Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 01, 1909, Zweiter Theil, Image 10

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    Was die Nacht verbarg.
Roman von E. P. Oppenheim.
(18. Fortfeßuna.)
Nun hielt es Liollileder fiir rath
sam. der Gräsin von feiner Unter-re
duna mit der Chorjstin Mittheiluna
ZU mscheth Er leate ihr die Frage
dor. ob sie vielleicht im Laufe der Zeit
irgend eine Beobachtuna aenkacht ita
lie. die die Vermuthuna rechtiertiaen
könne« Mariens sei verheiratrit gewe
ien. «
Kopfschiittelnd entaeanete sie: »Wie
sollte ich dazu aetommen Hans-Ich
habe ja doch mit Mariens niemals in
einein Vertehr aestanden, der rnir
einen Einblick in seine Brit-azurblau
niise newährt hätte. Aber ich mei
ne auch. wir müßten der Aussage die
ser Theaterdame aroße Bedeutung
beilegen Frauen sind in dieser Hin
sicht sehr scharfiebnd und es sollte
mich nicht ionderlich in Erstaunen se
tzen. wenn durch seine Verheirattiung
auch das Rötliiel seines Mordes ge
löst würde. Und dann — die Briese
sind spurlos verschwunden Wenn
sich Mariens nun darauf gefaßt ge
macht hätte, daß man versuchen tön
iie. sie ihm aus aemaltiame Weise zu
nehmen, und wenn er sein« tosthares
Besitzthnm seiner Frau in Verwah
runa aesaehen hätte, von der ja doch
niemand etwas-« wußte?«
»Auch ich habe diese Möalichkeit
schon in Betracht gezogen. Aber es
spricht doch auch sehr vieles dagegen.f
Mariens aina mit der Absicht um«
die Briefe an den Beauftragten des
Prinzen Naprarin zu verkaufen: da
zu aber mußte er sie doch bei der Hand
haben« um sie dein Rechtsanwalt Ber
aer vorzulegen. Außerdem ist es nicht
recht wahrscheinlich daß er ein Besitz
thuin aus den Händen gerieben haben
sollte. das er so leicht am eiaeiien
Leibe verwahren konnte. Jedenfalls
ist es müßig sich den Kopf darüber zu
zerbrechen, ehe sich unsere Vermu
thuna, daß er verheiratliset aerveien
ist« überhaupt bestätiat hat. Wir
müssen setzt oor allem mit diesen-Dorn
browsti iertia zu werden suchen. Ich
werde mich deshalb von Ihnen beur
lauben müssen, gnädiaste Erd-im
denn ich darf keine Zeit verlieren
cderen aefährlichen Menschen aufzuiui
. n.«
Er hatte sich erhoben, und die Kom
tesse reichte ihm die Hand· »Gehen
Sie mit Gott!« sagte sie herzlich. aSie
werden mich doch sogleich von dem
Ergebniß Ihrer Unterredung mit
Dornhroivsti benachrichtigen?«
»Ich werde mir gestatten, Ihnen
das Eraehniß durch Rohrvost mitzu
theilen, und ich werde mir unter al
len Umständen die Freiheit nehmen.
morgen Vormittag mündlichen Be
richt zu erstatten. da ich im Verlauf
des heutigen Tages schwerlich dazu
toinmen dürfte, Ihnen noch einmal
meine Aufwartung zu machen.«
22. K a v i t e l.
Heini war in dem Cluh gegangen,
um die thn unbekannte Adresse Dom
brorvski’s zu erfragen, nnd er hatte
vom Speiiezimmer aus«- den Oberst
lieutenant aus seinem gewohnten
Platz im Rauchsalon sitzen selten. Aber
er hatte eg nicht über sich gewonnen,
ihn zu begrüßen
Gewiß waren die Dinge, die er in
zwischen erfahren hatte, nicht im min
desten danach annetbnn seine Hoch
achtunq und Verehruna fiir den treff
lichen Mann Zu oerrinqern aber er
fühlte, das-; er schon um Der Geheim
nisse willen, de er jetzt vor ihm zu
hüten hatte, Die frühere Unbefangen
heit des Verkehrs nicht mehr wjirbe
gusbringen können, und er münschtez
arum die erste Wiederhegegnuna so"
weit als möglich Hinauszuschieben
Sobald er von den- Diener die
Adresse Dotnhronoslis erfahren hatte,"
machte er sich auf den Weg, den Po
len aufzusuchen, denn zunächst er
ghien es ihm als die allerwichtigste
usgsahe, die Komtesse Hermine aus
ihrer auälenden Sorge uno Ungewiß
heit zu befreien.
