Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 01, 1909, Zweiter Theil, Image 16

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    " eis- mikkksszssräs
Skizze von Josevlrine Schade
Dädickr.
»Ist es gut so. BerilniR
.Reizend, ganz reizend schen Sie
aus« Fräulein Liln". entgegnete das
Mädchen, einen bewundernden Btick
auf ihre junge Herrin werfend.
»Dann lassen Sie uns hinuneeri
gehen, Martia wird schon warten«
Handschuhe und Fächer ercreiiend,
eilte sie leichtfiißia zur Thür, während
das Mädchen langsamer folgte, Och
Zem es sorgsum die Kerzen verlöscht
atte.
In dem aemiitblichen Wahniimmer
mit den altmodifchen dunklen Mö
beln ging Frau Broiessor Seen-sei
die Mutter Lily’5, auf und nieder,
häufig ihre Blicke auf dir Isiir rich
tend. Auch sie war zur Gesellschaft
angekleidet Dunkle Zesde floß in
schweren Falten an ihrer immer noch
mädchenbait-ichlanken, zierlichen Fi
gur hinab.
Liln trat ein und sah sich suchend
in dem Raume um. »Wi) ist Papa?
Geben wir denn noch nichts«
»Wir müssen noch ein Weilchen
warten. liebes Kind. Papa wurde
soeben zu einein Schwerkranken ab
gerissen: er wird aber so schnell, wie
eben möglich. wieder zruriiatomnienf
»Od!« machte das junge Ijiädchen
enktiiuicht und setzte sich auf einen
Lehnstuhl in die Nähe des Fenster-T
»Es wird ja nicht lange dauern«,
tröstete die Mutter. »Wir werden
noch zeitig armen zu Geheimratds
kommen; der Tian beginnt in doch
erst etwas ipäter.«'
Tapfer kämpfte Lily die aufstei
genden Tbriinen nieder, konnte es
aber nicht verhindern, daß ihre Ge
danken voraus in den glänzend er
leuchteten Ballsaal flogen. Dr. Erich
Franke würde aewiß pünktlich er
scheinen und sich nach ihr umsehen,
und wenn sie dann nicht da war und
der Tanz benann, würde er sich na
türlich eine andere Tänzerin suchen . . .
Ein glühender Haß gegen diese an
dere, unbekannte Tänzerin siiea in
ihr aus« und trampfhaft schlangen sich
ihre blinde ineinander.
Draußen klinaelte es. Sie horchte
auf. —- Das konnte der Vater nicht
sein. denn der besaß feinen eigenen
Schlüssel.
Die Mutter war Vinaugaeqanaen
und kam nun mit einem iaft rnitlei
digen Gesichtsausdruck zurück
.Wir werden uns wohl noch eine
Weile gedulden müssen, Liln«, sagte
sie, dem jungen Mädchen auimuni
ternd zulächelna »Von-i schickt eben
her: bei seinem Kranken bereitet sich
eineßKrisiI vor, die er noch abwarten
niu .«
Erfchreckt, ungläubig ftarrte Liln
die Mutter an. dann brach sie in un
aufhaltiarnes Schluchzen aus-.
Berubiaend strich Frau Seedorf
ihrem Kinde über das blonde Haar.
Sie war noch jung aenuq, um den
Schmerz Liln’s. die zum ersten Male
in diesem Jahre arößen Gesellschaf
ten besuchen durfte und sich gerade
auf diesen Ball so besonders gefreut
hatte, zu verstehen. Sie fekbst hatte
es längst aelernt, ihre Wünsche dem
Berufe ihren Gatten unterzuordnen ..
Als Liln’s Tbränen qar nicht verfie
aen wollten, ital-il sich ein leises Lä
cheln un: ihre Lippen; konnte sie sich
doch den Grund denken, der den
Kummer des iunsjen Mädchens gar
it: unaeftiim machte. Es war ihr
nicht entaanaen, das-. Tr. Franke, ein
junger Gnmnasinllebrer und nenne
iehener Geiellicksgster ihrer Kreise,
sich auffallend viel um ihr Töchterchen
beschäftigte und daß auch Liin ihm
Interesse entqegenzubrinqen schien . . .
