Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 03, 1909, Zweiter Theil, Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Nebraska
Staats— Art-Zeiger und J cerold
Jahrgang 30. Grund Island Nebr» :.k Dezember l LSW Zweiter (Thcil.) Nummer 15.
Hekbftgedcrnkem
Noch einmal hat-X ich dich gesehen,
Du herbstlich schöner Bnchenwnld
Bevor Dich mit des Eisesmeben
Zerstört des Nordwinds Allnemalt
Noch einmal hörte ich dich rauschen,
Du lieber, kleiner Silberflufz.
Und deinem Wellenipiel zu lnrtichen
War wie schon oft mir Hochgenuß.
Noch einmal durft’ ich felia träumen
Im duftig kühlen Waldeszelt
Und in den nottgecveihten Räumen
Vergessen das Geräusch der Welt.
Begleite mich mit deinem Frieden,
Du traute Waldeseinlamteit,
Damit, wenn ich aus dir geschieden,
Er mich urnichwebe allezeit.
W
»Du-umc- Utädel!«
Stizze von L. Pietzfch
Frtda sah düster durchs Fenster
der Schwester entgegen. Lange ließ
sie deute übrigens saus sich w:rten. Ol
er sie wieder abgefaßt und aufgehal
ten?!... Damit allerdings wäre ihre
Verspätung zu erklären.
Die Einsame seufzte.
Daß er, dieser lebenssdrijhende
Flattergeist in ihr stilles, friedliche
Leben geschneit kommen mußte, um
alle diese ausgeglichene, in schweren
Stunden ertämpste Seelenharmonie
der-beiden Schwestern zu zerstören!
Armes Mädel!
Arm? Nein, dumm! Warum sieht
sie’ö nicht ein —- endlich ein, daß er
nicht der ist, sitr den sie ihn gehalten?
Ost, ost hat es idr Frida gesagt
und sie hat es still eingesehen —- nur
um in der nächsten Minute unver
briichlich an ihn zu glauben.
Dammes Mädel! ..... dummes
Mädel!
Ihre schlanlen Finger lrampsten
sich ineinander. Sollte sie ihr entge
gengehen2 Konnte sie dann noch das
Ungliick verhüten? Sollte sie handeln
— oder abwarten? — Abwartent
Wie die Minuten zu Ewi leiten wer
den, wenn die Qual des rtens an
ihre Flügel Zentnergetrichte anhängt.
; löslich wurde die Tbür von
ou en ausgerissen und eine schlnnte
Mädechen - Gestalt überschritt die
Schwelle. Ein heissgerötheteg Gesicht
chen von einem solchen Liebreiz und
so vollendeter Schönheit, daß das Au
ge des Beschauers gebannt Jus itsm
haften mußte.
Frida wandte sich rasch um, ein
Seufzer der Erleichterung entitieg id
rem befürchtenden Herzen.
»Ah, da bist Du ia wo um al
les in der Welt warst Du so lange
Flora?«
Ein silberhelles Lachen ging durch
den Raum --— melodisch wie der Ton
eines kleinen Silberglöckleind Und bis
Erwartete lag der Schwester im Arn-.
»Nicht böse»sein, Fritzl nicht
-- -.-- on Ists-I
»Es-, Ucuk Sau-urs, u. .«.s»« ;» »e
heut’ zu mir und hat mich so schön
um Verzeihung gebeten. Leicht hab
ich ihm’s diesmal sustament nicht ge:
macht, denn ich war ernstlich bis-: and
ital-C denk' Dir, Friszerh diese Freer
heit —- ader ich lenn’ ihn doch -— yau
..... von Trennung gesprochen. Ti
dättest sein Gesicht sehen sollen! Gans
roth und blaß ist er geworden und
einige wirkliche, echte Ihränen baden
in feinen Augen gegliinzi —- das
Bruchtheil einer Selunde zwar nur
— aber gesehen date ich fie doch! Und
dann hat er mir die Hand geküßt und
gedeitelt —- und gebettelt, ich foll nur
ja wieder gut fein. Jch habe mich
lange bitten lassen — es war zu
schön! Endlich aber hab’ ich doch
nachgegeben, denn er hat rnir Besse
runa Michwvtenf
Frida nahm das reizende Köpfchen
zwischen ihre Hände und sah innig,
aber auch mitleidig in die feuchtschim
Fremden, göttlichen Augen der Schwe
ter.
