Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 17, 1909, Zweiter Theil, Image 14

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    ssfssvvsssssssssvsvssssss7—-—s
FJII der Mell verloren.
Roman von Feder v. Zosektiiz.
(5— Fortsetzung-)
»Mein Vorgehen war hart und
herzlos.« warf Egon ein« »o, Herr
Professor, ich fiihle mich nicht schwäch
lich genug, auch an mich selbst nicht
den richtigen Maßstab der Einthei
lung zu legen! Genau so grausam,
wie», Trich mit mir verfuhr, genau so
grausam war die Vergeltung meiner
seits. Nur ahnte ich nicht, welch
schwere Folgen mein rasches Handeln
nach sich ziehen wurde. ich hätte sonst
nach einein milderen und versöhnliche
ren Ausgleich gesucht. Jnfolge des
thrannischen Geseses don der Erstge
burt und infolge der Hartherzigteit
meines Bruders stand ich mittellos in
der Welt und dabei liebte ich noch ein
schönes, armes Mädchen, denn auch
Wanda konnte mir nichts mitbringen
als sich selbst! Nur unter diesen Ver
hältnissen lann meine rücksichtslose
Raschheit in den Augen anderer ent
schuldbar erscheinen. Die Auftritte«
die sich zu jener Reit amisckmi ssksch
und mir abspielten, waren furch.-»-..—..
Deutlich. als wäre es aestern gewesen.
entsinne ich mich noch meiner tegten
Zusammentunft mit ihm in einem
einsamen Försterhause, in dem er sein
Weib vor den Menschen verborgen
hielt. Jn versöhnlicher Stimmung
kaut ich dorthin; ich hatte mir fest
vorgenommen, Erich meines heftigen
Vorgehens wegen um Verzeihung zu
bitten und ihm mitzutheilen. daß ich
gesonnen sei, ihm siir Lebenszeit die
hälste der aus Jllburg gezogenen
Eintiinfte zu sichern. Aber meine
Nuchgiebigleit verschwand vor dem
wilden Jiihzorne des Unseligen; er
überhäufte mich mit Schimpf, und in
einem erregten Augenblicke erhob er
sogar die hand, mich ins Gesicht zu
schlagen . . . Jn diesem Momente war
es mir, als dereise mir plötzlich mein
herz. Jch wandte mich turz um und
schritt zur Thür. Schon lag meine
Hand aus der Klinke, da hörte ich
einen hellen Frauenschrei hinter mir.
Katharina, die Gattin Erichs. die ich
nach dessen eigener Aussage als an
einem typhösen Fieber erkrankt in ei
nem entfernten Zimmer bettlägerig
wähnte, war plötzlich aus dem Neben
gemache, in dem sie jedes Wort unse
rer Unterredung erlauscht hatte, her
borgestiirzt. In leichter Gen-anhang
todtenbleich, wunderbar schön, mit
blitzenden Augen stand sie wie ein
Racheengel inmitten des Zimmers.
Doch nicht gegen mich wandte sich ihr
Grimm, sondern gegen den eigenen
Gatten, gegen den sie drohend die
Arme erhob. »Lügner — Heuchler!«
rief sie mit gellender Stimme, »hasi
Du mir nicht ott zugetchrvoren, oag
ich vor aller Welt als Dein rechtmäßi
ges Weib gelten würde, wenn erst
Dein Vater gestorben wäre?! Nun
aber stellt sich plötzlich beraus, daß
Dein Versprechen falsch ist, und daß
die Hoffnungen, die Du in mir ne
nährt hast, erlogen sind daß Du von
jenem Moment ab- da Du mich an
Dich rissest, zurn Bettler geworden bist
und Tich nur durch Betrug noch auf
künstlicher Höhe erhalten tonnteitk Jch
wollte Dich nicht, ich hab Dich nie
geliebt s— nur der falsche Ehrgeiz mit
einem Schlage aus meiner Kulissen
sphäre in hohe Kreise steigen zu tön
nen, veranlaßte mich, Deinem Werben
nachzugeben — o wie tief bereue ich
ed! Hättest Du mich auf meinen
Bahnen gelassen, dann wären grüne
Ind goldene Lorbeeren meine Zu
kunft gewesen, und nun bin ich ein
Vetteln-ein wie Du ein Bettler bis !'·
Ein unsäglicher Ekel packte mich, ich
vermochte nicht mehr, dem wüthenven
Weibe in das rollende Auge zu
jchauen, und stürzte fort noch im
Fliehen die gellende Stimme ver schö
um Furie und dann einen erneuten
scsßlichen Aufschrei hörend. Schon
am folgenden Morgen traf mich ein
stitf Erichs: er theilte mir mit, daß
feine Frau unmittelbar nach meinem
Weiden aus dein Fötsterhause von
einem Blutsturz befallen worden und
sehn Minuten später in seinen Armen
perstoeben sei Troßdem mich der
Unsliicksfall tief erfchittterte, hatte ich
Doch sesonnenheit genug, unverweilt
II der wie ich durch meinen Anwalt
fester der band erfahren hatte, in die
Verhältnisse eingeweihten, in
cis lebenden Mutter Katharinas
« Die hochbetsgte, übrigens
respettable Frau war ganz ge
« W; Stich Petisnlich hatte ihr be
ckeG den Trauer-full mitgetheilt und
dar-itzt in wahr-sinniger AufreguF
; m w -
ich noch ««ei«nnial meinen seines
e und er bei die
?