Pfötzltch fuhren Leide seinen wie
elektrisirt inf. Aus dern nebenjnkie
senden Solon börre kner Innres
Sprecher-« Berth mußte. rin.1ebört
von ihnen, einen Befuiier nortbin Ie
leitei inten: unn jetzt zknteritieden sie
beide deutlich die Ztiinrne desienijern
mit dem sicb ihre Gedznken soeben in
t-:nsiv befchäitiqt hatten. —— Wenn
noch ein Zweiiel blieb-, so wurde er
zerstört, als jetzt das Mädchen ein
trat und Dr. Funke meldete.
Freudig fab Liln auf. etwas pein
lich berükrt die Mutter. Wenn sie
auch den Bewerbunqen besi- jungen
Mannes um ibre Tochter sehr sym
batbiich gegenüberstand so dünlte es
sie doch eine Tokilofrakeit Von ihm, sie
zu dein Balle bei Gebeimnths abs
bolen zu wollen: denn nur bis konnte»
fein Besuch doch bezwecken. Noch?
standen sie sich doch ziemlich fremd
gegenüber. und welche Bermntbunqen
mußte diese Vertraulichleit in ibren
selanntenkreiien erwecken!
Liln baite sich nicht rnit dergleichen
Erwägungen aufgebaltem sondern
Dur, ohne an ibre vermeinten Auqu
zu denken. in den Solon qeeilt. Ver
mindert iab der junge Mann sie an·
Frau Seeborf, bie eben die Schwelle
sierfchritt, sing diesen Blick auf und
sagte lächelnd: »Lily ist so betrübt,
weil wir den Ball bei Gebeimraids
voran-sichtlich nicht besuchen können,
di mein Nenn beruflich verhindert
. VII irr-Ist Mädchen errstbete un
E tu du Wden Blicken Dr. Fran
. Ort-. use et fragte sich verwundert
" , see I se Mäner habe und Lin,
. M immer so häuslich«ees·chienen
deute mqnügttugslüchtm sei.
. s- Nie fes-n daeiibet weine,
sämn in zwei Idee drei Ta
J, risse er dirs nicht, statt
III W nicht besuchen
III- hse fis-It «er sich
W HGB-« U
war doch natürlich. das ein taugt
Mädchen ant Tanzen so viel Freude
sand. urn den Ausfall eines Ballei
als Unglück anzusehen . . . .
Eine tleine Verleaenslteitipause ent
stand. Frau Seedors war erstaunt,
daß der iunae Mann sich nicht ern
rsaäsL da er doch wußte, daß sie einsi
weilen noch nicht mitgeben konnten.
Doch Dr. Frante machte nicht die ge
ringsten Anstalten. sich im entfernen.
Lanasani ließ er seinen schönste-pfleg
ten. dunklen Voll-dort durch die Fin
aee aleiten und wunderte sich irn
Stillen über die nisatte Beleuchtung
und das wenia sestliche Aussehen des
Zeedori'schen Zeilen-In Er konnte
sich doch nicht aetiiusetzt haben. Fiir
heute krar er ja eu einer kleinen
Abendaesellschast nach hier einarladm
Die nächste Pause in dem sich mitb
sakn dadinschleppenden Gespräch be
nutzend, zoa er eine weiße, an den
Seiten «hochmodern« auåaesaserte
Karte ius der Tasche seines Fraue,
um verstohlen einen Blick daraus zu
werfen Nein, die Sache hatte inre
Richtialeit: da stand es schwarz aus
weiß, daß Professor Seedorf und
Frau sich die Ehre nahen, ihn für
Mittwoch u. s. w. u. s. w. — und
heute war Mittwoch: das wenigstens
mußte er aanz aenau nach dein Stun
denplan von heute.
Dr. Frante war beruhigt Ueber
dies sah er ja auch an den Toiletten
der Damen, daß sie Gäste er.varteten.
Gen-iß aina seine Uhr wieder einmal
etwas vor, und er war reichlich früh
erschienen» Mit dieser Gewißheit
gewann er seine Sicherheit zurück nnd
beaann lebhaft tu plaudern. wasrend
seine Blicke. ihm selbst sast unbewußt«
zärtlich an den- rvsiaen Gesicht-den
Liln's hinnen. die all’ ihren Kummers
vergessen hatte und mit strahlen-sein«
Lächeln tu ihm aussah. Auch Frau
Seedors·s Bedenken versckmanden.
und sie betkteiliqte sich anaereat an der
Unterhaltuna . ..