Konnte schon die Straße, in der sich
Dombrorvske einquartirt hatte, teines
wegs unter die vornehmeren gezählt
werden, so fühlte sich Heini vollends
überrascht von der Armseliqkeit Des
Hauses, das die ihm im Club angege
bene Nummer trug. und er war sehr
geneigt, an einen Irrthum des Die
ners zu glauben, bis er an einer oer
drei Thüren des obersten Stockwerts
wirklich eine Visitenkarte mit dem Na
men des Polen entdeckte. Jetzt ver
stand er allerdings, warum Dom
brotvsli noch niemals einen seiner
Bekannten aus dem Club eingeladen
hatte, ihn zu besuchen. l
Da irgend eine Möglichkeit zu for
meller Anmelduna offenbar nicht vor
handen war, klopfte heinz an die
durch die Karte bezeichnete Thür, und
das Geräusch eines zurückgeschoben-i
siegels verkündete ihm die Anwesen
iint des Seins-ten
Eine Selnnde später tauchte das
Usstz gelbliche Gesicht des Polen in
seen Spalt der Thiir auf, aber in den
Mchvinqltchen Zügen offenbarte
nichts von irgend welcher Ueber
Man bei dem Anblick des sicherlich
U Herr-atmen Besuches-. - E
, M m den dellfeldM I
’ « « ’ Zufall, da Sie mich
due-—
.Rteu II- I S«
Das war alles. was er auf den
Gruß des Anlömmlinos zu erwidern
Hatte, und so wenia das Erscheinen
des Mannes. der in ihm doch nur
noch einen Feind sehen konnte, ihn in
Erstaunen zu setzen schien, so wenig
Verlegenheit bereitete ihm unver—
Etenndar die Bescheidenksseit der Um
kgebang, in der et sich von dem ele
sannten junan Schriftsteller antref
fen lassen mußte
Man lonnte kaum einfacher und
antbruchsloser wohnen. Wären nicht
die hohen, dicht gefüllten Bächerregw
le gewesen« die zwei Wände des schma
len Zimmerchens vollständig bedeck
ten, so würde man sich in der Betau
suna eines armen Studenten geglaubt
haben. Daß ein Mann. der siir die
Schützlinae des Oberstlieutenantg
oder fiir die in Noth aeratbenen Mit
glieder des Cluhs jederzeit eine ofiene
Hand hatte, für seine eigene Person so
ganz auf jede häusliche Beauemlichleits
Verzicht leisten könne. würde gen-ißt
niemand von seinen Bekannten fürs
möglich ge ,alten haben. i
Aber Dombrorosli selbst hatte das (
fiir offenbar kein Empfindetn Er deu l
tete mit artiaer Handbeweaung aus
den einen der beiden vorhandenen wa
ckeliaen Rohrstiible, während er selbst
sich in einer anscheinend schon zur Ge j
wohnheit gewordenen Bose an das
Bücheraestell lehnte, die oerschleier
ten Augen lalt und ruhig auf das
Gesicht des anderen aerichtet.
»Ich erfuhr von meiner Wirtltin
daß Sie mir während meiner Abwe
senheit Ihren Besuch zugedzcht hat
ten, Herr Dottor«, eröffnete Heinz
das Gespräch
Der Pole stimmte mit leichtem
Kopfnicken zu. »Ja der That —- ich
«nahtn mir die Freiheit, bei J,nen
vorzusdrechen Daß Sie sich aber
daraufhin gleich nach szrer Riicllehr
in eigener Person zu mir bemllhen
würden, ist mehr Liebenswiirdiakeit.