Z
;
.
Berechnung — wer tann es entschei
den — wies Katharina ihn so lange
zurück, bis er ihr in aller Form seine
band antrug. Doch auch iedt gab
Katharina noch nicht ohne weiteres
ihr Jawom sie wollte nicht einer
orraussichtlich glänzenden künstleri
schen Laufbahn entsagen, u fiir sie
eine unberechenbare Zulrthl einzu
tauschen, sie wollte die Gewißheit ha
ben. auch unter den Standesgenos
sen ihres Gatten eingeführt werden
zu können. und sie wußte wohl, daß
es einem Offizier. der eine Schau
spielerin zum Weibe genommen, nicht
gestattet ist, im Dienste zu bleiben.
Jn seiner Verzweiflung ließ Erich
sich nunmehr zu jener Unwahrheit
hinreiszen, die er so schwer büßen
sollte: er erzählte Katharina, daß
er nach dem Tode des Vaters die Be
sihungen der Familie übernehmen,
das-, er in diesem Falle so wie gb den
Abschied einreichen müsse, un daß
ihn dann nichts mehr hindern würde.
klein geliebtes Weib auch vor aller
;Welt als seine rechtmäßige Gattin
anzuerkennen. Vier Wochen thöter
tout-den die beiden in Helaoland ge
« traut — Erich hatte fein Ziel erreicht
und damit sein Unaliick besiegelt.« »
Der Geheimratb war nachdenkliH
cher geworden.- Sein glatte-rinnt
Kinn ruhte in der fleischigen Land.
und die Augen unter der grofzgtasiH
gen Brille waren halb geschlossen ;
»Fürwa·hr ein Drama ooll packen-s
der Essette«, sagte er leise, den gro-;
fzen Kon hin und her wiegend, »eines
jener Fa ilien ragödien, wie sie sich
zahllos Ist i Leben abspielen, toie
sie des Dichters Hand nicht kühner»
und wirtungsvoller gestalten tönnte.!
Ich betlage vie traurigen Ereignisse(
tief, lieber Egon«, fuhr der alte Herr
dann lebhafter nud direlt zu Jllburgi
gewendet fort, »meine aber, daß Sie!
für Jshre Person weniger Grund zu
1Selbftvorwiirfen haben, als Ihr be
dauernbwerther Bruder Hat Erich
Familie hinterlassen?«
«Sein einziges Kik, ein Knabe,
ist wenige Wochen ,ch der Geburt
wieder verstorben.« f
»Und Erich ist gänzlich verschri
len't« »
«Jn jenem legten Briefe, den er
an mich schrieb. ertllirte er mir,
Deutschland, vielleicht auch Europa»
fiir immer verlassen zu wollen.;
Irr-them wirst du friiher oder spä-s
ter noch einmal von mir hören’, scj
hieß es in jenem Briefe« ,und dantes
dann Gott« wenn der Name deines!