»Die-neues Mädels ..... Dummes
Mädei!«
Flora lachte glückselig aus. Dann
aber flog ein plötzlicher Ernst über
ihre Züge und überzog die zuiunsw
frohe deiterieit des jungen Mädchens
mit seiner undurchdringlichen Hülle
wie die regenschweren Wollen den
llaren Sonnenlzimmet Und schwer
iani es von ihren Ligpent
»Wenn wir nur erst verheirathet
wären!« —
Frida awr wieder allein. denn die
Mittagsstunde der Schwe ter war um
und d ese wohl längst au ihrem Po
sten als Veriiiuserin in einem erst-—
ilaistichen Stadtgeschiiste.
Wie war ihr, der einsamen Frida
hatte sie letn Verständni sür die
Denkungsart und ndungöweisi
der Schwester, lonnte ie sich in deren
Gemütdzleden nicht hineinverseszt süd
len? War ihr denn allei, was de
Schwester empfand, ganz fremd?
Nein nein.
Freihe, sarbenpriichtige Bilder voll
Jugendglanz und Sonnenschein zo
gen an ihr vorüber Auch Hoffnungen
neben Entiäuschungen auch Luft
gepaart mit Leid... auch io wie es
ietzt Flora empfand-. Aber Frieda war
nicht so dumm gewesen — — nicht so
dumm wie die Jüngere!
Es tiingelte.
Sie ging zu öffnen. Ein ihr un
bekannter Herr stand drauf-en Un
gewisz starrte sie ihn an. Was wollte
Ver Fremde bei ihr, die nie Besuche
empfing oder erwartete?
Er mochte ihr Befremden in ihren
Mienen lesen. Mit einer ungestümen
Bewegung streckte er ihr die Hand
entgegen.
»Frida!« flüstertc er dabei leise,
»iennst Du mich wirklich nimmer-Z«
Das alte Mädchen wurde weiß wie
die Wand, an der sie lehnte. Jhre
Knie fchlotterten und sie hatte taum
die Kraft, ihn durch eine Hanf-bewe
auna zum Weitertommen zu verar
lassen.
Allein wie damals saßen sie sich
nun aegeniisber.
Sein flüchtiqer Blick streifte prü
fend die Umgebung. Noch alles wie
damals. Dem Zimmer sah man die
zehn Jahre, welche über das letzte
Beisammensein qerauscht, nicht an.
Dafür ihr nur desto besser. Wie alt
sie geworden! Eine alte Frau, das
war ja immer etwas gewesen« das er
mit seinem aanzen, ehrlichen Samt-S
mus beehrt.
Auch sie fand ihn sehr verändert,
jedoch natürlich nur zu seinem Vor
theil. Zwischen 25 und 35 kann das
LIleußere des Mannes nur gewinnen.
nicht verlieren.
Und das alte Mädchen träumte
einen tiihnen Traum
Damals war er werdend vor ihr
gesessen, nud sie hatte »Nein« gesagt
um des kleinen. blondloctigen Kindes,
um ihrer Schwester willen, der sie die
frühverstorbenen Eltern ersehen
mußte. Schwer war er gegangen.
Und nun aelommen, weil er berech
net, daiz Klein-Flora schon in dem
Alter. In dem die Mutter zu entbeh
ren!
Das arme. damals unter der
Trennuna fo leidende Herz Fridas
pochte zutunstsfroh Und mit theil
nahmsvrller Stimme fraate sie nach
feinen Echtetfalen
Das nah Grund zur Klage Man
ist nicht mehr juna und foraenlos wie
einst. Davon weiß er ein Lied zu
singen, er, sinkt Fellnerk
Inmqu Mitaefiikkl leuch:ete aus
ihren Anden, als sie ihn mit zittern
der Stimme bat, ihr feinen Kummer
aniuvertrauen Nur zu aern will
iahrte er ihrem Wunsche
Glückliche Zeit, da sie beide noch
jung —- er und sie. Jetzt hatte er
Zoran mit der Frau und den Kin:
dern und beiden zusammen Ah,
sie wußte nicht, das-, er verheirathet?
