Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 26, 1909, Zweiter Theil, Image 16

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    Der verschollene Sohn
Roman von
M. Betzhold
(20. FortsesungJ
»Ich glaube allerdings, das hoffen
zu durfen«, erwiderte er, »aber mir
Gewißheit darüber zu verschaffen, da
zu wurde mir keine Gelegenheit gebo
ten. Der gerade Weg ist immer der
beste, deshalb wende ich mich ver
trauensvoll an Sie, und ich glaube
auch. Sie kennen mich hinlänglich ge
nug, um meine guten Eigenschaften
beurtlseilen zu können.«
Papa Riedel wiegte sinnend das
Haupt. -
»Von Jbren schlimmen Eigenschaf
ten habe ich noch nichts bemertt«, sagte
er, »und was mich persönlich betrifft,
so giaude ich meine Zustimmung nicht
verweigern zu dürfen, aber Sie wer
den auch begreifen, daß ich Ihnen in
diesem Augenblick eine entscheidende
Antwort noch nicht geben kann. Der
Antrag ist zu unerwartet gekommen, er
hat mich überrascht und ich allein
dann nicht entscheiden, ich muß zuvor
rnit meiner Frau und mit Eugenie
darüber beratben. Wenn Eugenie Id
nen das Jawort gibt, dann haben Sie
auch meine Zustimmung«
»Ich danke Jsbnen«, erwiderte Win
ter.,, dieses Versprechen läßt mich hof
fen, daß ich das ersehnte Ziel erreichen
werde. Ich bitte Sie nur« eFräulein
Eugenie nich-i zu drängen, wenn sie
nicht sofort sich entschließen kann, da
durch könnte —«
»Wann müssen Sie die Stellung in
Praa antreten?" fragte Riedel rasch.
»Nach den Osterserien.«
»Im nächsten Jahre erst?«
«E’tawcbl.«
»Dann baden wir Zeit genua«,
nickte der alte Herr. »ich glaube auch,
das-, es besser ist, wenn wir die Ange
legenheit nicht sorciren. Mit meiner
Frau rede ich heute noch, sie soll gele
gentlich das Mädchen sondiren; zeigt
Euaenie sich geneigt, das Jttoort so
fort zu geben. so rücken wir mit der
Sprache beraus, im anderen Falle
schweigen wit, unddann müssen wir es
Ihren überlassen. mit dem Mädchen
ins Reine Zu kommen.«
»Aber wird es nicht ausfallen,
wenn ich noch länger bier bleibes«
agte der Dotier, der mit d« i Re
ltake dieser Unterredung immerhin
zufrieden sein kennte. »Die schöne
Jahreszeit ist zu Ende, man bat wohl
fchoize längst erwartet, daß ich abxeisen
wur —«
»Gut, reisen Sie ab, wenn die Ver
lobung nicht in den nächsten Tagen
stattfinden kann. Einiae Tage dürfen
Sie immerhin noch warten, bei dem
schlechten Wetter reist Niemand, wenn
er nicht dazu gezwungen ist· Gehen
Sie dann nach Praa, urn Jahren künf:
tiaen Wohnsitz sich anzusehen, die
kurze Trennung bringt Ihnen eher
Vortheil als Schaden. Jm nächsten
Monat werden wir wohl nach Köln
übersiedeln, dort treffen wir mit Ih
nen wieder zusammen und Sie fin
den dann irn Laufe der Wintermonati
Gelegenheit aenua. Jdre Liebenswür
diakeit zu entfalten. Was sagen Sie
zu diesem Plane?«
»Er ist vortrefflich«. erwiderte
Winter lächelnd, indem er dem alten
herrn die Hand reichte, »ich danke
Ihnen noch einmal, und ich werde
Ihnen dankbar bleiben, solange ich
lebe. wenn ich das heiß ersehnte Ziel
erreiche.«
Damit war die Unterreduna been
det, Bruno Winter verabschiedete Fch,
nachdem Riedrl ihm das Versprechen
gegeben hatte, am Abend in’g Hotel
zu kommen, um ihm weitere Mitwi
Iungen zu machen.
Er hatte kaum die Van verlassen,
als Euaenie in das Zimmer trat, in
dem ihr Vater gedankenvoll am Fen
ster stand. Er wandte sich um und er
schrak, als er in das bleiche Antlitz
seiner Tochter blickte.
»Er bat um meine Hand vqui-or
denk iraate Euaenie in unverkenn
barer Erreguna.