als ich erwartet hätte. Jch bedanke
umsomehr, Ihnen diese Unbeauem
lichleit verursacht Zu haben. als sich
der Zweck meines Besuches inzwischen
erledigt hat«
»Sie haben also seht nicht mehr
die Absichl. mich über diesen Zweck zu
unterrichten?«
»Ich glaube nicht« daß eine Noth
wendialeit dasiir vorliegt Hätte ich
gewußt daß Sie überhaupt und so
aar schon so bald iuriicktehren witt
den, so würde ich es ia vielleicht vor
;te,roaen haben, die Angelegenheit die
mich zu Ihnen geführt, mit Ihnen zu
verhandeln. Da ich aber nicht aus
eine sehr ungewisse Aussicht hin war
ten konnte, mußte ich mich wohl ent:
schließen, damit an eine andere Stelle
»- gilt-»F
»Na-much zur ewan Wazoenoorii
— nicht wahrs«
Doinbroivsli zeigte sich nicht im
mindeften befremdet. »Ganz recht«,
bestätiate er ruhia.«
»Diese Dante aker wünscht in lei
nerlei Verhandluna mit Ihnen ein
zutreten. Sie hat mir Ihren Brief
us lesen aeaeben und hat mich bevoll
mächiiat, Ihre Mittheilungen entge
aen zu nehmen«
»Und ivenn ich Sie ask Unierhänlx
ler ablehnen iviirde?'«
»So würde Ihnen die Graiin an
heimgeben, aani nach Ihrem Ermes
sen zu handeln. Sie selbst io wenig
wie eine der Perionen, die ihr nahe
stehen, hat Veranlassuna. die von Ih
nen angedrohten Schritte zu furch
ten.«
»Es ist mir iehr interessant das zu
hören, und es erleichtert mein Gewis
fen in einer fiir mich höchst erfreuli
chen Weise. Jch darf doch wohl an
nehmen« daß Sie sich diese Erlliirung
der Gräfin Waldendorfs auch fiir Ih
re Person zu eigen in-.1chen?«
»Daß ich Ihre Absichten nicht fürch
te, glaube ich Ihnen fchori bei einer
früheren Gelegenheit erklärt zu ha
ben, Herr Dottor!«
»Und Sie haben sich aus leinem an
deren Grunde hierher bemüht, als
um inir das zu fagen2«
»Ich hatte mich. wie Sie gehört ha
ben, eines Auftrages zu entledigen,
und ich ioar bereit, Ihre Mittheilun
gen entgegen zu nehmen. Da Sie
mir folche aber nicht zu machen wün
schen, will ich Ihnen nicht länger lö
stig fallen.«
Er war sich vollkommen bewußt,
ein gewagtes Spiel zu spielen, indem
er diesen hochsahreiiden Ton gegen
den Polen anschlag, denn mehr noch
als bei der Lettüre seines an die Grä
fin gerichteten Briefes empfing er
jetzt, ivo er dem Manne Auge in Au
ge gegenüberstand, den Eindruck, es
init einein gefährlichen Gegner zu
thun zu haben, mit einein Gegner,
dessen terechnenoe Kälte hundertmal
mehr zu fürchten ioar als die leiden
ischaftlichen Aufwallungen eines von
dein Gefühl persönlichen Hasses ge
leiteten Widersacherö. Aber gerade
weil er zu der Ueberzeugung gelangt
war, daß es Thorheit- sein würde, ir
gend etwas von dein Mitleid oder von
einer anderen menfchlichen Regung
idieles feltfamen, undurchdringlichen
Menschen zu erwarten, sah er für den
Kanin sitt ihin keine andere Mögle
fett als des Versuch i in durch e
Iainsiiak erso- m mission-rei- zu
!
irnponiren, deren er selbst sich als
wirliInier Waffen bediente.
Vielleicht durfte Heinz es als einen
ersten Erfolg dieser Taktik ansehen.
daß Tomototvsti. nachdem er ihn ei
nen Schritt gegen die Thür liin hat
te machen lassen. sagte: »Sie fallen
mir durch-aus nicht lästig, Herr oll
ielderl — Wenn ich Sie auch ni t fo
ohne weiteres als Vertreter der Korn
teffe Waldendorff betrachten tann fo
wird dadurch doch eine Unterhaltung
iibce die Angelegenheit, die uns bei
de in leichem Maße interelsirt, seines
wesss ausgeichlossen Es wäre ja mög
lich, daß Sie selbst inzwischen auf eine
Fäbrte des Mörders gestoßen find
Jlire sieheimnißvolle Reise hatte der
wol-l den Zweck, sie in suchen?«
- »Weobnlb nennen Sie meine Reife
gebeimnißoolli Vielleicht weil ich es
nicht für nothwendig hielt. Ihnen
meine Absicht vorher mitzntlieilen?«
»Nein — nicht deshalb! Jch habe
eine vertrauliche Mittheilnng von
Ihnen ebenfowenia erwartet, als es
für rnich einer iololxen bedurfte. Schloß
Buchberg liegt ja nicht so weitaus
Der Welt, daß sich eine Spur. die man
aern im Auae behalten möchte, nicht
sehr leicht bis dahin verfolgen ließe.«
»Ein richtiges Spionirfyftetn also,
das Sie da einqerichtet haben! —
Wasrbaftia. Sie haben Iehren Beruf
verfehlt, Herr Doktor!"