Ja. Seit nun ichon drei Jahren war
» er in den Stand der Ehe eingetreten.
" Lh er Die Wahl aut gerronens
Nun ji« wie money nimmt. Hülrfch
war fie, seine Anna -—- aber nicht
ivirthfchaftlich und nicht fvarfarn
llnd nun ist fie fchivertrant, so
trank, daß er fürchten man feine
Kinder bald in Waisen werden zu
sehen. Und niemand hätte er, der
cie Krante pflegt! Bis morgen blein
inohl noch ihre Zchinefter da, aber
mehr tann stach diese nicht thun,
Denn auch sie hat ihr vereinfainteH
nnd Daher vernachlässigtes HauSme
sen. Mitten in all diesen fürchtet
lichen Eoraen sei ihm wie eine Hint
rnelsoffenbnrung die Erinnerunq an
sie getoxnnien und hätte ihn zu ihr
getrieben Eie, das wußte er, niiirde
ihn nicht vergeblich bitten lassen,
iein trantes Weib zu pflegen. Sie
— feine beer Freund-ins s—«
Er ging, ihre Hinfage mit sich neh
mend, beruhigt fon«
Sie aber faß unbewegt noch fo
wie er sie verlassen Darum also
hatte sie aervattett Mkt leiser schlich
terner Hoffnung bald,- dilo mit un
bezwinglichey verzehren-der Sehnsucht
— darum war sie jung gekocfenl
llrn die andere zu pflegen!
Die hereinbrechende Dämmerung
hüllte das einfache Zinrrner in ihre
grauen Schatten, das einsame Mad
chenJaß noch immer an derselben
Stelle und starrte auf den Fiifilso
ven. Schwere Thränen rollten über
ihre Wangen.
Die Wanduhr tiate langsam uan
schwerfällig:
»Tummelt Möbel dutymes
Mädel.«
Nun khatte fie es der Schwester ge
beichtet, ihre einftige Liebe, ihr ver
lorenes Gliick alles. Auch das
heutige Zusammentreffen
Flora hörte still zu. Sie war bleich
geworden nud ein leidender Ausdruck
lag auf ihren Zii en —- der Däm«
merfchein einer au ziehenden schmerz
lichen Ertenntnife.
»Du tonnteft hn vergessen?«
»Nein. Aber verwinden ionnt’ ich
c .
Wieder jener ernste Blick.
» »Ich habe Fred wiedetg est-rochen
s Ach. ich glaube hum, daß ich ein Le
ben ohne ihn ertragen könnte....«
Ein verzweifelndes Schlucken auf
steigender Tbränen.
»Und doch und doch ach,
Frida!«
Todestrauria lebnie Lug schöne
Antlitz an der Schwester Brust.
»Da-In wird es sein miissen!«
Theilnahme-voll wie die Blicke eis
ner Mutter hingen diejenigen der äl
teren Schwester aus denen der jün
geken,
»Dummes Mädel!« sliisterie sie
sanft und
»Dmnmes dummes Mädel!«
kam es auch zurück
Dann weinten beide.