Der alte Herr nickte beiahend, sein
sltck ruhte forschend und erwartungs
voll ans dem Mädchen
«Und welche Antwort hast Du ihm
Kessel-At- PART«
»Mentlich noch keine. Aber so be
Mhige Dich doch, der Antrag dieses
Deren tann Dir nur angenehm sein,
bedeute einmal. liebes Kind, ein Dot
tor und Professor —«
«Unaenehm?« unterbrach Euqenie
eh in bitterem Tone. »Ich könnte
ehe-e darin eine Beleidigung sinden.«
’Wa Riedel zog die Brauen hoch
W und sah seine Tochter starr an,
M war in einen Sessel niedexgv
Mir-. sie drehte beide Rinde aus
UBIIM MI- Deu
« « » ist mir aanz unbearetsslitls«,
L- Her. «ieki habe uiernali entdeckt,
"· D- geqes diesen Herrn Abnei
J M. It hat einen Ruf all
or ans set-« erboste-c —«
chen, »hoffentlich wird mich das be
ruhigen.««
»Na. was sollte ich ihm antwor
ten-? Mir persönlich ist der Doktor
ais Schwiegersohn ganz angenehm,
das habe ich ihm auch gesagt, aber ich
sitate hinzu daß ich die Entscheidung
Dir allein überlassen müsse. llnd
wenn Tu ietzt Dich noch nicht ent
scheiden könntest, dann möge er ruhig
adreisen und später wieder in Köln
mit uns zusammentreffen«
»Und wie nahm er diese Antwort
auf's« fragte Eugenie, die in der That
ruhiger geworden war.
»Er war sehr Befriedigt. Ich kann
ihm nun unser Haus in Köln nicht
verschließen, aber es hängt ja von Dir
allein ab, »Die lange er unsere Gast
»sreundschaft benutzen wird.«
»Gut. ich bin damit einverstanden,
ich aewinne Zeit und brauche dabei
nicht zu befürchten, daß er mir ent
mischen wird.«
Und nun berichtete sie dem staunen
den Vater ihren Verdacht, inre letzte
Unterreduna mit Felswa. die Mit
theiluna Lina’s und den Inhalt des
Briefes, den Kurt v. Bach an seine
Mutter geschrieben hatte.
«Alles dies muß meinem Ver-dacht
zur Bestätigung dienen,« schloß ste.
»und da das Gericht sich um die An
aeleaenheiten nicht zu kümmern scheint,
so habe ich mir vorgenommen Alles.
was in meinen Kräften steht, aufzu
bieten, um mir Gewißheit zu ver
schaffen. Jch will Dir nun auch ge
stehen, daß ich Eduard o. Steintadl
liebes diese Liebe wurzelt so tief und
fest in meinem Herzen, daß tein An
derer sie daraus verdränaen tann.«
Der alte Herr hatte die Hände auf
den Rücken gelegt, er wanderte rastlos
aus und nieder. diese überraschenden
Mittbeilunaen stiisten sich aus tu aute
Gründe. als daß er leichtfertiq dar
über binweaaeben konnte.
» »Und was willst Du mit Deinen
schwachen Kräften erreichen?« fragte
Ter. »Wie kannst Du hoffen, daß es
Dir aelinaen werde, diese Gewisxbeit
zu erhalten?«
»Ich habe gethan, was ich thun
konnte, nun muß der Erfolg abge
wartet werden."
»Und darf ich nicht wissen, was Dir
gethsu basi?«
»Ich wollte es Niemandem sagen.
Elsriede und ich haben Alles verabre
det. Aber wenn Du mir versprichst, zu
schweigen —«
»Jch verspreche es Dir!«
»Gut, so höre denn! Jn Bezug aus
das Schicksal Eduards müssen wir die
.oeiteren Mittheilungen des Herrn o.
Bsach abwarten, er wird nicht ruhen,
bis er volle Gewißheit erhalten hat
Jakob will sich in Prag ertundigen ob
dort eine Professur erledigt und dem
Doktor Winter angeboten worden ist;
wir werden dann ji erfahren. wie die
Dinge liegen. Schwieriger wird es
sein, das Ende Felsing’s zu erforschen.
