Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 24, 1909, Zweiter Theil, Image 14

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    Der verschollene Sohn
Roman von
M. Betzhold
H mmkwvtvjwmn
qMIIIIIIIIIIIvavvvs
(11. Fortsenung.)
10.
Mit trüben und start aerötbeten
Augen saß das Jatiibchen ans- nächsten
Morgen beim Frühstück seinen Eltern
gegenüber.
Papa Riedel klagte über Kopfweh
rindriibrte dabei mechanisch in seiner
Tasse, während die beiden Damen sich
über Felsing unterhielten, der bei ily
nen einen guten Eindruck hinterlassen
hatte.
»Es war zu viel« Jatöbche«, sagte
der alte Herr seufzend, »in-m tun-gi
nirt den eiaenen Körper und später
im Alter zeigen sich die Folgen«
»Jegt berdirb Du mir mit Deinem
moralischen Kater auch noch den War-»
geni« brummte. der Student. »An
der Quantität liegt’s nicht. sondern
an der Qualität!«
»Der Stoff war gut —'«
»Miserabell Dein Weinlieferant ists
ein Giftrnischer.«L s
»Sei doch vernünftig JaköbcheSs
Gefiern Nachmittag um vier Uhr ha
ben wir angefangen und um drei Uhrl
in der Nacht fuhr erst das Schiff, mirs
dem Deine Commillionen beimgefahil
ren sind. Weißt Du, wie viel in die
sen elf Sunden geleistet worden ist?«
»Es ist nicht der Rede werth!"
»Den Kuckuck auch, dreißig Fla:
chm —
»Nicht mehr?" spottete das Jaiöb
eben- »Dann bist Du sehr gnädig
davon getomrnen.«
»Noch eine Tafse gefällig?« fragte
die Mutter.
»Ich danke, Martia aber wenn Du
mir einige Flaschen Bier und einen
hering verfahren lassen wolltest, so
würde ich Dir sehr dankbar sein.«
»Jalöbche hat Recht,' sagte Papa
Riedel, und über sein rothes Gesicht
glitt ein vergnügtes Lächeln, »das
wird uns risieriren.« J
»Aber der Doktor hat Dir das Bier
verboten,« wars seine Frau ein« »Du
solltest aus seinen Rath achten.«
»Ach was, wie lann ein vernünfti
ger Arzt den edlen Gerstensast verbö
nen!« erwiederte der Student in ge
ringschätzendern Tone. »Ihr nanntet
den Fremden gestern ja auch Doktor,
ist er ebenfalls Medicineri«
»Natnrsorscher!« sagte RiedeL
,War rnit dein jungen Steinthal aus
der ,Alernannia’ und hat ihm in As
rita die Augen zugedrücktz ich hat«
Dir das Alles doch gestern Abend er-;
zählt.«
«So? Und jetzt will er hier Stu
dien machen?«
«Bewahre, er will sich aus-ruhen
von der langen Reise.« -
Das Jatöbchen strich die langen!
blonden haare zurück und wars einen
sorschenden Blick aus seine Schwester.
»Mir gefällt der braune Philister
nicht,« sagte er, »ich könnte rnich nicht
rnit ihm besreunden.« «
»Na, na. siir solche Anteparthie
gehe ich nichts,« erwiderte Riedelt
kopfschüttelnd »Dottor Winter ist einl
l
grtzndgescheidter Mensch und die Da
men haben ihn Alle gern.«
»Gerade das ist ein schlechtes Zei
chen« s
»Was sagt ihr dazu?'« wandte Nie-l
del sich zu den Damen.
»Er hat im Allgemeinen Necht,« er
tvkederte seine Frau, »aber seine An
schauung ist zu schroff. herr Doktor
Winter ist tein Schmeichler und er
verdient die Achtung, mit der wir in
unserem hause ihm entgegenkommen.
Jakob wird hoffentlich wissen, welche
RWen er dein Gaste seiner Eltern
III-Ists .-.-«
lus-·
«Natiirlich,« brummte der junge
Mann, »aber das verpflichtet mich
nicht, ihn meiner Hochachtung und
Freundschaft zu versicheru.«
Der Eintritt Lina’s, die das ge
wünschte Frühstück brachte, brach das
Gespräch ab. Jatöbchen füllte sein
Glas und trank es auf einen Zug aus«
dann athtnete er tief auf, um im näch
sten Augenblick mit beneidenswektbem
Appetit über den Hering herzufallen.