«-—.-.--——
Ausbeuiung des Kindes durch
Industrialismus
Winter-ita, Et. LonisJ
Dem neuzeitlichen Industrialismus
lscgstet mancher Schandfleck an, aber
keiner ist ihm so untilgbar aus die
Stirne eingeprägt, wie das Kainszei
chen, mit dem er gebrandmarkt ist, seit
er das Kind in die Fabrik schleppte,
mit der doppelten Absicht, seine schwa
chenKräste an der Maschine auszu
niitzen und den Lohn des erwachsenen
Arbeiters durch seine Konkurrenz her
avzudrückem
England, das tlassische Land des
Industrialismus, dem die übri en
Völker des Abendlandeg aus diefem
Gebiete, Bewunderung zollend, nach
eisnten, war es, das auch diesen
,,Fortschritt« ins Werk setzte. Kein
geringerer als der Staatsmann Wil
liam Pitt war es, der den englischen
Fatrilantem als sie über Konkurrenzi
anderer Länder mit niedrigeren Löh
nen klagten. zuries: »Nehmet die Kin
der!« Nur allzu geneigt sand er die
Vertreter der Industrie, seinem Rathe
zu folgen, und wie sich später heraus
stellte, war die Angewöhnung auch in
diesem Falle leichter als die AbgewithA
nung. Die englische Konkurrenz «toie-4
derum zwang auch die andern Ländirs
die Kinder der arbeitenden Bevölke
runpl in ähnlicher Weise auszudeuten,
wiedas in England geschah, obgleich
dac- Uebel in keinem Lande ganz sO
grauenerreacsnd austrat wie in ifnast
land. Die Gesetzgebungen anderer
Jndustrieliinder, gelvarnt durch das
Beispiel jenes Landes, bemühten sich
das schlimmste wenigstens abzuwen
den. Dies war auch hier in Amerika
in ten nördlichen Staaten der llnion
der Fall. Anders dagegen im Süden.
Dort, wo bis vor Kurzem keine nen
nenswerthefcndustrie bestand, vernach
liissigte man es, Maßregeln zu ergrei
fen zum Schutze desi- Kindes, til-J die
Falsritbesitzer aus den Nord-Staaten
sich mit ihren Unternehmen, hauptiäch
lids Baitriiiwllspinnereien einstellten-,
llksJ Uns Ulioc Dom ckcuc lu, uuh
heut-: im Süden, wie einst in lsnaland,
die Kinder des Landes sür den Fabrik
besitzer zu einem Hungerlohne srolmen,
und Zwar über Zeit denn die itatz
inni. das Mausen nicht lassen, und der
Industrialismus ebensowenig die!3lus
bentung der Arbeitgtriiste, sei e—:- nun
Kind, Weib oder Mann, wo itnn diese
anheim gegeben sind.
Die Enthüllungen, die über die
Kinderarbeit im Süden seit einigen
Jahren gemacht werden, erinnern an
dieThatiachen, die einst in England zu
Tage traten, als eine vom Parlalnente
eingesetzte Kommission mit der Unter
suchung dieser Frage betrant wurde.
In stillt Bauintvollsvinnereien des
Slidens fand man 1854 Kinder unter
zwölf Jahren beschäftigt, und alt-J 500
andern lag teine Statistik vor. Da die
Arbeitszeit mehr als 12 Stunden be
trägt. so kann man unschwer ermessen,
ioeler verderbliche Folgen ein solches-J
System mit sich bringt. Die Entrü
stnng im Süden ist seit dein Bekannt:
werden dieses Uebelstandeg eine allge
meine· Man sagt mit Recht, esJ sei
besser teine Industrie zu besitzen, als
eine solche, die zum Preise der Kinder
akbeit nach dein Süden gelockt würde.
»Die Beschreibung, die wir über Edie
schaudererregenden Zustände in den
Sisinnereien Süd-Carolinas erhalten
haben,« schrieb seinerzeit eine angese
hene südliche Zeitung, ,,geniigt, einem
das Blut in den Adern erstarren zu
l..1ssen. Die Theilhaber dieser Fabriten
sind zumeist Neu-Engländer. Sie le
ben zu Boston im Luxus, während die
haznrem gleichsam nur aus Haut und
Knochen bestehenden Kinder in den
Fabriten des Südens einige Jahre siir
sie srohnen, um dann in ein srühes
Grab zu smten. Diese Kinder kennen
keine Lebensfreude. Sie werden nur
zu bald wahre Automaten, müde, be
drückte, geschwächte kleine Wesen, die
nur den einen Wunsch besitzen, nach ih
rer dreizehnstündigen Arbeitszeit
set-lasen zu können. Wenige Jahre
dieses Lebens tödtet sie. Man sagt,
dafk eine Spinnerei, die in den Neu
England : Staaten 86000 wöchentlich
an Löhnen auszahlen müßte, hier im
Siiden nur 81000 zu verausgaben
hätte, wegen der Billigkeit der Kinder
arbeit. Damit wären also 8104,
uns) das Jahr so zu sagen »von der
Straße nufgehoben.« Und dieses Ge
minnstes wegen, werden Tausende von
Kindern hingeonfert, damit man sich
in Boston gute Tage machen !ann.«
Doch ioie gesagt, diese Klagen sind
nicht neu. Wo immer der Industria
lismus festen Fuß faßte, griff er zu
diesem Mittel, zuerst in England, dem
Vaterlande des Manchestertbums.
