Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 04, 1910, Zweiter Theil, Image 16

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    M er kein Rasirmessetr
sehen kann.
Erzählung von N o t g e r.
Wir saßen still einander gegenüber
is der gemiithlichen kleinen Weinstube
die den Schauplatz unseres Wiederie
Iens nach langen Jahren getrennter
Lege bildete. Vor uns in den fein ge
schliffenen Gläsern blintt e der duftige,
goldene Tropfen, mit dem mir die alte
Freundschaft neu besiegelten.
Jch ließ meine Blicke wieder einmal
iiber Gesicht und Gestalt meines alten
Genossen Ernst gleiten. Ja, es war
nicht zu verkennen ein schlvermiithiger
Zug verdüsterte die Mienen des statt
lichen Mannes-, die übercniithig froh
gelächelt hatten als lvir uns damals
im Bahnhos treuherzig die Hände
schüttelten. »Lebe wohl und viel Glück
auf den Lebensweg!« ---— Dann ivar
der heitere Geselle meinen Auaen ent
schwanden und fast schon meinem
Sinn, bis er heute urplötzlich an die
Thiir meines Junggesellenheimg pochte
und mich einlud, mit ihm die kurzen
Stunden seines Aufenthalte-Z in der
Hauptstadt bei einer Flasche unserer
alten Marle in unserem Stammlotal
zu verplaudern.
Mit tausend Freuten war ich mit
Magen Aus der Straße hatte ich
seine Zeit zur genauen Musterung ge
habt; nun holte ich es gründlich nach
Psas Aussehen Ernst-Z ioar nicht
sieht so lebenssroh wie früher. Viel
leicht trug auch der dichte Vollbart da
zu bei, der die untere Gesichtghälfte in
einen dunklen Schatten hiillte.
»Warum hast du dir eigentlich diese
Bildnis um das Kinn wuchern las
set? Du hast doch mit dem starken
Schnurrbart viel besser ausgesehen!«
Mlich häte ich mir denten lollen,
daß Freund Ernst auf diese Mannes
zier stolz sei, wie so viele, denen ein
Miger Bartwuchs von der Natur
verliehen wurde.
·Das Rastren und Nasirenlassen isi"
mir gründlich verleidet worden« er
widerte Ernst, indem et nachdenklich
die Asche von der Cigarre streifte nnd
mit dern Wein die Lippen netzte. Dann
fuhr er fort:
»Bist du schon einmal eingefeift
worden, ohne daß man dich rasirte,
noch dazu im Eisenbahnwagen?«
»Ach wozu dir Näthsel aufgeben,«
unterbrach et fich; »ich will dir lieber
gleich die ganze Geschichte im Zusam
senhange erzählen, bei der ich dem
Tode recht nahe ins Auge gesehen
habe.«
«Bor etwa einem Jahre benutzte ich
den Rachtexpreßzug von London nach
Dotter —— du weißt, daß mein Arbeits
eld England geworden ift —. um mit
m Frühboot nach Calais und dann
heiter nach Paris zu fahre, wo ich
tin gefchäftliches Ablommen zu treffen
sittr. Jch machte es mir in meinem
Wagenahtheih indem ich ganz allein
saß. für die Nacht bequem, hatte die
Ienftervorhänge zugezogen, das Licht
verdunkelt und wollte mich gerade be
haglich auf dem Sitze augstrecten, als
im Augenblicke der Abfahrt die Thiir
« geöffnet wurde und eine sehr hohe Ge
stalt mit einem Hanbloffer in der Lini
ken in mein Wagenabtheil tritt.
Der Ankömmling grüßte höflich,
fah sich dann nach einem Platz um und
derwahrte fein Gepack. Er setzet sich
mir gegenüber und seine Augen, die
förmlich zu glühen schienen, firirten
mich scharf.
Nach wenigen Augenblicken sprang
er von seinem Sitze auf, suchte in dem
Koffer, den er aus dem Ney herabge-;
hoben hatte, ein Weilchen herum undj
näherte sich mir dann wieder. Als er«
vor mir stand, gewahrte ich in feiner
Linien eine Seifenschale, wie sie zu je
dem Rafirbefteck gehört und einen
Heifenpinfei. Während mein Reise
sfährte eifrig in der Schale rührte
Ins die Schaumflocken ringsum aus
Ue Polster sprigtem sagte er höflich:
»Leider haben Sie egs vertaumi. sich
vor der Abreise noch rasiren zu lassen.