Draußen hatte sich ein llnwetterl
erhoben, und der Regen prasselte
Neid-mäßig ununterbrochen qegen vie
Scheiben. Deito beb-Iqlicher war es
in dein warmen Zimmer. Mit aller
liebster Gefchäitiakeit batte Liln dem
Gast ein aeiniitblickkes Bläschen in der
Röte des Kaining beraerichtet, wölk
rend die Hausfrau geschickt und ac
räuschlvs die Tbeernaschine bediente
Ein nieaetanntes Behagen durch
sirörnte Dr. Frante und zauderte ihm
sonniae Sulunftsbilder vor, deren
Mittelpunkt immer die kleine, weiße
Gestalt da vor ibin bildete, aus deren!
snnniaeih blauen Augen dzs Glücks
ian entgegenzulächeln ichien.... Er
war der Gegenwart völlig entrückt,
und als nach einer Weile Frau See
Vori ibn lächean ermahnte: »Wenn
Sie aber überbaurt beute nocb zu
Geheitnratbs aehen wollen. Herr
Dotiot, wird es nun wirklich Zeit«,
starrte er sie einen Augenblick ver
ständnißios an: erst Lily’s ängstlich
fragender Blick brachte iärn den Sinn
der Worte Juni Bewußtsein
»Hu Gebeiniratbs?« fragte er in
tiefsteni Erstaunen. »Was soll ich
denn heute dort?«
Nun war die Reihe. verblüfft zu
sein. an den Damen
»Aber Sie sind doch zu dein Balle
dort einaeladen". sagte Frau See
dori endlich. »Ich dachte, Sie hatten
uns abbolen wollen, und du wir nun
leider verhindert sind, ko«
Dr. Frante war uuiaeipwngen und
hatte die Cinlabunastjrte aus seiner
Tasche beworgeioaen
»Ach, unsere Einladung Vorn vort
aen Mittwoch!« iaate Frau Sees-ori,
in der ein leises Lierstandnifi sur die
merkwürdige Situation aui:-«cin!-nerte,
rnit untertdruciten1 Lachen »Und wir
haben Zie so lanae Tier festgehalten
obne bat-, Eie eine Ahnung oaoon hat
ten, was Zie inzwischen alles versäu
men«
,,Vereeilten Zie«, state der junge
Mrnn verlegen-, »aber ich weis-, wirk
lich nicht« wie diese Karte nieder in
die neuen Einladunaen net-rissen ist.
Da ich Jktr agitlickeg Haus nur zu
gern betrete, habe ich rnich nicht erst
damit einiges-alten das Datum aenau
zu nriifen«, setzte er mit oerdinblichem .
Lächeln, das ihm in seiner Verlegen
heit nicht recht aelinaen wollte. hinzu.
»Aber ich bitte Sie, wir haben Ih
nen jin Gegentbeil w danken, daß
Sie uns an diesem trostlosen Abend
osie Zeit bisher so angenehm oertärzt
baben«, unterbrach ihn Frau Seedors
liebenswürdig
Ueber Lilys so wenig an Verstel
lung gewöhnte Züge bitte sich bei die
sem kurzen Zwiegespräch eine dunkle
Wolke gelagert.·.. Nun würde er
natürlich geben, urn mit der andern
zu tanzen, uno es war doch so hübsch
gewesen bisher, viel, viel hübscher, als
wenn sie alle zusammen aus den Ball
gegangen wären« an dem ihr eigent
lich gar nichts mehr gelegen war, seit
der Doktor bei ihnen war.
Dr. Franke waren die wechselnden
Empfindungen die sich in Liltfä Ge
sicht widerspiegelten, nicht entgangen.
Eine Weile kämpfte er noch mit sich,
dann wandte er sich kurz entschlossen
an Frau Seedoes.
»Wenn anem gnädige rau,
wirklich meine Gegenwart Idee
nicht unangenebm war, so sehen Sie
Ihrer Güte die Krone auf und ge
statten Sie. daß ich Ihnen auch noch
weiterhin ein wenig Gesellschaft lei
sten bars.«
Sie eöattte init der Antwort
»Gegen Sie ka, mädige Freier« bat
et. Und m dem offenen, sreirniithitgen
sites seiner dunklen Ha
Mk Eis-»Ist ANY-XII
im · , site ,
www-lot
—
»Meinetwegen«, gab fie endlich nach.