aber auch über diesen Punkt hoffe ich
Gewißheit zu erhalten. Felsing hat
eine Schwester hinterlassen. die in
England Gouvernante oder Erzieberin
sein soll. Das hat der Dottor Winter
mir zögernd und gewissermaßen noth
gedrunqen erklärt, nachdem er früher
die Existenz dieser Schwester aeleugs
net hatte. Jch muß hieraus schließen,
daß Fräulein Felsing das dunkle Ges
heirnniß kennt, welches zwifchen den
«Beiden schwebte. ebenso heae ich die
«Ueberzeuaung, das; dieses Geheimnis-,
hauptsächlich den Doktor zu dein
Morde bewogen hat. Ich habe nun
in der Londoner »Tirnes« eine Aut
sorderung on Fräulein Felsing erlas
sen, ihre Adresse unter einer bestimm
ten Chissre poste restante hierher zu
senden. woraus ihr nähere Mittheis
lungen über das Schicksal ihres Bru
ders gemacht werden sollen. Diese
Aufforderung soll von Zeit zu Zeit so
lange wiederholt werden, bis die sun
ge Dame daraus antwortet, und sind
wir nicht mehr hier« so wird Elsriede
aus dem Postarnte nachsragen, ob ein
Fries unter jener Chiksre angekommen
r .«
»Nei, da ist freilich Alles geschehen,
was geschehen konnte«. sagte NiedeL
der seine Wanderung unterbrochen
hatte und vor seiner Tochter stehen ge
blieben war, »aber an dem Ersola
zweiile ich dennoch. Alle diese Ver
muthunaen schweben in der Lust, ich
kann rnir nicht denken, daß der Dot
tor Winter ein solches Scheusal sein
soll. Schließlich wirst Du ihm auch
noch die verschiedenen Einhriiche aus
kreiden wollen ———'«
»Ich bitte Dich, spotte nicht dar
über«, erwiderte Eugenie ernst, »meine
Ueberzeugung wirst Du dadurch nicht
erschiittern.«
»Und nun willst Du die Komödie
sortseteniw
»Ich bin dazu fest entschlossen Ei
ist mir lieb, wenn er in den nächsten
Tagen ahreiQ wir gewinnen freiere
Hand. Aber sage ihm-JU- könne-mich
seit noch nicht entschließen, ihm eine
desinitive Antwort zu geben« aber ich
würde mich freuen, ihn in Köln wie
» derzusehen. Bis dahin hosse ich dem
« Ziele näher gekommen zu sein« sobald
kcki Beweise habe, werde ich dem Oe
richt Unzeige machen.«
Unds wenn Du den Beweis er
nst-. so v- oid seine den«
»Dann werde ich dem Derrn einfach
erklären. daß ich feine Liebe nicht er
widern und die Hand ohne das Herz
s nicht vergeben lönne.«
I »An» heimer wirst Du ihn rei
nesfalls?«
aRein, in keinem Falch
Papa Niedel schüttelte bedenklich
zdas Haupt, dieser Entschluß schien
! ihm doch nicht zu gefallen, aber er
kannte auch die Charakteriefiigleit fei
nes Kindes, und Eugenie mußte ja
selbst am besten wissen, was zu ihrem
Glück diente.
Der Eintritt Linn-? unterbrach das
Gespräch sie meldete einen fremden
Herrn, der mit Riedel allein zu spre
chen wünfchtr.
Engenie verließ den Vater, und
gleich darauf trat der Fremde ein.
Er war ein großer, hagerer Herr.
schon ziemlich befahrt und einfach
bürgerlich gekleidet. die Züge waren
scharf markirt, Kinn und Wangen
glatt raiirt, der Blick forschend und
durchdringend.
Riedel vermuthete in dem Fremden
sofort einen reisenden Schauspieler.
s der ihm feine Noth klagen und unt
s einen Neiieqroschen bitten wollte: um
die Sache turz crbzumnchem griff er
schon in die Tasche, aber das spöttische
’ Lächeln des Fremden bewog ihn doch,
einstweilen die betreffende Bitte abzu
warten, «
»Ich sehe, Sie halten mich für ei
»nen Bettler«, sagte der Fremde mit
gedämpfter Stimme, »das ift mir
lieb, ich darf daraus schließen, daß
ich auf Ihre Dienstboten denselben
Eindruck gemacht whe, und das eberi
bezweckte ich. Wir sind ja allein, und
unsere Unterrednng kann hoffentlich
nicht belauicht werden?«
In den Zügen Riedeks spiegelte sich
wachsendes Erstaunen.
»Mit wem habe ich die Ehre?« fes-g
te er. «
»Ferdinand Hagen, augenblicklich
Helifändlen im gewödnlichen Leben
aber Beamter der Kriminalpolizei.