Gestatten Sie mir daher, daß ich Sie
von den Bartstoppeln befreie!«
»Aber, mein Herr, wag fällt Ihnen
ein«, wollte ich erstaunt aiigrusene,
Ober er ließ mir keine Zeit, ihn zu un
terbrechen, sondern suhr fort:
»Es ist nämlich eine Leidenschaft
Un mir —- beileibe nicht mein Beruf
-»-- meine Mitmenschen geschickt, rasch
- nnd schmerzlos zu kasiren. Meine
Schwester sreut sich immer kindisch
" nees den Augenhhick, wo sie unter mein
» Wer kommt und der Prinz von —
« et steckte, besann sich einen Augenblick
«- send sprach weiter, ohne sich bei dem
Oasen aufzuhaltene, der ihm offen
Ine nicht einstel, »schüttelt mir dank
Ist die Ande, wenn ich ihn rasirt
IN nnd sagt: »Ja, so versteht mich
Dis seiner zu rasiten, wie Mr hop
Uns. « sitte nehmen Sie dieses Tuch
s- und lehnen Sie sich bequem zu
. »Dir war es klar, mit wem ich es zu
III-Hm Der sterbende Blick und die
Mre Rede hatten mir deutlich
Inmitt- dsß Mr DOM
" sen seines cetsies war. Als
Umschau nach einem Ausweg; aber ich
sah feinen vor mir. Der Train raste
in gleichmäßiger Geschwindigkeit da
» hin. ohne daß ich eine MögliAeit ge
Ehaht hätte, ihn halten zu lassen, denn
mein Gesährte war mir so hart aus
den Leib gerückt, daß mir der Weg
zur Rothbremse abgeschnitten war.
Nun hielt er auch schon sein blitzendes
Nasirmesser in der Rechten!«
»Sehen Sie nur diesen Stahl; Sie
tennen doch die Marte!« Jnstintt
mäßig griss ich darnach: «Erlaube
Sie, daß ich es genauer prüfe«, sagte
ich mit rasch erwachter Geistesgegen:»
wart, aber schon war es dem Bereich;
meiner Hände entschwunden. «
»Nein! Das ist nicht siir Sie! Sie
tönnten es mir schön verderben! Las
sen Sie nur und halten Sie jetzt still,
damit ich Sie gehörig einseisen tann.«
Jeder Widerstand diesem Thoren
gegenüber wäre in jenem Augenblick
ganz zwecklos gewesen. Jch sah ein,
daßzes das Klügste sei, aus die Absicht
des Jrren einzugehen und vorläufig
itillzuhalten
Kunstgerecht handhabte er den Pin
sel, bis eine ansehnliche Schicht Sei
fenschaum meine Wangen bedeckte
Dann zog er säuberlich sein Rasirmes
ser an einem Taschen:Handriemen ab
ohne mich auch nur einen Augenblick
aus den Augen zu lassen. und trat
nun grinsend an mich heran.
»So, seht bist Du schön schneeweiß:
jeht wollen wir ans Schlachten gehen,«
ries er. »Es thut gar nicht weh: es
kitzelt nur am Hals, wenn man da
rüber hinsiihrt, siest Du so und ios——'«
Mit weit ausgerissenen Augen sah
ich mein Gegenüber an, als ich seine
irren Worte hjirtr. Schnell erwog ich,
was ich thun tönne, um die drohende
Todesgesahr von mir abzuwenden;
aber die Arme hingen mir wie gelähmt
herab, die Beine waren steif, wie ein
geschlafen, und auch den Kot-s tonnie
ich unter dem brennenden Blick des
Tot-ten nicht bewegen. Jch sant wie
leblos in die Kissen zurück.
Jn dem Augenona aoer, wo vers
Geistes-traute das Messer an seine ei
gene Kehle sente, um mir meinen Tod
recht anschaulich zu machen, erhielt
der Waggon einen heftigen Ruck. Die
Bremsen legten lnirschend an die Nä
der; mein Bedränger schwantte, das
Messer suhr ihm ties in die Kehle und
mit einem gurgelnden Laut stürzte er
aus mich.