»Wie können Sie wissen, ob ich mich
mit dem. was Sie die Einrichtung
eines Spionirinitem in nennen be
lieben, nicht mitten in der Ausübung
meines Bernfes befunden habet«
»Hu Ihrer Ehre will ich es einsi
roeilen noch bezweifeln Das Ge
werbe eines Eviong ailt in den Au
nen jedes- Initändigen Menschen fiir
so verächtlich daß man sich nicht leicht
entschließt. einen anderen ohne voll
wertbiae Beweise diefes Gewerbeg zu
verdächtkaen.«
»1ln!·ere Ansichten stimmen da nimi
sont iibereirn mein roertber Herr
Hollselcerf -—— So lange Eie mich
nicht davon übers-essen können, daß
das menschliche Leben etwas anderes
ist« als ein Krirq —- und zwar ein
höchst erscitterten grausamer Krieg,
in dem es weder einen Friedensfchluß
noch auch nur einen Waffenstillstonb
giebt, so lange werden Sie mir wohl
auch ziiaeben müssen, daß die Kund
ichaster in diesem Kriege ebenso nn
entbebrlich sind wie in jedem anderen
Feldrua.«
»Möalich! —- LIlber tvo man eines
oon ihnen habhaft wird. hängt man
ibn nichtådestoweniger an den näch
sten Baum —«
»Ob« schießt ihn obne weiteres
über den Hausen. Gewiß! Aber wo
durch unterscheidet sich denn eigent
lich ein solcher Soion dann noch von
einem Helden? Wird nicht der furcht
lose Einsatz des eigenen Lebens aller
orten als das charolteristische Merk
mzl des Heldenthurns angesehen und
gefeiert? Sollte also der Mann,
der neben seinem Leben auch noch sei
ne Ebre aufs Spiel setzt, nicht im
Grunde noch urn einiges böber ge
schätzt werden?«
»Das sind Spitziindialeiten herl
Dottor Tombrowsli. Sie wissen so
qui wie ich. daß es die Niedrigkeit
und Erbärmlichleit der Beweggründe
ist, die den Muth des Spionz aus die
selbe Stufe stellt mit der Tollliibnbeit
des von Grenzwiiebtern verfolgten
Schmuaglers oder des binterlistigen
Einbrechers. der schließlich auch auf
eine Revoloerluael gefaßt sein muß-"
Die schmalen Lippen des Polen ver
zkaen lieb slitchtia tu sartcstischem Lä
eiteln. »Ah -— da sind wir ja, wie ich
sehe, von einer Verständiauna gar
nicht io sehr weit entfernt. Denn da
rin stimme ich vollkommen mit Ihnen
überein, das-: siir die Beurtkieilung ei
nes Menicken nickt seine Handlungen
an sich, sondern einiia die Verveqs
qriinde seiner Handlungen entschei
dend sein ritrien Unter solchem Ge
sichtswinkel betrachtet aber könnte doch
wohl unter Umständen ein Spion ein
ebenso ebeenroertliee « ienich sein, wie
etirsa eine junae Dame, die sich aus
Freundschaft oder anderen achtungs
iriirdiaen Motiven zur Nachtzeit mit
Hilfe von Nachschlüsseln in die Behau
una eines fremden Mannes ein
schleicht, um ibn Fu bestehlen. Die
allgemeine Verachtung, die bei einer
Entdeckung ja in dem einen Fall eben
so unvermeidlich wäre wie in dem an
deren, schließt. tvie Sie aus diesem
willkürlich gewählten Beispiel erse
hen, wirtlich nicht immer ein unfehl
bar richtiges Urtheil in sich ein.«
Jn tiefster Seele erschrocken, nahm
Heinz alle Energie zusammen, um
wenigstens äußerlich seine Ruhe zu
bewahren. »Ist es Fräulein v. Web
rinaen, aus die Ihr toilltiirlieb ge
wöhltes Beispiel Bezug haben soll,
Herr Doktors«
»Ich babe den Namen der Dame
nicht genannt —- evas Sie vermuthen
wollen, steht bei Jlsnen.«
»Aber das ist eine beispiellose Drei
stigteit. —- Wobet nehmen Sie das
Recht, aus der zufälligen Anwesen
beit der Dame in dem nicht nur von
Mariens, sondern auch von rnir und
von verschiedenen anderen Parteien