Bitte. erschrecken Sie nicht, Sie wer
den sogleich hören, was mich zu Jll
« nen führt. Sie erlauben wohl, daß ich
strich setze?«
Ganz verwirrt und vor Erstaunen
sprachlos- deutete Riedel aus einen
Sessel, dann nahm er dem Beamten
gegenüber Platz.
»Ich muß vor allen Dingen um die
strengste Verschwiegenheit bitten«, fuhr
der Letztere fort. »und ich darf mich
derselben wohl versichert halten, da es
ia in Ihrem eigenen Interesse liegt,
mir die Lösung meiner Ausgabe nicht
zn ers wer-en. Es sind in der letzten
Zeit bei der Staatsanwaltschaft viele
Beschwerden iiber die Unsicherheit in
diesem Städtchen eingelaufen, Dieb
stöhle unter erschwerenden Umständen
bleiben unbestraft, weil die Tbiiter
niemals entdeckt werden können, es
sollen auch andere Verbrechen vorlie
aen, über denen ein Duntel schwebt,
ras nicht gelichtet werden tann. Die
Staatsanwaltschast hat sich auf diese
Beschwerden hin bewogen gefunden,
mich mit den nöthigen Nachforschun
gen zu beauftragen, und ich hoffe, daß
es mir gelingen wird, diese Aufgabe
zu lösen.«
.,Na« das gebe Gott!« sagte Riedel,
ties ausathmend, »das ganze Städtchen
würde Ihnen dantbar dafür sein. und
was ich dazu beitragen kann —«
»Bitte, ich verlange einstweilen
nichts weiter von Ihnen, als die
strengste Verschwiegenheit. Vergessen
Sie ferner nicht, daß ich nur der hols
händler bogen «bin, vergessen Sie dies
hauptsächlich dann nicht, wenn wir
einander an einem öffentlichen Orte
, begegnen sollten."
l »Gut, sedr aut, ich werde daran
denken!"
»Ich bin nun zu Ihnen gekommen.
um weqen des hier in Ihrem hause
oeriibten Diebstabls einige Fragen an
Sie zu richten. Es ist allerdings da:
rüber ein ziemlich aussübrkiches Pro
tokoll aufgenommen worden, aber ictx
vermisse darin noch Manches, wac
darnals schon hätte erörtert werden
müssen. Aus dem Protokoll scheint
hervorzugehen, dasz der Diebstahl wäh
rend des Festes. welches Sie gaben,
verübt worden ist?'«
»Fawobl, das ist meine unmaszgeb
liche Ansicht.«
»Sie batten fremde Leute zur Be
dienung der Gäste engagirt, und die
Hausthiir ist wahrscheinlich ofsen ge
wesen —«
r iäBis der letzte Gast das bang ver
ie .«
.Somit war ei also wohl möglich,
daß der Dieb sich in das Vaus ein
schleichen konnte«, sagte Zagen ruhig,
während er in seinem Rotizbuch blät
terte, »es war vielleicht auch möglich,
daß er es unbemerkt wieder verließ.
Ich komme nun zu der Frage, wo be
sand sich das Silbergeschirrs Es war
ans der Tasel gebraucht worden, und
die Tasel wurde asbqetragen, während
die Gäste sich im Garten besanden.«
»Ganz recht«, nickte RiedeL «nur
die silbernen Kühleimer und Frucht
aussähe blieben aus der Tasel.«
.Und auch von diesen sind zwei
Kübleimer und· ein Tasclaussah ver
schwurwen?«
»Sie mögen mit tn die Küche ge
kommen sein.«
.Richttg, die Kellner sagen aus, sie
bätten das sämmtliche Silbergeschirr
in die Küche gebracht Wer war hier
beschäftigt?«
. «Jn der Küche? DieFfrau des Po
lizeidienets Des, die Köchin aus dem
hotel zur Sonne und das Dienstmäd
chen «des deren« General- ,v. Stein
that.
» et O Dten "dchen
bei-MU, Steigst-wahr « a um
»Ist-MAX
»Dann kehrte es zurückf«
»Am Sacke daraui.« .