Das Entsetzen, das mich packte, lann
ich dir nicht beschreiben. Als ich den
Körper aus mir ruhen fühlte, um
llammerte ich ihn riesensest mit bei
den Armen und wars mich mit ihm
vorniiber aus den Rücksitz. Aber ich
halte nichts mehr von ihm zu befürch
ten. Gläsern stierten mich die Augen
des Mannes an, in dessen Hände noch
vor wenigen Setunden mein Leben
gegeben schien. Aug der llassenden
Halstvunde stürzte ein Blutstrom und
das Messer aber rollte aus der Hand
der Sterbenden aus den Fußboden
Jch war mehr todt als lebendig.
Dabei muß ich, blutbesudelt und mit
eingeseistem Gesicht, einen schauderhas
ten Anblick geboten haben. Als ich
sah. dasz der Irre nicht mehr zu retten
war, stürzte ich zur Nothbremse und
in wenigen Augenblicken war ich von
Leuten umringt, die mich anstarrten
und anschrien.
Nur der Umstand, daß ich selbst das
Nothsrgnal gegeben hatte und keine
Miene machte. zu entfliehen. auch, als
ich wieder bei voller Fassung war, den
schauerlichen Sachverhalt zusammen
hängend, ohne Stocken und ohne Wi
dersprüche Zu erzählen vermochte, be-]
wahrte mich vor einer Verhastung. Jm s
ersten Augenblick hatte man mich naij
tiirlich als den Mörder meines Mit-i
passagierö angesehen, der, starr und
steif ausgestreckt, mit durchschnittenrr
Kehle aus dein Fußboden des Wag
igons lag.
f
Es gab allerdings ein Ver-hör und
aus meiner Reise nach Paris wurde
damals nichts. Man hatte aber bald
erfahren, daß Mk. Hopkins« khaksäch
lich aus der Jkrenanstakk Bedlakn ent
sprungen war. Wie er zu dem Rasse
messer gekommen war, ist unaufgekläei
geblieben.
Seit jener Zeit aber kann ich kein
Rasimesser mehr sehen oder gar selbst
handhaben.
Ja der states-Mk
«Watum kannst du mit Tausenden
nist tecta-ask
Mutter sagt im praktischen Leben
itmtcht man das nicht«
Von Michael Enan Autori
sirte Uebersetng von Alter
SoberäktpReus
wann
» Geprges Privat wußte fest, wie es:
itzt reichen würde Die hände am
steuer seines Auto theilte er seinen
Plätn seiner Frau mit, die neben ihm
» :
Dein nächsten Gassensungen, ver ei
; nen Stein gegen sein Bluts wirst, wird
er eine Lettion geken. Er wird den
Taugenichts greifen. in den Wagen he
ben, mitnehmen. und erst 15 Kilome
ter weiter absetzen. Dann schreie so
viel du willst. mein Jungchen, such
deinen Rückweg allein zu Fuß, das
solt deine Strafe sein. Dem Bengel
wird sicherlich siir lange Zeit die Lust
vergangen sein. mit Steinen nach ei
nem Automabii zu werfen.
Privat war dazu sest entschlossen.
Er tviinsclxte nur die Gelegenheit her
lsei. seinen Plan ausiiihren Zu können.
Der Gedanke an seine Rache beglei-;
tete ihn aus seinem Aueflug in die
Vogesen, va, wo die Kinder euch rnit
ernstem Gesicht Steine nachwersem
Ihre Eltern haben sie mit dem baß
aeniiärt Die Landstraße gehört den
Landleutenk Nur ihnen. Sie ist siir
ihre Kübe, ihre Schweine nnd ihre
Hühner.
Das trat immer so und soll auch
immer so bleiben.
Wer :en altbergebrachten Gebrauch
stört. ist ein Eindringling, ein Feind.