.Wenn Ihnen unler lchlichtei Bohn
zitnrner hnziehender erscheint, als der
glänzende Bhlllahi. in dem man Sie
gewiß lebhaft vermillen wird. lo blei
ben Sie.'
»Die behagliche Stimmung war bald
wieder berhefiellt, und immer enger
fchlangen sich die Fäden geheimen Ern
derftändnisses um die jungen Leute . . .
Es war elf Ubr vorbei, als ein Ge
räusch an der Tbiir die deinrlebr des
Hausherrn verrieth Mit einem stillen
Lächeln erhob sich Frau Seedorf, um
dem Gatten entqegenzugehem und viel
leicht war es lein Zufall, daß sich ihre
Unterredung mit dem Gatten so in die
Länge zog.
Jedenfalls aber hatte Dr. Ironie
es verstanden. die wenigen Minuten
des Alleinieins mit Lilh richtir aus
runiinen Denn, als die Eltern end
lich ins Kimrner traten, michte sich
das innere Mädchen erichreclt aus den
sie umfchlinaenden Armen los, um ihr
Köpfchen verlchämt am Halle der
Mutter in bergen, während Dr l
Ironie feierlich hul den Professor
mir-at um ihn in wohlaelehter Rede
ium die Hand der Geliebten zu
; deitoweniaer sahe ich von ahnzem Her
ten is! Ich wüßte leinen, dern ich
bitten . . . .
Doch schon nach den ersten Worten
unterbrach ihn dieser. »Lhssen Sie's
nat lein. lieber Erich! Es ist zwar
eine unaewohnie Zeit, um einen hei
rathsantraa anzubringen, aber nichts
mein Kind lieber anvertrauen würde
Nehmen Sie sie bin und machen Sie
sie aliicklich.«
Nach einer kleinen Nühritene hatte
man sich noch einmal niedergeietzi,
denn es gab ja noch so viel zu erzäh
len und zu ertlörenZ
»Da stshtte ich nun wirklich nach
der aliictlichen Errettunq meines Pa
tienten nicht io eiliq durch Regen und
Unwetter nach Lunte zu rennen
brauchen«« sagte lächelnd der Profes
sor. »Aber, offen gestanden, ist es
mir lieber, lsierkt in Ruhe eine Flasche
Verlobunasielt zu leeren, ils jetzt
noch ein Paar Stunden Balle-hier
spielen ru müssen, was mir ohne Ihre
Darwifckenlunft. mein lieber Erich.
entschieden nicht erspart worden
ware.«
W L
»Expreß No. llZ.«
Novelle von Guts de Teramond.
Als die Kirchenglode 6 Uhr schlug,
sprang Rivard aus dem Bette, und
zog sich in aller Eile an, um seinen
Diensi anzutreten Eisenbahnbeaniter
an der kleinen Station Aubrevoye aus
der Strecke Bendorne« vereinigte er in
sseiner Person die Posten eines Bille
lteurT Weichenstellers und stellvertre
tenden Stationsvorsiehersa
Wenn der Posten auch lein schwerer
war. Und sich selten Reisende und noch
seltener Bahngiiter einsanden. so la
stete doch eine gewisse Verantwortlich
keit aus ihm. —- Mitiags passirte der
Pariser Schnellzug, der Erpreß 113
—- die kleine Stalion, und dann
mußte er einige hundert Meter hin
auslaufen, zu dem nächsten Bahnwär
terhäuschen, urn die Geleise siir den
Güterzug. ver eine Viertelstunde vor
.l)er einiras, zu stellen!
Von seinen Vorgesetzten wegen sei:"
ner Pünttlichteit und seines Dienst
eiferg geschätzt, war ihm schon öfter
eine Befotderung in Aussicht gestellt
worden, ader er hatte stets dankend
aus eine solche verzichtet. Ruhig und
von Natur wenig ehrgeizig, liebte er
seine Hei-nach und vor Allem seine
descheidene Heiuglichteit. Vor bald
sechs Jahren hatte er sich mit einem
hübschen Bauernmädchen aus der
Umgegend verheirathet. dem als Hoch
zeitsgeschent oon der Eisenbahngesell:
schast der nächste vatante Posten einer
Weichenstellerin versprochen worden
war! — Dieser Posten ließ der jungen
Frau genügend Zeit, die kleine Mam
leine. die mit ihrem fröhlichen Lachen
und Jauchzen das stille Heim ver
schönte, zu einem artigen Kinde zu
erziehen! —- — —- —
—- —— —- Nivard hatte eilig seinen
Kassee getrunken und setzte gerade
seine Dienstmütze aus. als eine helle
Stimme aus dern Kinderbettchen ihn
fragte: »Papa, dars ich Dich heute be
suchen?«
. Er kehrte noch einmal zu dern klei
’ nen Mädchen zurück, dessen Haar wies
Gold auf dem weinen Linnen leuch-!