Bruders nicht Schande über die Fa-;
milie gebracht bat!’ Die bösen Worte»i
die wie eine Drohung tlangen, waren!
gewissermaßen der Ausfluß der Stirn-!
mung, unter deren Bann Erich dass
mals stand. Aus jedem Worte seiness
Schreibens sprach ein tiefer Haß, eine
unsiialicke Bitterteit — an der gangeqn
Gesellschaft wollte er den Tod Hat -
li.
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I
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Tllls ldcyclh mir U es un Wes-«
Stett-eh ger geschweren botte In sei
ner sinnlosen Verzweiflung bedachte
der Unglücklicke nicht daß Katharina
keineswegs ein Ovier gesellschaftli
cker Verböltnisse geworden war, daß
er vielmehr selbst die Schiii d an ib
rem Unterrange trug —- er bedachte
iuch nicht, daß es mir niemals irn
Sinn gelegen bat ihn zu ruiniren
und seine Existenz Zu vernichten,
denn ich iabe ihm Anerbietungen ge
m.1cht, die jeden Unparteiischen von
meiner guten Absicht die gis-nie An
gelegenheit in Frieden beizu! egen,
ohne weiteres hätten überieugen
müssen und in schrofsem Geieniatz zu
seinem eigenen früheren Vorgehen
mir gegenüberstanden Trotzdem tön
nen Sie inir glauben lieber Professor,
daß ich Erich mit jubelnd-ern Ent
zücken an mein Hm schließen würde,
wenn er heute vor mich treten und mir
die Hand zur Versöhnung reichen
troll Das aber ist eitle hoffnung!
Gott gebe nur« daß die schreckliche
.Drobung des Aeenisten sich nie be
wahrheiie und daß das Wappenschild
get Familie allezeit sleckenlos erhalten
ei «
Schöler legte seine Rechte auf Jll
burgs Schulter und sagte: »Ich weiß,
daß Jbre Familie, inein lieber Jll
biirg, sich seit Jahrhunderten rühmlich
ausgezeichnet bat und daß zahlreiche
Mitglieder derselben erste Stellen iin
heimisch-en Staatswesen bekleidet ha
ben. Cjbenaus diesem Grunde brau
chen Sie die Drohung J res Bruders
nicht zu fürchten; ließe sick wirklich
zu schmählichen Thaten hinreien
dann siele its-Schande aus seine
net haupt nicht auf seine Farni ie.
Und nun sagen Sie mir, Egom ha
ben Sie nie Schritte gethan, nach dein
Verbleib des Verschvllenen zu sor
icheu t«
Illburg nieste lebhaft » habe
sofort noch seinem Verschwi- Inei
- neu Anwalt beauftr- fgt alles
« zu sey-e Heim-M nu ämusmw m
sutundschaten ein«-trete M
« Met- Inbetolfnd M hat W
MMMWMM«
ZÆ TFUMWM
, Mittlsrrweile war ei spiitgetwe -
den fp daß Jlkbura, der feinen Wes
aen um elf Uhr vor di Gleile
bestellt hatte, aufbewan mußte. AG
dsr Protest-r nahm hist nnd
locl nnd beide Derren schritten neeli
die noch belebten Vorderzimmer dem
Aus-Sange zu.
Der junge Mann legte sich im We
gen müde in die Kissen zurück. Be
Unterhaltung mit Schiller hatte die
Erinnerunq an den Bruderzwist leb
sanft in ihm etrverckt nnd dieJarnn
verhatschten Wunden« feines udherzeus
von neuem aufgerissen. den
noch meinte er. die Aussprache über
diesen traurigen Gegenstand mit ei
nem tret-weinenden Freunde habe ihm
woblgethan Er hatte niemand, dem
er fein Jnneres ganz erfchließen konn
te nnd wie oft dürftete ihn danach
Sie-liebte sein aqldlockigeö Weib mit
heißer anrunft, aber von Tagzn
Tag fühlte er mehr, daß fie, eren
Sinnen und Trachten auf die Aeußeh
lichteiten des Lebens gerichtet war und
die in ihrer eigenen oberfliichlichen Ge
dankenwelt titl: am alüellichften wähn
te ihm fremd wurde. Ihr fehlte das
Verständnifz für fein inneres Sein.