»Und die Frau Deß verrichtete in
zwischen die Arbeit, sie ichiief wohl
auch hieri«
.Natiirlich.«
«Und wann gingen Sie zu Betts«
.Na. ei tann drei Uhr Morgens ge
wesen sein, die Herren Studenten zo
gen mit dem Rachtschifs wieder ab, da
ich sie nicht logiren konnte; mit ihnen
gingen auch die letzten Gäste.«
»Und ehe Sie u Bett gingen, ha
ben Sie sich noch nmal in der Küche
umarfchaut?«
»Dann war nicht zu denken«, er
widerte Riedel kopfschüttelnd »ich
da te nachgerade stenua und war herzt-;
lich froh, daß ich endlich in’s Bett«
tam.« »
»Ihr-e Angehörigen schliefen wohl:
schan?«
»Meine Damen hatten sich eine hal
be Stunde früher zurückgezoaen.«
»Und wer war außer diesen noch im
Haufe?«
»Mir die Frau Heß.«
»Sie baden am andern Morgen
keine Spuren eines Einbruchs ent
deckt?"
.Richt die arrinasten.«
»Und wann entdeckten Sie, daß Ihr
Etretiir beraubt worden wart«
»Erst am Nachmittag, als ich Geld
herausnehmen wollte, um die Fleisch
tieferung zu bezahlen. Jch hatte ei
niae Tage vorher von meinem Hause
in Köln eine Geldsendung erhalten
und die Bantnoten in die betreffende
Schuf-lade gelegt, es lagen außerdem
noch einige Goldrollen in idr.«
»Und die ganze Summe war ver
ickssiounden?'
«3wei Goldrollen, von denen jede
fünfzig Friedrichd’or enthielt und tau
send Thaler in preußischen Darmw
ten.«
..Können Sie die Bantnoten,näher
be·ieichnen?«
.Es lwaren Roten von fünfzig und
iiinsundzwanzia Thalern, aber die
Nummern vermag ich nicht anzuge
ben.«
»Der Dieb hatte sich eines falschen
Zchliifsels bedient?«
»Dder eines Dietrichs7 Spuren, die
auf eine aewaltsame Oeffnung deute
ten, fanden sich nicht vor.«
»Aus all’ diesen Angaben aeht doch
hervor, daß der Thäter sich Zeit aes
nommen haben musi«, saate der Be
amte, nachdem er seine Notizen ge
macht hatte. »Sie beweisen ferner, daß
der Dieb in Ihrem hause betannt und
rnit der Einrichtuna desselben ver
traut ist. und ich beareife taum· wie
man annehmen kann, daß iraend ein«
fremder heraelaufener Strolch den
Diebstahl verübt haben soll. Ein fol-:
cker Bursche würde das Erste, Beste
ergriffen und sich aus dem Staube ge
macht haben« er hätte sich wahrlich
nicht die Zeit qenommen, Ihren Se
tretiir zu erbrechen und dann noch die
Last Silberaeschirr aus der Küche
mitzunehmen Ich bezweifle überhaupt.
ob es möglich ist« daß ein Mann die
ses aesammte Silber tragenjannf
Papa Riedel nickte aedanlenvoll.
»Ich habe daran auch schon ge
dacht«, erwiderte er, »aber es tann ja
nicht anders sein« weil eben tein Ein
bruch stattgefunden hat.«
»Hm, darüber denle ich doch an
ders. Sie haben aus-gesagt, die Kell
ner seien brave Leute —«
»Durchaug ehrliche Menschen, auf
die tein Verdacht fallen lannl«
»Und die Frau besi« fragte Ha
aen rnit schärferer Betonung.
»Sie ist ein armes Weib, aber
Schlirnmes hat ihr noch Niemand
nachgefaat«, erwiderte Niedel achsel
ruckend. »Und dann die Frau eines
Polizeidieners «- glauben Sie, daß
— die paan wird«—·"
« s« a
»Ach WIL, im have icqon andere
Dinge erlebt! Aber ich ersuche noch
einmal dringend um Verschwiegeniieit,
auch Ihren Angehörigen gegenüber,
Niemand außer Denjenigen, die ich
selbst einweibe, dars erfahren, wer ich
kin, was ich beabsichtige und welchen
Verdacht ich bege.««
Zagen satte sich bei diesen Worten
erbeben, er tnöpite den Rock wieder
zu, und als das Dienstmädchen ihm
die haustbiir öffnete, musterte sie ibn
mit einein recht geringschätzenden
Blick, in dem sich unverlennbares
Mißtrauen spiegelte.
18.
Der Fremde schlug, als er die
Van verließ, den Weg zum Rathau
se ein; Niemand beachtete ihn und
unbemerkt trat er in das Bureau des
Bürgermeisters, der ihn erwartet hatte.