Jn solcher Tradition erziehen diese
Leute ihre Spriiszlinge Lilie-. Geor
geg Privat, vertdeidige deinektiechte alt
Zvortsmann« sei liug und gewandt
sind zeige den kleinen Streichen, daß
du dich wehren kannst. Und wenn ihr
snit gleichen Waisen lätnpst· so werdet
ibr die unciviiisirte Dummheit schon
zähmen.
Oh. oer kleine Bengel, der sich da
vongetragen sieht, entsiihrt. dann aus
die unbekannte Landstraße gesetzt, der
ist gewarnt sitt alte Zeiten.
Die Gelegenheit ließ nicht aus sich
warten. · · » «
Um Ausgang eines Bartes-, niem
tveit von Reufchateam hob ein tleiner
Straßeninnae, der linke am Wege
stand, nig- er das Auto sah, einen
Stein aus, mit dem er ruhig nnd sicher
zielte.
Dac- Wurfaesckkoß streifte rae Ohr
der Mme Privat, traf den hinteren
Theil des Phaetons und fiel mit tnri
zern, trocknem Geräusch auf des- zu
ruetaeschlaqene Verdeet.
Privat, der ziemlich langsam berg
auf gefahren war, fuhr nur noch einr
ae Meter weiter. btemste, sprang zur
Erde. schürrte die Röcke seines Staub
mantels doch. um schneller laufen zu
können, und fprana auf den Junaen
eu.
Er war voller Entriistuna bei dem
Gedanken, daß seine Frau hätte der
wundet werden tönnen Der uliihende
Wunsch befreite ihn, die Missethot zu
rächen, und war erfreut in deJnGednnk
ten. seinen Plan so bald ausführen zu
tönnen, besonders da er wußt-» wie un
beiwiich er dein Jungen sein mußte, in
seinem tanaen schwarzen Mantel und
der aroszen Schuf-dritte
Er packte den Bengel bei der Schul
ter und schüttelte ihn heftig. cis war
ein Kerlchen von etwa l(l Jahren, des
sen volles, ziemlich gewiyteg Gesicht
bei diesem Angrisf vor lsntsesen und
Schrecken aanz verstört aussah.
Noch niemals hatten die Autog ae
halten, die man doch immer mit
Steinen bewarf. Sie glitten stets un
bekümmert vorbei.
Und gerade heute wurden sie böses
»Verflirter Bengel!« schimpfte Pri.
dot, »ich werde dich lehren, mit Stei
nen werfen! Du meinst wohl, das
tannst du so ungestraft thun? O nein»
ich nehme dich mit, Mochi-P
Eine Minute später stst der Misse
thiiter, zu bestürzt. um sich zu wehren,
ouf der hinteren sont des Phaetonz,
Jztoischen dem Gedä- --— -—— und der
Ringen fährt weiter.
Privat fährt mit oolier Geschwin
digteiL
Eine bis-hatte rachtnanice Frei-bei
verspürt er in dem Gedanken an den
kleinen, verängstiaten Bauernjungen
hinter ihm.
Welch Schrecken fur den Jungen, so
plöylich losgelöst zu sein von seiner
Schelle, mit rasender Geschwindigkeit
entführt zu werden. fern vom heimath
lichen Boden in’s Unbekannte. Daran
mürde er denken!
Der Weg lag eben und weit vor
ihnen·
Privat fuhr, so schnell er konnte·
Aber nichts ist lästiger als anzni
halten, wenn der Weg glatt ist und
der Mater gut gebt.
Beim ersten erforderlichen halten
würde man den Kleinen absehen. Man
gibt ihm dann Fahraeld, damit er die
Eisenbahn benuyen kann.
Die Entfernung wäre sonst zu groß
—— die Strafe zu hart.
Die Kilometersteine zogen vorbei,
steil wie Posten, die ihre Waffen prä
sentiren.
höuserdächer des nächsten Dorer
werden sichtbar, geben dem Wagen das
Signal zum Langsamfahren und zur
Befreiung file den Gefangenen.
I I O
Privat war so beschäftigt mit dem
Leute-, so entzückt von dem gleichmä
Msy edernden Osn daß er den
set st versesien tte. «
Als er N seiner erinnerte. machte
er sieh schon innerlich über das inneh
enassltche Gesicht dej tletnen Kerls lu
stig- —
Man hatte wohl etwa hundert Lite
rneter rnit ihm zurückgelegt Der Wa
gen hielt und Privat wandte fieh um.