Der Wagen hielt mit einem plötz
lichen Ruck io daß Egon aus feinen(
Träumen emporfuhr. Er hörte die
scheltende Stimme seines Kutschen
und beugte sich aus dem Fenster
f heraus.
i »Was aiebt es denn, Carlos«
..Ach Gott. qnädiaer Herr, da liegt
irgendein betrunkenes Frauenzimmer
mitten auf der Straße so daß ich sie
beinahhss überfahren hättet he, holla
—- a o.«
Jllburg wurde ärgerlich.
..Schrei’ nicht so unverständig,
Earlo", rief er dem brüllenden Kut
scher. zu, »was ist das für eine Ma
mer.«
Er stieß den Wagenschlag aus und
sprana aus die Erde.
.So, nun wirs mir die Zügel zu,
msch’, daß Du vorn Bocke kommst
und schaffe das Weib bei Seite! Es
ist nicht nöthig, daß wir erst mit der
Polizei zu thun belotnnten.«
Brurnrnend gehorchte der Kutscher.
Er stieg ab, reichte seinem rrn die
Zügel und näherte sich dann r dunk
len Gestalt. die lang ausgestreckt quer
über dem schmalen Fadrdamrne lag.
Während er sich über die Besinnungis
lose bereit-beugte, bewegte sich diese
leise, to daß der Arrn der bisher ilsr
Gesicht bedeckt hatte, das letztere ent
hülltr. Der Kutscher zuckte zusammen
unz- wandte sich dann zu Jllburg zu
ru .
«Gniidiger herr«, rief er in
»lichst erstauntem Tone, »das ist Ja
aar lein Frauenzimmer — das Ist
eine Dame!' .
Jllbuea war neugierig geworden.
Er legte die Zügelleinen über den
Laternenstock am Bocksiß und trat ne
ben seinen Kutscher. Das eigenartige
Bild, das er vor sich sah, erreste auch
sein Erstaunen. Das Weib, das da
chnrnachtumsangen irn Straßenstaub
lag. war ein junges Mädchen von ed
ler Schönheit Der Mond leuchtete
voll ihr bleiches Gesicht mit n zarten,
jungfräulichen Zügen, aus denen der
Ausdruck eines tiefen Schmerges lag.
Der weite Mantel, dessen Knopse -
öffnet waren. ließ die mädchen t
schlanke Gestalt der Ohnmächtigen er
ennen.
»Dir hast recht, Carlo", sagte Jll
bura mitleidig das ist tein schlech
tes Gesause-L sondern eine Unglück
titfe Hilf mir, sie ausrichten.«
Jrn selben Moment, da die Män
nerdände das junge Mädchen be
rührten· schlua dieses die Augen auf.
»Wi) bin ich — gütiger Gott wo
bin ich?.
Die Verunaiückte hatte dies in
englischer Sprache aesliisieri, Jll
durq erwiderte deshalb sosort im
s Jleicken Jdiomz »Es mus- Jdnen ein
«llnsall mgestoszen sein, mein Fräu
lein, aber wir sind aerne bereit, Jtsnen
zu reisen. Sagen Sie mir Jdre
Wohnung, wenn ich bitten dars, ich
werde Sie dorthin satsren lassen —
dinter uns hält mein Wagen. wie Sie
sehen es würde also keinerlei Schwie
rigkeiten machenk
In so höflichem und freundlichem
Tone Egon auch gesprochen datte ——!
das junge Mädchen fuhr scheu und
furchtsam und an allen Gliedern zit-;
ternd vor ihm zurück. Als Jllburg
der Aertnsten aber wiederholt seine-F
Schutt anbot sentte sie den Kopss
schlua die hii de oor das Gesicht
und begann bit rlich zu scht uchzen
Jllburg war rathloö. Das arme
Ding, das vermuthtich der italienis
schen Sprache nicht mächtig war,
dauerte ihm Mit Schonun? und
Vorsicht sprach er noch einma in sie
hinein. Er nannte seinen Namen,
erzählte," daß er ein Deutscher sei
und bat sie, Vertrauen zu ihm zu«
fassen.