tete, und küßte ei zärtlich —- ?
»Du weißt, Liebling, daß ich es
nicht gerne sehe, wenn Du ohne Mut
ter weggehst —- und Mittag muß sie
doch kochen —«
»O, Papa, ich werde sehe gut aus
passen. Sag’, Papa, darf ichs-m
Et hatte nicht den Muth, ihr die
kleine Bitte abzuschlagen und legte sie
wieder in die Kissen zurück
»Ja, ja, Du darfst — torntn’ rnich
nur besuchen!«
«Ach, Pape-X tief das Kind, freu
dig seine Aetmchen tun den halt des
Vaters schlingend, »ich habe Dich ja
so lied!«
Rivaed wandte sich nochmals an
seine Frau: »Sage dafür-, daß Ma
deleine nicht vor hold eins aus die
Straße konstati«
»Du bist wirklich ein held,« ant
wortete sie lachend. »du-net giebft Du
mä.«
Or steckte nur die Achseln. »se
tssistiut Obstes-»Mutte
·
T· «-.- H fr . »
its- .--..
Züge durch, und es ist absolut keine
Sesabr.«
In der Thiir drehte sich Rivnrd
noch einmal um.
»Wenn Du einen Wagen trifffi,
Madeleine, sieh« Dich nur recht vor.
und spiele nicht rnit den Hunden. Und
Du wirft Dich ruhig auf eine Bank
fegen und auf mich warten, nicht
waer«
»Ja« mein guter Papa!«
Das Kind war fein ganzes Glück.
er betete es an. Und oft faßte ibn
eine unbegriindete Angst, daß ihm
etwas geschehen tönntek
Auf dern Babnbose hatte Rivard
bald feine täglichen Pflichten erfüllt.
und ehe et sich dessen versah, schlng
es schon ein bald zwölf Uer — Ei
war somit Zeit. an die Mittagszüge
zu denken, und er eilte auf die
Strecke, um die Geleife zu stellen.
Pünttlich fuhr der Güterzug ein und
hielt auf dem todten Geleise, urn die
Ankunft bei Schnellzuges abzuwar
ten. Bald verlündeten die Glocken
die zwölfte Stunde« und der Expreßss
zug, bereits durch Glockensignale abi
sirt, mußte jeden Augenblick pafsiren.
Aber Minuten verstrichen — und«
Alles blieb ruhig. »Er scheint es;
heute nicht eilig zu haben!« dachte der!
Beamte in philosophischer Rude. «
Es war unmöglich, sent nach der
Station zurückzueilen, utn nach der
Ursache der Verspätung zu forschen,
und seine Anwesenheit an diesem ge
fährlichen Kreuzungspunlt war un
bedingt erforderlich. Eine Viertel
stunde —- lang wie eine Ewigkeit —
wartete er, aufmerksam den horizont
musternd.
Da tauchte ganz hinten eine blaue
Wolke aus« und das elektrische Läute
werk ertönte! —- Der Expreß 113
sauste mit einer Geschwindigkeit von
60 Kilometern heran. Plöhlich schrie
Rivard herzzerreißend aus . . . er hatte
Madeleine bemerkt, die vergnügt la
chend aus den Geleisen spielte. Ge
duldig hatte sie in dem Wartesaal ge
sessen, wie sie es dem Vater verspro
chen, aber als es immer später
wurde» hielt sie es nicht mehr in dein
dumpfen Zimmer aus.
»Ich werde einen kleinen Strauß
iiir Vater pflücken« hatte sie sich ge
sagt. »Er hat die Blumen so gern
-—— er wird mich gewiß nicht ausschei
ten!« — — Dann hatte sie den Va
ter an den Geleisen erblickt, und in
der Freude, ihn möglichst schnell er
reichen zu können, alle Vorsicht außer
acht gelassen.