Grauenerregend geradezu sind dieBei
spiele der Ausbeutung der Kinderar
beit in den Spinnereien, Bergwerten
und anderen Industrien Englands,
namentlich vor 1850. Die Grausam
keiten, die an den zumTheil im zarte
sten Alter stehenden Kindern verübt «
wurden, nennt der durchaus gemäßig:
te Nationalötonom Deine-, indem er
sich ausdrücklich auf Parlamentsde
richte beruft, ,,furchtbar, unglaublich,
sogar in der Geschichte des Heiden
ITIUUIO Ul)llcdclglclll). Uullf Iclcsl NU
chc Fälle nicht etwa vereinzelt vorge
kommen, als Ausbriiche der Verderbt
heit Einzelnen sondern allgemein, re
gelrecht als ,,a matter of busineß« und
der Berechnung. Der Schriftsteller
Karl Jentsch nennt es geradezu einen
»satanischen Umstand«, daß die engli
schen Fabrikanten, lediglich um schnel
ler reich zu werden, Hunderttausende
von Kindern bis zu fünf Jahren hin
ab, zum Theil in aller Form getaufte
Armenhaugkinder, unter unerhörten
Mißhandlungen verbraucht haben, wie
rohe Fuhrknechte billig getaufte Gän
le verbrauchen.«
Uebereinstimniend mit diesen Urthei
len sieht sich auch Professor Held ge
nöthigt zu bekennen lin seinem Werke:
Zwei Bücher zur sozialen Geschichte
Englands): »Die moderne Industrie
habe eben »Menschenleben unerhört«
gefordert, und die Kindermißhandlung
sei ihr allein eigenthiirnlich Man müs
se sich aber damit trösten, daß diese
toaß fie es nicht sind, haben wir be
reitg gesehen) als die der Sklaven und
der Leibeigenen.« Daß der Verbrauch
von Kindern unter sechs Jahren ganz
allgemein war, und dafz Fälle von
rer Einspannung drei-— und zweijähri
ger amtlich veglaubigt sind, ver
icknoeigt auch er nicht. Die durch
schnittliche Arbeitszeit fiir Kinder, die
stehend Maschinen bedienten, war
fiinszehn Stunden täglich. Daher sagt
Ratzinger in seinem Werke: DieVollSi
ivirthschsth in ihren sittlichen Grund
lagen mit Recht: Jn den Berichten
des englischen Gesundheitgamtes wer
den die Augsagen von Zeugen mitge
theilt, welche wirklich haarsträubend
"sind. Ein Knabe von 7 Jahren, 10
Monaten mußte jeden Tag 15 Stun
den arbeiten; er hatte die sertiggeforms
te Todterwaare in Die Lroetennnde zu
tragen und die leere Form zurückzu
bringen. In den Tapetenfahriten
tonstatirten die stomniissäre solche
Ueberarbeitnng der Minder tdie Arbeit
dauerte meist von tiUhr Friih bis-«- l«
Uhr Nachte) dis; sie die Augen dor
Illiiidigkeit nicht mehr offen halten
konnten. Die Ansbentnng der Kinder
in der Spitzenfahritation schilderte ein
Zeuge also: »Um 2 bis 4 Uhr Mor
gens werden Kinder Von 9-——1« Jah
ren ihren fchmntzigen Betten entrissen
und gezwungen, für die nackte Existenz
bis l« oder 13 Uhr lliachte zu arbeiten,
während ihre Glieder tvegschwinden,
ihre Gestalt zusammenschrumpft, ihre
Gesichtsziiae abstuinpfen und ihr
menschliches Wesen gian und gar in
einem steiniihnlichen Torpor erstarrt,
dessen bloßer Anblick schauderhafi ist.«
Selbe in der alle Lebenssäfte vergif
tenden Ziindhölzchenfabritation fand
man Minder von t; Jahren verwendet.