Die ehrliche Art und Weise M
buras blieb denn auch n.cht o
Wirtuna aus die Arme. Mit Ihrs
nen in den Augen usw mit bei-endet
Stirn-me begann sie ihr Unglitck zu
schildern. oense leitnn einer anre
ritanischen Famil vorsi- nach Nea
oel etonnaen und in e nem großen
,dessen Rasse msie vera en dateEtat
te,
i t
« »Ist-ic- MEEMUM ais-m
Einw- im Mit-of i- VII-ists
net-er Oasen n
»M» WHAT-TM
Mai-W
Was sie erzählte, klang durchaus
wahtscheinlich nnd die Sprache ih
res hilfeflebeasden braunen Auges
war so beredt, daß ein Keim von
Mißtrauen in Egon gar nicht auf
tauchen tonnte. Er iiberlegte kurz,
was zu thun fei, und begann dann
cnit einigem Zögern: »Ich schlage
Ihnen folaendes vor, mein Fräu
lein: leiten Sie rnich nach meinem
Haufe, n dem Sie ein loensortobles
Fremdenzinnner vorfinden werden und
in volllonnnenfter Sicherheit die Nacht
verbringen können- Es ift zu fpiit ge
worden, jeßt noch nach Ihre-n hotel
zu suchen- und Sie in- einem fremden
Gastohfe unterzubringen scheint mir
den neapolikanischen Verhältnissen ge
! aeniiber nicht passend. Wünschen Sie
; e: jedoch und fürchten Sie sich vor mir
Hund meiner Frau, fo bin ich auch
gerne bereit Sie am nächsten Hotel
abzusetzen. Andernfalls könnten wir
morgen in aller Ruhe nach Ihrer ame
rilanifchen Famile recherchiren lassen.«
Das junge Mädchen schaute dem
Sprechean groß nnd voll in das
Antlih als wollte sie sich vergetviss
fern, daß sie ihm- tvie einem Bru
der vertrauen lönnr. Dann schlug
eine helle Röthe in ihr hübsches Ge
sicht und-leisem doch festen Tonej
entgegnete fie: »Ich danke Ihnen,
mein here-ich nehme Ihr Anerbieten
nn.«
Jllburg trat an den Wagen zu
rüet und liesz die Fremde zuerst ein
steigen. Bescheiden nahen sie auf den:
Nüctsitze Plan, und Egon ließ sich ihr
gegenüber nieder Kein Wort wurde
zwischen den beiden gewechselt wäh
rend der Wagen die Straße hinab
r die Chiaja rollte und in die
Ehaussee am Fuße des Posilipp ein
bog. Heimlichen Blickes musterte
Enon die Aufgelesenr. Sie hatte sich
tief in die Ecke geschmiegt und das Ge
sicht auf die Brust herabgeneiai. Wenn
dann und wann der helle Schein der
Gaslaternen, an denen der Wagen
vorüberfukm auf dieses jugendliche
Antlid siel, konnte Jllburg sehen, wie
erschreckend blaß es war. «
Der Wagen hielt vor der Vrga.
Ein Glockenzug an der Gartenthure
ries den Diener herbei, der nicht we
nig erstaunt war, seinen deren in Be
gleitung einer unbekannten Jungen
Dame heimkehren zu sehen. «
»Schliist die gnädige Frau schon?
sragte Illbneg
»Sie besehken, gnädiger herr«. er
widerte der Diener-, »gniid»ige Frau
hasn sich heute ziemlich srub zuruck-»
gezogen.'« .
.So werte Marie und laß das.
Frankdenzinnner in Ordnung brin
aen — wir haben Besuch bekam
men.«
Der Diener eilte voran, Egvn aber
bat seiner Begleiterin den Arm, um
sie durch den dunklen Park in setn
Haus zu führen, und er fühlte dabei,
wie das Mädchen neben ihm zitterte.
9. K a p i t e l.
Es war noch ziemlich sriih am sol-.
genden Morgen, als Jllburg leise ani
Schlaszinimer seiner Frau klopfte.
Die junge Schöne schien sich eines
ziemlich festen Schiunimers zu er
sreuen, denn Egon mußte sein Klop
sen mehrfach in verstärktern Maße
wiederholen, ehe von drinnen der
rniide Ruf erscholl: »Wer ist dai Bist
Du es, Marie? Was ist denn die
Uhr?«
«Jch bin es, Kind«, antwortete
Jllbursx »Der-s ich eintreten? Mir.
liegt daran, Dich noch vor meinem·
Ausgange zu sprechen —- nur aus
wenige Minuten. dann magst Du
miterschlasen.«
Jllbura zwängte sich durch die
Thürfpalte in das dämmerige Ge
mach. Aus den spitzenbesetzten Kis
ten und Decken des großen Himmel
bettes, das an der Querwand stand,
lugle ihm das rofrge Gefecht-Heer fei
ner Frau entgegen. Jhr goldenes
Haar umfluthele sie förmlich und um
leuchtete fie aleich einem Heiligenfcheim
Egon lüßte fie auf Hand und
Wange und letzte sieh zu ihr auf den
Betteand.