Rivard war angesichts der entsch
lichen Situation wie gelähmt — —
das Kind war verloren . . . rufen?
Sie aus die Gefahr aufmerksam zu
machen? Sie war zu weit entfernt,
urn seine Worte verstehen zu können
. . . ein einziges Mittel blieb ihm noch
—- den Expreß aus das todte Geleis
rangiren . . . das stand in seiner
Macht . . . er brauchte nur ans den
hebel zu drücken, und sein Kind ivar
gerettet. Aber der Güterzug aus dem
anderen Geleises —- Ein furchtbares
Unglück war unausbleiblich . . . Hun
derte von Menschenleben waren in
Gefahr . . :
Haltet Ochwetn rann tnm die
Stirn herab. —- Was tiimmerte ihn
schließlich das Schicksal der linde
lannten, wenn nur sein Kind gerettets
wurdek ——- Was war ihm die ganzes
Welt gegen diesen Blondtotss der siir!
ihn der Inbegriff alles irdischen
Glückes war . . . aber schon unter
drückte die Stimme der Pflicht den
Verzweiflungsschrei. der aus seinem
gequälten Vaterherzen quoll. ---— Nein
. . er hatte nicht das Recht, so zu
handeln, er schuldete sein und der
Seinen Leben den Reisenden deren
Wohl seiner Wachsamteit anvertraut
war, und wenn man noch mehr von
ihm verlangt hätte, so durfte er nicht
einen Augenblick schwanten!
Der Zug nahte heran . . . unbe
weglich stand der Beamte, den Hebel
der Weiche in der band . . . Jetzt
hatte die Lotomotioe das Kind er
reicht· und eine Minute später war
der Erpreß in der Ferne verschwun
den. — — —
Wie dont Blih gestillt, lag Ridard
am Boden, die hande vor das Gesicht
gepreßt, als fürchte er sich, das Ent
setzliche zu schauen . . . da tönte ein
leises, ängstliches Stimmchen an sein
Ohr:
»Ach Papa, ich habe mich so schreck
. lich gesürchtet!«
Er richtete sich langsam in die
shöhn — Träumte er —- oder hatte
»die ausgestandene Angst seinen Vet
! stand zerriittets Doch nein, es war
tlein Traum, sein Kind lebte, und
während er es in seinen Liebtosungen
beinahe erstickte, erfuhr er aus den un
zusammenhängenden Worten, welches
Wunder sich eben vor seinen Augen er
eignet hatte: Vor Schreck über die
ungeheure Lotomotive, die plötzlich
vor ihr austauchte, war die Meine
aus dern Geleise hingesunten. und
ohne ihm wehe zu thun. war der Ex
preß über den kleinen Körper hinweg
gerast. —- —
W ten-sitt
»Den Dein Papa auch so blaue Au
gen wie Du. Molche-M
Panlcheni «Ja, manchmal hat ee
sehe blaue lagen«
ok- ithesi
Tärtisrhe humoreite von Roda
Rodm
Im Mittelpunkte der orientalisehen
Märchenohantasie thront von jeher der
Nichter, der Kadi.
Der Tiefstand der orientalisrhen
Gesehgebung läßt natürlich dem Ge
wohnheitsrecht und dem freien Cr
messen des Nichters breiten Spiel
raum. Auch das Verfahren mag in
’jeder Landschast des Sultanats ver
schieden sein. Jn der Herzegowina
zum Beispiel mußte noch vor wenigen
Jahren iiir einen Mord, dessen Thöter
unentdeckt geblieben war, der ganze
Polizeibezirl herhalten und den An
gehörigen des Erschlagenen ein Blut
geld entrichten. Gelang es aber, den
Sünder zu erwischen, so iällte der
Kadi über ihn alsbald dao Todesurs
theil
Das Leben des Kadi bewegt sich
sonst in ruhigeren Bahnen. Die klei
nen Zänlereien des Geschäftsoiertels
vertreiben ihm die seit. An der Ver
schlagenheit der Armenier. Griechen
und Zigeuner, an dem starriiipsigen
Trotze der eigenen Genossen iibt und
mißt er seine Weisheit Eheschließuns
gen und die ziemlich höusigen Schei
dungen, Verlassenschalts - Angelegen
heiten nnd dergleichen beschäftigen ihn
vorwiegend.