Doch nicht allein das leibliche Wohl
der Kinder wurde in den englischen
Fabriten nnd Bergwerlen durch die
übermäßige Anstrengung und oft un-·
gesunde Beschäftigung untergraben,
nein, auch die Seele wurde gemordet.
»Jhre aberaläubische und heuchterische
Frömmigkeit hat die puritanischen
Grubenbesitzer nicht gehindert,«
schreibt der bereits erwähnte Karl
Jentsch, »tagtäglich nackte Knaben
und Mädchen zufammengetoppelt inl
die Gruben hinunterznlassen; sie hat
es nicht gehindert, daß die arbeiten
de Bevölkerung in einen Zustand
viehischer Unwissenheit und unsäg
lichen Elends hinabgedriickt wurde, in
dem ein Faniilienleben nicht möglich
ist« Chas. Devag bietet uns die Ge
währ, daß diese Auslassungen nicht
iibertrieben sind· Auch er schreibt:
»Das Schlimmste aber von allem: die
Bergwerte und Fabriken waren Höh
len aller Verderbtheit, und die Ber
tmtimenheit war nicht Ausnahme,
sondern charakteristische Regel.«
Freilich könnte man behaupten, daß
die Arbeiter selbst an diesen traurigen
Verhältnissen Schuld seien. Aber mit
Recht hebt ein Autor, den Hohoff ini
seinem ausgezeichneten Werke: »Tie;
Revolution seit dem 16. Jahrhundert, «
anfiihrt, hervor, das-, man die maßge
benden Kreise siir die englischen Arbei: ;
terverhältnisse verantwortlich halte-H
müsse. »Tenn anstatt sich beim Ein
porbliihen der Großindustrie durch Be
zahlung gerechter Löhne, Gründung
guter Schulen und anderer Mittel sy
stematilch einen Verbiiltnißmäszig wohl
habenden, moralisch und physisch ge
sunden und intelligenten Arbeiterstand
heranzubilden, hat man auf das egoi
stischste im ausgedehnten Maße die
Kinder: und Frauenarbeit eingeführt,
die Männer aus den Fabrilen heraus-»
gedrängt, brodlos gemacht, und da-«
durch nicht nur das Familienleben,das
Fundament jeder gesunden Entwick
lung, in den breiten Arbeiterkreisen
vollkommen vernichtet, sondern auch
die große Arbeiterrnasse auss äußerste
oerwildert.« Man schleppte die Frauen
und Kinder in die Fabriten an die
Maschinen, wo man sie, wie Ratzinger
nvsksins um sinsn m»fs-sncnnn»svlnßn
der schamlosesten Ausbeutung, dem
sittlichen Verderbnisse und der körper
lichen Vernichtung, dem geistigen Tode
und einem leiblichenSiechthume preis
aab. Die natürliche ArbeitstheilungH
und die von Gott gegebene Oetonoinie,
daß der Mann nach außen wirte und
schasfe, während die Frau der häusli
chen Arbeit sich widmet und die Kinder
pflegt und erzieht, wurde mißachtet,
das Familienleben zerstört, unreife
Kinder der moralischen und körperli
chen Vertiimmerung preisgegeben und
in bloße Maschinen berivandelt,um für
den Kapitalisten Geld und Gewinn zu
schaffen. —- Riesig wuchsen die Milli
arden der Kapitalisten in England an,
aber nur um den Preis der geistigen
Verödung, der sittlichen Verderbtheit
und der körperlichen Vertiimmerung
derjenigen, welche diesen Reichthum
schusen.«
An einer anderenStelle schließt der
selbe Verfasser seine Betrachtung über
den fiir die Kultur des vielgepriesenen
W. Jahrhunderts so beschämenden
Gegenstand mit den Worten: »Es ist
ein berechtiaterVortdnrs, der leider alle
Länder nnd Völker trifft, daß die»
Staaten die hohe sittliche und know-l