»Ich habe Dir ein Abenteuer zu
berichten, Kind«, begann er und
wickelte spielend ihr Haar um feine
Finger,
Wanda lachte neckifch. »Das fängt
unheimlich genug an", scherzte fie.
«Wuhsrscheinltch haft Du eine wilde
Nacht im Club verlebt —- hat man
qesptelti«
»Gott bewahre —- Du weißt ja,
daß ich mich höchstens einmal zu ei
nem Whift pressen lasse. Nein, herz,
ich habe eine aemäthliche Stunde mit
Schiller verplnudert und bin dann
nach Haufe gefahren. Auf dem Rüst
lvege aber spielte fich das bewußte
Abenteuer ab."
Und Jllburg erzählte, in welch
trofllofem .ult-ande er das fremde
. Mädchen au gefunden hatte und daß
er es nicht über sein her-i hätte brin
gen können, die Unglückliche hilflos
auf der Straße liegen zu lag-en
Wandel fand die ganze tchichte,
welche ihr Gatte von dem Auffinden
des fremden Mädchens erzählte, höchst
romantifch. Sie hatte vortrefflich ge
fehlafen, von stillen, Solreen und
glänzenden Triumphe-l geträumt und
war deshalb fehr guter Laune.
fchlechterer Stimmung hätte fle m
Verfola der Erzählung i es Gatten
wetfelloi die Empdrte un Eiferfttckp
tat-gespielt M tn t en liebes
leeees, aa vonögalm user-en -
llten sen lieh in M -
sentee staune file etne etferfttcht e
Roger vorfand. So Wamllstr e
« M das lletne Weiter
« s und lachte berste-. -—
Mi- ;- Fest-· .t·i. W
«
»Ist da- Mädcheu bitt-schi« fragte
e.
»Von sympathischer Erscheinun .«
»Und Du sagst, ei sei eine ngs
liinderin.«
«Oder eine Amerilanerin.« ,
»Ob« einmal, Egon, wie wär’s
wenn ich sie mir als Gesellschesterin
enaaairtei Nach Deiner Erzählung
muß sie bei jener- ameritarrischen Ia
milie ja» eine ganz ähnliche Stellung
gehabt Haben — und mir wäre es lieb,
einmal wieder mein Englisch auszu
frischen. Was meinst Du tmqu
»Ich meine zunächst« daß die junge
Dame vorläufig doch noch an ihre
Amerikaner gebunden ist.«
si »Wir machen sie denen abspens
tat«
Egon lachte. »Verspeise es. mir soll
es recht sein! Vielleicht spürst Du in
sder Gesellschaft des Mädchens die
Langeweile von Neapel weniger.«
»Bielleicht! Jedenfalls will ich die
Kleine sehen. ehe sie das Haus ver
läßt. Laß ihr durch Marie sagen. daß
ich sie sprechen möchte. Ich stehe so
fort auf, mich interessirt die Geschichte
— es ist einmal ei Abwechslung.
Also tchick mir idas ·dchen —- ver
stehst Du, Egon?«
«Illburg nickte und ries nach Ma
rie.
«»Jst die Dirne im Fremdenzineener
aufgestandeni' fragte er die Zofe.
»Jawohl« antidiger Orest-entgeg
nete Marie, .s1e fragte auch schon nach
dem gnädiaen herrm wollte aber war
ten, bis Sie zu sprechen seien.«
»Schön!« Gar-n schritt langsam dies
Treppe nach dem ersten Stock binausl
! und tlopste an der Thüre des Frem
» denzirmners an. Er hörte einen leich
? ten Schritt irn Gemacht, dann wurde
Jdie Thüre von innen geöffnet, und
s das jun-ge Mädchen stand, iertia ange- s
täeidet und in Hut und Mantel, vori
i M.