»Ich bin meiner Sache ietzt ziemlich
sicher«, sagte er leise, »denn-ich idrchte
ich, nicht so energiich vorgeben zu tön
nen, wie ich es gerne möchte und wie
es auch wohl-nöthig wöre.«
»Und wen halten Sie siir den Thä
ter?« iraiite der gestrenge herr.
»Den Polizeidiener heß und dessen
Frau.«
»Ein allen Fällen-i«
«Jawo l. Jchchabe mit dein Gene
ral, der F u Brigitte und dein errn
Riedel ausführlich gesprochen un Ul
les erfahren, was ich zu wissen
wünschte. Jch wiederhole, et ist meine
feste Ueberzeugiing, daß nur dieses
iaiibere Ehepaar an allen drei Orten
den Raub begangen haben kann.
» lanii inir das nicht denken«,
sagte der Bitt ermeister sinnend, wäh
rend er in i nen Papieren blätterte,
bat niemals große Au den ge
t, und wenn er auch ni immer
nüchtern war, so konnte inan ihn doch
stets aiii ieinein Posten finden. Die
Leute baben seine Kinder, sie konnten
- rnit dein Gehalte auitdnnnen und die
Frau bat als Mrtemi auch manchen
Thaler verdient. abgesehen von der
Medicinalpfuscherei. die ihr auch hie
! und da etwas eingebracht haben mag.«
»Wie lange ist derMann im Amtes«
! fragte Hagen. der die Zweifel bei ge
z strengen Herrn nicht beachten zu wol
len schien.
»Seit zwanzig Jahren!«
»Und wie lauteten seine Zeugni ei«
»Ich habe sie vorhin hervorge ucht
»und nachgesehen. Es läßt sich nicht
leugnen, daß sie gerade nicht sehr vor
theilhast lauten, und wäre ich damals
schon Bürgermeister gewesen« so wür
de ich ihn vielleicht nicht angestellt ds
ben. Jndefz hat er sich in diesen
Zwanzig Jahren nichts zu Schulden
kommen lassen, was zu einer Kündi
ung berechtigt hötte.«
»Aber vor Kurzem ist ihm getün
digt worden!«
»Weil er eben alt geworden ist.«
»Aber diese Kündigung ist gegen
feinen Wunsch und Willen ersolgt«,
sagte der Beamte, »und er wird nun
fiir seine Zutunft Sorge tragen wol
len. Uebrigens ist auch früher schon
während seiner Amtsieit hier Man
ckes vorgefallen, was ungestraft blieb,
weil der Thäter nicht entdeckt wurde.
Wie kommt es, daß Deß in allen die
sen Fällen niemals den Thiiter ent
det hat? Wenn er sich damit ausre
den will, die stiiter seien jedesmal
fremde Strolche gewesen, so tann ich
das auch nicht gelten lassen, denn ge
rade diese Strolche fallen sost tegelsl
mäßig der Polizei in die Hände. Jch
gebe Ihnen die Versicherung, alle
diese Verbrechen sind mit der größten
lleberlegung ausgeführt worden. man
bat sich sowohl zum Entwersen des
Planes, wie zur Ausführung Zeit ge
nommen, und der ganze Raub liegt
seht in einem sicheren Versteck.«
Wieder schüttelte der Bürgermeister
das haupt, er konnte der Ansicht des
ersahrenen Kriminatbeamten nicht bei
stimmen.
»Das Sie an vielem Verdacht sen
baliem begreife ich«. sagte ek, »aber ich
glaube auch, daß Sie Ihre Zeit nut
los verlieren. Deß hat nicht den Muth,
fvlche The-ten zu begeben, und die
Sache wäre längst an den Tau ge
kommen. wenn er sich auf diesem Wege
bereichert hätte. Er würde üppig ge
worden fein und sich das Leben ange
nehm aemoche haben, er hätte längst
ieine Entlassuna genommen —«
»Die arößeten Diebftähle sind erst
in der jüngsten Zeit, und zwar nach
der Kündiguna veriibt worden«, schal:
iete der Beamte ein. »Er wird das
aeraubte Gut erst Inn verkaufen,
wenn er diese Stadt für immer ver
lassen hat«
Der Büraermeisier blieb eine Weile
in Nachdenken verfuniem er« konnte
nicht leugnen, daß die Behauptungen
» Lunens viel Wabricheinliches enthietk
ten.
Mortlehung folgt.)
Eine Jagd im Kaukasus.