bewohnten hause solche Schlüsse zu
ziehen?«
»Wenn Sie Wunsches sind, here
hollselder. daß Fräulein v. Weins-i
gen in der Nacht, da er vor der Thiir
seiner Wohnung ermordet gesunden
wurde, das Zimmer des Otto Mar
iens nicht betreten bat, so baben Sie
teine Veranlassung« sich ieber mein
Beispiel aufzuregen, denn dann ist
die Dame, on die ich dabei dachte,
eben eine andere alt Fräuleinv Weh
ringen. Dasiit ober, da diese andere
in seiner Wohnung gen-e en ist, bosiir
i
besitze ich einen unanfechtbar-en einen
im buchftiiblichen Sinne des Wortes
init händen zu greifenden Beweis.«
«Einen Beweis. den die Komtesse
Waldendorff anen ablaufen solltes«
«Abkauien? — Vielleicht nicht ge
rade gegen die Art von Münze. an ie
Sie deuten mögen. Aber im letzten
Grunde war es allerdings eine Art
von handelsneschiift, das ich der Grä
iin mit aller ichuldigen Ehrerbietung
voraeichlagen haben würde, wenn sie
mich der Auszeichnung awiirdigt
hätte, mich zu empfangen· Da sie es
nun aber. wie Sie sagen, ablebnt, mit
mir zu verhandeln. und da Sie au
ßerdem ganz sicher sind. das-. es nicht
Fräulein v. Wedrinaen war, die in je
ner Nacht das Zimmer des Otto Mar
iens betrat. io kann uns ja das von
mir aeolante Taufchaeichäit nicht wei
ter intereisiren.«
»Es gefällt Ihnen, mich zu verspot
ten: aber ich meine. daß es eines eh
renhaften Mannes würdiger wäre, of
fen und ohne Hinter-halt zu reden.«
,,Ek)renbaft?« wiederholte Dom
broivski. während wieder das kleine,
charakteristische Jucken um seine
Mundiointel spielte. »Was können
Sie sich von einem Appell an meine
Ebrenbaitigieit versprechen, Herr
hollielder, nachdem Sie mich als ei
nen gestiindigen Spion soeben erft den
veröchtlicbsten Auswiirilingen der
Menschheit zugestellt haben? —- Und
ieb bin ein Spion! Ich bestätige es
Ihnen hiermit im oollen Ernst. Ein
Spion, wenn nicht im Solde, so doch
im Dienst der ruisiichen Regierung.
Sie können von dieser Mittbeilung
unbedenklich jeden Gebrauch machen,
den Sie als mit den Interessen Jbrer
Freunde vereinbar ansehen "
»Das beißt: diese meine Freunde
würden es entaelten müssen. wenn ich
mir? einiallen ließe, Sie zu entlar:
ven «
,,Vielleicht! — Das Leben ist ein
Krieg, Herr Hollielder. ein grausa
mer und erbarnsunasloier Krieg, in
dem alle Waffen erlaubt sind - auch
die vergifteten«
»Aber aeaen wen führen Sie denn
eiaentlich diesen Arie-It Gegen ein
paar mebrloie Frauen, die nie in ih
rem Leben etwas Feindieliqeg gegen
Zie unternommen haben!«
»Nicht argen sie· Wenn es diese
wehrloien Frauen wären, die ich als
meine Widersacher oder als die Wi
dersacher des von mir verfochtenen
Gedankens aniöte so wiirde ich we-»
der in jenerNacht zu anen aetommenf
sein« noch würde ich meinen Brief an
die Gröiin Hermine Waldendorff ge
schrieben nahm«
»So bin ich es, den Sie zu treffen
beabsichtigen?«
Donrbrowsti schüttelte den Kopf.
»Was bade ich mit Ihnen zu schaffen?
Ich mache Ihnen sogar tein Hebt dar
aus, daß mir meine Sympathien fiir
Sie bei der Verfolguna dieser Ange
legenheit schon wiederholt recht liiftiaq
und hinderlich gewesen sind, und daß
ich mir erft vorbin bei Ihrem Ein
tritt febr ernstlich vorgenommen ba
de, sie energifch abzufchiitteln.«
»Was Ihnen hoffentlich umso leich
ter werden wird, nachdem Sie von
mir die Versicherung empfangen ds
ben, daß ich diese angeblichen Sym
pathien in teiner Weife ru erwidern
·perrnag«, laate Hollfelder scharf.