I »Ah, ich sehe, Sie sind bereits zum
» Ausgange aeriistet", sagte Jllburn
Tsreundlich und trat näher. »Ei« es
’ Ihnen so sein-, uns wieder zu verlas
sen? — Wie dari ich Sie anreden?··
«Jch heiße Mal-ei Lupo. here von
Jllvura.« «
»Wie-del Luvoi Sieh da· ein engli
scher Vorn-»ne, während der Vaters
name zweifellos italienischen Ur
sprungs ist!« .» -
»Ganz recht; meine Familie stammt
aus Italien, wanderte aber schon zu«
Ansanq des Jahrhunderts ans. Jchs
habe indessen auch deutsches Blut inl
den Adern —- meine Großmutter war
eine Franlsurterin.«
»So wären Sie alio eine Tochter
dreier Nationen; welsche Anmuihs
deutsche Tuaend und englische Ener
gie sind iedensalls die besten Zuthas
ten siir einen Frauencharalter. Also,
Miit Lupo, ich habe soeben mii mei
nef Frau aesurochem es ist schon lan
ae ihr Wunsch, eine liebenswürdige
Geiellschasterin zu hesihenz wollen
Sie nicht bei uns bleiben?«
Mabel erbleichte pliihlich, schon in
der nächsten Sekunde aber schoß kht
fliihend heiß das Blut in das Ant
ih.
»O, wie gütia Sie sind, here von
Jllburg«, stammelte sie bewegt, »und
wie gern würde ich Ihr Anerbieten
annehmen, wüßte ich nur« ob Misier
Stesserson mich auzs nexn Dienst
entlassen mill, und vor a em. ob mei
ne bescheidenen Kenntnisse Ihrer s rau
Gemahlin genügen tönnens Jch pre
che nicht einmal deutsch, selbst das
Französische tauni tadellos --«
läge-n unterbrach je lachen-;
»Dule metukll cu- lrlnru « »Hu
er. »Ich habe die Absicht. den Win
ter in Italien zu verlekenx damit inei
ne Frau aber nicht allein aus die nea
politanische Gesellschaft angewiesen ist«
wünsche ich, daß sie sich eine Freundin
fchoffi. Diese Freundin sollen Sie ihr
werden. Sie sollen aemeinsam mit itztI
Leitiire treiben, mit ihr malen, du«-Eil
»Theater besuchen und sich gemeinsam
sniit ihr amiisiren. Die Aufgabe ift
i nicht so leicht, als es den Anschein nat,
und ich weist auch nicht. ob Sie ihr
gewachsen sein werden —- ich zlaubez
und hoffe es aber, sonst würde ich Jl:
nen nicht das Anerbieten machen.
Und nun entscheiden Sie sich- Miß·
Lupo: sind Sie einverstanden, dann
will ichemich sofort auf die Suche
nach der Familie Stefferson be,1e«sen,
um die Angelegenheit ins- Neine zu
brin en.«
Einen kurzen Moment schwankte
Mal-ei vHoch, dann entgegnete sie
kurz un einfach: »Ich danke Ihnen
Jus tiefsteni herzem here von Jllburg.
Wenn Ihre Frau Gemahlin es mit
mir versuchen will, bin ich bereits«
Egon ließ sofort seinen Wagen an
spannen unt-fuhr vor den bekanntesten
Hotels von Neapel vor. um sdie Fami
lie Stefferson zu suchen. Er toar mit
sich zufrieden. Er glaubte sich nicht in
Mal-ei zu täuschen und beziiirkwiinssp
te sich, eine so geei nete sellfchaste
rin für Wand-i ge unden zu Italiens
Durch sie hoffte er selbst mehr haus-;
liche Ruhe und mehr Zeit fiir «seinel
Studien und Passiv-ten zu gewinnen«
hielt Miß..Lupo nicht« was e ver
sprach, so war immer noch Ze t, nach
fing geeigneteren Persönlichkeit zu»
u n. -
Im hotel d’Angleterre fand Jll
bu die Amerikaney die sich vereit
»Er-ten das Mädchen freiz eben,
even Mal-et von ihrem Gebot sites
das leite Vierteljahr» eben wollte. !
ironifchem sagte Egonl
die Fordere-un ju. da wurden die
L Mal-el- n ten Wagen Fee
s t, und Jllburg fuhr nach r
lle sittlich —
Mnda war sehr zufrieden mit dem
aus anten Spiel das ann ihr
t hatte. e- merkte essen
Nabel eine weit til-er ihre oslaie
Stellung kinausgehende Gibt-aged
saß und daß ihr eine natürliche
nehmheit di e sich in ihrem ungezwun
genen Sichergeben und in ihrer Irt
zu sprechen, erkennen lie, eigen war.