Der Kleine verhielt sich mauschem
s.ill zwischen den Koffern und Kar
Lons «- init offenern Munde und glän
zenden Augen.
Privat suchte in seiner Tasche nach
etwas Geld und sagte ikn Tone eines
niiirrischen Gefangenenwiirtersr
»So, nun sollst Du Deine Freiheit
Ioiederhaben. Und mache so etwas nie
mehr wieder.«
Aber welche Ueberraschung irnd wel
che Enttiiuschung seinen Zweck so ganz
verfehlt zu haben: der Junge saß da
—- entziiat nnd glücklich iider die
schnelle Fahrt, mit strahlendem Ant
lin, mit begeisterungsfuntelnden Au
gen und snurmelte mit gesenktem
Kopf:
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht,
lieber Herr. so fahre ich noch ein biß
chen mit!·
—-—-.-—--—
Das Nesasla
Von Ludwi- Gan-treten
«Die Eltern hatten ihr lleineå Ver
rnoqen im Laufe der Jahre langsam
zunächt das bescheidene Gehalt siir
sich allein wollte nimmer ausreichen —
und die ,.Bea!ntenausbeiserung". von
der an den Konsumvereinsabenden
unermüdlich geredet wurde, wollte halt
aar nie tornmen. Und wenn ich einen
Wunsch hatte, der über das Nothwen
dige hinan-;- ging, hetmn die Mutter
feuchte Augen und sagte: .Kindle, das
gehtniehtt Der Papa muß das theuee
Geld so viel hart verdienen-« Damals
fing die Mutter auch nn, was sie ihr
.griineks Geschäfth nannte —- - allen
Erfolg ihrer Gartenmiihe, die Blumen,
das Obst und Gemiise· vertnufte sie an
einen Handelsgiirtner in Angst-arg
Und Papa begann für Fachzeitschtis
ten und fiir die »Augsburger Abend-—
zeitung' zu schreiben, machte Wirth s«
schastoplöne siir Gesneindewalduugen
und iidernahm die Forsttontrolle iider
berilchnftliehe Güter Der Tag gehörte .
seinem Amte, die Nackt seinem Neben
verdienst So tämpften Vater und .
Mutter sich iiber die Sorgen hinüber.
Es lind mir aus dieser Zeit, in der
die Mutter seltener lachte und der Va
ter immer so ernste Augen hatte, ein .
roar Nester-lichter dieses harten Beam
ientampses im Gedächtnis geblieben.
Eines Tage. als ich mit ver Mutter
.m Garten schanzte, tam von irgendwo
e-: es der Umgebung eine Beamtensrgu
angefahren um ihre Visite zu machen
Manto wusch die Hände nahm die
Schürze herunter und sührre den-Gast
zu einer von Blumen umdufteten Gar-·
tenbcnt. Die blau ausgedonnerte
Dame, die einen großen. schillernden
Vogel aus dem Hut hatte, sah neben
meiner Mutter aus wie ein hohes Kir
chensest nelsen einem Werteltage. Diese
fremde Frau redete surchtbar schnell
und stellte viele Fragen, um herauszu
bringen, wieviel die Reviersörsterei
Welden eintriige. Die Mutter gab
Antwort llnd da sagte diele blaue
Dame snit eigenthiimlichem Lächeln:
»No in, und ’s Nesasle wird au no e
bissele bringe?'·
Mama machte verwunderte Augen:
US Resaslei Jch weiß nicht, was Sie
ineisen."
Die sremde Frau wurde verlegen,
sing aber dann lustig zu lachen an,
drohte mit demssingen als hätte meine
Mutter etwas wihig Schrlmischee ge
redet plapperte immer luirtiger, ließ
den ichillernden Vogel aus ihrem Hut
sehr ilinte Bewegungen machen und
empfahl sich Init etwas nussiilliger
Hast.