»Es isi wirklich merkwürdig," sagte
Riedel ärgerlich, »tommt einmal ein
interessanter Fremder in dieses Nest,
dann ruht man nicht, bis man ihm
irgend etwas angehangen hat, der
Eine weiß mehr über ihn, wie der
Andere. Deinem guten Freunde, den
Du vorn Dampfboot gestern mitge
bracht«hast, wird’s auch nicht besser
n
Hedaß der kein Schwindler ist, kann
lbm Jeder ansehen,«' erwiederte das
JIXW ·
»Was Du den Doktor Winter für
eines Schwiudkerim fragte Eugenie.
»Kaan- nicht sagen, möglich wäre
Das is ja barer Unsinn!« fie«
-. » W seinen- Sohne in’j Wort. .,Eir
M, der Afrila bereist hat
ein Schwindler fein? Wer if
Dein W? Ein Diener-, na
M III pdn Wit- komm
w
sit-.
d
kennt man ja!"
»Ich glaube fiir ihn bürgen zu kön
nen; jedenfalls ift er fiir mich eine an
genehmere Persönlichkeit, als der
braune Naturforscher, der sich. wie es
mir scheint, hier in ein warmes Nest
sesen will.«
«Jatob!« sagte die Mutter entrü
sieh
»Wir werden sehen. wer Recht bat,
ich habe gute Augen und den Herrn
gestern scharf beobachtet«
,,Redensarten!« erwiederte Riedel
;achselzuaend. »Damit lann man Je
den ftranguliren ——"
«Thue mir den einzigen Gefallen
und schaffe Dir ein Fremdwiirterbuch
an,« unterbrach der Student ihn la
chend. .Du.wolltest natürlich sagen:»
haranguiren.« «
»Was ich sagen wollte. das weiß
ich besser wie Du,'· fubr Papa Riedel
fort, »und wer meine Worte nicht ver
steht, der kann ja im Kaufen-anwä
lexiton nachsehen. Wann willst Du
wieder fort?"
»Heute Mittag gleich nach Tisch,
vorher half ich aber noch ein kleines
Geschäft mit Dir adzurnachen. Mein
Wechsel ift alle —«
«Schon wieder Geld, Jalöbche?«
«Nur nicht ängstlich. Papa. Du
darfst Dich nicht beklagen, ich hab’
diesmal lange gewartet.«
»Wie viel brauchst BUT«
.Dreibundert Tbaler sicher. eine
Handvoll Banlnoten mehr nehme ich
auch an.«
Papa Riedel öffnete seufzend seinen
Schreibsetretiir, die Mutter aber
wiegte rnit ernster, bedenklicher Miene
das haupt·
«Du wirft hoffentlich nun auch
bald Dein Erarnen machen," sagte fie«
»fo, wie es fest ist, lann es doch nicht
immer bleiben.«
Das Jalöbchen sah sie detrossen an.
.Findest Du gewiß bald eine An
stellung, es sehlt ja an tüchtigen Leh
rern.«
.Und kannst Du Dir wirklich den
len, daß ich ein oertrockneter Philister
werden soll? Das freie. ungebundene
Studentenleben gefällt mir zu gut,
Mama. und je länger ich studire, desto
mehr lerne ich."
»Nachher wird er gleich Prosessor,«
nickte Riedei. »Was soll er sich denn
lange am Gyrnnasium mit den unge
zogenen Rangen quälen! Er lann’s ja
abwarten, unsere Mittel erlauben e5.«
»Und Du glaubst wirklich, daß er
studirt und lernt?" sragte die Mutter
vorwurssdolL «Jch weiß das besser,
wenn Jakob nicht bald sein Eramen
macht, dann wird er es später gar
nicht mehr machen lönnen. Du soll
test darüber recht ernst und oerniins
tig nachdenken, Jakob, Dein Vater ist
immer zu schwach gegen Dich gewe
sen, er hat die Dinge gehen lassen, wie
sie wollten, aber Du bist nun alt genug
geworden, um selbst an die Zukunft zu
denken.«
»Beim Zeus, das ist die längste
Predigt, die ich je von Dir gehört
hahe!« unterbrach der junge Mann ste,
während er die Bantnoten, die ihm
sein Vater überreicht hatte, einsteckte,
ohne sie vorher zu zählen. »Und heute
Morgen bin ich wirklich nicht in der
Stimmung, Dir aus dieses Feld zu
folgen, Mama. aber ich will mir die
Sache überlegen, vielleicht mache ich
Ldann im nächsten Frühjahr mein Exa
1 Ich-«
»Und dann wirst Du Doktor der;
sFillerlogie?« fragte Riedel mit unver
Ihohlenem Stolz.
