuclsiickeL dass
er nicht niehr ausä ußere Form hält",
inurmelte er. »Einmal acht er ganz
ohne Hut aus« und ein andermal
snacht er sich so zur Vogelscheuchel Wo
bleibt die Disziplin, wenn er in solch
einem Zustande seinen Schülern be
aeanet!«
Unterdessen riß und rüttelte der
Lehrer an dem unschuldigen Hutr. So
» leicht er hinabaerutscht war, so schwer
aina er wieder in die Höhe, und alg
er sich endlich davon befreit hatte, war
here Linnemann bereits verschwunden
Und ietzt brach auch die bisher so müh
sam behauptete Selbstbeherrschunq bei
dem bedauernswerthen Pechvogel zu
sammen. Er tobte sast vor Zorn. Was
war denn seiner Frau einaesallen, ihm
diesen but zu schicken? War sie denn
in maßloser Berlennuna seiner Bot
schast in einen Hutladen geeilt und
hatte diesen Hut extra siir ihn gekauft?
Es mußte wohl so sein. Gewiß hatte
sie geglaubt, es handle sich um eine
vsfizielle Zusammenlunst mit dem
Herrn Schulinsvettor.
Etwas besänftigt zwar, aber noch
immer aufs Jnnerste erbost, langte er
zu Hause an. Dort wars er den Hut
aus den Boden unsd trat daraus, daß
es lnallte.
»Und wenn er tausend Mart gelo
stet hätte, ich will ihn zertreten zu ei
ner sormlosen Masse!« schrie er und
trampelte dabei auf dem armen Chlim
der herum, bis er die gewiinschte Form
hatte.
Seine Frau schaute ihm in sprach
losem Erstaunen an. Sie tannte ihren
sonst so ruhigen Mann gar nicht wie
der. »Aber Rucksiickel", fragte sie
angstvoll, »was ist Dir denn?«
»Ja, reve Du noch«, böhnte er.
»Wie tannst Du mir nur so einen
blödsinnigen Hut schicken, mit dem man
sich bis aus die Knochen blamirt?«
»Um Gott, Mann«, erwiderte die
nun wirklich geänstigte Frau, »ich
habe Dir nie einen Hut geschickt und
weiß überhaupt von dieser Geschichte,
die Dich so aufzuregen scheint, nicht
ein Sterbenswörtchen!«
Im selben Augenblick tlingelte es,
und Herr Schweighoser, der Wirth,
stand draußen. Er war ganz außer
Athem.
»Den Hut, den Hut, Herr Ruck
siiclel!" jammerte der Wirth, »Sie
sagten mir doch, ver Schulinspettor
verlange einen Hut, und darum ließ
ich ihn von seiner Frau holen. Und
nun ist das Mädchen des Schulinsvets
tors bei mir und verlangt den Hut
Herr Linnemann sei so sehr ausge
bracht. Wo sein Hut ioiire?«
»Hier«, stammelte Lehrer Rucksäckel
und hielt dem Wirthe die lläglicben
Fragmente bin. ,,.f)ier ist der Hut des
Herrn Schnlinspeltor!«
Dann brach er, ob dieser doppelten
Traait fast ebenso vernichtet wie der
Hut, wortlos ans dem Schirmstiinder
zusammen.
Keler Sprotten.
Flieh Ende Januar.
Fünf Millionen Sprottent Ein
paar Tausend mögen es mehr oder wes
niger gewesen sein, aber so um und bei
war’g daöErträgnifz, mit dem nach ei
ner Periode dürftiger Fänge die Fi
scher der schleswig-holsteinischen Ost
seeliiste eines Morgens in der verflosse:
nen Woche die Räuchereien von Aiel
und Eckernförde überschütteten. Fünf
Millionen Fische, und obendrein aller
delilatester Qualität! Das llinqt nach
einer Handvoll Goldfiichse in jeder Fi
scherlate. Aber leider: »Wenn de
Fisch-' wat’ gelt. denn hebbt wie leen
— und hebbt wie well, denn so gelt se
nix!«
Das ist die ewige Klage der armen
Kerle, die allnächtlich bei jedem Wetter
da draußen in der See ihre Wade zie
n.