Als Papa gegen Mittag beimlum.
sragte die Mutter gleich: »Du, Gastl,
was ist denn das: das Nesaslef
Der Vater hob den Kons: »Wa
runi?«
' Maina erzählte. Und stellte wieder
die gleiche Frage: »Das Nesasle? Was
ist denn das-T«
l
l
Papa sab die Mutter mit ernsten
Augen an und sagte: »Sei froh, Lotte,
daß du das nicht weißt! Und in un
set Leben soll das auch nie bereintorns
men. Dafür sorg« ich schon!" Dann
ging er in seine Kanzlei.
Es gibt ein lateinisches Wort: Ne
saö. Und dieses Wort bedeutet: Un
’recht. Unter dem schwäbischen Timä
nutiv .Nesasle« verstand man ein Hei
nes, ein halbes Unrecht, bei dem die
Gerechtigkeit ein Auge zudriinen cann
te -—— und niit diesem Terminus der
Gutrniitigteit bezeichnete man Beam
teneintünite, bie gerade nicht mehren
bnft, aber doch auch nicht anständig
waren
Eines Abends hörten wir Papa in
seiner Kanzlei so laut und heftig spre
chen, wie es sonst nicht seine Art war.
aus« der slint davonging. Dem rief
der Vater durch die Tiir nach: »Sie
Kerls Was glauben Sie denn?« —
Der Fremde war ein holzbändler.
Papa batte ibrn eine große Partie
Sägblöele zugeschlagem weil der-Bänd
ier unter mehreren Konkurrenten den
besten Preis geboten hatte. Der
Fremde glaubte sich bedanlen zu müs
«en und hatte den Versuch gemacht,
eine sanlnote aus Papas Schreibtisch
zu legen.
t Einmal Inn bke Mittagiieit, als wir
lind dann tarn ein fremder Mann her-.
. , , t
bei Tisch sahst-. gab es siir uns Kinder
einen vergnügten Judex weit die Mut- «
te: eine get-Je Zinnptotte mit einein
Zerg von dann-senden Lehren-itar
xhereingeteagen brachte. Der Vaters
pochte erstaunte Augen.
..Lottet« «
Martia lachte. »Geh. Gusil, das
sind billige Würsst Der neue Metzger
hat sie geschickt, mit einem schönen
Gritß.«
«Sooo? Und gestern war er bei mir
und hat Waldstreu haben wollen. Und
ich habe sie ihm abschlaaen müssen.
Und jeyt meint er wohl, durch die
dtiiche wät’g leichter zu machen als aus
dem ehrlichen Weg in die Kanzleik
Marsch, sort mit den Wärsten!«
»Aber Gastl! Man tann sie ja be
zahlen! Und ietzt sind sie doch schon
gesotten."
»Aber noch nicht gegessen! Gott sei
Dant!« Der Vater packte die zinnerne
Matte, risi das Fenster ans, die schö
nen, rauchenden Leberwiirste stogen in
hoher stnrve über den Statetenzaun
Jus die Straße hinaus -——- und Papa
sagte mit einer Härte« wie sie sonst
nicht in seinem Wesen lag: »Wiirste«.’
Wiirste? Wozu braucht ein Staats
bearnter Wiirste’ Der soll Kartosseln
schinden, bis ihm der Dmnps zum
Hals heraussiihrt!« , L
i
Wir Kinder wurden nicht satt ver
dieser Mahlzeit. Und in den Nächten,
die dann lamen, verbrannte Papa sehr
viel Petroleurn Weil bei der schwil
len Sommers-seit auch in der Nacht
alle Fenster ossenstanden, lonnte ich's
droben in meinem backosenheiszenMans
fordenstiibchen häufig hören, wie die
Mutter nach Mitternacht ans ihrem
Schlaizimmer gegen dasKanrleisenster
hinunterries- »Ach, GustL schau, so
seh doch endlich schtasen!"
Immer seltener ging Papa aus die
Birsckkez er mußte die schönen Tage,
wie Mann-. sich auszudrücken psleate,
am Schreibtisch »verhocke«. Aber diese
bösen Zeiten bauten eine Brücke zu
besseren Jahren; bei den vielen Arti
teln, die der Vater iiir Fachjournale
nnd Zeitnnaen verfaßte, weitete sich
ihin der Blick des Forstinannsx drei
Jahre später pubtizierte er unter dein
Pseudonym »Silvins" eine Broschüre
mit Vorschlägen zur Reorganisation
des Forstiresengz die Wirlnng dieser
Broschüre, die viel Aussehen machte.
verwandelte sich siir Papa in eine Lei
ter, iiber die er zur höchsten Stelle sei
ne-:« Trick-es enidorstiea. Da bekam er
schließlich ein schönes Gehalt. Und
lachend oslegte er zu sagen: .Jeht
satt ick mehr als genug zu essen.