mische Bedeutung der Familie-, den
Schutz derMntter nnd dersiinder miß
achtet bat-en. Alter« bat man dem
fiteldbnnaer des Kapitals geopfert,
selbst den Frieden und die abgeschlosse
ne Haustichteit der Familie, den Beruf
der IUIiutter das reine Glück der Kin
derjabreL Unersättlich ist der Gewis
niuH, teuflisch die Habsucht.« Vieles
ist besser geworden ans diesem Gebiete
iin Vause der Jahrzehnte Doch Reste
des aeschilderten Uebelg haben sich noch
aenna erhalten Die Sozialresorm
darf noch nicht Feierabend machen
» --- ,-.-- q« -.-7»
i
i
Drantlofe Schnellteles.raphie. t
Der dänische Jngenieur Poulsen,
der sich aus dem Gebiete der drahtlosen
Telegraphie rasch einen berühmten
Namen gemacht hat, ist gegenwärtig
an der Arbeit, durch Verbesserung der
technischen Einrichtungen die Schnel
ligteit dek- drahtlosen Telegraphireng
nach Moglichleit zu erhöhen. Stettin
nen mit seiner Apparaten sind in Cul
lercoat tEngland), Egbjerg (Jiitland)
und Lyngbh (bei Ziopenhagew errich
tet. Auf der erstgenannten Station
haben kürzlich interessante Versuche
stattgefunden, iiber die die englische
Fachzeitschrift Electrical Review aus
siihrlicher berichtet. Danach wird zur
Ueberwindung einer Entfernung von
W« Zim. eine Kraft von 3000 bis
4000 Watt benöthigt, auf eine Entfer
nung von Mit Km. konnte schon mit
200 Wart gearbeitet werden. Die
Ausnahme der ankommenden Zeichen
geschieht mit Hilfe eines sehr empfind
lichen Galviinometers, dessen Magnet
nadel schon auf sehr geringe Ströme
reagiert. Die Magnetnadel hängt da
tig ein winzig kleiner Spiegel befestigt
bei an einem Faden, an dem gleichzei
ist. Jede Bewegung der Magnetnadel
verursacht also eine Bewegung des Fa
dens und seines Spiegels. Vor dem
Spiegel befindet sich eine Lampe, de
ren Licht der kleine Spiegel aus eine
gegenüberliegende Wand reflektirt.
Die geringste Bewegung des Spiegels
verursacht dann eine ziemlich bedeu
tende Bewegung des Lichtreflexes auf
der Wand. Eg ist dasselbe Verfahren,
sdas mancher Schuljunge anwendet,
wenn er mit einem Spiegel die Son
nenstrahlen auffängt, um sie an den
Zimmerwänden herumtanzen zu las
sen. Poulsen geht aber noch einen
Schritt weiter, er läßt an der Stelle,
wo der tleine Lichtsleck hin und her
pindelt, lichtempsindliches photogra
phisches Papier vorüberrollen, so daß
die Schwankungen ein für allemal
fixirt werden. Diese ganze Einrich
tung ist an sich nichts Neues, sie wurde
schon früher bei der mit sehr geringen
elektrischen Strömen arbeitenden
trangatlantischen Kabeltelegraphie be
nutzt, aber ihre Anwendung aus die
drahtlose Telegraphie ist unseres Wis
sens hier zum ersten Male geschehen.
Jedenfalls ermöglicht diese sehr emp
findliche Einrichtung die Registri
rung außerordentlich kleiner elektri
scher Energiemengen und eine große
Aufnahmegeschwindigkeit, nämlich 50
bis 100 Worte ir. der Minute, das ist
das zwei- bis vierfache der durch ge
wöhnlichen Handbetrieb erreichbar-en
Geschwindigkeit. Poulsen hofft nach
diesen gut gegliiclten Experimenten
demnächst über den Ozean mit einem
Energieaufwand von »nur« 100PK
auch mit einer Geschwindigkeit bon50
bis 100 Worten in der Minute tele
graphiren zu können.