Der Preis, ia sogar die Verwen
dungsmöglichleit der Fische richtet sich
nach dem Angebot. mehr als bei ande
renWaaren. Denn dersprott will nur
in absolut frischem Zustande verarbei
tet werden« Ja, wenn der Fang von
fünf Millionen sich auf die sechs Ar
beitsilächte in derWoche vertheilt hätte,
dann hätte eH etwas werden können
Eilig der Handvoll Goldfiichse. -—— Aber »
o . . . l
Man darf zweifelhaft sein« ob mans
den Sprottensischer mehr um der Här: i
te feines Berufs willen bedauern folli
oder wegen der Enttäufchungeih die
ihn auch dann verfolgen, wenn er das
Glück beim Schopf aus dem Wasser ge
zogen zu haben glaubt. Nur aut, daß
» ihn die Gewohnheit aegen diese ebenso
abgehärtet macht, wie gegen die Arbeit;
diese Schwielen, die feine Hände ver
härten, umlrusten mit der Zeit auch
fein Empfindungsleben, und das
Phlegma, das man dem Seemann in-. !
allgemeinen nachsagt, vertieft sich beii
ihm zur Resignation, die ihm vor Exil
muthigung schiiszt
Maq er fünf Nächte veraeblich aear !
beitet haben,er fährt am sechsten Abend l
wieder hinaus-, ohne leidenschaftlichc
Hoffnuna, aber auch keineswegs al
verärgetter Schwarzfehen Als ein in l
» das Schicksal sitaelsener der sein
"Hkindwerl versteht, seine Arbeit willi.1
« thut und die Gesetze der Fischerei re
spettiri.
Gesetze sind’g eiaentlich nicht, nur
mündliche, durch die Uekerlieferuna ae
beiliate Vereinbarung. die der anstän—
dige Sprottens und Heringsfifcher ie
doch unverbrüchlich innehält auch ohn:
die Furcht vor drohenden Strafpara
graphem Niemandem fällt es ein, die
als wöchentliche Schonzeit feitgelegte
Sonntag Nacht durch einen Raubzng
zu entweihen; kein Boot bricht, um
draußen dem anderen das Fett von de:
Suppe zu lösseln, vor der allgemein
vereinbarten Nachmittagsstunde auf;
und wer auf dem angplatz, dem er
sein Vertrauen geschenkt, schon einen
anderen, der schneller gesegelt oder bei
slnuem Wind mit den Riemen »ge
pullt«, vorfindet, denlt nicht daran,
dem Genossen das Recht des ersten Zu
ges zu bestreiten. So wenig, wie der
Erstangelommene sein Fangnetz zum
zweiten Male an der gleichenFanqstelle
nur-werfen würde, ehe der Nächste, und
s sind deren mehrere« nlle der Rebe nach
sihr Glück versucht haben. Erst dann
.beginnt, vorausgesetzt das-, die Nacht
fnoch lang genug« der Turnus- von
J neuem.
. Das heißt, von einzelnen Fischern ist
natürlich nicht die Rede, denn einem
Manne sollte es schwer werden, neben
dem schweren Boot den mächtigen
Fangapparat zu regieren. Je zwei
starte Fahrzeuge vielmehr-, ein jedes
mit drei Mann besetzt, bilden eine
Fanagenossenschastz die sechs theilen
unter sieh die Enttäuschunaen, den Ge
winn und — zunächst einmal die Ar
beit, und die ist um so härter, je widri
ger das Wasser, je eisiger der Nordost,
je schwerer der Seeaang ist. Da gilt’H
zunächst einen Psahl in den Grund
rainmen, an dem dasjenige Boot, in
dem die braune Masse des dichtmaschi
gen, dictsädiqen Netzwerles hochausgei—
thurint lagert, festgelegt, das einelinde
der langen Wabe verknüpft wird. Mit
dem anderen Ende riielt dieMannschast
des zweiten Bootes in aeradem Kurs
davon, weiter, immer treiter, bis der
ganze Netzplan samt den an leiden En
den besindlichen Zugleinen aus dein
sestliegenden Fahrzeug heraus und ins-;
Wasser aehaspelt ist, und nun, an der
oberen Kante mit Schwinunern verse
ben, an der untern durch Blei be
schwert. alg zwei Yards hohe Wand,
die sich in der Mitte in einen langen
Beutel öffnet, senkrecht aus dem Grun
de deg Mereg steht. Dann legt sich die
Mannschaft des sreibewealichen Bootes
in die Riemen und lehrt mit dem äuße
ten Ende der Wade in weitem Bogen
langsam zum sestliegenden Fahrzeug
Jznrtiet Die Boote werden längsscit
nebeneinander vertäut. und nun be
ainnt in beiden die saure Arbeit des
Netzeinholens, Griss um Griff, eine
Armliinae nach der anderen, hüben und
drüben. Inwieweit der Fang geglüctt
ist, erkennt der Fischer schon an der
Zahl der in den Maschen der Netzwand
verhaspelten Fische, deren Masse jedoch,
mehr und mehr in die Enge getrieben,
schließlich im Beutel des Netzeg ihre
Zuflucht sucht. Der ist im Falle ge
segneten Fanges bisweilen so schwer,
daß die ganze-, zwölsarmige Fanagei
nossenschast nicht imstande ist, ihn ins
Boot zu heben, ohne zuvor ein tüchtiges
Maß des selbst in der Duntelheit silbe
rigen Gezappels mit der thzerntn
Bootschausel an Bord zu bringen.