Aber inzwischen sind die Zähn« ein
bisserl schlecht geworden. Jeht tann
ich nininter beißen.«
—
Ittt Fahrt-ed 14,000 III htssusk
Jn«nnserem Lande wenigstens ist
die nachstehende Bergbesteigunge-Uin
richtnng die einzige, und sie besteht
erst seit turzer Zeit.
Von Silver Blume« Colo» lann
man seht in einem stöhlernen Förder
tord, welcher rnit einem «endlosen Ka
bel« läuft, mühelos nach dem berühm:
ten Sunrise Peat hinaussteigen. einein
der drei Gipfel des McClellan-Bergei,
l4.032 Fuss über dem Meeres-spiegel.
Das Vergnügen einer solchen Fahrt
kommt ungesähr demjenigen einer
Lustballonx oder Aeroplan-Fahrt nach
einer solchen Bergeshöhe gleich und ist
dabei ohne Nisrtol Von der unteren
nach der oberen Station dieser merti
würdigen Bahn legt der Fördertorh
etwa 17s«",. Meilen zurück, mit einer
Steigung von 50 Prozent.
Diese Lust - Fördertorb - Bahn
wurde mit 850,000 Kosten gebaut;
und Alles in Betracht gezogen, ist
diese Aus-lage eine sehr mäßige. Born
Grundstock bis nach der Spitze ist der
Weg mit wild zerrissenen, scharsen
Felsen bestreut, welche das Erreichen
des Gipselj, noch dazu mit-Lasten,
beinahe ausfchließen Doch mit hilfej
der fo zähen und fußfeften lteinen
But-ros, welche ja überhaupt fiir das«
Felsgebirge ungefähr Dasselbe find,
was die Estimwhunde fiir die Nord:
polar-Region. gelang eg, die fchweren
Ballen und das mafsive Eifenwert für
die KabelsThürrne Fan für Fuß den
Berg hinauf zu bringen. Alles mußte
in dem Felsgrund feft verankert wer
den« um den BergsTornadog erfolg
reich zu trotzen·
Als die Thurme endlich ftanden
und die untere und obere Endftation
fertiggeftellt war, wurde oben das
» mächtige Rat-ei ausgespannt, daß eine
.erprobte Tragtraft von 350,000
found oder 175 Tonnen bat, und an
diefem wurden die ftäblernen, gelb an
geftrichenen Fördertörbe feft angenie
tei, welche je 4 Passagiere fassen. Das
endlose Nabel wird mit zwei Motoren
von je 86 Pferdekräften bewegt; einer
diefer befindet sich an der oberen, der
andere an der unteren Endftationx die
Betriebjtraft feibft tommt von der
Kraftanlage von Georgetown, 4 Mei
len weiter unten. Sind alle Körbe
beladen, fo bewegt das Nabel fich
übrigens von fetbft.
Ohne irgend einen unangenehmen
Ston werden die Passagiere nach dem
himmel zu gehoben, gerade als ob
ein mächtiger Magnet sie binaufgiehr.
Einen Augenblick fchauen fie doch et
was befllith drein, wie die Erde zu
rückweicht« aber ei gibt keins lten
m ansinnen weh-, — ums much
wie das Schicksal bewegt sich m Ia
I
del mit feiner Lust nach den leisten
mernden speisen Wollen zu. welke im
herrlichsten blauen himmel til-er einer
Welt von ewigem Schnee schwimmen.