W
Ein einfaches Schlechten-eh
Es ist eine allbekannte Thatsache,
daß die Blutvertheilung für die Er
zeugung des Schlafes von erheblichfter
Bedeutung ist. Zum Zustandekom
men des Schlafes ist Blutleere des Ge
hirns nothwendig, daher entsteht das
Gefühl der Schläfrigkeit nach starken
Mahlzeiten, weil das für die Verdau
ung nothwendigeBlut nach dem Magen
und Darm fließt und dadurch das Ge
hirn blutleer wird Aber auch die Be
schaffenheit des Blutes kommt für die
Erzeugung des Schlafes in Betracht,
schlechte Blutbeschaffenheit erzeugt
Schläfrigkeit, an welchem Uebel be
kanntlich viele bluiarme und bleich
süchtige Menschen leiden. Neben der
Blutbeschnffenheit ist aber auch die
Athmung für dassustandelommen des
Schlafes von Bedeutung. Oberfläch
liche Atbmung bewirkt neben sonstigen
Gesundheitsstörungen schlechtenSchlaf,
und daher räth Prof. Halt , da viele
Menschen gewohnheitsmäfzig nur
oberflächlich athmen, für an Schlaf
losigkeit Leidende eine Art von Lun
gengymnastik an. Der Patient soll
jeden Abend unmittelbar Vor dem
Schlafengehen am offenen Fenster bei
sest geschlossenem Munde 6—12 recht
tiefe Athenszüge thun und das im Bett
in Rüclenlaae wiederholen Das Ath
«.nen darf nicht gewaltsam sein, muß
aber so tief wie möglich erfolgen. Nach
der tiefmöalichsten Einathmung läßt
man den Vrusttorb wieder zusammen
sinken, mit der Zeit wird die Zahl der
Lstltbem üge erhöht. Die durch das tiefe
Athem luwirtte reichliche Zufuhr von
Sauerstoff hat einen tiefen tranmlosen
Schlaf zur Folge. Schon dadurch
werden alle Lebensborgiinge günstig
beeinflußt Diese günstigen Erfolge
treten aber nur dann ein, wenn die
thbemiibungen regelmäßig betrieben
werden. Sie ab und zu einmal vor
zunehmen, hat wenig Zweck. Nur Be
harrlichleit führt zum Ziel. Nebenbei
arbeiten folcheAthemiibunaen in wirt
samster Weise der Schwindsucht ent
gegen.
—-—s.—.-—-s
Erkannt.
Der weise Sadi litt schwer an der
Gicht nnd schrieb eine hohe Summe
aus, wenn ihn einer heile. Einst
meldete sich ein Fremder, er hätte ein
ganz unsehlbares Mittel. Sadi fragte
die Diener, oh er zu Fuß gekommen
sei, was diese bejahten. »Werft den
Hallnnken hinaus, denn hätte er ein
unfehlbareg Mittel gegen die Gicht, so
könnte er mindestens sechsfpiinnig
sahren.«
Unrigcnnütkia
Die Frau vom Hubersepp klagt den
ganzen Nachmittag, das; sie so sehr
sriere Und gar nicht warm werden
konne. Gegen Abend geräth sie mit
ihrem Mann in einen Streit und prü
gelt ihn, als der stärkere Theil in die
ser Ehe, weidlich durch. »Nun, Ma
riandel,« fragt der Sepp theilneh
mend, nachdem sie sich wieder versöhnt
; haben, ,,hist denn jetzt a bissel warm
« ’worden I«
sialtblütiq.
Vater: »Es thut mir leid, daß ich
Jhre Bewerbung um die Hand mei
ner Tochter nicht annehmen kann.«
Freier: »Mir auch. Aber bitte, ges T
ben Sie mir meinen Blumenstrauß «
zurück —— ich mufz noch wo anders an- s
halten« t
i
Eine Muster-behörde
Fremder: ,,(5ine wirtich liebenswür
dige und entgegenkommende Behörde
haben Sie aber hier im Dors!« "
Einheimischer: »Das will ich mei
nen; sogar über’m Eingang vomi
Spritzenhaus, wo die Vagabunden
eingesperrt werden, steht der schöne
Spruch: »Griiß Gott, tritt ein« —
Bring" Glück herein!« i
i
t