Den Tod aus der Pilgerreise nach
Metia zu finden, gilt dem Moglem
siir sehr verdienstlich. Wer sich aus
die weite Fahrt zur Kaaba begibt,
rechnet immer mit der Möglichkeit,
nicht mehr zurückzukehren, und ver
theilt daher Haug und Habe unter
seine Kinder.
)
Also tbat es auch Salib-Bers. AlsP
er zurückgekehrt war. bereute er es
ties. Seine Kinder wollten ihn, einen
König Lear des Ostens, nicht im hau
se dulden. hadschi Salih - Bey war
aber schlau, viel schlauer als die un
getreuen Kinder. Er lieb sich von ei
nem seiner alten Freunde eine Rolle
Dukaten und zählte sie in der Stille
nach der Vesper in seiner ärmlichen
schmalen Stube. Tie Kinder im Zim
mer nebenan borchten beim Klange
deg Goldes überrascht aus. Von nun
an gingen sie dem Mekkapilger wett
eifernd um den Bart und behandelten
ihn mit zartesler Aufmerksamkeit
Wenn sie ibn um den Verbleib seiner
Schätze besragten, wies er aus einen
versiegelten Tops im Winkel des Ge
maches und sagte gebeimnißboll:
»Noch meinem Tode werdet Jbr Eu
ren Theil erbalten.' —- hadschi Sa
libBey starb endlich, umgeben von
seinen Lieben. eines ruhigen Todes.
Der Moslam wird sofort begraben,
wenn die Leiche erkaltet ist. Aber ehe
sich die Erben noch Zeit genommen
hatten. den Vater zu bestatten, trugen
sie den schweren Tops gemeinsam und
argwöhnisch auseinander zum Kadi.
Der sollte den kostbaren Inhalt aus
tbeilen. —- Der Kadi schlug das Erb
recht aus. las lange, lange darin und
sprach: »Eure Sache ist ungemein ver
wiaelt, denn jeder von Euch hat schon
zu Lebzeiten des hadschi seinen ge
bührenden Antheil erhalten. Möge
denn Allah selber über den Rest ent
scheiden. Jch will diesen Tons boch
an der Decke des Gemaches aushän
gen. Jbr schaart Euch um mich, der
Schreiber wird das Gesasz mit einem
Hiebe zerschlagen. und was dann aus
Jeden stillt, sei von Nechtswegen sein
Eigenthum. «
So geschah’s. Der Kadi aber stell:e
sich gerade in die Mitte, nachdem er
seine Turbanrinde recht weit ausge
lockert hatte, um eine möglichst große
Summe zu erhaschen.
»Schlag zul« besabl der Nicht-r.
Der Schreiber schwang den Stock, und
aus dein Tops siel ein großer, großer
Stein dem Kadi aus den Scheitel.
I I I
i Die ottomanische Regierung traut
iden eingeborenen Beamten selber
nicht. Sie pflegt die Richterstellen
mit Leuten aus entfernten Piovinzen
des Reiches zu desetzen So tam auch
einst nach Bognien ein Kadi aus An
gora in Aleinasien der weder die
Sprache noch die Sitten seines neuen
Bezirks kannte. Eine orientalische
Griechin hatte sich vor dem Asiaten
wegen Diebstahlg eines Fertele zu
verantworten. Der Kadi, der in seiner
islamitischen heimath nie ein Schwein
gesehen hatte, nahm mit Widerwillen
den Namen des Thieres in den Mund,
das der Koran als unrein brandsi
markt. —- ,,hast Du das Schwein geij
stohlen7" liesz er die Sünderin besea-l
gen. ;
»Ja, herei« antwortete sie, und
der Dolnietsch überseste ihre Antwort.
»Was hast Du mit dem Fertec ge
than?«
«Gegessen habe ich ei,« entgegnete
die Geiechin erstaunt.
»Uni- die harrt-t«
»Die erst recht.«
«Run,« sprach der Kadi, »wenn Du
so viel banger gelitten, dass Du sogar.
die harrt des etelhasten Thieres ver-l
schlossan W. malt du isolich treil
usw« . l
Ewig-.