»Aber wenn es weder meine Verforh
snoch eine der in Betracht tomrnenven
! Damen ist, aeaen die sich Jbre feind
ifeliaen Absichten richten — wen be
i tämgfen Sie-denn sonst-i«
«:«ehmen Sie an, oan es vie kuran
» net wären. deren Namen die von dem
serrnordeten Mariens zum Kauf ans
gebotenen Brieie der Vrinzesfin Na
prarin enthalten.«
Wohl war Heini irn Gespräch mit
diesem Manne jederzeit auf Außerges
wöhnliches und Ueberraichendeg ge:
frißt. aber seine letzte, im ruhigsten
Tone abaeaebene Erklärung wirkte
aus ihn doch wie ein Faustschlag.
und er mußte Selunden verstreieben
lassen, ehe er Mich wieder hinlänglich
» in der Gewalt hatte. um ihm zu ant
warten.
«Also nicht die russische Regierung,
sondern der Prinz Napraxin ist es,
für den Sie arbeiten?«
»Die Wünsche und Absichten des
l Prinzen kommen tiir mich nur so weit
i in Betracht, als sie sich mit meinen ei
l genen decken. Seine ehelichen Zwistig
leiten interessiren rnick nicht im ge
ringsten. Jch liebe diesen Prinzen
nicht, und siir seine privaten Angele
genheiten würde ich keinen Finger
rühren. Sie sehen, man Linn un
rnöglich oisenherziger sein, alr- ich es
Ihnen gegenüber bin. Vermutblich
wären wir schon erheblich weiter ge
tornrnen, wenn Sie gegen mich die
gleiche Praxis der vertrauensvallen
Aufrichtigkeit befolgt hätten·«
»Sie erwarten wohl taum, Herr:
Doktor, daß ich diese Bemerkung ernst- -
hast nehme. Oder wollen Sie mir
gestatten, die Probe auf Jhre spat
nannte Ottenherzigleit zu machen, in
dem ich Sie ersuche. mir mizutheilen
wie alle diese Dinge su Jhrer Kennt
niß gelangen tonnten?«
»Ich habe gar keinen Grund, Jl
nen ein Geheimniß daraus en machen.
Aber wenn Sie mich verstehen sollen,
muß es mir schon gestattet sein« noch
einmal bis aus vie ersten Anfänge zu
rückzugehew Sie werden wir dann
zugeben. dasz sich alles aui die natür
ltchste Weile von der Welt nnd ohne
jede teuflische Schlauheit von meiner
Seite entwickelt hat. Ei fing, wie
Sie wissen, damit an, daß ich in einer
gewissen Nacht rein zufällig gerade in
dein Augenblick an Ihrem hause vor
über ging, als Sie einer jungen Da
unser-stiftu.
Madame:»1a like t e: ne annehmeer .,iaakette auf der Fischfchijsselk
Köchin: »Ja anädiae Fr u, wenn Eie kiu auteH Werk thun wollen,
dann stiften cie doch mal e: nex« Ylfchbechet fiik die Nichts«
tne has Geleit bis aus die tStaße hin
aus gaben. Meine guten Augen ge
statteten mir das Gesicht der Dame
in allen Einzelheiten zu erkennen, und
es war mir. ais müsse ich dies Gesicht
schon sriiher einmal gesehen haben.
Aber es ionnte nur eine sliichtige und
siir mich hedeutungslose Begeanung
gewesen sein, da ich mich bei meinem
ausgezeichneten Gedächtnis; sonst ohne
Zweifel sogleich erinnert hatten wiirs
de. wo und unter weichen ilmseiinden
sie stattgefunden Auch die zuiiilliae
Wahrnehmung sen-er Nacht interessir
te mich recht wenig, und sie tauchte
erst wieder in meiner Erinnerung aus,
als ich in der Zeitung Von der Ermor
duna des mir völlig unbekannten Ot
to Martens las-, und davon, daß Sie
ee aetvesen seien, der ihn unt drei liht
’ Morgens aus der Haustteppe qesun
T den
Die Sache newanm wie gesagt,
ein newissee1 rein psncktoioaisches Jn
teresse für mich erst mit dem Augen
blick. ais ich die sehr aussallende Vet
ändetuna in Ihrem Benehmen he
merite. Nicht. daß Sie der Krisni
nalpoiitei die Anwesenheit der jun
aen Dame verschwiegen hatten, er
schien mir verdächtig sondern was
mich stutzig machte, war einzia die
sonderbare Vetstiirtheit Jhres Wesens
und die höchst charaiteristischen An
zeichen eines schlechten Gewissens Ich
a auhe nämlich ein ebenso auter Veo
dachtet tu sein. ais Sie ein schlechter;
Schauspieler sind, mein bester Herts
Hollselder.«
»Das alles haben Sie rnir schon
früher angedeutet oder ausgesprochen
Herr Doltori«
«Jawohi, ich isin von Anfang at
ausrichtig gegen Sie gewesen. Jch
habe Ihnen auch schon gesagt an wel
chetn Heitvunit sich das rein alademi
sehr Interesse an dem Fall sur mich in
ein sehr persönliches verwandeltea -
Sie erilä«rten das sei geschehen,!