»Natürlich, das beißt, um Doktor
zu werden, muß ich noch ein Jahr
länger studiren und dann ein beson
deres Examen machen, ein bewean
ßig schweres Examen. Und dann ko
stet auch der Doktor Geld, viel Geld,
jedem Professor muß man eine Rolle
Goldstücke in’3 Haus schicken, und der
Doktorbut mit dem langen, goldge
stirtten Mantel —«
«ES tann kosten, was es will,« er
wiederte der alte herr, »ich bezahle
Alles, Doltor sollst Du um jeden
Preis werden. Der Hut und Mantel
sollen als ewiges Andenken in der Fa
milie bleiben ——«
»Prosit die Mahlzeit, beides be
tommt der Universitätsvedell so wills
einmal der Usus.«
»Na, bei dem Usius kann der Pe
dell reich werden,« sagte Riedel ärger
lich, »aber wen-« einmal sein muß,
dann können wir nichts sdaran än
dern.«
»Wenn'z nur wirklich recht bald ge
schieht,« erwiederte die Mutter in ern
s stern, eindringlichem Tone, »ein Ende
muß einmal gemacht werden, Jakob.
I nnd zwar je eher, desto besser.«
i Der Student hatte sein Glas ani
. getrunken nnd sich erhoben, die ernsten
: Ermahnungen seiner Mutter schienen
einen peinlichen Eindruck aus ihn zu
L machen.
I
»Ich kann mir nicht nahm« sagte
er, »aber hinaus muß ich. das be
rühmte Mühlrad gebt mir zu gewaltig
im Kopie herum. Sei nur ganz ru
hig, Mama. ich werde mir die Ge
schichte gründlich überlegen und Dei
nen Wunsch. wenn es möglich ist«
gerne ersiillen."
Papa Riedel nahm seinen Stroh
but und begleitete den Sohn.
»Die Mutter meint'ö gut,« sagte er.
alt sie draußen im Garten waren.
»aber nimm es Dir nicht so sehr zu
Herzen, es ist gar so schlimm nicht,
und meine Verhältnisse sind so solide,
wie sie nur sein tönnen.«
»Das weiß ich ja auch, und von
dem Leben aus der Universität kennt
die Mama nichts. So lange man
jung ist ——« «
»Hast Recht,« nickte der alte Herr
eifrig, »Spieszbiirger wird man spä
ter immer noch sritb genug. Gebst
Du mit zum Generali«
»Was soll ich da?'·
»Hm, das gnädige Fräulein wird
"mil jedem Tage schöner, und wenn
Du Doktor bist« tannsl Du an jeder
Thüre antlopsen —«
»Na. dann wollen wir wenigstens
so lange damit warten, bis ich es bin
—- ich gebl in’s Städtchen, srisch vom
Faß schmeckt das Bier besser.«
Papa Niedel blickte mt stolzer Ge
nugtbuung seinem Sohne nach, bis
die stattliche Gestalt verschwunden
war, dann trat er in den Garten des
Generals.
Aus den Arm Elsriedens gestiish
kam der alte Herr ihm entgegen, seine
leuchtenden Wangen verrietben, daß
er seinen gewohnten Frühschoppen
schon getrunken hatte.
»Donnerwetter, Nachbar, das war
in der dergangenen Nacht wieder ein
mal ein lustiges Leben bei anenl«
sagte er. »Ich begreise nicht, wie Sie
das aushalten«
»Wenn man unter oen Waisen rn,
muß man mit ihnen heulen,« erwie
derte Riedel achfelzuckend
»Und Sie haben gar keine Nach
wehen davon?«
»Gott bewahre, frifch wie ein Fifch
im Wasser!«
»Sapperment. das ift eine glückliche
Natur. Sind die Studenten wieder
fort?«
»Nur mein Jaksdche ift noch hier,
er will heute Mittag abreifen.«
Der General hatte auf einer Bank
Plan genommen, Niedet mußte sich ne
ben ihn fegen, Elftiede pflückte einige
Rofen und band daraus einenStrauk
»Ja, ja, wenn man einen Sohn hat,
dann lebt man mit ihm noch einmal
auf,« seufzte der General, während er
mit der Hand über den weißen Kne
belbart strich, »ich hätte das auch ha
ben tönnen —- ader sprechen wir nicht
davon. Es ift ja wieder ein neuer
Fremder im Städtchen, ein guter
Freund des Doktor Winter aus
Wien.« ·
»Das wissen Sie schon?'