Es ist HerbsinachU Soeben hat un
sere Jagdgesellschaft, meistens aus
Offizieren der russischen Armee und
Deutschen bestehend, den Passagierzug
Tislis-Baku aus einer kleinen Mari
schen Station verlassen. Gewaltig
faucht und stöhnt der riesige Ko
loß, die durch Nadhtda geheizte
Maschine, und gespenstifch starren
seine Feueraugen den Schienen
strang enlang in die schwei
gende, nächtliche Stille. Der Bahn
steig, von kleinen, elenden Hütten de
grenzt, ist nur durch eine Laterne
spärlich beleuchtet. Um so unheimlicher
erscheinen die uns erwartende-i de
waffneten Landwächter und Polizi
sten. Schmuhigr. verschlafene Gesich
ter, von hoher, tief über die Ohren
gezogener Lammfellmütze bedeckt,
schauen aus der Ferne neugierig auf
die Anlömmlinge.
Es mus; doch heute nacht rüstig
dorwärtsgefchritten werden« daß wir
mit aufsteigender Morgenröthe die
Pufzta durchauert und unsere Jagd
gründe in den Sümpfen des Kur er
reicht haben. Für das ca. 40 Mann
siarte Soldatenpitett, das zum Trei
ben dienen soll, sind mit Büffeln be
spannte zweiräderige Karten bereit.
Die zu zweien aneinander getoppelten
Treibhunde, auch ea. 40 an der Zahl,
werden hinter die Wagen gebunden,
Gepäct und unsere Furage aus diesel
ben verstapeli, und unter dem Gesphle
und Gekreische der Büssellenker der
lassen die Begleitmannschaften den
Platz. Auch für uns sind schon tatas
rische Pferde dereitgehaltem Kleine,
siruppige, schädige Gesellen, schlitzs
äugig und schmutzig wie ihre herren
selbst
Tief in unsere Mäntel gehüllt, die
Flinte iiber dem Rücken, den Revolver
entsichert und schußbereit im Gürtel
siedend, verläßt die Kavalkade schwei
gend den Bahnsteig und damit sogleich
—- die Cioilisation. Der Wind ächzt
stoßweise über das Blachfeld, grau,
düster,- unsäglich lechzend liegt die
weite halbe vor uns. Der Glanz der
Einsamkeit ringsum. Jn süßem Duftl
schwimmend, klagt die Steppe der
brannt und ausgedorrt unter den Du-·
fen unserer Pferde. .
Ein Kosakenlied tönt durch die
Nacht, von un eren Offizieren ange
stimmt. Ein luß wird reitend pas
sirt, und in seinen Fluthen werden
durch kurze Rast die Pferde getränkt.
Dann gehst in verstärkter-i Tempo
unter luxigem Geplauder voran, bis
wir die agerfeuer unserer tatarischen
Wirthe erreicht haben. Die Pferde
werden iusammengekoppelt, mit kräf
tigern blindedruck und einem: »Alten«
each in curi« — Gott schiise dich —
schnell Gaftfreundschafi geschlossen,
und nun beginnt «ein Leben, niie es
abenteuerlicher nicht gedacht werden
kann. Ein Riesenfeuer, um den halb
verdorrten Stamm einer alten Eiche
oder Buche entzündet, gibt dem Gan
zen ein bizarres, märchenhaftes Aus
sehen. Während unsere Begleitmanni
schaften vollan beschäftigt sind, große
Stöße trockenen Holze« zur Speifung
der riesigen, brennenden Laterne an
zubringen, gehen wir selbst daran, die
mitgebrachten Thiere zu zerlegen und
zum Braten herzurichten. Da gab es
auf unserer Speisetarte: junges Ham
melfleifch« ferner die Stücke eines
Spießers und Filet vom Rinde. —
alles am Spieße gebraten. Der Wein,
der in Burdhucks, d. h. zusammenge
pe ten häuten von Kälbekn. mitge
fiih t wurde, hilft die fröhliche Stim
mung erhöhen, und Späfze und Jagd
abenteuer würzen das schmackhafte
Mahl· Das war ein wackeres Zechen
am Ufer der brausenden Kura, und
mancher alte Tatarenbeck (Graf) ver
silberte sich die Nase mehr, als es sich
mit seiner Würde vertrug.
Unruhig guckte unser alter Jäger
meister nach Osten. Ein heller Strei
fen verkündete den nahenden Tag, und
wir alle wußten, daß bei dämmern
dem Morgen das erste Treiben be
ginnen sollte. Natürlich blieb keiner
sitzen: denn das Jagdfieber hatte uns
gewaltig gepackt. Jn kurzer Zeit roas
ren die Plätze ausgeloost, und mit
langsamen, aber langen und ziigigen
Schritten ging es im Gänsemarsch
durch Sumpfe und Urwald an den
Strand. Jch hatte eine gute Nummer
gezogen und stand nun, mein erstes
Wildschtoein erwartend, auf meinem
Posten. Die Einsamkeit ringsum,
der Anblick der sich langsam beleben
den Natur ergriff mich unwilliiirlich.