als Sie die junge Ditnte in der Ge
sellschast der Komtesse Waldendorss
wiedersahen.« l
»So ist es. -—— Und nun muß ichj
mich. um auch weiterhin attsrich". a tit.
sein. wohl entschließen« auch den iet- j
ten Rest von Achtuna preiszuaeiemi
den Sie mir misalichernteise hisherx
noch bewahrt haben. Also ich wußte, (
daß die Komtesse Waldendorss im he s
sonderen Austraae sehr hochstehender
und einsiuskteicher Persönlichieitenj
von russrschen Geheimagenten scharsk
beohachtet werde. Ich wußte es, weils
ich telkit io eine Art von weheimi;
agent der russischen Regierung bin
nicht erit ieit heute und gestern, Ton
dern schon seit dein Tage, da ich alt-(
junger Student die Berliner Univer
sität heiog.« i
»Ist das nun wirklich Jdr Ernst?l
Lver beliebt eg Ihnen noch immer,
sich über mich lustig zu ni.ichen?'·
»Nein, es in mein vouek umsi. Ins-i
iagte Ihnen ja schon. das-, ich mir auf
eine Fortdauer Ihrer Hochachtung
von diesem Augenblick an teine Rech-.
nung mehr mache. Aber lassen Zie
uns bei dem bleiben, wag iiir Sie
Interesse hat! —--- Ich wußte also, dahl
vie Gräfin tür meine Regierung ein
Gegenstand des Mißtrauens war, aber
die Ursache war inir zunächst nicht be
kannt.
Um sie zu erfahren, mußte ich
mich erst mit den betreffenden Peters
huraer Kreisen in Verbindung sehen,
und da ich mich in diesen Kreisen ei
nes weitaehenden Vertraueng erireur.
erlangte ich nach und nach Kenntnis
von Dingen, die allerdings danach an-.
gethan waren, den Fall Mariens iiir
mich in eine ganz neue Beleuchtung zu
rücken. Ich erfuhr, daß die Komtesse
Herinine Waldendoris lediglich in ih-l
rer Eigenschaft als Schwester der ih
rem Gatten entflohenen Prinzessin
Naprarin beobachtet werde, und ich»
wurde dadurch. daß man den Rechts-»
anwalt Berger inir gegenüber van
seiner Schweigevilicht entband, auch
von der Rolle unterrichtet, die ver eh
renwerthe here Matten-I gespielt hat
te. Bei der ireundschaitlichen Natur
Ihrer Beziehungen zu den erwähnten
Damen tann ich wohl annehmen, daß
"alle diese Dinge auch Ihnen bereits
betannt sind.«
»Sie sind knir bekannt-«
»Ich tann mich so turz fassen. —
Man weiß in Pete barg, over rnan
glaubt zu wissen, daß die Peinzelsin
Nahruin während der letzten Mo
nate ihres dortigen Ausenthalts höchst
bedentliche Beziehungen zu Leuten un
terhalten hat, die mit der Organisa
tion einer allgemeinen revolutionä
ren Voltjerhehung beschäftigt sind,
und Sie begreifen, daß man ein sehr
let-hattet und iehr berechtigtes Inte
resse daran hat. sich in den Besih von
seroeitmaterjal gegen diese Leute zu
bringen. Als ein solches Beweis
material nun betrachtet man die Brie
fe, die. zu schreiben die Prinzessm
Navrarin die Unvorsichtigleit hatte,
und die auiiraend eine gesetzliche
oder unlaesetzliste Weise in die Hände
des erioabnten Mariens gelangten«
»Auf eine höchst ungeietzliche Wei
se, wie ich Ihnen versichern kann.