»Sapperment, der Hennemann
kommt ja jeden Morgen in mein
haus, und kurz vorher rafirt er den
Rentner Görner —"
»Ja, dann freilich braucht man
nicht nach der Quelle zu fragen,« er
wiederte Riedel lachend, »die Beiden
wissen ja Alles, was im Städtchen
vorfällt. Ueber den Fremden fekdft
kann ich seht noch nicht urtheilen, wir
wollen’s abwarten, bis wir ihn ken
nen gelernt haben. Sie fühlen sich
wieder wohk?«
«Dante, ich hin zufrieden. es geht
von Tag zu Tag besser.'
»Und den Doktor ärgert das gewiß,
weil es nicht fein Verdienft ift?«
«Jlu, Ucl soll lllll UUUJ klkllslul ill
Haus toinrnen!" fuhr der General aus,
»die Sappe, die er mir eingbrockt hat,
vrgesse ich ihm sobald nicht. Sind
Sie auch als Zeuge gegen die Frau
Hesz vorgeladen?"
»Betoahre, was habe ich denn mit
der Frau zu schaffen?«
, »Und ich soll bezeugen, daß sie mich
« turirt hat. Der Doktor hat sie ange
zeigt und aus ihre Bestrafung ange
tragen, und sie hat doch weiter nichts
gethan, als die Kranken behandelt,
denen er nicht helsen tonnte.« s
Der Blick Riedeks ruhte sinnendä
aus der schlanken Gestalt ElsriedensJ
die nahe genug war, um jedes Wort
verstehen zu können, langsam wiegte
er das haupt.
»Das ist denn auch ein Stückchen
Geschöstzneid,« sagte er, »und man
könnte darüber lachen, wenn's nicht
eben sür die arme Frau traurig wäre.
Machen läßt sich dagegen nichts, der
Doktor ist in seinem Recht, und die
Gesese werden ihn schiigen.«
»Na ja, aber ich meine, er hätte ihr
das tleine Einkommen gönnen tön
nen,« polterte der General, »er als
einzelner Mann hat sein reichlichei
Austern-nen, und mit dem Deß spa
es nicht zum Besten stehen«
»Ja wie sern?«
»Die Stadtverordneten wollen ihn
absehen.«
»Dann rniissen sie ihn pensioniren.«
«EO wird wenig genug sein, was sie
ihm als Pension aussehen. Allerdings
ist der Deß verschlissen, aber ich meine,
rnan fände immer noch ein Uenitchen
silr ihn; einen alten Diener, der seine
Pslichten treu ersitllt hat, seht man
H.«kk»»—,--.-A k--—..-..-,—sp-»-.-»p.-«» » -..—- .. -»-.-.
doch nicht ohne Weiterej vor die
Thür.«
Der General winkte nach diesen
Worten seinem Burschen, welcher in
respektvoller Entfernung der Befehle
des alten Herrn harrte, und Peter
brachte gleich darauf Wein und Ci
garren. Riedel wollte danlend ableh
nen, aber der General zwang ihn, die
Cigarre anzuziinden, und beobachtete
ihn dabei scharf von der Seite.
.Wenn ich Stadtverordneter wäre,
so hätte ich längst die Anstellung eines
anderen tüchtigen Polizeidienere be
antragt,« nahm Riedel das Wort,
nachdem er die Cigarre in Brand ge
sest hatte, «rnit dem des ist gar nichts
anzufangen gewesen« so lange wie ihn
haben. Ein Barnahas war er frei
lich, aber wenn es sich urn ein schweres
Verbrechen handelte, hat er noch nie
den Thöter erwischt.'«
! »An anderen Orten tornnrt das auch
vor.«
» »Doch nicht so oft. Jst der Mörder
des Försters entdectt worden?"