Hat sich der Fang halbwegs gelohnt,
dann heißt es schnellsteng damit an
den Marlt, nach Kiel oder nach dem
Nachbarstädtchen Erlernsörde, den bei
den Plätzen, an denen heute die Fisch:
räucherei im großen blüht. Aber so
eine Heinisahrt ist zumeist schneller ge
dacht, als ausgeführt Denn die deut
schen Ostseeliistensischer arbeiten noch
bci weitem zumeist mit Segelsahrzeu
gen erst allmählich bürgern sich d.1ne-«
ben die Motorboote ein; und weht da
her die Brise lontriir oder setzt sie gar
ganz aus« dann heißt eg geduldig
treuzen oder im Schweiße des Ange
sichts rudern, zum inindestcn bis an
den Dampser, der von der Reederei
hinauäaesandt wurde« um, wenn der
Fang die Müh-.- !ohni. die Fischer in
offener See zu erwartet-. ihre Beute
anBord zu nehmen und, feinenxtlntheil
am klingenden Lohn in Gestalt von
Frachtveraiitung vorweg berechnend,
sie dem Markte zuzuführen. Bis sie
dort bei Tages-grauen eintreffen, sind
die Fische, die gerade um die gegenwär
tige Jahreszeit den Höhepnnlt ihres
Fettgehaltes erreicht haben. sortiert. im
großen abgezählt nnd liegen mausctoi
« kein Hering, lein Sprotte erträgt
das Leben in der sreien Lust auch nur
eine Minute — auf Deck, in den hoch
übereinander gebauten slakhen, offenen
Kisten.
Mit einem cin,;iaen« schnellen Raub
thierblid missen dieAaenten der Räu
chereien Menae und Güte des Fanges
Zu überschlaqen· Jst er .1rina, so sucht
ein jeder so viel zu erobern, wie er
kann: der Fischer ist der Herr der Si
tuation, der Preis schnellt in die Höhe.
Je mnfnnareicber die Zufuhr, vesto
aleichgiiltiaer die Auskäufer: der Wett
streit der Nachfrage verwandelt sich in
einen solchen des Angebot5. die Preise
sinken. Und wenn gar fünf Millionen
Sprotien auf einmal auf den Markt
geworfen werden,dann ist es von vorn
herein aewifz, dasz die Hälfte des müh
samen Fernqu an die Dünaerfabrilen
geht, eisenbahnwaggonweise, zum
Groschenlohn. Denn mehr als dieRäu:
chereien am selben Tage verarbeiten
können, laufen sie nicht und auch soviel
nur zu einem Spottpreise, der unter
den Fischern manches lange Gesicht er
Ioirtt. Niedergeschlagen sehen sie ihren
herrlichen Fang davonsahren, dessen
Verarbeitung bei der äußersten Emp
findsamleit der Waaren keinen Aus-—
schub erduldet. Hunderte von Händen
regen sich in den großen Ränchereien,
die Fische zuzurichten. zu waschen, zu
salzen, zu schmälen. Schnell wandelt
sich das Silber ihres Geschupps in
gleiszendes Gold. Schnell sind sie gar,
werden zu je 80 Stück, — ein Wall
heißt das Maß —- in die sauberen
glatten, flachen Kistchen verpackt, und
dann, wenn die Abendzitae die Stadt
verlassen, dann aehen die KielerSprot
ten six und fertig in alle Theile des
Reiches und heute längst über dessen
Grenzen hinaus, ein delikater Genuß
den Liebhaberm von denen kaum einer
der schweren Arbeit und der mannig
fachen Mühen gedenkt, unter denen siev
in finstern-, kalter Winternacht vor
knapp 24 Stunden ihrem Elemente
entrissen wurden.
Der warme lliiischlag.