Der Schurke bat sie einem auf der
»Tai- oertvundeten Kameraden mit
sammt feiner Baarschaft gestohlen-«
»Er selbst bat dein Rechtsnntoalt
Beraer aeaeniiber den Erwerb der
illaviere auf andere Weise ertlört, aber
ich bin überteuat dasz Ihre Quellen
iuverliissiaer sind als die Angaben
dieses dunllen Ebrenniannes, und ich
; träte der letzte, mich zu feinem Verthei
idiaer zu machen. Genua, das-, er die
lBrieie besaß, und dasi er tliia genug
Zwar. idren Werts richtig zu taxiren.«'
i »Wer aber bürate Ihren Hinter
’männeru iijr die Echtbeit der von
Mariens- anaebotenen Briefe?« fragte
Heini, einer plötzlichen Einaebuna
folgend. »Komm er nicht aus einer
-!)arrnloien Korrespondenz, die er in
der aeitolilenen Brieftaiche der Ver-—
.!r-undeten voraeiunden ein paar
itaatgaeiäbrliche Dotuniente fabrizirt
haben, mit deren Erwerbuna die Kaus
fer ariindiich angeführt aetvesen wä
ren?'«
Tombroivsti lächelte. »Sie niiiii
ien vie Petersburaer Herren und id
ren biesiaen Bevollmächtigten nicht
für aar io einsiiltia halten. Verebrte
ster! Für hunderttausend Mart tauit
nxan nicht die Katze im Sack, auch
wenn man über unaezäblte Millionen
oerfiiat roie Print Navrarin. Da sich
Mariens aus iehr beareiiiichen Grün
den weiaerte, dem Rechtsanwalt Ber
aer die Einsichtnahme in die anaebote:
nen Brieie zu gestatten, so wurde itan
die Bedinauna gestellt, eine Abichr it
unter Weglassung aller in den Schrift
ftiieten aenannten Namen vorzulegen.
Diese Kopien find dem Vrinzen über
iandt worden« und er bat aus ihrer
Prüfung die Ueberieuauna gewon
nen, daß die Brieie echt iein müssen.
Der charakteristische Stil der Prin
zeifm war von Ansana bis zu Ende
aani unverlennbar, und es sind iibers
dies in den Brieien eine Menge Dinge
erwähnt, von denen niemand außer
idr Kenntniß haben konnte. — Außer
dem aber aab es noch etwas anderes-,
das sehr unzweideutia iiir den wichti
aen und tomproniittirenden Inhalt
der Papiere sprach.
»Und das wäres«
»Das waren die hchen Schweige
aeloer, mit denen sich die Printessin
durch Vermittlung ihrer Schwester
die Verschwiegenheit des Marteng zu
ertausen nesucht hatte Die Damen
leben ja in recht guten Verhältnissen,
aber ihre iliissiqen Mittel sind doch
nickt und-carran und wenn sie be
reitwillia so erhebliche Ovser brach
ten, wie jener unersättliche Herr sie
ihnen zumuthetr. so müssen sie daiiir
tvchl außerordentlich schwerwieaende
Grün-de gehabt haben. Für die Un
terdriidung von harmlosen Korre
spondenzen pflegt man im allgemei
nen nicht Tausende zu zahlen, son
dern man zieht es vor, den Crpresser
der Staatsanwaltschast zu überlie
fern —- nicht wahr?«
hollselder mußte die Antwort schul
dig bleiben, und er drängte, um seine
Verlegenheit zu mastirem in unge
duldiaexn Tone zur Beendigung der
Erklärungen »Aus dem allen also
schönsten Sie die Vermuthung, das;
die Prinzeisin und ihre Schwester an
der Ermordung des Mariens beibeis
ligt seien, nnd daß man sich des Fräu
leins v. Wehringen als eines Wert
zenaes siir die Ausführung der That
bedient habe?«
(Fortsehung spng
Die Putzmacherinnen behaupten,
daß sie bei der Ansertigun der Topf
hiite schweres Geld zugesetzt haben.
Geschieht ihnen recht! Ein so schweres
Vergehen an dem guten Geschmack ver
dient tüchtige Strafe
s I O
s Das Leben hätte genug Wegweiser,
»wenn die Menschen sie zu lesen verstün
den.
. i s
l Aus dem Giornale d’Jtalia zittert
die Posener Zeitung in Nr. 361 die
Lobpreisuug eines Jtalienersx »Selbst
seine unversöhntichsien Gegner müssen
gestehen, daß Wilhelm der Zweite ein
Kavalier vom Scheitel bis zur Kohle
ist.« Das ist die Kohle, die er dann
aus das haupt eben dieser Gegner
sammelt.