»Leider nein, ich gäbe viel darum,
wenn er jetzt noch entdeckt würde!«
»Und der Einbruch bei Ihnen —«
»Ich hab's verfchrnerzt, es war kein
großer Verlust.«
»Groß oder nicht; wenn der Thäter
nicht gefaßt wird, sind wir Alte im
Städtchen vor einem Eint-euch nicht
sicher.« » -
»Ah bah, der Betreffende ist tangn
über alle Berge.«
»Und man hat ihn nicht verfolgt?«
»Nun ja, es ist Alles geschehen, was
geschehen konnte,« sagte der General
mürrisch, »aber der Strolch war
schlauer wie seine Vetfolger, er ists
entkommen, und würde er heute noch;
berhaftet, so könnte ihm wahrschein-;
lich nichts bewiesen werden, da dasj
geitohlene Geld jedenfalls verausgabh
ist. Sapperment, wie blaß Sie ge-’
worden sinds« s
Papa Niedel strich mit ver hanvs
über seine schweißbedectte Stirne und
sah mit einem Blick voll Zorn und
Widerwillen auf feine Cigarrr.
»Sie haben mir da ein schweres
Krau gegeben,« sagte er, «ich kann’s
nicht vertragen —"
«Bah, Sie haben dieselbe Sorte im
mer bei mir getaucht und sich nie da
rüber beklagt. heute können Sie das
Rauchen überhaupt nicht vertragen,
lieber Riedel, ich habe Sie nur aus die
Probe stellen wollen, um mich zu über
zeugen, ob Jhnen die Kneiperei in der
vorigen Nacht wirtlich so gut bekom
men ist, wie Sie vorhin behaupteten.
Sie haben die Probe nicht bestanden,
was folgt daraus? Daß Sie mir vor
hin nicht die Wahrheit sagten.«
Ein heiteres Lachen, das nicht frei
von Schadenfreude war, folgte diesen
Worten. Papa Niedel aber stand rasch
auf und entfernte sich; er fühlte sich
durch diese Entlarvung so tief belei
digt, daß er sogar hastig an der Ge
neralin borbeieilte, die eben aus dem
Hause kommend ihm begegnete.
»Was hat denn Herr Wedel-P
fragte die Gemahlin erstaunt, während
sie aus der hand ihrer Tochter das
Rosenbouquet in Empfang nahm«
»Ich habe ihm nur bewiesen, daß er
mit seinen Aufschneidereien mich nicht
hinter's Licht führen tann,« erwiederte
der alte Herr vergnügt, »und eine
kleine Strafe hat er schon deshalb
verdient, weil er in der vorigen Nacht
keine Rücksicht auf feine Nachbarn
nahm. Jch habe die halbe Nacht nicht
geschlafen, und er fand es nicht ein
mal- niithig, sich wegen dieses Heiden
liirms bei mir zu entschuldigen.«
Die Generalin halte neben ihremj
Gatten Platz genommen, ihr Blick!
ruhte voll ernster Besorgnisz aus dem
hiibschen Mädchen, das in ziemlich bses
tröchilicher Entfernung neben dem
Gärtner stand.
»Ich siirchte, der junge Riedel wird
nie ein nützliches Glied der mensch
lichen Gesellschast werden,« sagte sie
leise, »schade um ihn, ei- ist ein hüb
scher Mann und ich glaube auch, daß
er naiirliche Anlagen hat·"
»Die Eltern sind daran schuld, Me
lanie!«
»Die Mutter wohl nicht« ihr macht
der Leichtsinn des Sohnes Sorge ge
nug und sie läßt es an ernsten Er
rnah ngen nicht schlen. Papa Nie
del iToernarrt in die Studententappe,
und ie alle Leute« die von nichts zu
etwas geiommen sind, glaubt auch er,
Irnit seinem Vermögen Alles zwingen
zu können. Natürlich glaubt sein
Sohn, daß er einst ein reicher Mann
wird, weshalb soll er lernen und sich
um eine Anstellung bemühen, wenn er
weiß, daß Nahrungssorgen niemals
an ihn herantreten tönnen?«
»Sapperinent, Melanie, so sicher ist
das doch nicht.« erwiederte der Gene
ral. »Und tritt er mit diesen Jdeen
später einmal die Erbschaft an, dann
wird er auch bald damit sertig wer
den. Aber was tiimmert das unsi«
»Im Grunde genommen nichts,
Riemens, dennoch iiinnten auch wir
genöthigt werden« uns mit dieser An
gelegen it zu beschiisttgen.«
»Ja lcher Wetsei«
»Frau Medel ließ vor einigen Ta
gen eine Aeuherung stiller-, die mich
ziemlich unangenehm berührte, sie be
tras ihren Sohn und Elsriede.«
»Der General zog die buschigen
Brauen zusammen und strich iangfatn
die Afche von feiner Cigarrr.