Das aber erfreute Man besonders.
Sie nzar nun nicht mehr aus iich seibst
oder a«us die ständige Begleitung ihres
Gatten angewiesen, sondern tonnte
nrit Mal-ei die Vecxriigungen der vor
nehmen Welt besu n ohne gegen den
guten Ton zu ver oßen.
Schon am Na ittage des ersten
Tages den die unge Ameritanerin
iin Wänden-se Weg I verlebte maige
it Mal-ei einen Besuch
der WinkI n Cornigli ano.
Die Fürstin Cornigliano bewohnte
ein großes Quartier am Korso Sie
war eine Dame ho in den Fünfzis
gern doch noch i mer sehr lebens
lustig: ihr Reichthurn nnd das Altes
ihrer Familie ionnten sie nicht vor der
iiblen Nachrede, daß die Gluth ihres
Herzens idie ihr in ihrer Jugend ein
mal einen hitterbösen Streich gespielt,
noch seht dann und wann zu heller
Flamme auiloderte, schützen. Man
lachte über sie. aber man besuchte gern
ihre Gesellschaften in denen ein ung:
Her-ungerne Ton herrschte und bei
nen sich das ganze elegante Neapel zu
sammensand.
Als der Diener der Tätrstin die
Thür zu dem großen sechstenstrigen
Salon auiitieß, um Wanda und Ma
hel eintreten zu lassen, sahen diese
die Fiirsiin aus einem Divan sehen
und neben ihr eine junge Dame in
malveniarbenem Seidentleide. Ue
ber Wandas Wangen guckte ein blei
ches Licht, als sie diese Dame erblick
te — sie ertannte in ihr jene briinet
te Schönheit wieder-, die ihr kürzlich
aus der Promenade aufgef.1ilen war,
und jeszt auch strömte siedenheiß die
Erinnerung an jenen Tag. an
sie dies Weib zum ersten Male gese
hen. durch ihr Herz·
Mit aisettitter Liebenswiiriigieit
rauschte ihr die Fürstin entgegen
und liißte sie nach italienischer Sitte
zuerst auf die rechte, dann aus die
iinte Wange.
Meine liebe Baronim meine
Tbeueriie!« rief die dicke Dame, »Die
entzückend von Ihnen, daß Sie mei
ner nicht vergessen haben, ich bin en
chantirt, bin von ganzer Seele er
freut! Kommen Sie her und neb
men Sie Platz nnd erlauben Sie mit
vor allen-» daß ich Sie meiner guten
Madame Bulitoii vorstelle —- teine
Ruisin, wie ihr Name besagt, fon
dern eine echte Tochter unseres herr
lichen Landes eine gebotene Mot
quiie Carpa di BentiventisRappoldi.
— Eine neue Freundin beste Gelin
die Baronin Jllburg.«
tFortiedunq iolgt.)
häusliche Szene.
's , , ,
Fran: »Du, du behaupten mich ja
lieben —k ba, wenn ich heute stütbe, n
zwei Monaten würdest du wieder eine
andere haben —- schmöten tönnt’ ich
draqu«
Mann: »Schwör’ nicht, Emma —
ich glaub’ dir auch kos«
Ante-ums
Protz: »Wenn wir wiederkommen,
wünschen wir nicht nur einen Plas,
foudern auch ein Paar Kellnek refer
vitt — ich gutantire für deren unun
terbrochene Beschäftigung.«
Its-m Kni.
Neues Dienstmädchen Aus « immer
guckend): »Sol! ich noch Vier « lens«
Ehemanm »Ich möchte schon -«
Ebefrau Alpen das Wan nehmend):
» »Mein Mann will sagen: Ich möchte
schon bitten, nachdem ich schon einen
Litet qeteunlen habe, künftig solch«
unnühe Fragen gar ; se mehr zu
Keller-F