Jn der Medizin sollte zwar aus
schließlich die exakte Beobachtung fiir
die Behandlungsweise maßgebend sein,
und doch muß man sagen, daß die
Weltbeherrscherin »Mode« ihre Fühl
hörner auch bis in das ärztliche Han
delu hinein ausgestreckt hat. So gab
eH eine Zeit, etwa im letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts, wo heiße
Umschläge geradezu in der Mode wa
ren, dann kam eine Periode, in der die
Eigblase am Ruder war, und jetz:
macht sich ein deutlicher Umschwung
zugunsten des warmen Umschlages be
merkbar. Wenn nicht alle Zeichen
trügen, wird die Wärme als Heilfaltor
von der Bildfläche nicht mehr ver
schwinden. Dafür sprechen neben
wissenschaftlich begriindetenTbatsachen
die Anstrengungen, die die moderne
Technik macht, um die Anwendung
heißer Umschläge den Anforderungen
der Neuzeit anzupassen.
Vor Jahrzehnten, als man noch ir
dene Topfdeclel kannte, waren diese ein
beliebtes Hilfsmittel für äußerliche
Wärineapplilation. Der Deckel wan
»dem in den Bratofen und, nachdem er
genügend erwärmt und in ein Hand
tuch eingeschlagen war, auf den ers
lrantten Körpertheil.
Ein erfolgreicher Konturrent er
wuchg dem Topfdeclel in Gestalt heißer
Breiumschläge von Hafergrütze oder
Leinsameu, die weit länger warm blie
ben, also nicht so häufig gewechselt
werden mußten. Bequemer noch, weil
das lästige Kochen fortfiel, gestaltete
sich der Gebrauch heißer Sandsäckchen.
Was allen diesen Wärmespendern
fehlte, war der Mangel an Form und
die oft lästige Art der Zubereitung
) Da wußte dieTechnitRatbunderfand
die saubere, handliche Wärmflasche in
ilsteftalt eines flachen, doppelwandigen
tBeckensz das-, mit heißem Wasser ge
sfijllt und zugeschraubt, sofort ge
brauchgfähig war. Bis in die neueste
Zeit hat die Wärmflasche ihren Platz
zu behaupten gewußt, doch ihre Starr
heit gereicht ihr zum Verderben. Nicht
ijberall ist sie in gleicher Weise an
wendbar, auch schmiegt sie sich nicht
immer der Unterlage genügend an.
Dieser Umstand war es wohl, der das
Bestreben zeitigte, das starre, flache
Becken in ein biegsames umzuwandeln.
So entstanden die Wärmflaschen aus
Guinmi. die mit heißem Wasser gefüllt
werden« Die Wissenschaft schritt dann
zu einer Vervollkommnung Man be
nutzte die Eigenschaft gewisser Salze,
beim Erwärmen in ihrem Kristallwas
ser zu schinelzen und nachher beim
langsamen Erstarren allmählich dtr
während des Eryctzens ausgespeicherte
Wärme abzugeben, und füllte flache
Guinniisiicte mit geeignetem Salz
(essigsaurem Natron). Das Thermo
vhon war geboren. Jn verschiedenen
Größen hergestellt, wird es in kochen
deg Wasser gelegt und nach der auf
dem Gnmmi genau bezeichneten Minu
tcnzabl herausgenommen Je nach
Größe hält sich der Thermophon eine
bis viele Stunden gleichmäßig heiß.
Troß vieler großer Vorzüge besitzt das
Thermopbon noch einen nicht unwe
sentlichen Mangel. Wird nämlich die
vorgeschriebene Kochdauer überschrit
ten, dann erkaltet die geschmolzene
Salzmasse ziemlich schnell, bleibt aber
flüssig. Oessnet man jetzt den Schrau
btnverschluß nnd taucht in den flüssi
gen Inhalt des Gunimibeutels siir
einige Minuten einen spitzen Gegens
stand, etwa eine Nabel, so beginnt
langsam die Kristallisation unter star
ker Erwärmung, die bis zum völligen
Erstarren anhalt. Von großer Wich
tigkeit ist es, die Verschraubung fest zn
schließen, damit von der Salzlösung
nichts aussickere und beim erneuten
Kochen lein Wasser eindringen kann.
Wie zu erwarten stand, hat die-kraft
aller Kräfte, die Elektrizitiit, nicht
müßig beiseite gestanden. Die elektri
sche Dauektompresse ist das neueste Er
zeugnis-, der Technik und vorläufig der
vollkommenste Apparat· Mit Hilfe
eines Stecktontalts an die Lichtleitung
oder ein entsprechendes Element ge
schaltet, liefert er eine dauernd gleich
mäßige Wärme, die durch eine Regu
liervorrichtnng nach Belieben erhöht
oder vermindert werden kann.
Jn der Behandlung von Gauen
blasen, Leberleiden, Rheumatismus,
chronisch entzündlichen Prozessen
mannigfachster Art bedeutet die fleißige
Anwendung heißer Umschläge ein so
werthvolleg Mittel, daß man sie heute
laum noch entbehren kann. WelcheForm
des Umschlaaes man anwenden will,
Topfdectel oder elektrische Dauertomi
presse, wird nicht zuletzt vom Geldbeus
tel abhängen.