»Alte) das liegt in ihrem Pian?«
fragte er. »Na« über die Vorurtheile
unseres Standes bin ich hinaus, Me
lanie, und unter anderen Umständen
würde ich gegen diefe Verbindung
nichts einzuwenden haben, vorausge
sedt, daß Eifriede ihr Jawort gäbe,
ader wie die Dinge jeht liegen, ift
nicht daran zu denken.«
»Das konnte ich der Frau Riedei
auf jene Aeußerung hin nicht fagen,«
erwiederte die Generaiin, »und fo
werden wir uns daran gefaßt machen
müssen, daß iiber kurz oder lang eine
formelle Werbung erfolgt s-—"
»Doch wohl nicht eher, bis der junge
Herr fein Eramen gemacht hat, und
ich glaube, damit hak- noch gute
Wege. Da ionunt der Doktor Win
ter mit dem fremden Verkn, ich
fürchte, der hat auch Absichten -«
Er ch ad« die beiden herren wa
ren ra ch näher gekommen.
Bruno Winter stellte feinen Freund
vor, Peter mußte einen kleinen Tisch
und einige Gartenfessel holen, und
Eifriede tam nun auch, um den Frem
! den kennen zu lernen, über den Enge
nie fchon am Abend vorher mit ihr
aeivrochen hatte.
Felsmg schien sich etwas befangen
zu sühlen, er beantioortete die an ihn
gerichteten Fragen turz und nahm an
der Unterhaltung, die der Doktor in
seiner lebhaften und geistreichen Weise
führte, nur selten Antheii. Es tonnte
ihm nicht entgehen, daß die schönen
Augen Elsriedens sich ost mit sor
schendem. sast mißtrauischem Aus
drucke aus ihn richteten. «
Jhm selbst konnte ein solches Miß
trauen schwerlich gelten, ihn kannte ja
hier Niemand, aber der Doktor weilte
schon längere Zeit an diesem Orte,
sollten die scharsblickenden Augen der
jungen Dame ibn schon durchschaut
und die ganze Richtigkeit seines Cha
rakters erkannt haben? Auch das war
schwer anzunehmen, Bruno Winter
verstand es ja meisterhast, sich bei den
Damen beliebt zu machen und ihre
Gunst im Fluge zu erobern.
Jn der That hatte Elsriede bald
erkannt, dasz die Beiden nicht so innig
besreundet waden, wie der Dottor be
hauptete.
(Fortsetzung solgt.)
cbsiste see-s
Tie Bedeutung des Obstgenussej
geht weit über das Behagen hinaui,;
das die meisten Menschen dabei empsi
finden, obgleich auch dies allein siir die -
Beförderung der Ehlust und der Ver-«
dauung wichtig genug wäre. Die
Früchte enthalten gewisse Salze in ehe
mischem Sinn, die siir den Ausbau
der Gewebe unseres Körpers wesent
liche Dienste leisten, indem sie gerade
in solchen Verbindungen sich befinden,
die unmittelbar von den Geweben aus
aenommen und veriverthet werden
sonnen Selbst die unverdaulichen fase
riaen Bestandtheile der verschiedenen
Lbstarten werden noch als ein heilsa:
nies Reiimittel sür die Darmthöti leit
betrachtet. Die besonders sast gen
Früchte haben aber noch andere Eigen
schaften, die elenso wichtig sind, aber
nicht so oit in entsprechenden Betracht
gezogen werden. Die organischen
Säuren, die darin enthalten sind, der
einigen sich mit dem Eisenaehalt seste
rer Nährstosie zu apielsauren citro
nensauren usw. Salzen Diese treten
zu den Verdauunasszisten im Darm
in Beziehung. und dadurch wird das
Eisen löslich und kommt zur Wirkung
aus den Körper. Dieser Vorgang ist
selbstverständlich von allergrößter
Wichtigkeit, zumal das dadurch erzeug
te Eisen leicht und ohne Reizung vorn
Körper ausgenommen wird. während
es sonst vielsach unaenutzt verloren
aebt, weil es nicht in die eigentlich
lösliche Form cebracht wird. Dieser
Umstand sollte lchan allein eum Be
weise aeniigen, daß die Beimischung
von Obst zu andern Streifen weit mehr
zu leisten bat als eine Befriedigunq
des Wunsckeg nach Abwechslunm Es
eraibt sich daraus ferner, daß eine
solche Maßreael siir alle Blutarmen
ein Gebot sein sollte, von dessen Et
sülluna die Heiluna geradezu abbiins
aen lann. Allerdings ist von manchen
Fachleuten bestritten worden, daß or
ganische Eisenverbindunaen aeaen
Blutarmutb überhaupt von Nutzen
sind, aber dieser Zweifel läßt sich bün
dia residerleaen.