Wie man die Jtleptomon sche Un
dentenfoad« der Meigäiie heilt. er
zählte dieser Tage ein Direktor eines
der vornehmsten Londoner Wesends
doteie einem Hinter-viewed Es sei fest
in den feinen dotels nicht mehr nöthig,
ein wachsomes Auge auf die Löffel
oder aus eine håibsehe Porzellantnfh
die leicht in die Tasche zu praktiziren
sei. zu haben Die unter den Besu
chern verbreitete Krankheit Anden
ten" mitzunehmen fei schließlich aus
eine ganz natürliche Art und Weise
verschwunden. Oft bewunderten ho
telgäste irgendeinen kleinen, in dem
botel benudten Gegenstand-. und in
diesem Falle bitte man fie, ein Publi
tat dieses Gegenstandes — man halte
sich stets ein Laaer derartiger Tupiis
tote im Dotel —- anzunehcnem Mist
verständlich befinde sich aus diesen
Duvlitsten auch nicht der Name des
Qotels. Besonders halte man stets
Duplitote von silbernen Streichbolzi
hehiiltern. die gern bewundert werden,
voriithio. und oft mache man diese
Duvlitate Personen, die tief-länger im
Hotel aufgehalten hätten oder aushiel
ten. ium Geschenk — oder· wenn diese
Personen es ooriiehen sollten. certaufe
man ihnen auch diese Dunliiate und
setze ihnen den Preis- an die Rech
nun-g Kinder seien die einzigen An
denkenfammler. so saqte der Leiter ei
nes anderen Londoner WeitendUHo
tels die man in seinem hause fest
kenne. Gen-ähle wählten sie sich —
Saislöfselehen ons. sraaten aber auch
in der Regel, bevor sie sich diesen Ge
aenstand aneiqneten die-Hotelleitung,
ob sie sich ihn mitnehmen dürften.
In- wie- ue satt-eh
Womit wäscht man Löwen?« Die
Beantwortuna dieser Frage aib wie
der Ani.« aus Hoflreiien aeschri eben
wird, vor Kurzem dem Kaiser Wil
helm Gelegenheit en einem Wide, der
von der aanien Gesellschaft mit Hei
terkeit aufgenommen wurde. Der
Kaiser befand sich nämlich in Stettin
aen, wo er sich den Thierpart Hagen
bects betrachten wollte Der Kaiser
wurde von dem bekannten Besiyer der
Menaaerie umher-geführt und über alle
Einielheitem welche die schwierige
Pflege dieser wilden Bestien betreffen
unterrichtet Die interessanteste Mit
ti,eiluna, die dem Kaiser gemacht wut
de, war die. das; die Löwen und Tiaer
allwöchentlich einmal gründlich arme
fsten würden, also auch eine Art
»Gros3reinmachen« mitmachen müßten
Aui diese Bemerkuna wandte sich der
Kaiser lachend an die Offiziere und
iraate sie. ob- wodl jemand von ihnen
errathen würde, womit die Thiere ge
waschen-würden Jeder von den Tisi
zieren hatte einen besonderen Einfall
lkiner «laubte, daß Seise dazu verwen
det würde, ein anderer meinte, man
wasche sie mit Soda ein dritter ers
tlarte dask sie mit einer scharsenBiirsie
aewaschen wurden. Aus all diese Ant
werten hatte der Kaiser stets e nen
Bescheid: »Falscb!'« Als sich schlieLZich
teiner mehr nseldetr. sagte der Kaiien
»Na, ich wiil’s Jst-nen saaen Die
Thiere werden . « mit Ledensaeiahr
gewaschen . . . !«
W——
Uebertriebem
— —
Is vaI
Untercssizien »Piefte. da fehlt
schon wieder ein Knopf an Ihrem
Nost! Nächstens werden Sie ivobl im
s«
Negligee antreten.
Nu elf-!
Ein junges Ehepaar hat den ersten
Streit hinter sich. und das Gewitter
hat sich noch nicht ganz verzogen.
Beim Mittagessen holt der Gatte ein
Haar aus der Sttvpe denn-Z.
Gatte: »Als Junggeselle fand ich so
etwas nie.«
Gattin: »Nun, ich habe in der Ehe
auch schon ein haar gefunden.«
s f
»Ist Ihre Braut bloud oder
braun7«
«Weiß noch nicht! Muß warten,
bis sie d- 'rauslommt.«