--———.—
Ein Kriegslustschtss tm Jahre 1312
Was der furchtbare Brand von
Moskau und die Schrecken des raffi
schen Winters bewirkten, 4die Auftei
bung der napoleonischen Jnvasionss
armee, sollte ursprünglich die Auf
gabe eines rufsrfchen Kriegsluftfchsif
fes sein, zu dessen Bau sich ein sinn
ländischer Mechaniker Namens Lepick
dem Kaiser Alexander l. hatte anbie
ten lassen. Auf die wenig bekannte
Episode, die im Hinblick auf den ge
genwärtigen Stand der militärischen
Luftschifffahrt von historischem Jn
teresse ist, wurde die Oeffentlichkeit
erst im Jahre 1892 aufmerksam, als
das ,,Russki Archiw« den in dieser
Angelegenheit gsefiihrten Briefwechsel
zwischen dem Zaren und dem Mos
tauer Kommandanten Grafen Ro
stopschin herausgab Unterm 24.
Mai 1812 theilte der Monarch dem
Grafen unter strengster Verschwie
genheit mit, daß man ihm einen sehr
geschickten Mechaniker empfohlen
habe, dessen Erfindung »die wichtig
sten Folgen haben tönnte«; er ssende
ihn nach Moskau, wo ihm zu seinen
Versuchen Alles-, was er brauche, zur
Verfügung gestellt werden sollte. Diese
Erfindung war nichts Geringeres,
als ein mächtiges Luft-schiff, das vdie
feindliche Armee bei ihrem Heranna
hen überfliegen und mit einem ver
nichtenden Bombenregen überfchütten
sollte. Der Mechaniker Lepick lam
denn auch wirklich nach Moskau, wo
Rostopschin unter peinlichfter Ge
heimhaltung zwei Schmiede und
Schlosser für ihn sanwarb, und das
Wert begann unter dem Vorwande,
der fremde Mechaniker sei beauftragt,
Modelle zu landwirthschaftlichen Ma
schinen zu bauen. Lepiel gewann den
Grasen gänzlich für seine Idee, Ro
stopfchin war vom Gedanken an ihre
voraussichtlichen Folgen überwäl
tigt und schrieb dem Kaiser: »Diese
neue Erfindung werde das Kriegs
bandwert überflüssig machen, dass
YJtenfchengeschlecht von dein höllischen
Zerstörer sNapoleom befreien und
den Zaren zum Schiedsrichter über
Könige und Königreiche und zum
Wohlthäier der ganzen Menschheit
machen. Inzwischen bestellte Lepick
5000 Arschin Tast von besonderem
Gewebe, trockenes, fünf Jahre altes
Holz, für L-;0,00() Rubel Vitriol und
für die gleiche Summe Eisenfpähne
zur Anfertigung der Bomben. Zur
Begleichung der Rechnungen wies
der Kaiser dem Strafen 10(),000 Ru
fbel gn, das gen" gte aber nicht« und
schon Anfang August hatte der Er
findet im Ganzen 1fxt,()0t)tltubel fiir
Anschafsungen verbraucht- Mitte Au
gust endlich war der Taft vollstän
dig zusammengenäht, Ende des Mo
uatS sollte der Aufstieg vor sich gehen.
»Der Ballon wird fünf Menschen tra
gen«, schrieb der Graf dem Zaren am
2:t. August, »niorgen wird Lepict
einen Versuch machen, und ich habe
das Publikum davon unterrichtet, da
mit es nicht erschrickt« Das Publi
kum erschrak allerdings nicht, denn
der Mißerfolg war geradezu glän
send, und Rostovschin war aenöthigt,
dem Hssaren zu berichten, das-. sich der
erhoffte Heilbringer als ein »verriick
ter Scharlatan« erwiesen habe. llm
das Geheimnis; des Ballons zu wah
ren, wurde dieGondel verbrannt und
das « Gerüst auseinandergenommen.
Was übrig blieb, war für 53,()00 Nu
kel Vitriol, das zur Fiillung der
Bomben bereits angeschafft worden
war « was man damit gemacht hat,
verichweigt die Chronik.
Ein Fortschritt
Herr: »N.1, und wie steht ec- mii der
Kultur in Aftika?«
Forschungs-reisenden »O, Oanz gut
die Häuptlinge beginnen schon ihre
Unterthanen im Skat zu —- demo
qeln.«
.Epei:athsannsnce·
Ein schlechtfiehender Kaufmann
sucht eine autgehende Gsefchäftsftam