Außerdem enthalten nun die saft
reichen Früchte noch ein oder mehrere
Gäbrstoise oder sogenannte Ferment
törper. die außerordentlich wirtsam
sind. Aus der Betbätiguna solcherFer
mente beruhen die meisten Verände
rungen und Zersehunaen von organi
schen Verbindungen in der Natur.
Eine Tinktur von Diaitaliö, dein gis
tigen, aber in der Heiltunde so ost ge
brauchten und unentbehrlichen Saft
des inaerzuts verliert z. B. durch
den inslu eines Ferments nach zwei
äabten von selbst ihre ursprünalichen
iaenschasten, und dasselbe ist mit
dem Sast der bitteren Mandel der
Fall. Noch viele andere Beweise ähn
licher Art könnten sitt die Bedeutung
der Fermente im allgemeinen und der
in den Ob sorten im besondern beiges
bracht tret n. Nun könnte man met
nen, daß die wissenschastlichen Be
hauptungen iiber die nühlichen Vor
ange, die der Obstgenuß in unserem
örper hervorruft. doch nur aus Ver
muthungen beruhen, weil sie sich tm
, ---;q;--kH--- —
Jnnern des Körper abspielen, wohin
das Auge nicht dringt. Ein hervor
ragender Chemiter. Dr. Sbarp. bat
jedoch in einer langen Reihe von Er
perimenten die Wirkung verschiedener
Fruchtsäste aus crganische Stoffe. die
in der Zusammensetzung auch dies
menschlichen Körpers die wichtigste
Rolle spielen, über jeden Zweifel ge
rechtfertigt Er untersuchte die Säfte
von Stachelbeeren, reisen Kirschen
Orangen, Birnen und reisen Aepfeln,
indem er sie mit Eiweißstossen, wie sie
unsern Körper aufbauen, zusammen
brachte. Aus den im «Laneet" zu
sammengesaszten Ergebnissen dieser
Versuche ist an allgemeinen Regeln zu
entnehmen: Um den grüßten Nutzen
von sastigen Früchten zu ziehen, soll
ten sie atn Ende der hauptmablzeit ge
gessen werden. Eine Ausnahme da
von machen Bananen, die mehr als
Nahrungsmittel zu betrachten sind.
Geschmattes Obsi,«das oft als förder
lich sür dieVerdauung empfohlen wird.
tbut seineWirtuna in 9 von 10 Fsllen
nur unter Beobachtung bestimmter Ne
geln. 6 oder 8 gefchmorte Pflaumen
eine halte Stunde vor dem Frühstück
gegessen, werden diesen Einfluß zeigen,
; während er bei dem Genuß der doppel
!ten Menge, namentlich wenn sie gleich
zeitig oder nach einer Mahlzeit genom
men wird, durchaus versagt. Dasselbe
ist von geschmorten esffeigen oder Aep
« seln zu sagen. Als besonders wertbooll
bezeichnet Dr. Sbarp einen Salat von
Orangen. Zu achten ist dann noch
darauf. daß viele Früchte. namentlich
Trauten, Irenn sie aus ziemlich leeren
Magen genossen werden, dessen Söure
zu sebr steigern. Trauben sollten also
stets nach der Hauptmahlzeit genom
Imen werden. Zu einer Mahlzeit 1
Dutzend Bananen, 1 Pfund Stachel
beeren, robe Aepsel oder Trauben zu
essen, lann ebenso ungünstige Folgen
haben. toie die rücksichtslosen Ueber
treibungen oegetarischer Lebensweise.