Sinnend rubte mein Blick auf dem er
wachenden Walde in feiner erhabenen
Stille. Schüchtern noch flötet Wald
vögeleins Lied in den Zweigen, leise.
ganz leise, .wie aus dem Schlafe er
wachend. Es ist, als ob es seinen Ge
fährten den Morgengrusz sendet
Kühl und feucht ist die Luft im Mor
genthau. WürzigerDuft steigt aus der
Halde und berauscht Herz und Sinn
Da donnert auch schon der Signal
schusz zum Anfang des Treibens-, und
kurze Zeit darauf hört man das
Knarren, Schießen und Nufen der
Soldaten und das Lautgeben der ja
genden Meute. —- Da bricht’z var mir
im Unterholz. Ein großer Keiler steckt
sichernd seinen Kopf auf die Lichtung,
auf der ich stand. Mit seinen blinzelni
den Lichtern hin und her schweifend,
eräugte er mich. Unsere Augen nsaszen
sich in brennender Leidenschaft. Mit
bellendeni, abgestoszenem Gegrunze
lam derSchwarze hervor getreten und
trottete aus mich zu. Nun is« Zeit,
nun tann ich ausziehen. Rollend bricht
sich das Echo des Kugelschusses zwi
schen den grauen Stämmen. Aus der
Blöße liegt ein iodier Keiler, und ein
fröhliches »Waidmannsheil« jubelnd,
siehe ich neben meinem ersten erlegten
Stück Schwarz-bild. Es ist im allge
meinen noch eine gute Jagd im Kau
tasus aus Sauen, und nicht selten
werden von einer Jagdgesellschaft in
der Anzahl der unsrigen 10 bis 15
Thiere zur Strecke gebracht.
Nach turzer, waidmännischer Ar
beit, die dem Entweiden der erlegten
Thiere gewidmet ist, hat sich bald alles
bei dem signalgebenden Posten einge
funden. Nach tleinem meisz geht’s
zurück zur Lagerstatt und bald daraus
auch zur Bahnstation, um rechtzeitig
Tislis zu erreichen. Zwei Güterwagi
gonö werden von den Ossizieren re
guiriert. Der eine enthält uniere
Jagdbeute, der andere nimmt uns
selbst aus« Jagdgesellschast; Treiber
und Hunde im bunten Gemisch. Die
Waggons werden an irgendeinen ab
sahrenden Güterzug angetoppelt, und
unter der launigsten Kurzweil geht es
den heimischen Penaten zu. Aus un
seren Gepäckstiieten sitzend, haben wir
eine gemiithliche Nun e gebildet. Da
wird getanzt und gesungen, aus der
Balalaita, der hand- und Mund
harmonita gespielt, und die allgemei
ne Verbriiderung will gar tein Ende
nehmen. Was Wunder, wenn die
vielstiindige Fahrt wie im Fluge ver
geht und der schrille Psiss der Ma
schine uns die Endstation anzeigi.
Noch ein turzer höndedrua, und
mit Waidmannsgrusz trennt man sich
von der fröhlichen Schaut. —- Wenn
auch bald die Sorge des Lebens mich
wieder umfing, noch lange lag mir
im Ohre das Raunen und Lispeln der
Waldgipsel am User des brausenden
Kur. Alexander Mosler.
here howard war ein Mann, der
außerordentlich wenig sprach. Er
haßte es einfach, mehr zu reden, als
absolut nötig ist« Eines Ta es ging er
in ein Musitalien · Geschäft um site
seine Schwester Roten und Text einer
Oper zu tausen. Der Clert tam heran,
und rr howard sagte in seiner ruhi
gen se: »Milado — Libretto.« —
.Wie meinen Sie? stagte der Clert.—
«Milado — Libretto.« —- »Wir niz
parla italiano,« sagte der Cleri.
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s Jn Indiana olis wurde ein Aut
stionator zum iirgerrneister erwählt.
IDaI neue Stadtoberhaupt wird has
ssentlich seinem alten Berufe soweit
treu bleiben, dass er siir Gerechtsame
den höchsten Preis herausschliigt.