»Schon istf nie untere Station ganz
- unser Sieht gekommen. An der nächs
strn verkündet eine Inschrift daß vre
Höhe 11,000 Fuß iiber dem Meeres
spiegel lit: die Lufttoueiften selten
plötzlich einen Mann vor sich, welcher
- sich mit einem Blick überzeugt« ob Al
les in Ordnung ist, und dann ein
Glocken-Eichen gibt, das man an allen
Stationen oben und unten vernimmt
Steigt Jemand an einer Stotion rin,
so müssen alle Fahrtörbe an dem Ka
bel halten; und es gewährt ein eigen
artlges Gefühl, in einem solchen Korb
zu Men. der sich in fchwindelnder
Höhe frei in der Luft hin und her
ich:vingt, wenn auch sanft, mit nichts
über inm, um ihn oder unter ihn-, als
vielleicht 130 Fuß drunten dir rosigen
Felsen!
12,075 Fuß Vor-e verzeiainer ore
nächste Station. herrliche wilde Blu
men von vielen Farben blühen hier
an einer Felsschlucht; auch etwas
Fichtenwald steht bier noch. die Spu
ren verheerend-er Bergbriinde zeigend.
Aber bald verschwindet die Holz
Irenre siiblingg und scharsz doch Grö
ser, Moose und einige Blumen wach
sen noch höher. Ueberauo eindrucks
voll find die »Vorw- und Nobben
Felsen«: ein ringeixeurer Bär und ein
ebensolcher Sees-und, Felsgebilde von
der Meister-band der Natur« beben sich
hier so realistisch aegen den Himmel
ab. das; man glauben möchte, eine
UrweltsScene zu sehen, weletre plötzlich
durch Zauber erstarrt ist.
Der Ausstieg nach der letzten Sta
tion sieht am isnlfeimlichsten von ailen
ane, zumal das Berggeliinde drunten
fast senkrecht aussteigt; dokb gewöhn
lich will tein Passagier gestehen-. daß
es ibn gruselt. und der Korb steigt
weiter· Erleichterten herzens landet
man an der ledten Station: aber von
hier bat man noch immer NO Kuß
nach der eigentlichen Spiße zu ge n.
obwohl der Weg sebr gut ist. Endlich
ganz oben angelangt, bat man eine
unbeschreiblich groszartige Aussicht aus
iiber 400 Berggipsel in wunderbar
tlarer Luft und in feierlichem Natur
srieden!
Noch met-r aber-, als der Ausstieg
erweckt der Abstieg die Illusion einer
vollkommenen Lustsabrt.
---.-..-———
Hin Jene-usw des fiktortnutsses
ziemte-eh
Jn London ist soeben einer der
Meisterjournalisten des Zeitalters der
Königin Viktoria Mk. Frederiet
Greentoood im Alter von 74 Jahren
gestorben. Greenwood ist es gewesen«
dem letzten Endes Großbritannien
seine heutige politische und tnirtlss
schastlich so wichtige herrschast iiber
den Sueztanal verdantl. Zufällig er
subr Greenwood. dass der Kedive sich
mit der Absicht trug, seinen Antheil
an Sueztanal - Tut-en zu verkaufen.
Er suchte den damaligen Minister
Lord Derbv auf, um dem Auswiirtis
gen Amte Kunde von dieser Gelegen
heit zu geben. Lord Derbv bezwei
selte die Nachricht, ließ aber Rock-sor
schungen anstellen und Beaeonssietd
begriff, als die Mittbeilung sich bei
ivabrheitete, sosort die glänzende
Chance, die sich biet bot. Mit Unter
stützung großer englischer Banten er
warb er entschlossen siir 412 Millio
nen Pfund Sterling, also etwa 95
Millionen Mart, Aktien. Diese sel
ben Attien batten vor iiinf Jahren
einen Handelsmrtb von 20 Millio
nen Pfund Sterling oder über 800
Millionen Mart nnd sie bilden den
Rechtstitel, ans den sich Englands
herrschast iiber den Kanal stüIL
—-—-.--.--—-..-.
strebt-Ist
s
—
Mutter: »Letnt nur recht fleißig.
Kinder! Bedenkt, was man gelernt
hat« sann eine niemand taubea!«
Der kleine oeitzx »Aber, Mutter,
was ich nicht gekrnt hat-C das kann
mit doch erst niemand rauben!«
Kote-may
hauptmanm »so-streuend —- still
gestanden! Wer von euch mit eine
gute. Michin empfehlen sann, dek trete
vor.«