; Its see-würdiger Hausfrau-um
Einer der merkwürdigsten und am
wenigsten bekannten Vollsstärnme ist
ssicherlich der Stamm der Ona im
sFeuerland Es ist ein Stamm von
Jägern und Freibeuterm die Knaben,
o erzählte ein italienischer Missionar,
wetten, sobald sie das Mannbarleits
»alter erreichen, von ihren Gespielen ge
ftrennt und müssen zwei Jahre lang
iganz einsam leben; nach dieser an
grausamen Opfern und Irrungen rei
lchen Priisungszeit erst diirfen sie sich
zu den Erwachsenen gesellen. Die
größte Gunst, die man ihnen gewährt,
steht darin. daß» man ihnen gestatx
tet, sich während ihrer Absonderung
einen Hund zu halten. Die Frau wird
bei den Ona wie ein Thier behandelt
und zu bedingungslosemGehorsam ge
zwungen. Eine Frau nehmen dars ein
junger Mann erst dann, wenn er das
20. Lebensjahr erreicht und llar be
iwiesen hat, daß er noch eine zweite
stjsterson ernähren kann. Er muß sich
dann seine Lebensgesährtin aus einer
andern, möglichst seindlichen Volls
grubpe holen. Während der Zeit, die
der Hochzeit vorangeht, tann der
Bräutigam mit Sicherheit daraus
rechnen. dasz die Gruppe, der die
Braut angehört, ihn herzlich und gast
Ilich ausnehmen wird; nach der Hoch
’zcit aber werden die Feindseligkeiten
sosort wieder ausgenommen. Es gab
eine Zeit, in der die Ona buchstäblich
decimirt wurden. weil sie, als gebo
reneViehräuber, dieHeerden der in der
Nähe wohnenden Biehziichter übersie
len und beraubten. Die Zitchter setz
» ten aus jeden lampsunsähig gemachten
Eingeborenen einen Preis aus. Zu
erst brauchte man nur den Kriegis
»gen eines Eingeborenen vorzuzeigen.
Iurn den Preis zu erhalten; als jedoch
» die Männer, die die Sau-Jagd zu ih
irer Spezialität gemacht hatten. ihre
ZAustraggeber zu betrügen begannen,
s wurde der Preis nur dem gezahlt, der·
s den Stalp eines getödteten Eingebore
»nen vorzeigen konnte. Bald trsuhr
man jedoch, daß die angeblich slalpir
ten Eingeborenen ruhig weiterlebten;
von diesem Augenblick an mußten die
Jäger, wenn sie die ausgesetzten Prä
mien einheimsen wollten« den Aus
traggebern die bon den Nümpsen der
Opser abgeschnittenen Köpfe präsen
tiren. Als Ona-Itäger zeichnete sich
besonders ein gewisser Sam Hessolp
aus, der sich riihmte, 500 Ona, Kin
der undErwachiene, getödtet u haben
Jeder Kopf wurde ihm anitondslos
bezahlt. Aus diese Weise wurde in der
it zwischen 1890 und 1900 der
tamm der Ona sast vernichtet. Sara
Dessolp starb vor zwei Jahren, und
seit damals steht die Eingeborenenjagd
jnicht mehr aus der höhe. ,
—
Dasz eine Dame zum Professor der
Mathematik an der Universität von
Calisotnia ernannt worden ist, wird
höchstens Junggesellen in Erstaunen
setzen. Jeder Ehemann weiß. wie nur
eine Frau im stande ist, so zu rechnen,
daß mit tleinen Einnahmen ein großer
Haushalt geführt werden kann. Und
das ist ein Problem, das andere Pro
fessoren nicht-.l zu litt-sen vermögen.
M
Der in New York zum Besuch wei
lende her-zog von Newcastte hat er
klärt, daß die hand, die die Kinder
wie t, nicht imstande ist, das Staats
schifs zu lenten. Wiegt man in Eng
land noch di:I Kinder?
i
Gleichgültigteit, Achtiosigteit und
Trägheit sind Widersatcher, die ver
Wahrheit mehr Abbruch tun als ab
sichtlicher Betrog.